Hier wird es nachvollziehbarer:
Interview: Die gar nicht so Heilige Nacht - KulturHerr Paganini, jetzt feiern wir Weihnachten seit Ewigkeiten im kalten Dezember und am liebsten mit Schnee – und nun machen Sie uns das madig.
Simone Paganini: Ewigkeiten würde ich nicht sagen, wir feiern Weihnachten etwa seit dem Jahr 354 im Dezember. Davor hat man Weihnachten gar nicht gefeiert, und wenn, dann im Frühjahr.
So ist es einigermaßen korrekt.
Tatsächlich scheint die Sehnsucht nach der weißen Weihnacht, mit dem per Rentierschlitten anreisenden Weihnachtsmann doch sehr rezent zu sein (ohne die alte Mär bemühen zu wollen, der Weihnachtsmann sei eine Erfindung von Coca Cola).
Die Anglistin Mithu Sanyal (dem ein oder anderen vielleicht auch dadurch bekannt, dass sie eine Debatte zu sexualisierter Gewalt ausgelöst hat) sagte, dass es Charles Dickens gewesen sei, der mit einigen seiner Geschichten - natürlich auch dem weltberühmten A Christmas Carol, aber eben auch mit anderen Geschichten (er veröffentliche in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren jeweils um die Weihnachtszeit herum Weihnachtsgeschichten) - unsere heutige Art Weihnachten zu feiern - nur ohne den exzessiven Konsum - bzw. unsere Erwartungen an eine weiße Weihnacht geprägt habe.
Früher sei man Weihnachten eben in die Kirche gegangen und das wars. Das Familienfest sei letztlich Charles Dickens zu verdanken.
In den 1840ern, als Dickens seine Weihnachtsgeschichten schrieb und veröffentlichte, sei es außerordentlich kalt gewesen, daher hätte es gerade in dieser Zeit um Weinachten herum mehr geschneit als normal, das habe Dickens in seine Geschichten aufgenommen, die sich in ihrem sozialen Realismus (trotz Geistern) ganz erheblich von denen der Romantiker abhoben. Seine Geschichten, in denen Dickens die soziale Realität beschrieb* ohne dabei, wie üblich, die Armen a priori zu kriminalisieren, wie das in England seinerzeit üblich war, der im Prinzip deutlich machte, dass es am Staat bzw. am Umgang des Einzelnen mit den Armen lag, dass diese kaum eine andere Gelegenheit hatten, als kriminell zu werden, wurden von der Bevölkerung heiß erwartet und selbst in den jungen USA sollen die Hafenarbeiter sehnsüchtig auf die Magazine mit Dickens Weihnachtsgeschichten gewartet haben. Dickens hatte also eine breite Leserschaft, in die er den Gedanken einer weißen Weihnacht und die Idee von einem säkularisierten Weihnachtsfest pflanzte.
(Quelle: WDR5, Lies mir was vor: Weihnachtsgeschichten von Charles Dickens mit anschließendem Kolloquium von Mithu Sanyal und Rebecca Link.)
*Mithu Sanyal sagte in einem der Gespräche (sinngemäß), Dickens sei radikaler als Marx.