Leibeigene in Klöstern

Wieviele Leibeigene gingen eigentlich ins Kloster? Ich meine, dort ging es ihnen eigentlich viel besser. Sie hatten zu essen, mussten nicht so hart arbeiten, ...
warum ging dann eigentlich nicht jeder Bauer ins Kloster? Gab es da einen Haken, war es ihnen überhaupt erlaubt?
Fragen über Fragen :winke:
 
Genau genommen war die Leibeigenschaft ja ein Arbeitsverhältnis zwischen Bauer und Grundherr. Der Grundherr gewehrte dem Leibeigenen militärischen und juristschen schutz, stellt ihm einen z.b. einen Hof zur Verfügung, den er dann für ihn verwalten musste. Dass der Bauer dabei ziemlich ausgebeutet wurde, und gerade bei schlechten Ernten in ziemliche Probleme geraten konnte ist offensichtlich und allgemein bekannt, aber ich glaube nicht, dass er den "Vertrag" mit seinem Leibherrn einfach auflösen konnte um in ein Kloster zu gehn.

Hinzu kommt, dass viele Grundherren dem Klerus angehörtet, also für die Kirche tätig waren. und gerade die Kirche fordete noch mehr Abgaben von den Bauern. Der sogenannte "Kirchen-Zehnt" war auch nicht von Pappe!

Soweit ich weiß hatten auch die Klöster Sklaven und Leibeigene, die sie nach Belieben ausbeuten konnten. Ob sie also da nicht so viel arbeiten mussten sei mal dahingestellt!
 
Hallo William,

ich versuche es - da leider gerade ohne Zugriff auf entsprechende Literatur - erst einmal mit einer etwas vereinfachten Betrachtung.

William Wallace schrieb:
Wieviele Leibeigene gingen eigentlich ins Kloster?

Wie erwähnt kann ich gerade nicht nach genauen Zahlen (so es welche gibt) suchen.
Allerdings sammelten sich in Klöstern mW oft nachgeborene Söhne des Adels bzw. Adelstöchter, die nicht verheiratet werden konnten - zumindest gilt dies für das Hochmittelalter.

William Wallace schrieb:
Ich meine, dort ging es ihnen eigentlich viel besser. Sie hatten zu essen, mussten nicht so hart arbeiten, ...

Das mit dem Bessergehen ist so eine Sache, und außerdem bedeutete Leibeigener Bauer nicht zwangsläufig Hungersnot o.ä.
Erstens bedeutete der Eintritt ins Kloster auch die vollständige Abwendung vom weltlichen Alltagsleben - Gelübde: Armut, Keuschheit und Gehorsam... Das bedeutet immerhin, daß man sich einer recht strengen Reglementierung zu unterwerfen hatte.
Zweitens galt in den meisten Klöstern das Prinzip ora et labora, so daß auch dort ein arbeitsreicher Lebensalltag herrschte (gerade auch, wenn man nicht von Adel war)!

William Wallace schrieb:
warum ging dann eigentlich nicht jeder Bauer ins Kloster? Gab es da einen Haken, war es ihnen überhaupt erlaubt?

Ja, und letztendlich brauchte man als Unfreier die Erlaubnis seines Herrn, um in derartige Gemeinschaften entlassen zu werden - zumindest hatte ich das so in Erinnerung...

In diesem Sinne

Timo
 
timotheus schrieb:
Ja, und letztendlich brauchte man als Unfreier die Erlaubnis seines Herrn, um in derartige Gemeinschaften entlassen zu werden - zumindest hatte ich das so in Erinnerung...

Das wahr allerdings so! Er bestimmte wann und wen man heiraten durfte, wo man sich aufhalten konnte usw... Auch wenn man versuchte zu fliehen wurde man meist mit Gewalt zurückgezwungen!
es gab nur eine Möglichkeit sich vom Leibherrn loszusagen, und zwar in dem man eine Stadt erreichte und dort dauerhaft (glaube mehr als 3 Jahre:grübel:) aufgenommen wurde!
Aus diesem Zusammenhang stammt auch der Satz: "Stadluft macht frei!"
 
"In weltlicher Hinsicht waren die Äbte jedoch oftmals eigenständige Lehnsherren über ihren Besitz, der meistens auch Leibeigene beinhaltete, die den Grundbesitz des Klosters bewirtschafteten, in der Regel als Feudalfürst lediglich dem Staatsoberhaupt unterstellt und somit den wichtigsten Adeligen des Landes gleichgestellt."
Quelle: http://www.magister-rother.de/scriptorium/jansklosterleben.php4
---> vll ganz interessante Darstellung der mittelalterlichen Klöster :schau:
 
Benjamin schrieb:
... es gab nur eine Möglichkeit sich vom Leibherrn loszusagen, und zwar in dem man eine Stadt erreichte und dort dauerhaft (glaube mehr als 3 Jahre:grübel:) aufgenommen wurde!
Aus diesem Zusammenhang stammt auch der Satz: "Stadluft macht frei!"

Es hieß mW "auf ein Jahr und einen Tag", wurde aber wohl von Stadt zu Stadt mitunter verschieden gehandhabt - was an der Aussage aber grundsätzlich nicht viel ändert.

Noch eine Anmerkung zu dem Link: eine gute Abhandlung zu mittelalterlichen Klöstern, wenngleich der Verweis auf weiterführende Literatur wünschenswert gewesen wäre.
 
timotheus schrieb:
Das mit dem Bessergehen ist so eine Sache, und außerdem bedeutete Leibeigener Bauer nicht zwangsläufig Hungersnot o.ä.
Erstens bedeutete der Eintritt ins Kloster auch die vollständige Abwendung vom weltlichen Alltagsleben - Gelübde: Armut, Keuschheit und Gehorsam... Das bedeutet immerhin, daß man sich einer recht strengen Reglementierung zu unterwerfen hatte.
Zweitens galt in den meisten Klöstern das Prinzip ora et labora, so daß auch dort ein arbeitsreicher Lebensalltag herrschte (gerade auch, wenn man nicht von Adel war)!


Auch wenn man sich vom weltlichem Geschehen abwandte, wäre man glaub ich schon besser dran gewesen.


timotheus schrieb:
Ja, und letztendlich brauchte man als Unfreier die Erlaubnis seines Herrn, um in derartige Gemeinschaften entlassen zu werden - zumindest hatte ich das so in Erinnerung...

Aber wie kam es dann, dass so viele Klöster erbaut wurden?
 
William Wallace schrieb:
Auch wenn man sich vom weltlichem Geschehen abwandte, wäre man glaub ich schon besser dran gewesen.

Das ist eben relativ; wie ich schon erwähnte, unterwarf man sich dort freiwillig einem anderen Regiment (was auch nicht unbedingt jedermanns Sache war).

William Wallace schrieb:
Aber wie kam es dann, dass so viele Klöster erbaut wurden?

Dazu ein zusammengeraffter und damit verkürzter Auszug aus Wilhelm Volkert "Von Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters", wo Phasen der Klostergründungen angesprochen werden...

Wilhelm Volkert schrieb:
... Sie (die Klöster - Anm. von mir) waren kirchliche und geistige Zentren für das Land ihrer Umgebung; durch das dem benediktinischen "Ora et labora"-Grundsatz folgendem christlichen Arbeitsethos wurden sie auch zu Wirtschafts- und Gewerbezentren...
Klostergründer waren die Angehörigen der vermögenden Adelsschicht und der König. Die Bischöfe waren an der Vermögensfundierung der Domklöster beteiligt...
Die Phase der hochmittelalterlichen Klostergründungen ging im 12. Jh. zu Ende. Jedes Adelsgeschlecht besaß ein Hauskloster; die bedeutenderen Sippen hatten mehrere Mönchsgemeinschaften eingerichtet und mit Gütern ausgestattet. Im 13. Jh. kamen Klostergründungen auf dem Land nur mehr vereinzelt vor. Jetzt standen in den neuen Städten Ordensniederlassungen der Dominikaner (gegründet 1215) und der Franziskaner (gegründet 1209). Ihre in besonderer Weise dem Armutsideal verpflichteten Mitglieder waren als Prediger und Seelsorger für die Stadtbevölkerung tätig. Diese neuen Orden lebten von Opfern und Almosen der Gläubigen; größeren Grundbesitz erwarben sie nicht...

Grundsätzlich ist dem noch hinzuzufügen, daß es der Frömmigkeit des Mittelalters entsprach, derartige Anlagen zu begründen bzw. diesen später auch Schenkungen zuteil werden zu lassen.
Außerdem darf nicht leichtfertig darüber hinweggesehen werden, daß sich - wie in weiten Teilen des Klerus auch - in den Klöstern vor allem die Gelehrten des Mittelalters konzentrierten, denn selbst der Adel löste sich größtenteils und vollständig erst im 12. und 13. Jh. vom Analphabetismus.
 
Ich mach mal einen kleinen Einwurf:

Natürlich waren es, vor allem auch im 10. und 11. Jahrhundert viele Arme, die den Schutz der Klostermauern suchten. Als Reaktion darauf führten einige Orden, wie etwa die Vallombrosaner oder die Zisterzienser, die Laienbruderschaft ein. Laien deshalb, da die Zufluchtsuchenden nicht als im Kloster erzogenes Kind (nutritus), sondern als Erwachsene in die Ordensgemeinschaft eintraten und somit keine mönchische Ausbildung genossen. Die Laienbrüder wurden zwar als Mönche akzeptiert, hatten aber nicht die gleichen kultischen Rechte; meist fungierten sie als servi des Klosters.

Ferner ist noch ein weiteres Phänomen zu beobachten. Bevor ich damit anfage, möchte ich aber auch noch einmal das unterstreichen, was timotheus bereits mehrmals erwähnt hat: Für den Menschen des Mittelalters war Frömmigkeit eine Selbstverständlichkeit und er sah sich in eine göttliche Ordnung eingebettet. Neben den wirtschaftlichen Interessen, die einen Eintritt ins Kloster attraktiv machen, spielt natürlich auch das religiöse Bedürfnis der Menschen eine große Rolle. So entwickelte sich eine regelrechte Mönchs-"Subkultur", in der sich ganze Famililen oder kleine Dörfer zu so genannten fraternitates zusammenfanden. Sie hatten aufgrund ihrer Vielzahl keinen Platz mehr hinter Klostermauern gefunden und so wurden sie zu einem weitläufigen Geflecht, dass sich die Orden als Vorbild nahm, in sich jedoch eher unstrukturiert war.

Ein letztes möchte ich noch anmerken. Die Regula Benedicti schreibt vor, dass derjenige, der sein Leben dem Orden widmen möchte, zuerst seinen Willen unter Beweis stellen muss. Das tagelange Ausharren vor den Toren des Klosters war also keine Seltenheit, bis sich der Abt schließlich erbarmte und Einlass gewährte. Natürlich stand es im Interesse der Orden, möglichst viele begüterte Neueintretungen zu haben (die Franziskaner vielleicht ausgenommen). Ein Zwang zur Aufnahme bestand nicht und so kann ich mir durchaus vorstellen !!Achtung, hier fängt die Spekulation an!!, dass es für reiche Orden, wie die Benediktiner keine Selbstverständlichkeit war, Neulingen die Tür zu öffnen, sofern bereits genügend Laienbrüder vorhanden waren.
 
William Wallace schrieb:
...Aber wie kam es dann, dass so viele Klöster erbaut wurden?

Soweit ich informiert bin, musste die Tochterklöster Abgaben an das Mutterkloster entrichten, so dass es für jedes Kloster wirtschaftlich und wohl auch machtpolitisch interessant war Tochterklöster zu gründen.

Bevor jedoch ein Tochterkloster gegründet werden durfte, musste erst die Grundaustattung des neuen Klosters erwirtschaftet, bezw. geschaffen werden. Was das im Einzelnen war, weiss ich im Moment nicht mehr, nur soviel, dass auch der Grundstock an Büchern für die Bibliothek des neuen Klosters gestellt werden musste. Das geschah meist durch Abschreiben und Kopieren. Ein langwieriges Unterfangen.

mfG Jürgen
 
Laienbrüder

Anlässlich einer Führung im Zisterzienserkloster Eberbach (Rheingau) berichtete unser Führer :nono: (...der von unserer Besuchergruppe natürlich!), das auch das Kloster Eberbach Laienbrüder hatte.

Die Laienbrüder waren für die Durchführung der Arbeiten, wie Weinanbau, Bierbrauen, Kochen, Ausgabe der Armenspeisung etc. zuständig, während die (Voll)Brüder religiöse Aufgaben, Lehrtätigkeiten, das Kopieren der Bücher und die Verwaltung des Klosters übernahmen.

Die Laienbrüder übernahmen auch den Botendienst für den Abt (der Bote sollte nämlich nicht lesen können) und den Geleitschutz für den Abt auf seinen Inspektionsreisen, denn sie durften Waffen tragen.

Einem der Äbte soll dieser Umstand dann auch zum Verhängnis geworden sein.

mfG Jürgen
 
Zuletzt bearbeitet:
William Wallace schrieb:
Wieviele Leibeigene gingen eigentlich ins Kloster? Ich meine, dort ging es ihnen eigentlich viel besser. Sie hatten zu essen, mussten nicht so hart arbeiten, ...
warum ging dann eigentlich nicht jeder Bauer ins Kloster? Gab es da einen Haken, war es ihnen überhaupt erlaubt?
Fragen über Fragen :winke:

Leibeigene konnten grundsätzlich nicht selbständig irgendwo hingehen. Sofern er sich nicht freikaufen konnte, war er auf Gedeih und Verderb dem Herrn ausgeliefert.
Die Leibeigenschaft kam allerdings zumindest in Mitteldeutschland/Hessen/Franken nicht zur Ausbildung, da das Lehnswesen viel effektiver war.
 
Benjamin schrieb:
Genau genommen war die Leibeigenschaft ja ein Arbeitsverhältnis zwischen Bauer und Grundherr. Der Grundherr gewehrte dem Leibeigenen militärischen und juristschen schutz, stellt ihm einen z.b. einen Hof zur Verfügung, den er dann für ihn verwalten musste. Dass der Bauer dabei ziemlich ausgebeutet wurde, und gerade bei schlechten Ernten in ziemliche Probleme geraten konnte ist offensichtlich und allgemein bekannt, aber ich glaube nicht, dass er den "Vertrag" mit seinem Leibherrn einfach auflösen konnte um in ein Kloster zu gehn.

Hinzu kommt, dass viele Grundherren dem Klerus angehörtet, also für die Kirche tätig waren. und gerade die Kirche fordete noch mehr Abgaben von den Bauern. Der sogenannte "Kirchen-Zehnt" war auch nicht von Pappe!

Soweit ich weiß hatten auch die Klöster Sklaven und Leibeigene, die sie nach Belieben ausbeuten konnten. Ob sie also da nicht so viel arbeiten mussten sei mal dahingestellt!
Hier verwechselst du die Lehns- und Grundherrschaft mit der Leibeigenschaft. Ein Leibeigener hatte weder eigenes Land, noch eine eigene Behausung. Er wohnte als völlig Rechtloser in den Gebäuden der Herrschaft und wurde nach Bedarf für dessen Dienste eingeteilt. Dafür hatter sozusagen Kost und Logie frei. Einen Vertrag gabe es nicht. Der Herr kaufte die Leibeigenen, oder verkaufte sie.

Was du meinst ist das Lehnswesen, Lehnsherr-Lehnsnehmer.
 
timotheus schrieb:
Es hieß mW "auf ein Jahr und einen Tag", wurde aber wohl von Stadt zu Stadt mitunter verschieden gehandhabt - was an der Aussage aber grundsätzlich nicht viel ändert.

Noch eine Anmerkung zu dem Link: eine gute Abhandlung zu mittelalterlichen Klöstern, wenngleich der Verweis auf weiterführende Literatur wünschenswert gewesen wäre.
Das ist eine Legende. Ohne Aufnahme in eine Innung als Lehrling, Geselle oder Meister, bzw. ohne Heirat mit einer Bürgerstochter hatte man in der Regel keine Möglichkeit, Bleiberecht in der Stadt zu erlangen. Ausnahmen gab es allerdings, wie z.B. die sogenannte Schutzbürgerschaft. Diese kam aber erst in der Neuzeit auf. Bauern aus umliegenden Dörfern hatten in ihrer Tätigkeit als Bauer nur wenig Möglichkeiten in der Stadt aufgenommen zu werden, da sie ja ihre Lehnsgüter nicht einfach mitnehmen konnten. Auch wäre die Frage, welchen Broterwerb sie in der Stadt als Bauer ausüben hätten sollen.
 
Strupanice schrieb:
Das ist eine Legende. Ohne Aufnahme in eine Innung als Lehrling, Geselle oder Meister, bzw. ohne Heirat mit einer Bürgerstochter hatte man in der Regel keine Möglichkeit, Bleiberecht in der Stadt zu erlangen. Ausnahmen gab es allerdings, wie z.B. die sogenannte Schutzbürgerschaft. Diese kam aber erst in der Neuzeit auf. Bauern aus umliegenden Dörfern hatten in ihrer Tätigkeit als Bauer nur wenig Möglichkeiten in der Stadt aufgenommen zu werden, da sie ja ihre Lehnsgüter nicht einfach mitnehmen konnten. Auch wäre die Frage, welchen Broterwerb sie in der Stadt als Bauer ausüben hätten sollen.


Da würde mich die Quelle interessieren, zum selbst nachlesen. Danke! :winke:
 
Lukrezia Borgia schrieb:
Da würde mich die Quelle interessieren, zum selbst nachlesen. Danke! :winke:

Da kann ich dir die Statuten von diversen Städten nennen. Dort ist eine Aufnahme in die Stadtgemeinschaft genau geregelt. Viele dieser Statuten ähneln sich. Um dies genauer nachzulesen, musst du allerdings in die jeweiligen Stadtarchive gehen und dir die Akten ansehen.


Literatur dazu gibt es allerdings auch. z.B.

Die Statuten der Stadt Wittenberg vom Jahre 1504 : ein Beitrag zur Stadt- und Universitätsgeschichte von Wittenberg / Hans-Jochen Seidel. - 2002
In: Ekkehard : Vereinsmitteilungen. - Halle, S., Bd. 9 N.F. (2002), 4, S. 103-121

Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen / Wolfgang Weber; Gerhard Lingelbach (Hg.). - Köln [u.a.] : Böhlau, 2005
ISBN: 3-412-10503-1

Statuten und Einungen nordostthüringischer Städte und Dörfer des 16. Jahrhunderts / nach dem Ms. im Stadtarchiv Nordhausen bearb. von Michael Weigel und Wilfried Fuchs. - Nordhausen : Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung, 2001
Schriftenreihe: Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung ; 10
 
Strupanice schrieb:
Das ist eine Legende. Ohne Aufnahme in eine Innung als Lehrling, Geselle oder Meister, bzw. ohne Heirat mit einer Bürgerstochter hatte man in der Regel keine Möglichkeit, Bleiberecht in der Stadt zu erlangen. Ausnahmen gab es allerdings, wie z.B. die sogenannte Schutzbürgerschaft. Diese kam aber erst in der Neuzeit auf.

Da hast Du mich gewaltig mißverstanden bzw. meine Bemerkung überinterpretiert.
Zu den Umständen, unter denen das Bleiberecht in der Stadt erlangt werden konnte, hatten weder Benjamin noch ich etwas ausgeführt.
Aber das lag vielleicht an den etwas laxen Formulierungen in unseren Beiträgen - danke für die genauere Spezifizierung...

Und es war wohl schon Recht des Grundherrn, binnen Jahresfrist einen früheren Leibeigenen von der Stadt zurückfordern zu können.
Wenn ich mich recht erinnere, wird dies ausgeführt in einem der folgenden:
Boockmann, Hartmut: Die Stadt im späten Mittelalter. München 1987
Kroschell, Karl: Deutsche Rechtsgeschichte 1 (bis 1250). Hamburg 1976
Planitz, Hans: Die Deutsche Stadt im Mittelalter - Von der Römerzeit bis zu den Zunftkämpfen. Graz, Köln 1954

Strupanice schrieb:
Bauern aus umliegenden Dörfern hatten in ihrer Tätigkeit als Bauer nur wenig Möglichkeiten in der Stadt aufgenommen zu werden, da sie ja ihre Lehnsgüter nicht einfach mitnehmen konnten. Auch wäre die Frage, welchen Broterwerb sie in der Stadt als Bauer ausüben hätten sollen.

Unbhängig davon ist die Landflucht ab dem 12./13. Jh., v.a. dann aber im 14. Jh. ein Faktum, und die Städte waren auf den Zuzug aus dem Umland angewiesen.
Die Frage des Broterwerbs ist natürlich schwer zu beantworten, war aber ebenfalls nicht Gegenstand der bisherigen Betrachtung.

Und außerdem führt das Ganze jetzt doch etwas vom ursprünglichen Thema weg...
 
Strupanice schrieb:
Hier verwechselst du die Lehns- und Grundherrschaft mit der Leibeigenschaft. Ein Leibeigener hatte weder eigenes Land, noch eine eigene Behausung. Er wohnte als völlig Rechtloser in den Gebäuden der Herrschaft und wurde nach Bedarf für dessen Dienste eingeteilt. Dafür hatter sozusagen Kost und Logie frei. Einen Vertrag gabe es nicht. Der Herr kaufte die Leibeigenen, oder verkaufte sie.

Was du meinst ist das Lehnswesen, Lehnsherr-Lehnsnehmer.

:motz: wie recht du hast!!! man sollte wikipedia verbieten...
tut mir leid...hab nicht wirklich recherchiert...inner encarta stehts genau wie du sagtest :rotwerd: aber guckts euch mal an: http://de.wikipedia.org/wiki/Leibeigenschaft
 
Interessant, dass ich gerade vor kurzem Dostojewskis erste Romane gelesen habe. Im "Gut Stepantschikowo und seine Bewohner" nennt man die Leibeigenen der russ. Klöster in der Beamtensprache "Ökonomiebauern".
Russland ist für deine Frage, William, spannend, da das Wirtschaftssystem der Leibeigenschaft dort bis ins letzte Drittel des 19. Jhdt bestand, in derartiger "Hochform", wie sie bei uns vielleicht schon im Hochmittelalter in den letzten Zügen lag.
Man stelle sich vor, dass manche Klöster sogar mehr als 20.000 männliche Leibeigene besaßen. Verständlich, dass gerade die russ.-orthodoxe Kirche deshalb die Aufhebung der Leibeigenschaft verzögerte und verhinderte .

Interessant. "Sklavenrecht fiel in die Gesetzgebung der Kirche. Die orthodoxe Kirche bestimmte, wie Sklaven zu behandeln waren - teils mit guten, teils mit schlechten Ergebnissen. (...) Die Kirche besaß übrigens später so viele leibeigene Bauern, daß noch heute das moderne russische Wort für Bauer "krestjanin" an seine Herkunft aus "christjanin" (=Christ) erinnert."
Quelle: http://www.holzwarth.net/di/ooc/resource/almut/orthodox.shtml
 
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