Lenin: Dekret über den Frieden

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fugazi

Gast
hallo,
ich möchte gerne mal wissen was genau hinter dem friedensdekret von lenin steckt. den wikipedia-artikel kenne ich, den inhalt des dekrets auch.

aber was genau steckt dahinter?
welchen nutzen würde lenin daraus ziehen, wenn sein dekret realisiert werden würde?
und spielt der panslawismus dabei eine rolle?

ich hoffe man kann mir helfen, danke.

mfg
 
Hallo Fugazi,

... ich möchte gerne mal wissen was genau hinter dem friedensdekret von lenin steckt. den wikipedia-artikel kenne ich, den inhalt des dekrets auch.

aber was genau steckt dahinter?
welchen nutzen würde lenin daraus ziehen, wenn sein dekret realisiert werden würde?
und spielt der panslawismus dabei eine rolle?

dieses Dekret muß man im Kontext der Ostfront des 1. Weltkriegs sehen: auch nach der Februarrevolution und der daraus erfolgten Abdankung des Zaren hielt die russische Regierung an der Bündnisverpflichtung gegenüber Frankreich und Großbritannien fest (der Triple Entente) und setzte den Krieg gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn fort.
Lenin war genau aus diesem Grund - nämlich daß in Rußland die Bolschewiken die Macht übernahmen und dann Frieden mit D & ÖU schlossen - vom kaiserlichen Deutschland nach Rußland gebracht worden.
Das Abkommen zwischen der militärischen Führung Deutschlands und Lenin besagte, daß Lenin die Macht in Rußland übernehmen sollte und quasi als "Gegenleistung" den Krieg nicht fortsetzte. Es wird dabei sogar nach einigen Sichtweisen davon ausgegangen, daß Lenin zusätzlich erhebliche Geldmittel vom Deutschen Reich zu diesem Zweck erhielt.
Das Deutsche Reich erhoffte sich mit einem Frieden im Osten freie Truppen zu gewinnen, die dann an der Westfront doch noch den Sieg herbeiführen würden.

Mit diesem Dekret traf Lenin allerdings auch sehr gut die Stimmung im eigenen Land, wo bereits seit längerer Zeit Kriegsmüdigkeit und Sehnsucht nach Frieden herrschte. Er konnte sich also durchaus der Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten Rußlands incl. der Soldaten an der Front sicher sein.

Mit Panslawismus hat das Dekret allerdings mW nichts zu tun (denn der hatte eher für die Kriegsziele des Russischen Reiches eine Rolle gespielt), sondern vielmehr mit dem proletarischen Internationalismus.
 
hallo,
ich möchte gerne mal wissen was genau hinter dem friedensdekret von lenin steckt. den wikipedia-artikel kenne ich, den inhalt des dekrets auch.
aber was genau steckt dahinter?
welchen nutzen würde lenin daraus ziehen, wenn sein dekret realisiert werden würde?
und spielt der panslawismus dabei eine rolle?
ich hoffe man kann mir helfen, danke.
mfg

Die Gründe waren vorwiegend innenpolitisch. Nach dem Rücktritt des Zaren und dem Ende der Monarchie Mitte März zerfiel das Russische Reich. Das wirkte sich auch auf die Armee aus. Durch die Organisation von Sowjets an der Front (Befehl Nr. 1 des Petrograder Sowjets) und die Politisierung der Soldaten wurden die Offiziere zunehmend machtlos.

Die Soldaten wollten nicht mehr kämpfen. Jeder, der praktische Schritte auf ein Kriegsende unternahm, hatte die Masse der Soldaten auf seiner Seite.

Weiterhin sollte der Frieden eine Atempause verschaffen, in der die Erfolge der Oktoberrevolution konsolidiert werden konnten (wegen dem rasch ausbrechenden Bürgerkrieg nur bedingt erfolgreich).

Gleichzeitig und im Zusammenhang damit wurde das "Dekret über den Grund und Boden" angenommen- kurz gesagt Verteilung allen Landes (Grundbesitzer und Klerus) an die Bauern. Die Masse der Soldaten waren Bauern, eine Bodenreform entsprach ihrem Interesse, außerdem musste sie die Auflösung der Armee fördern (da alle Bauernsöhne in ihr Dorf wollten, um sich an der Umverteilung zu beteiligen).

Kurz gesagt, die Regierung Lenin hat mit ihren ersten Schritten das getan, was dem Interesse der Bevölkerungsmehrheit entsprach- Frieden und Land zu bringen-, wozu aber die Provisorischen Regierungen seit März nicht willens oder in der Lage waren.

Ein formales Abkommen zwischen Lenin und der OHL ist mir nicht bekannt (außer das über die konkreten Bedingungen der Reise durch Deutschland- verschlossener (nicht plombierter) Wagen usw. Lenin hat es auf der Durchreise sogar abgelehnt, sich mit deutschen Sozialdemokraten zu treffen.

Die Gerüchte über eine Finanzierung der Bolschewiki durch die Deutschen wurden erstmals im Juli 1917 erhoben, als man nach dem gescheiterten Aufstand der Petrograder Garnison die Führung der Bolschewiki verhaftete. Irgendwelche Begründungen brauchte man halt (Lenin tauchte klugerweise unter.).

Panslawismus spielte für die Bolschewiki 1917 keine Rolle.
 
Die Gründe waren vorwiegend innenpolitisch...

Nur kannst Du in diesem Kontext das Innenpolitische nicht vom Außenpolitischen trennen, und das eine schließt das andere keineswegs aus.
Zumal Lenin klug genug gewesen ist, um zu erkennen, daß die militärische Lage für Rußland desaströs war und nicht mehr daran gedacht werden konnte, einem Vormarsch der Deutschen noch wirksam Widerstand entgegenzusetzen.

Ein formales Abkommen zwischen Lenin und der OHL ist mir nicht bekannt (außer das über die konkreten Bedingungen der Reise durch Deutschland- verschlossener (nicht plombierter) Wagen usw. Lenin hat es auf der Durchreise sogar abgelehnt, sich mit deutschen Sozialdemokraten zu treffen.

Die Gerüchte über eine Finanzierung der Bolschewiki durch die Deutschen wurden erstmals im Juli 1917 erhoben, als man nach dem gescheiterten Aufstand der Petrograder Garnison die Führung der Bolschewiki verhaftete. Irgendwelche Begründungen brauchte man halt...

OK, ich hätte das Abkommen in " " setzen müssen, denn natürlich war damit kein formales Abkommen von mir gemeint gewesen.
Alllerdings wurde Lenins Einreise nach Rußland sehr wohl von deutscher Seite organisiert und durchgeführt, und auch die finanzielle Unterstützung (unabhängig, ob es sich nun tatsächlich um 40 Mio Goldmark handelte oder weniger) ist wohl mehr als ein Gerücht - vgl. dazu auch http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/LeninWladimir/index.html (Jahr 1917) sowie http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=82489&postcount=50

Auch noch interessant zu diesem Kontext ist natürlich http://www.dhm.de/lemo/html/wk1/aussenpolitik/brest/index.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur kannst Du in diesem Kontext das Innenpolitische nicht vom Außenpolitischen trennen, und das eine schließt das andere keineswegs aus.
Im Unterschied zu den restlichen Entente Mächten hatte Russland "die Revolution im Leib", wie schon 1904/05 war der Krieg hier "nur" der Schrittmacher. Eine Armee am Rande ihrer Kräfte gab es z.B. auch in Frankreich- nur wurde in Russland die Meuterei zur Revolution, während sie in Frankreich liquidiert wurde.
Alllerdings wurde Lenins Einreise nach Rußland sehr wohl von deutscher Seite organisiert und durchgeführt, und auch die finanzielle Unterstützung (unabhängig, ob es sich nun tatsächlich um 40 Mio Goldmark handelte oder weniger) ist wohl mehr als ein Gerücht
Aber nicht nur Lenins Einreise. Etwa einen Monat später nutzte eine weitere Gruppe russischer Emigranten aus der Schweiz (Martow u.a.) haargenau dieselbe Möglichkeit, nach Russland zu gelangen. (Gezögert hat Lenin schon, durch Deutschland zu reisen, schließlich waren die Vorwüfe vorhersehbar, die da kommen würden; daher auch die peinlich genauen Reisevereinbarungen mit den Deutschen).
Dass Lenin nicht wählerisch war, woher er das Geld für die Bolschewiki bekam, ist schon richtig (auch ein Banküberfall kam vor). Aber es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass er den Deutschen zuliebe auch nur ein Jota seiner Politik geändert hat. Insofern läuft der Vorwurf der "Spionage" (den die Provisorische Regierung seinerzeit erhoben hat) ins Leere, egal ob und wieviel Geld er bekommen haben sollte. Letztlich war Lenin geschickter darin, die OHL für seine Ziele zu benutzen als umgekehrt.
 
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