Lokalisierung von (germanischen) Stämmen möglich?

Maelonn

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Hallo, Forengemeinde!
Da dies mein erster Post ist, grüße ich erstmal alle.
Was die Ausgangsfrage betrifft, fürchte ich, dass es eine zufriedenstellende Antwort wohl nicht geben kann. Welche Völker siedelten in NRW? Vermutlich alle. Bei dem Versuch der Zuordnung eines Siedlungsgebiets stößt man zwangsläufig auf eine Reihe von Problemen (und noch mehr Probleme würde man bekommen, wenn man daraus dann auch noch eine "Kontinuität" der damaligen Bevölkerungen bis heute ableiten wollte).

Problem 1: Ab der späten Latènezeit lösen sich "feste Siedlungen" keltischer Bewohner zunehmend auf, schon zuvor sind neue ("germanische") Volksgruppen in den hiesigen Siedlungsraum eingewandert. Und diese neuen Gruppierungen waren offenbar ihren "nomadischen" Wurzeln noch recht nah. Das heißt, dass diese Gruppen alles andere als ortsfest waren. Die hatten kein Problem damit, Sack und Pack zusammenzuraufeln und wegzuziehen - sei es, weil ihnen ihre Äcker nicht gefielen, sei es weil sie bösartige Nachbarn hatten oder weil sie selbst bösartig waren. Für dieses Phänomen gibt es zahlreiche Beispiele, angefangen mit Kimbern und Teutonen.

Problem 2: Hinsichtlich schriftlicher Quellen über die Aufenthaltsorte germanischer (und keltischer!) Stämme im rechtsrheinischen Gebiet können wir uns nur auf römische Geschichtsschreiber stützen. Die allerdings waren erstens "romzentriert" und zweitens schlampig im Umgang mit Stammesnamen und Ortsangaben. Welcher Stamm wo genau wohnte, war denen im Grunde egal. Von Belang war das nur, soweit römische Interessen davon berührt waren. Diesen Autoren genügte es in der Regel, allgemein von "Barbaren" (nur in seltenen Fällen nennen sie Stammesnamen) zu reden und ihre Siedlungsbegiete als "rechts des Rheins" anzugeben. Wo es genauere Ortsbeschreibungen gibt, sind die so eindeutig wie "haud procul Teutoburgiensi saltu". Unsere "zeitgenössischen Geschichtsschreiber" wie Dahn stützen sich auf die römischen Quellen und können deshalb keine "neuen Wahrheiten" vermitteln. Nur den alten Quatsch und Spekulationen.

Problem 3: Bei genauerem Hinsehen, wird schon fast zweifelhaft, ob die unter verschiedenen Namen in Erscheinung tretenden Stämme überhaupt verschiedene Stämme waren. Immer wieder haben sie ihre Stammeszugehörigkeit selbst "abgelegt". Die Gruppen, die ab Mitte des 3. Jahrhunderts zunehmend die Rheingrenze bedrängt haben, haben sich "Franken" genannt. Die Franken waren aber kein Stamm sondern ein Stammesverband, anfangs vermutlich sogar nur eine Ansammlung von Angehörigen verschiedener Stämme, die ein gleiches "Anliegen" (Plünderung) hatten. Auf ähnliche Weise ist nach Tacitus ja schon die Selbstbezeichnung "Germanen" entstanden.

Problem 4: In den vergangenen Jahren haben Ausgrabungen neue Erkenntnisse erbracht. Aber die beantworten eigentlich keine Fragen sondern werfen eher neue auf. Ein Beispiel: Im Bereich der Lippe-Mündung sind zahlreiche Gräber gefunden worden, die eindeutig auf eine Rhein-Weser-germanische Besiedelung hindeuten. Zwischendrin waren aber über längere Zeiträume hinweg auch immer wieder Gräber, die eindeutig Elb-germanische Elemente aufwiesen - und immer traten beide Elemente gleichzeitig auf, was auf eine "Durchmischung" der Bevölkerung hindeutet.

Auf allen einschlägigen historischen Karten kannst du gut erkennen, dass die Tenkterer rechtsrheinisch zwischen den Flüssen Sieg und Lahn saßen - also mitten im Westerwald!
...
Die Sugambrer saßen nördlich der Tenkterer, etwa zwischen den Flüssen Ruhr und Sieg.
Vergiss die alten Karten. Ich habe welche gesehen, auf denen Tenkterer und Usipeter NÖRDLICH der Sugambrer angesiedelt waren. Neuere Grabungsbefunde belegen, dass die Sugambrer im Mündungsgebiet von Lippe und Ruhr ansässig waren und dass es bei Bensberg (gleich östlich von Köln) und bei Königswinter (nahe Bonn) "Oppida" (also Siedlungen mit deutlich keltischen! Zügen) gegeben hat, die ebenfalls den Sugambrern zugeordnet werden können. Wo war denn dann für Tenkterer und Usipeter überhaupt noch Platz? Und wenn die Tenkterer tatsächlich zwischen Sieg und Lahn gesessen hätten, warum hätten sie dann dem Druck der Sueben (die übrigens offenbar auch kein Stamm sondern ein Stammesverband waren) ausweichen und nach Gallien ausrücken müssen, obwohl doch die Sugambrer zwischen Sueben und Tenkteren gesessen haben müssten? Und wo saßen dann zum Beispiel die Marser?

Mein Fazit: Weder die Stämme noch ihre Siedlungsgebiete lassen sich mit heutigem Erkenntnisstand klar von einander unterscheiden. Vielleicht hat es solche klaren Unterscheidungen auch nie gegeben.

Die Westfalen waren ursprünglich ein Teilstamm der Sachsen.
Hier setzt sich die oben geschilderte Verwirrung fort. Auch die Sachsen waren kein Stamm sondern ein Stammesverband. Beispiel: Teile der Brukterer haben ab 350 n.Chr. das linke Rheinufer besiedelt, Teile blieben rechts des Rheins zurück. Die linksrheinischen Brukterer gingen im Stammesverband der Franken auf (waren vielleicht sogar eine treibende Kraft bei seiner Gründung), die rechtsrheinischen gehörten später zum Stammesverband der Sachsen - und bei der Schlacht auf den katalaunischen Feldern haben fränkische und sächsische Brukterer gegeneinander gekämpft. Waren die Brukterer jetzt Sachsen oder Franken?

Meiner Ansicht nach waren die Stämme damals einfach zu mobil, als dass man sie heute - 2000 Jahre später - noch fassen könnte.
 
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Gruß zurück: Herzlich willkommen.

Problem 4: In den vergangenen Jahren haben Ausgrabungen neue Erkenntnisse erbracht. Aber die beantworten eigentlich keine Fragen sondern werfen eher neue auf. Ein Beispiel: Im Bereich der Lippe-Mündung sind zahlreiche Gräber gefunden worden, die eindeutig auf eine Rhein-Weser-germanische Besiedelung hindeuten. Zwischendrin waren aber über längere Zeiträume hinweg auch immer wieder Gräber, die eindeutig Elb-germanische Elemente aufwiesen - und immer traten beide Elemente gleichzeitig auf, was auf eine "Durchmischung" der Bevölkerung hindeutet.
Ich habe in diesem Zusammenhang bisher nur gelesen, dass sich nordseegermanische und rheinwesergermanische Stämme archäologisch nicht voneinander unterschieden, obwohl die Gruppen historiographisch getrennt würden. Wie das mit den Elbgermanen ist, weiß ich leider nicht. Aber selbst wenn die Elbgermanen sich archäologisch von ihren westlichen Nachbarn abgehoben haben sollten, ließe sich die die Einsprenkelung von Gräbern elbgermanischer Tradition erklären: Sowohl was die erste Rheinüberschreitung Cäsars, als auch was die Eroberungszüge des älteren Drusus angeht, ging es doch gegen die Sueben, die immer wieder Raubzüge von der Elbe bis nach Gallien unternahmen. Sueben müssen also notwendigerweise durch westgermanische Gebiete gekommen sein. Ein anderes elbgermanisches Volk, die Hermunduren; waren nach Tac. die einzigen Germanen, denen es erlaubt war, als Händler die Reichsgrenzen zu überschreiten. Also auch hier wieder die Möglichkeit einen archäologischen Befund mit der Historiographie in Einklang zu bringen. Ob das methodisch haltbar ist, ist natürlich eine andere Frage.
 
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Danke!

Ich habe in diesem Zusammenhang bisher nur gelesen, dass sich nordseegermanische und rheinwesergermanische Stämme archäologisch nicht voneinander unterschieden, obwohl die Gruppen historiographisch getrennt würden. Wie das mit den Elbgermanen ist, weiß ich leider nicht.
Da geht es mir ähnlich wie Dir. Ich weiß nichts über die nordseegermanischen Befunde. Mag sein, dass die den rheinwesergermanischen (ich übernehme mal Deine Schreibweise, die mir unter grammatikalischen Gesichtspunkten richtig zu sein scheint ;)) ähnelten. Zwischen Elbgermanen und Rheinwesergermanen gab es jedenfalls signifikante Unterschiede (Vorhandensein und Form von Graburnen und Waffenbeigaben).
Aber selbst wenn die Elbgermanen sich archäologisch von ihren westlichen Nachbarn abgehoben haben sollten, ließe sich die die Einsprenkelung von Gräbern elbgermanischer Tradition erklären: Sowohl was die erste Rheinüberschreitung Cäsars, als auch was die Eroberungszüge des älteren Drusus angeht, ging es doch gegen die Sueben, die immer wieder Raubzüge von der Elbe bis nach Gallien unternahmen. Sueben müssen also notwendigerweise durch westgermanische Gebiete gekommen sein.
Und an der Stelle habe ich die archäologischen Befunde offenkundig nicht genau genug dargestellt. Fakt ist: Im Bereich der Lippemündung sind über einen längeren Zeitraum hinweg Gräber angelegt worden, die sowohl den rheinwesergermanischen Traditionen folgten als auch elbgermanische Elemente enthielten. Sprich: Beide Befunde in ein und demselben Grab!

Mit "Durchreisenden" ist das nicht erklärbar. Erklärbar wird das nur, wenn man annimmt, dass über einen längeren Zeitraum hinweg Menschen unterschiedlicher Herkunft ohne Konflikte (mit einander, nicht mit Außenstehenden!) zusammengelebt haben. Besonders spannend fand ich nämlich die Befunde, wonach in tiberischer Zeit zunehmend rheinwesergermanische Bestattungsformen in den elbgermanischen Raum "gewandert" sind und dort langsam "dominant" wurden.

Beides würde ich so interpretieren, dass es über längere Zeiträume hinweg Beziehungen (Wanderungsbewegungen) zwischen den Stämmen aus dem Rheinraum und denen aus dem Elbgebiet gegeben hat. Das deckt sich auch mit den historischen Quellen, die davon sprechen, dass Drusus 40.000 Sugambrer und Sueben, "die sich ergeben haben", auf die linke Rheinseite umgesiedelt hat. Also müssen Sueben auf Seiten der Sugambrer in die Kämpfe in Rheinnähe verwickelt gewesen sein. Nach dem Sieg gegen diese Sugambrer haben die römischen Truppen versucht, die Region an der Lippemüngung (Zugang nach Aliso und Anreppen) "germanenfrei" zu halten. Dadurch sind dann ursprünglich rheinwesergermanische Bevölkerungsteile Richtung Elbe "ausgewichen".

Damit will ich nicht behaupten, dass es die Reste der Sugambrer waren, die zur Elbe hin abgedrängt wurden (wahrscheinlich erscheint es mir aber schon). Ich sehe darin eigentlich nur einen Beleg für meine These, dass die Stämme damals sehr mobil waren - und dass ihre Freundschaften oder Feindschaften von keinen dümmlichen Fragen nach "Rassezugehörigkeit" geprägt waren (schließlich waren die Sugambrer ja anscheindend keltischer Herkunft und die suebischcen Stämme eher "germanisch"). Die haben einfach nach aktueller politischer Opportunität entschieden, mit oder gegen wen sie kämpfen wollten.
 
Was die Ausgangsfrage betrifft, fürchte ich, dass es eine zufriedenstellende Antwort wohl nicht geben kann. Welche Völker siedelten in NRW? Vermutlich alle. Bei dem Versuch der Zuordnung eines Siedlungsgebiets stößt man zwangsläufig auf eine Reihe von Problemen (und noch mehr Probleme würde man bekommen, wenn man daraus dann auch noch eine "Kontinuität" der damaligen Bevölkerungen bis heute ableiten wollte).

Lassen wir mal die Frage in Parenthese beiseite und betrachten nur deine Behauptung, daß mein keine befriedigende darauf erhalten könne, welche Völker im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen ihre Wohnsitze hatten und zwar aufgrund folgender Probleme:

Problem 1: Ab der späten Latènezeit lösen sich "feste Siedlungen" keltischer Bewohner zunehmend auf, schon zuvor sind neue ("germanische") Volksgruppen in den hiesigen Siedlungsraum eingewandert. Und diese neuen Gruppierungen waren offenbar ihren "nomadischen" Wurzeln noch recht nah. Das heißt, dass diese Gruppen alles andere als ortsfest waren. Die hatten kein Problem damit, Sack und Pack zusammenzuraufeln und wegzuziehen - sei es, weil ihnen ihre Äcker nicht gefielen, sei es weil sie bösartige Nachbarn hatten oder weil sie selbst bösartig waren. Für dieses Phänomen gibt es zahlreiche Beispiele, angefangen mit Kimbern und Teutonen.
Es wäre schön, wenn du ein naheliegenderes Beispiel finden würdest, denn ich möchte mal behaupten, daß Kimbern und Teutonen gerade mal eben nicht das in Frage stehende Gebiet durchwandert haben: Wanderungen der Kimbern, Teutonen und Ambronen
Des weiteren scheinst du hier eine Vorannahme zu machen, nämlich daß die "Germanen" eine "nomadische" Lebensform hatten. Bezieht du dich damit auf Caesars Germanenexkurs (De bello Gallico ? Wikipedia) VI 22?

Problem 2: Hinsichtlich schriftlicher Quellen über die Aufenthaltsorte germanischer (und keltischer!) Stämme im rechtsrheinischen Gebiet können wir uns nur auf römische Geschichtsschreiber stützen. Die allerdings waren erstens "romzentriert" und zweitens schlampig im Umgang mit Stammesnamen und Ortsangaben. Welcher Stamm wo genau wohnte, war denen im Grunde egal. Von Belang war das nur, soweit römische Interessen davon berührt waren. Diesen Autoren genügte es in der Regel, allgemein von "Barbaren" (nur in seltenen Fällen nennen sie Stammesnamen) zu reden und ihre Siedlungsbegiete als "rechts des Rheins" anzugeben. Wo es genauere Ortsbeschreibungen gibt, sind die so eindeutig wie "haud procul Teutoburgiensi saltu". Unsere "zeitgenössischen Geschichtsschreiber" wie Dahn stützen sich auf die römischen Quellen und können deshalb keine "neuen Wahrheiten" vermitteln. Nur den alten Quatsch und Spekulationen.

Was den ersten Satz des 2. Problems betrifft, habe ich ja bereits meine Vermutung geäußert, daß die Annahme der nomadischen Lebensweise sich ebenfalls auf die römische Geschichtsschreibung stützen kann. Wie dem auch sei, gibt beispielsweise Tacitus durchaus Anhaltspunkte zur Lokalisierung. In der Tat haben Interpretationen die Schwäche, daß sie gewissermaßen spekulativ bleiben. Interessant sind sie trotzdem!

Problem 3: Bei genauerem Hinsehen, wird schon fast zweifelhaft, ob die unter verschiedenen Namen in Erscheinung tretenden Stämme überhaupt verschiedene Stämme waren. Immer wieder haben sie ihre Stammeszugehörigkeit selbst "abgelegt". Die Gruppen, die ab Mitte des 3. Jahrhunderts zunehmend die Rheingrenze bedrängt haben, haben sich "Franken" genannt. Die Franken waren aber kein Stamm sondern ein Stammesverband, anfangs vermutlich sogar nur eine Ansammlung von Angehörigen verschiedener Stämme, die ein gleiches "Anliegen" (Plünderung) hatten. Auf ähnliche Weise ist nach Tacitus ja schon die Selbstbezeichnung "Germanen" entstanden.

Angesichts dessen, daß du in der vorhergehende Problematisierung sowohl die antiken Geschichtsschreibung als auch die eines Felix Dahn als "Quatsch" abtust, wundert mich denn hier deine positive Bezugnahme auf Tacitus und implizit auf die "neuere" Frankenforschung. Aber noch irritierender finde ich die Widersprüchlichkeit des Absatzes: Du stellst eine Differenzhypothese in Frage und begründest diese mit dem Paradigma eines Stammebundes und hängst eine Analogie an. Wo siehst du hier das Problem? Etwa darin, daß man plötzlich einen "neuen" Stamm (Bsp. Franken) hat, der sich eigentlich aus Angehörigen verschiedener Stämme und später eben verschiedenen Stämmen zusammengeschlossen hat? Wohl kaum. Ich sehe aber das Problem, daß man diesen Zusammenschluß irgendwie begründen muß und setzt Annahmen über die Stämme voraus, die sich hier zusammengeschlossen haben. Aber mit deiner Behauptung eines "schon fast"-Zweifels, "ob die unter verschiedenen Namen in Erscheinung tretenden Stämme überhaupt verschiedene Stämme waren", könnte ich mich dem dem Problem aber eigentlich gar nicht nähern!

Problem 4: In den vergangenen Jahren haben Ausgrabungen neue Erkenntnisse erbracht. Aber die beantworten eigentlich keine Fragen sondern werfen eher neue auf. Ein Beispiel: Im Bereich der Lippe-Mündung sind zahlreiche Gräber gefunden worden, die eindeutig auf eine Rhein-Weser-germanische Besiedelung hindeuten. Zwischendrin waren aber über längere Zeiträume hinweg auch immer wieder Gräber, die eindeutig Elb-germanische Elemente aufwiesen - und immer traten beide Elemente gleichzeitig auf, was auf eine "Durchmischung" der Bevölkerung hindeutet.

Das scheint mir eher für dich neue Fragen aufzuwerfen und meiner Ansicht nur dort ein Problem, wo jemand versucht hat, eindeutige Idenfizierungen vorzunehmen und verschiedene (beispielsweise ethnographische, sprachwissenschaftliche und archäologische) Terminologien ineinander würfelt.

Vergiss die alten Karten. Ich habe welche gesehen, auf denen Tenkterer und Usipeter NÖRDLICH der Sugambrer angesiedelt waren.
Die Differenz hat meiner Erfahrung gemäß nichts mit dem Alter einer Karte zu tun.

Neuere Grabungsbefunde belegen, dass die Sugambrer im Mündungsgebiet von Lippe und Ruhr ansässig waren und dass es bei Bensberg (gleich östlich von Köln) und bei Königswinter (nahe Bonn) "Oppida" (also Siedlungen mit deutlich keltischen! Zügen) gegeben hat, die ebenfalls den Sugambrern zugeordnet werden können. Wo war denn dann für Tenkterer und Usipeter überhaupt noch Platz? Und wenn die Tenkterer tatsächlich zwischen Sieg und Lahn gesessen hätten, warum hätten sie dann dem Druck der Sueben (die übrigens offenbar auch kein Stamm sondern ein Stammesverband waren) ausweichen und nach Gallien ausrücken müssen, obwohl doch die Sugambrer zwischen Sueben und Tenkteren gesessen haben müssten? Und wo saßen dann zum Beispiel die Marser?

Also erst einmal muß ich gestehen, daß ich sehr an der von dir verwendeten Literatur Interesse hätte, was die archäologischen Funde betrifft, die dabei den Sugambrern zugeschrieben werden. Ansonsten muß man meiner Ansicht nach genau hinschauen, wer welchen Stamm nach welcher Quelle wo lokalisiert.

Da ich gerade sehe, daß du schon einen weiteren Beitrag gepostet hast, breche ich ich hier erst einmal ab.
Edith: Was allerdings die Sugambrer betrifft und deine Frage, wo denn nun die Tenkterer noich ihren Platz hätten: Von den Tenkterern erfährt man bekanntlich erstmals in den Gallischen Kriegen bei Caesar, dort flüchteten sie zurück über den Rhein. Bei Ludwig Schmidt lese ich denn gerade, daß nun erst die Sugambrer ihnen ein Siedlungsgebiet an der Lippe einräumten. Daß heißt, sie könnte vorher auch anderswo gesessen haben.
 
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Hallo, Muspilli!
Lassen wir mal die Frage in Parenthese beiseite und betrachten nur deine Behauptung, daß mein keine befriedigende darauf erhalten könne, welche Völker im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen ihre Wohnsitze hatten....
Parenthese? Meinst Du meine Anmerkung, dass es ziemlich problematisch wäre, eine Kontinuität zwischen den damaligen und den heutigen Bewohnern einer Region konstruieren zu wollen? Ja, dann gebe ich Dir recht. Das sollten wir beiseite lassen. Das hätte einen üblen Ruch.

Es wäre schön, wenn du ein naheliegenderes Beispiel finden würdest, denn ich möchte mal behaupten, daß Kimbern und Teutonen gerade mal eben nicht das in Frage stehende Gebiet durchwandert haben: Wanderungen der Kimbern, Teutonen und Ambronen Des weiteren scheinst du hier eine Vorannahme zu machen, nämlich daß die "Germanen" eine "nomadische" Lebensform hatten. Bezieht du dich damit auf Caesars Germanenexkurs (De bello Gallico ? Wikipedia) VI 22?
Nein, ich beziehe mich nicht auf Caesar. Ich beziehe mich darauf, dass die Vor- und Frühgeschichtler bis heute keine "germanische Siedlung" gefunden haben. Die Gemeinschaften der Latène-Kultur waren strukturiert. Es gab eine Überschusswirtschaft und es gab Arbeitsteilung und Spezialisierung. Bei den Stämmen, die wir gemeinhin als germanisch bezeichnen, gab es das nicht. Die Leute haben vorwiegend in Einzelgehöften gelebt und nur die Dinge produziert, die sie selbst benötigten (Subsitenzwirtschaft). Mir ist keine einzige Niederlassung bekannt, die als germanisch identifiziert wurde und mehr als ein paar Häuser umfasst hätte. Und selbst bei diesen Siedlungen ist nicht nachweisbar, ob die Häuser gleichzeitig oder nacheinander existiert haben. Jedenfalls nicht aus der frühen römischen Kaiserzeit.

Du fragst nach anderen Beispielen als Kimbern und Teutonen? Nimm Tenkterer und Usipeter. Die sind unter dem Druck von suebischen Stämmen aus ihren Siedlungsgebieten abgezogen und nach Gallien gewandert. Oder nimm die Stellen in Caesars "De Bello Gallico", in denen er den ersten Rhein-Übergang schildert. Die Stämme, gegen die sich der Vormarsch richtete (Sugambrer und Sueben), haben ihre Siedlungen aufgegeben und sind in entlegene Gebiete abgezogen. Darauf, dass dies nicht nur "ausnahmsweise" geschehen ist, deuten auch die Schilderungen späterer Historiker hin, bis hin zu Sulpicius Alexander (um 300 nach Chr.), dessen Werk uns leider nur aus bruchstückhaft von Gregor von Tours überliefert ist. Alle uns bekannten Quellen sagen, dass die Stämme rechts des Rheins auf äußeren Druck hin ihre Siedlungsgebiete aufgegeben haben und in andere Bereiche abgezogen sind. Caesar schildert in "Bello Gallico", was er tun musste, um die Helvtier (Kelten) vom "Übersiedeln" nach Gallien abzuhalten.

Wie dem auch sei, gibt beispielsweise Tacitus durchaus Anhaltspunkte zur Lokalisierung. In der Tat haben Interpretationen die Schwäche, daß sie gewissermaßen spekulativ bleiben. Interessant sind sie trotzdem!
Sicher sind sie interessant. Aber wo ist denn nun "teutoburgiensi saltu"? Gibt Dir da Tacitus eine Antwort? Tut er nicht. Und Tacitus ist noch einer der genauesten Geschichtsschreiber jener Zeit. Wer hat uns denn genauere Informationen gegeben? Welche Örtlichkeit konnte man nur aufgrund der Beschreibungen der alten Römer identifizieren? Keine! Die sind alle durch archäologische Funde identifiziert worden, die sich mit römischen Schriften deckten/erklären ließen. Genauso wie jetzt Kalkriese: Jeder einzelne Fund, der da erhoben wurde lässt sich auf alle möglichen Arten erklären. Aber in der "Gesamtschau" wird es dann eindeutig. Es gab kein anderes Gefecht zwischen Römern und Germanen, bei dem all die Befunde, die bei Kalkriese erhoben wurden, hätten zusammenkommen können.

Angesichts dessen, daß du in der vorhergehende Problematisierung sowohl die antiken Geschichtsschreibung als auch die eines Felix Dahn als "Quatsch" abtust, wundert mich denn hier deine positive Bezugnahme auf Tacitus und implizit auf die "neuere" Frankenforschung.
Das klang dann wohl zu fundamentalistisch. Ich habe nicht gemeint, dass Tacitus "Quatsch" geschrieben hat. Der hatte aus der Rückschau heraus einfach zu wenig Informationen über das, was er schrieb. Er hatte vor allem keine eigenen Informationen, da er selbst nie am Ort der Varus-Schlacht war und auch niemanden kannte, der dort war. Welchen Wert hat dann seine Beschreibung "haud procul..."? Woher hatte er die Infos? Doch wohl nur aus den schriftliche Berichten anderer Leute.

Genau deshalb muss man Lokalisierungsversuche, die sich auf Tacitus stützen, mit Vorsicht genießen. Leute wie Dahn haben diese Vorsicht so nicht walten lassen, weil sie andere "Interessen" hatten. Deshalb betrachte ich Dahns Aussagen mit der gleichen Vorsicht, da er die neueren Grabungsbefunde nicht kannte.

Aber noch irritierender finde ich die Widersprüchlichkeit des Absatzes: Du stellst eine Differenzhypothese in Frage und begründest diese mit dem Paradigma eines Stammebundes und hängst eine Analogie an. Wo siehst du hier das Problem?
Sorry, aber das hab ich nicht wirklich verstanden. Ich nehme mal an, Du beziehst Dich auf meine Aussage, dass nicht nur Siedlungsgebiete sondern auch Stämme nur schwer von einander abzugrenzen waren. Wenn es so ist, sehe ich nirgends ein Problem. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass die Leute damals viel gewandert sind und sich mal diesen und mal jenen Namen gegeben haben. Als Beispiel kann man hier wieder die Sugambrer anführen. Nachdem die ins linksrheinische Gebiet deportiert wurden, nannten die sich plötzlich Cugerner. Warum? Haben die Römer das befohlen? Wenn ja: Mir ist aus keiner Überlieferung bekannt, das die Römer sowas mal gemacht hätten. Das wäre das erste Mal.

Worauf ich mit der Aussage hinaus wollte: Die "Barbaren" sind den Römern (oder Galliern oder sonstwem) begegnet und haben gesagt, "wir sind Germanen (Alemannen, Langobarden, Sueben... etc)". Und die Römer haben das so weitergegeben. Wer die Leute wirklich waren, kann heute niemand mehr nachprüfen.

Noch ein Argument: Tacitus schreibt in seiner Germania, dass es nur vier germanische Stämme gegeben habe. Als einen davon benennt er die Istväonen - und ordnet denen im nächsten Atemzug sechs, acht andere Stämme zu (ist mir im Moment zu aufwändig, das genau nachzulesen). Wie kam er an die Bezeichnung "Istväonen"? Was hatten die Stämme, die er dieser Gruppe zugeordnet hat, miteinander zu tun? Konnte Tacitus (oder die Leute, von denen Tacitus seine Informationen hatte) da überhaupt unterscheiden?

Das scheint mir eher für dich neue Fragen aufzuwerfen und meiner Ansicht nur dort ein Problem, wo jemand versucht hat, eindeutige Idenfizierungen vorzunehmen und verschiedene (beispielsweise ethnographische, sprachwissenschaftliche und archäologische) Terminologien ineinander würfelt.
:D
Nur für mich? Hier im Thread habe ich vier, fünf Meinungen gelesen, die sich alle nicht decken mit den Erkenntnissen, die Vor- und Frühgeschichtler durch Grabungen gewonnen haben. Dass hier was durcheinander gewürfelt wird, sehe ich auch so. Genau deshalb würde ich auf die Frage, welche Stämme denn in NRW gesiedelt haben ja antworten: Alle. Oder: Keiner.

Übrigens habe ich KEINEN Versuch gemacht, sprachwissenschaftlich zu begründen, wer wo gesessen haben muss oder nicht gesessen haben kann.

Gruß
 
Also wenn ich dich richtig verstanden haben sollte:
1. Du hälst es eigentlich für überholt über Lokalisierungsversuche einzelner Stämme zu dskutieren. Als Metapher für solch "überholte" Vorstellungen steht hier der Name von Felix Dahn. Könnte man dafür auch alternativ Wenskus oder Schmidt einsetzen?
2. Grob könnte man demnach halt von Germanen sprechen, die man vielleicht noch von Kelten unterschieden kann, wenn man will.
3. Die Archäologie erscheint dir als Leitwissenschaft und läßt sich bei Glücksfällen wie etwa im Falle des Varusschlachtfeldes am Kalkriesen mit der Überlieferung aus der Antike unterfüttern.
4. Kleine Ortschaften, Weiler, Dörfer sind für dich keine Siedlungen.

Ich schrieb:
Das scheint mir eher für dich neue Fragen aufzuwerfen und meiner Ansicht nur dort ein Problem, wo jemand versucht hat, eindeutige Idenfizierungen vorzunehmen und verschiedene (beispielsweise ethnographische, sprachwissenschaftliche und archäologische) Terminologien ineinander würfelt.

Damit wollte ich nicht dir unterstellen, daß du "sprachwissenschaftlich" argumentiert hättest. Ich hätte das Wort in der Tat besser weggelassen, denn in dem Zitat aus deinem Beitrag, auf das ich mich beziehe, geht es ja um die archäologische Terminologie (weserrheingermanische und elbgermanische Fungruppe), die sich anscheinend nicht unmittelbar mit den ethnographishen Hinweisen der Quellen, die sich zudem ja noch untereinander widersprechen, zur Deckung bringen läßt, wobei mich aber nach wie vor deine Literatur oder Internetrecherche interessieren würde. Wie dem auch sei, ich persönlich bin mir nicht so sicher, ob man die Überlieferung so pauschal ablehnen kann, und dann nur willkürlich auf sie zurückgreifen kann, wenn sie einem aus archäologischer Sicht in den Kram paßt.

Nimm Tenkterer und Usipeter. Die sind unter dem Druck von suebischen Stämmen aus ihren Siedlungsgebieten abgezogen und nach Gallien gewandert. Oder nimm die Stellen in Caesars "De Bello Gallico", in denen er den ersten Rhein-Übergang schildert. Die Stämme, gegen die sich der Vormarsch richtete (Sugambrer und Sueben), haben ihre Siedlungen aufgegeben und sind in entlegene Gebiete abgezogen. Darauf, dass dies nicht nur "ausnahmsweise" geschehen ist, deuten auch die Schilderungen späterer Historiker hin, bis hin zu Sulpicius Alexander (um 300 nach Chr.), dessen Werk uns leider nur aus bruchstückhaft von Gregor von Tours überliefert ist. Alle uns bekannten Quellen sagen, dass die Stämme rechts des Rheins auf äußeren Druck hin ihre Siedlungsgebiete aufgegeben haben und in andere Bereiche abgezogen sind. Caesar schildert in "Bello Gallico", was er tun musste, um die Helvtier (Kelten) vom "Übersiedeln" nach Gallien abzuhalten.

Also so wie ich etwa Caesar verstanden habe, als er von den Rheinüberschreitungen spricht, hatten sich die Germanen, die er bekämpfen wollte, in der Tat nur vor der Schlacht zurückgezogen ohne gleich ihre Siedlungen aufzugeben. Und manchmal waren die Germanen halt auch mal auf Wanderschaft, um zu plündern und nicht gleich auf der Suche nach Siedlungsraum. Aber sowas muß man sich halt auch genauer anschauen, wer da was wann berichtet.

Ein höchst problematische Aussage oder Arguemntationskette sehe ich hier am Werk:
Ich habe nur darauf hingewiesen, dass die Leute damals viel gewandert sind und sich mal diesen und mal jenen Namen gegeben haben. Als Beispiel kann man hier wieder die Sugambrer anführen. Nachdem die ins linksrheinische Gebiet deportiert wurden, nannten die sich plötzlich Cugerner. Warum? Haben die Römer das befohlen? Wenn ja: Mir ist aus keiner Überlieferung bekannt, das die Römer sowas mal gemacht hätten. Das wäre das erste Mal.

Wer behauptet, daß sich die Cugerner, die man mit der Umsiedlung der Sugambrer ins Linksrheinische verbindet, selbst so nannten? Oder noch irritierender: Wie kommst du auf die Idee, daß irgend welche Römer den Sugambrern befohlen haben sollte, sich selbst so zu bezeichnen? Und wer behauptet dann noch, daß das nicht in den Quellen überliefert wird?

Hier im Thread habe ich vier, fünf Meinungen gelesen, die sich alle nicht decken mit den Erkenntnissen, die Vor- und Frühgeschichtler durch Grabungen gewonnen haben. Dass hier was durcheinander gewürfelt wird, sehe ich auch so. Genau deshalb würde ich auf die Frage, welche Stämme denn in NRW gesiedelt haben ja antworten: Alle. Oder: Keiner.

O. k. deine Meinung hast du dezidiert zum Ausdruck gebracht. Meine Frage wäre nun: Auf welche Grabungen beziehst du dich und mit welchen der vier bis fünf Meinungen decken sich diese nicht? Mir ist bewußt, daß man hier im Forum durchaus sehr unterschiedlicher Meinung ist. Aber du konntest schon feststellen, daß das mit deinen aktuellen Erkenntnisse über die archäologisch nachgewiesenen Siedlungen, sofern es sie (ich meine die Siedlungen) überhaupt gibt, sicher nicht übereinstimmt.
 
Hallo, Muspilli!

Du fragst nach den Quellen, auf die ich mich stütze. Eine davon ist Christoph Reichmann mit Arbeiten wie "Zur Besiedelungsgeschichte des Lippemündungsgebietes während der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und der ältesten römischen Kaiserzeit" oder "Die Entstehung des Hausbaus in Nordwestdeutschland" oder "Kriegsgräber". Eine andere Quelle ist Dirk Krausse("Eisenzeitlicher Kulturwandel und Romanisierung im Mosel-Eifel-Raum"). Ende 2007 ist im Rheinischen Landesmuseum in Bonn eine recht spannende Ausstellung mit dem Titel "Krieg und Frieden. Kelten - Römer - Germanen" zu sehen gewesen, in der neuere Forschungsergebnisse dargestellt wurden. Dazu gab es auch einen guten Katalog (gleicher Titel), für den auch Krausse und Reichmann Beiträge verfasst haben. Dazu habe ich Tacitus´ Annalen und Germania selbst gelesen und ich lese seit Jahren wissenschaftliche Arbeiten zu dem Themenkreis - alles hobbymäßig, nicht beruflich (also ohne Anspruch, die reine Wahrheit zu kennen und mich nicht irren zu können ;)).

Also wenn ich dich richtig verstanden haben sollte:
1. Du hälst es eigentlich für überholt über Lokalisierungsversuche einzelner Stämme zu dskutieren. Als Metapher für solch "überholte" Vorstellungen steht hier der Name von Felix Dahn. Könnte man dafür auch alternativ Wenskus oder Schmidt einsetzen?
2. Grob könnte man demnach halt von Germanen sprechen, die man vielleicht noch von Kelten unterschieden kann, wenn man will.
3. Die Archäologie erscheint dir als Leitwissenschaft und läßt sich bei Glücksfällen wie etwa im Falle des Varusschlachtfeldes am Kalkriesen mit der Überlieferung aus der Antike unterfüttern.
4. Kleine Ortschaften, Weiler, Dörfer sind für dich keine Siedlungen.
Zu 1: Ich halte es nicht für "überholt", sondern für heikel bis aussichtslos - wenn man sich dabei nur auf schriftliche Quellen aus römischer Zeit stützt. Viele dieser Lokalisierungsversuche sind außerdem von Lokalforschern vorgenommen worden, die beweisen wollten, dass dieser oder jener ruhmreiche Stamm in ihrer Heimat ansässig war, dass die Varusschlacht in ihrer Heimat ausgetragen wurde etc. Andere Lokalisierungsversuche sind vorgenommen worden, um eine historische Kontinuität zu belegen: Germanen = Vorfahren der Deutschen. In der Zeit der Romantik in Deutschland gab es ein tiefes Bedürfnis nach solcher "Traditionsfindung". Diese Vorstellung ist überholt! Und gerade für diese Vorstellung ist Dahn ein Paradebeispiel. Wenskus (Otta Wenskus?) und Schmidt (welcher von den vielen?) würde ich das nicht unterstellen wollen - schon deshalb nicht, weil ich sie nicht kenne.

Zu 2: Ich habe nicht gesagt, dass man nicht versuchen soll, einzelne Volksgruppen anhand der von ihnen hinterlassenen Spuren zu identifizieren. Sicher soll man das tun. Genau das ist die Aufgabe der Vor- und Frühgeschichte. Die gibt uns schließlich Aufschluss darüber, wie sich die Gesellschaften damals entwickelt haben. So hat uns die Spurensuche zum Beispiel die Erkenntnis gebracht, dass die Stämme keltischen und germanischen Ursprungs sich zunehmend angeglichen haben (z.B. Austausch von Technologie).

Zu 3: Die Vor- und Frühgeschichte ist keine Leitwissenschaft, sondern ein Prüfstein. Ich lehne es ab, schriftliche Werke römischer Historiker als reine Wahrheit zu betrachten. Damit sage ich nicht, dass Tacitus oder Velleius Lügner waren. Ich sage lediglich, dass Tacitus nicht alles, was er geschrieben hat, aus eigener Forschung wusste und dass Velleius auch "politische" Motivationen hatte, sein Geschichtswerk so zu verfassen wie er es getan hat. Ehe wir das, was in den Annalen steht, als Wahrheit einstufen können, muss das durch Grabungsbefunde bewiesen sein. Insofern ist Kalkriese tatsächlich ein Glücksfall.

Zu 4: Eigentlich habe ich gesagt, dass es keine zentralen Siedlungen gab. Überwiegend haben die Menschen in Einzelgehöften gelebt. Manchmal standen mehrere dieser Gehöfte nebeneinander, wobei in den Fällen eben bislang nicht nachgewiesen ist, ob diese Gebäude gleichzeitig bewohnt waren. Natürlich kann man so eine Ansammlung von fünf Häusern als "Siedlung" bezeichnen. Es ändert aber nichts daran, dass diese Siedlungen auf Subsistenzwirtschaft (Eigenversorgung) ausgelegt waren. In der keltischen Kultur war das anders. Da gab es Arbeitsteilung und eine Überschusswirtschaft und zentrale Oppida, die durch Verkehrswege mit einander verbunden waren. Deshalb konnten die Römern übrigens Gallien leichter unterwerfen als Germanien: Sie konnten in Gallien ihre Legionen aus den dort erwirtschafteten Überschüssen versorgen. In Germanien ging das nicht. Da waren die Legionen auf ihren Tross angewiesen - und wurden gerade durch diesen Tross verwundbar.

Also so wie ich etwa Caesar verstanden habe, als er von den Rheinüberschreitungen spricht, hatten sich die Germanen, die er bekämpfen wollte, in der Tat nur vor der Schlacht zurückgezogen ohne gleich ihre Siedlungen aufzugeben.
Ich will nicht zu sehr auf Nomadentum herumreiten, aber: Wir sind uns doch wohl einig, dass die germanischen Stämme in der mittleren bis späteren Latène-Zeit von Osten in den damals keltisch besiedelten hiesigen Raum eingewandert sind, oder? Schon das spricht für ihre Mobilität. Spätestens bei der Völkerwanderung sind sie dann wieder umhergezogen, und zwar fast alle (meines Wissens waren nur Friesen und Chatten relativ ortsfest). Und römische Quellen (die ich wie erwähnt nicht grundsätzlich für unwahr sondern nur für beweisbedürftig halte) zeugen davon, dass es auch zwischendurch immer Wanderungsbewegungen gab, die auf die Erschließung von Siedlungsraum abzielten. Tenkterer und Usipeter sind eben nicht nach Gallien gezogen, um dort zu plündern. Sie wollten da leben. Oder die Bataver. Die sind laut römischen Quellen eine "Abspaltung" der Chatten gewesen, die nach Westen gezogen ist.

Wer behauptet, daß sich die Cugerner, die man mit der Umsiedlung der Sugambrer ins Linksrheinische verbindet, selbst so nannten? Oder noch irritierender: Wie kommst du auf die Idee, daß irgend welche Römer den Sugambrern befohlen haben sollte, sich selbst so zu bezeichnen? Und wer behauptet dann noch, daß das nicht in den Quellen überliefert wird?
Mir scheint, Du hast mich falsch verstanden. Vielleicht habe ich mich auch missverständlich ausgedrückt. Zur Klarstellung:
Dass die Cugerner vermutlich die "umgesiedelten" Sugambrer und Sueben waren und dass sie "Cugerner" genannt wurden, ist wohl unstrittig. Wenn sie also Cugerner genannt wurden, dann müssen sie sich selbst so genannt haben. Wer sollte sie sonst so genannt haben? Die Römer waren es sicher nicht. Und die Römer haben ihnen auch sicher nicht befohlen, sich so zu nennen. Jedenfalls ist mir keine schriftliche Überlieferung bekannt, die auf einen solchen Befehl schließen lassen würde. Ist es so deutlicher?

Fazit: Die Leute hingen nicht sklavisch an ihrem Stammesnamen. Die konnten den einfach ändern, wenn es ihnen sinnvoll erschien.

Dass sie sich umbenannt haben, ist in gewisser Weise sogar logisch, denn nach allem was wir wissen, sind ja nicht nur Sugambrer sondern auch Sueben umgesiedelt worden. Die so entstandene Gemeinschaft war damit nicht mehr sugambrisch oder suebisch sondern ein neuer Zusammenschluss, ein neuer Stamm. Gerade das deutet für mich ja darauf hin, dass die Grenzen zwischen den Stämmen durchaus fließend gewesen sein könnten - zumindest zwischen den Stämme, die einem "Kulturkreis" zuzuordnen sind (Elbgermanen, Istväonen oder wie auch immer man das abgrenzen will). Wer wollte denn damals kontrollieren, ob eine Familie, die irgendwo siedelte, aus diesem oder jenem Stamm kam? Es gab ja schließlich kein "Meldewesen" und keine zentrale Regierung und nur Ansätze von sozialer Hierarchie.

Aber du konntest schon feststellen, daß das mit deinen aktuellen Erkenntnisse über die archäologisch nachgewiesenen Siedlungen, sofern es sie (ich meine die Siedlungen) überhaupt gibt, sicher nicht übereinstimmt.
:confused:

Gruß
 
Hey Muspilli und Maelonn,

wenn Ihr vielleicht zu den Siedlungsformen einen eigenen Thread aufmachen würdet - ich würde mich mit Hinweise aus einem Text von Heiko Steuer (2004/2007) über die Bevölkerungsdichte in Germanien beteiligen. Und wie ich unseren Cherusker kenne, wird auch der sich nicht lumpen lassen, an dem Thread teilzunehmen. Hier sprengt es einfach den Rahmen, einerseits über Siedlungsgebiete, andererseits über Siedlungsformen zu debattieren.
 
[COLOR=black schrieb:
Maelonn[/COLOR]]Fazit: Die Leute hingen nicht sklavisch an ihrem Stammesnamen. Die konnten den einfach ändern, wenn es ihnen sinnvoll erschien.
Aber viele Stämme haben ihren Namen auch über Jahrhunderte beibehalten: Langobarden, Markomannen, Goten, Burgunden, Chatten, Friesen und eben auch die von dir angeführten Sugambrer – sie werden schon im Jahre 16 v. Chr. genannt und sind im Stammesverband der Franken aufgegangen. Hier ist noch unter Clodwig der Stammesname „Gambrivi“ überliefert.
Es scheint übrigens tatsächlich so gewesen zu sein, dass sich Teile der Sugambrer und Stammessplitter der Sueben nach ihrer Umsiedlung auf die linke Rheinseite Cugerner bzw. Cuberner nannten, die im ursprünglichen Siedlungsgebiet verbliebenen Sugambrer jedoch ihren Namen beibehielten. Das scheint recht häufig vorgekommen zu sein, dass bei einer Stammesteilung und Abwanderung eines Teilstammes sich dieser einen neuen Namen gab - besonders, wenn mehrere Stämme miteinander verschmolzen.
Maelonn schrieb:
Ich halte es nicht für "überholt", sondern für heikel bis aussichtslos - wenn man sich dabei nur auf schriftliche Quellen aus römischer Zeit stützt. Viele dieser Lokalisierungsversuche sind außerdem von Lokalforschern vorgenommen worden, die beweisen wollten, dass dieser oder jener ruhmreiche Stamm in ihrer Heimat ansässig war, dass die Varusschlacht in ihrer Heimat ausgetragen wurde etc. Andere Lokalisierungsversuche sind vorgenommen worden, um eine historische Kontinuität zu belegen: Germanen = Vorfahren der Deutschen. In der Zeit der Romantik in Deutschland gab es ein tiefes Bedürfnis nach solcher "Traditionsfindung". Diese Vorstellung ist überholt!
Für viele Gegenden in Deutschland ist eine Herausarbeitung der Abstammung der Bevölkerung tatsächlich nicht möglich – vor allem, wenn man da an Ostdeutschland denkt – aber für einige Westdeutsche Länder ist es durchaus möglich, die Abstammung der Bevölkerung an bestimmten Stämmen festzumachen – zumindest überwiegend.
 
@ Maelonn: Unseren Streit würde ich gerne auf Aufforderung von El Quijote in diesem Thread beenden und habe dazu einen neuen Thread eröffnet: http://www.geschichtsforum.de/f35/s...ns-arch-ologie-ethnographie-23848/#post365599

Nichts desto weniger meine ich nicht, daß ich dich in einem anderen Punkt mißverstanden hätte. Daher nehme ich doch noch mal einen Absatz auseinander:

Dass die Cugerner vermutlich die "umgesiedelten" Sugambrer und Sueben waren und dass sie "Cugerner" genannt wurden, ist wohl unstrittig.

Warum das unstrittig sein sollte, weiß ich nicht. Du hast zwar insofern Recht, als man bei verschiedenen Autoren genau diese Auffassung nachlesen kann. In der Regel steht dabei aber auch im Satz dieser Autoren: "wahrscheinlich", "vermutlich", weil die Cugerner halt plötzlich dort sitzen, wo die Sugambrer hingesiedelt wurde. Es ist eine plausible Annahme, zumindest ist mir keine Quelle bekannt, die da schreibt: "Die jetzt am linken Rheinufer wohnenden Cugerner, hatten früher als Sugambrer ihre Wohnsitze am rechten Rheinufer"!

Wenn sie also Cugerner genannt wurden, dann müssen sie sich selbst so genannt haben. Wer sollte sie sonst so genannt haben? Die Römer waren es sicher nicht.

Was macht dich da sicher, eine Quelle oder deine Erfahrung? Ich sehe darin nämlich Fremdbezeichnung. Im übrigen wüßte ich auch keinen Beleg, demnach sie sich selbst so genannt hätte. Insofern frage ich mich, wieso du also wiederholst:

Und die Römer haben ihnen auch sicher nicht befohlen, sich so zu nennen. Jedenfalls ist mir keine schriftliche Überlieferung bekannt, die auf einen solchen Befehl schließen lassen würde. Ist es so deutlicher?

Ja! Und zwar wiederholst du halt, daß es ein absurder Gedanke ist, daß die Römer den Sugambrer befohlen haben könnte, sich Cugerner zu nennen. Ich aber frage mich, wer solche absurden Gedanken hat.

Oder die Bataver. Die sind laut römischen Quellen eine "Abspaltung" der Chatten gewesen, die nach Westen gezogen ist.

Und die Behauptung in dieser Überlieferung hat man auch Mal in Frage gestellt.
Und was die Wanderung der Tenkterer betrifft, das lese ich jetzt nicht sofort nach, sondern behaupte aus meiner Erinnerung, daß der erste Kontakt mit den Römern eben die Flucht vor den Sueben war, der zweite von Caesar beschriebene aber ein Plünderungszug. Wenn ich mich irre, werde ich das - sofern es nicht eh schon wer anders tut - noch kund tun.

Und noch ein letztes:
Gerade das deutet für mich ja darauf hin, dass die Grenzen zwischen den Stämmen durchaus fließend gewesen sein könnten - zumindest zwischen den Stämme, die einem "Kulturkreis" zuzuordnen sind (Elbgermanen, Istväonen oder wie auch immer man das abgrenzen will).

Genau so können Grenzen zwischen verschiedenen Kulturkreisen fließend sein. Aber der springende Punkt ist von dir in - um das Wort mal wieder zu benutzen -Parenthese angemerkt: Ich würde sagen, daß man "abgrenzen", Entitäten bilden muß. Es ist nun einmal ein Tatsache, daß die römischen Autoren eben zwischen unterschiedlichen Völkern unterschieden und innerhalb von Vökern wiederum klassifizierten und dies zum Teil auch sehr wiedersprüchlich. Hier eine Ordnung reinzubringen, damit tut sich die Germanenforschung teils schwer, ändert Paradigmen, tradiert gelegentlich überholte Ansichten. Zu einer überholten Ansicht würde übrigens auch deine Vorstellung von nomadischen Germanen zählen, die vielleicht eher in die Zeit von Felix Dahn gehört. Aber auch dazu sollte man vielleicht einen eigenen Thread eröffnen.

Edith @ Barbarossa:
Hier ist noch unter Clodwig der Stammesname „Gambrivi“ überliefert.

Bist du dir sicher? Du erwähntest die Gambrivier auch mal an ganz anderer Stelle: http://www.geschichtsforum.de/201820-post14.html
Gemäß der dortigen Darstellung dürfte es sich eher um kaiserzeitliche Überlieferung römischer Provenienz handeln (vgl. z. B. http://www.geschichtsforum.de/f35/sugambrer-gambrivier-13002/); verwechselst du es mit dem Si- oder Sygamber-Namen beispielweise aus dem Brief des Bischofs von Reims?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, Muspilli!

@ Maelonn: Unseren Streit würde ich gerne auf Aufforderung von El Quijote in diesem Thread beenden und habe dazu einen neuen Thread eröffnet...
Ich hatte das bislang nicht als "Streit" aufgefasst. Und in den neuen Thread schau ich mal rein.

Indes: Langsam sehe ich nicht mehr, wo eigentlich Dein Problem liegt.

Genau so können Grenzen zwischen verschiedenen Kulturkreisen fließend sein. Aber der springende Punkt ist von dir in - um das Wort mal wieder zu benutzen -Parenthese angemerkt: Ich würde sagen, daß man "abgrenzen", Entitäten bilden muß. Es ist nun einmal ein Tatsache, daß die römischen Autoren eben zwischen unterschiedlichen Völkern unterschieden und innerhalb von Vökern wiederum klassifizierten und dies zum Teil auch sehr wiedersprüchlich. Hier eine Ordnung reinzubringen, damit tut sich die Germanenforschung teils schwer, ändert Paradigmen, tradiert gelegentlich überholte Ansichten.
Das entspricht ziemlich genau dem, was ich in vorangegangenen Beiträgen postuliert habe. Zusammengefasst: Die historischen Quellen sind zu vage und zum Teil sogar widersprüchlich und unsere aus Grabungsbefunden gewonnenen eigenen Erkenntnisse sind (noch) zu dünn, um sicher einzelne Stämme oder Siedlungsgebiete identifizieren zu können. Also was stört Dich?

Zu einer überholten Ansicht würde übrigens auch deine Vorstellung von nomadischen Germanen zählen, die vielleicht eher in die Zeit von Felix Dahn gehört.
Schön, dass Du meine Einschätzung zu Dahn teilst! Ich habe aber gar nicht geschrieben, dass die Germanen Nomaden waren. Ich habe geschrieben, dass sie ihren "nomadischen Wurzeln" noch recht nahe waren. Wenn schon genau, dann bitte richtig genau! Dass die germanischen Stämme nicht in West- und Mitteleuropa aus Hart- und Weichholz ausgeknospt sondern hierher eingewandert sind, sollte doch nun wirklich unstrittig sein (wobei Du "unstrittig" von mir aus auch gern durch "wahrscheinlich" oder "plausibel" ersetzen darfst, ich bin ja kein Haarspalter). Dieses Einwandern und das spätere Umherziehen, das unter dem Begriff Völkerwanderung bekannt geworden ist, kann man imho zwanglos als Nomadisieren bezeichnen, wenn man nicht Haare spalten will.
Und was die Wanderung der Tenkterer betrifft, das lese ich jetzt nicht sofort nach, sondern behaupte aus meiner Erinnerung, daß der erste Kontakt mit den Römern eben die Flucht vor den Sueben war, der zweite von Caesar beschriebene aber ein Plünderungszug.
Habe ich was anderes behauptet? Habe ich irgendwo geschrieben, dass Stämme, die gewandert sind, nie geplündert hätten oder dass Plünderer nie gewandert wären? Dass beim Erstkontakt (Flucht vor den Sueben) nicht nur Krieger sondern auch Frauen und Kinder nach Gallien eingerückt sind (Quelle: Caesar himself), deutet jedenfalls nicht auf einen Raubzug hin, oder doch?

Und dann noch die leidige Sugambrer-Kugerner-Frage (seufz :still:):
Warum das unstrittig sein sollte, weiß ich nicht. Du hast zwar insofern Recht, als man bei verschiedenen Autoren genau diese Auffassung nachlesen kann. In der Regel steht dabei aber auch im Satz dieser Autoren: "wahrscheinlich", "vermutlich", weil die Cugerner halt plötzlich dort sitzen, wo die Sugambrer hingesiedelt wurde. Es ist eine plausible Annahme...
Ich bekenne mich schuldig: Es ist nicht unstrittig. Es ist lediglich "plausibel", weil uns beiden (oder zumindest mir) niemand bekannt ist, der es bestreiten würde (was die Sache natürlich noch nicht unstrittig macht :scheinheilig:).

Ja! Und zwar wiederholst du halt, daß es ein absurder Gedanke ist, daß die Römer den Sugambrer befohlen haben könnte, sich Cugerner zu nennen. Ich aber frage mich, wer solche absurden Gedanken hat.
(unterdrücktseufz) Natürlich ist es absurd, dass die Römer sowas angeordnet haben könnten. Habe ich doch auch (wortreicher) geschrieben, oder nicht? Warum ich die absurde Idee dann überhaupt noch erwähne? Weil allein die Römer die Macht gehabt hätten, sowas anzuordnen! Deduktiver Schluss aus dieser Behauptung: Wenn die Römer es also nicht angeordnet haben und sonst niemand dazu in der Lage gewesen wäre, dann müssen es die Cugerner selbst gewesen sein, die sich diesen Namen gegeben haben. Aber da bist Du ja offenbar anderer Ansicht:
Was macht dich da sicher, eine Quelle oder deine Erfahrung? Ich sehe darin nämlich Fremdbezeichnung. Im übrigen wüßte ich auch keinen Beleg, demnach sie sich selbst so genannt hätte.
Vielleicht hast Du Recht. Aber wenn Du darin Fremdbezeichnung siehst, dann kannst Du mir ja sicher auch sagen, wer der Fremde war/gewesen sein könnte, der die Fremdbezeichnung erfunden hat. Ich habe meine These der Selbstbezeichnung in der Tat nicht auf eine Quelle gestützt sondern auf die Erfahrung, dass ein Mensch, der sich einem andern Menschen vorstellt, sagt "Ich heiße Karlaugust..." (setz einen beliebigen Namen ein!) und nicht fragt "Wie willst Du mich nennen?"


Aber viele Stämme haben ihren Namen auch über Jahrhunderte beibehalten: Langobarden, Markomannen, Goten, Burgunden, Chatten, Friesen und eben auch die von dir angeführten Sugambrer – sie werden schon im Jahre 16 v. Chr. genannt und sind im Stammesverband der Franken aufgegangen. Hier ist noch unter Clodwig der Stammesname „Gambrivi“ überliefert.

Ja, klar. Viele Stämme haben ihren Namen beibehalten. Zum Teil lässt sich das heute noch an Regionsbezeichnungen nachweisen. Das Land Sachsen ist das augenfälligste Beispiel (auch wenn die Sachsen, wie erwähnt ein Stammesverband waren). Die Chatten haben sicher dem Land Hessen den Namen gegeben und von Hermunduren über Hermunduriger ist es nicht weit zu Thüringer. Die Stämme saßen nur nicht durchgehend an ein und demselben Platz. Und sie haben vielleicht nichtmal immer die "Grenzen" zu Nachbarstämmen eingehalten. Nimm hier wieder die Sugambrer: Ich bin auch der Meinung, dass dieser Stamm zu groß gewesen sein muss, um durch die Umsiedelung von 40.000 Menschen "vernichtet" zu werden. Er war ja laut römischen Quellen einer der mächtigsten rechtsrheinischen Stämme. Ich persönlich halte es für möglich, dass sich die übriggebliebenen Sugambrer den Brukterern angeschlossen haben, denn die in der beginnenden Frankenzeit linksrheinisch siedelnden Brukterer haben sich meines Wissens auf die Sugambrer berufen. Und bei der Taufe des Franken-Königs Chlodwig hat ihn der Bischof als "Sugambrer" bezeichnet. Das war 450 Jahre nach der angeblichen Vernichtung der Sugambrer.

Für gänzlich unwahrscheinlich halte ich es jedenfalls, den Stammbaum irgendeines Deutschen auf irgendeinen germanischen Stamm zurückführen zu wollen. Durch diese Region sind Römer, Kelten, Germanen, Hunnen, Franzosen und was weiß ich wer sonst noch gezogen. Die haben alle ihre Spuren hinterlassen. Und spätestens seit der industriellen Revolution sind die Menschen ohnehin zu mobil, um sie noch irgendwie ethnisch "festmachen" zu können. Warum sollte man das auch wollen?

Gruß
 
Hallo Maelonn,
in gewisser Weise beruhigt es mich, daß du unsere Diskussion nicht als Streit erlebst. Aber wir sind in vielen Punkten gewiß nicht einer Meinung. Manches gehört denn auch nicht in diesen Thread. Zum Beispiel hat mir Barabarossa denn auch gewissermaßen im Sugambrer=Gambrivier-Thread geantwortet. Die oder deine allgemeine Wandergermanenthese gehört auch nicht hierher, eben so wenig die Diskontinuitätsthese. Sofern du darüber diskutieren möchtest, könntest auch du eigene Threads dazu eröffnen. Aber bitte nichts mehr hier dazu.

Hier nur soweit dazu etwas:

Vielleicht hast Du Recht. Aber wenn Du darin Fremdbezeichnung siehst, dann kannst Du mir ja sicher auch sagen, wer der Fremde war/gewesen sein könnte, der die Fremdbezeichnung erfunden hat.

Mein Gedanke dazu ist, daß es schlicht und einfach die Gallier und Römer waren, die diese Träger des Namens "Cugerner" so nannten. Und zwar soll der "neue" Name in Übersetzung "die Kuhreichen" oder die "Kuhgierigen" bedeute. Reinhard Wolters, dessen Arbeit über Die Römer in Germanien diese Information entnehme, schriebt dazu gewissermaßen erläuternd: "Daß die Sugambrer, die vorher als die entschiedensten Gegner Roms auftraten, jetzt die Ländereien um die Militärstandorte Castra Vetera (Xanten) und Novaesium (Neuss) bewirtschafteten und so durch Bodenabgaben und Verkäufe ihrer Produkte auf den Märkten zur Versorgung der Legionäre beitrugen, verleiht dem Vorgang allerdings eine besondere Pointe." (Münche: Beck, 2004, S.37) Es war sogar genau dieses Zitat, das mich auf die Idee brachte, daß es sich um eine Fremdbezeichnung handeln muß: Ich stelle mir die Nachbarn dieser "Neusiedler" vor, wie sie von diesen neuen Kuhzüchtern hören, halb bewundernd, halb spöttisch, da sie vielleicht auch wissen - gewiß ohne Caesar Kommentare zum gallischen Krieg gelesen zu haben! - daß sie einst große Gegner ihres Reiches waren.

Und noch eine Richtigstellung: ich sprach von zwei Rheinüberschreitung der Tenkterer. Aber ich glaube, es gab nur den durch Suche nach Siedlungsplatz; als zweite dachte ich wohl an die Plünderung der Sugambrer.

Edit: und das hätte ich glatt vergessen:

Das entspricht ziemlich genau dem, was ich in vorangegangenen Beiträgen postuliert habe. Zusammengefasst: Die historischen Quellen sind zu vage und zum Teil sogar widersprüchlich und unsere aus Grabungsbefunden gewonnenen eigenen Erkenntnisse sind (noch) zu dünn, um sicher einzelne Stämme oder Siedlungsgebiete identifizieren zu können. Also was stört Dich?

Was mich stört, daß du einerseits Lokalisierungen für unmöglich hälst, andererseits aber die Forschungsergebnisse oder besser Ansichten der Forschung relativ unkritisch übernimmst, wie beispielsweise:

Ich persönlich halte es für möglich, dass sich die übriggebliebenen Sugambrer den Brukterern angeschlossen haben, denn die in der beginnenden Frankenzeit linksrheinisch siedelnden Brukterer haben sich meines Wissens auf die Sugambrer berufen.

Davon abgesehen, daß man in ein bis zwei Threads über die Franken (Ethnogenese der Franken) und die Merowinger (z. B. http://www.geschichtsforum.de/204903-post125.html) darüber schon diskutiert hat, waren es gewiß - oder sollte ich besser meines Wissens sagen?- nicht die Brukterer, die sich auf Sugambrer berufen. Nenne mir einen sicher bezeugten Brukterer, der sich als Sugambrer ausgibt. Und polemisch: links kannste, aber rechts des Rheins geht die Lokalisierung noch?
 
Zuletzt bearbeitet:
...Habe ich doch auch (wortreicher) geschrieben, oder nicht? Warum ich die absurde Idee dann überhaupt noch erwähne? Weil allein die Römer die Macht gehabt hätten, sowas anzuordnen! Deduktiver Schluss aus dieser Behauptung: Wenn die Römer es also nicht angeordnet haben und sonst niemand dazu in der Lage gewesen wäre, dann müssen es die Cugerner selbst gewesen sein, die sich diesen Namen gegeben haben. Aber da bist Du ja offenbar anderer Ansicht:

Vielleicht hast Du Recht. Aber wenn Du darin Fremdbezeichnung siehst, dann kannst Du mir ja sicher auch sagen, wer der Fremde war/gewesen sein könnte, der die Fremdbezeichnung erfunden hat. Ich habe meine These der Selbstbezeichnung in der Tat nicht auf eine Quelle gestützt sondern auf die Erfahrung, dass ein Mensch, der sich einem andern Menschen vorstellt, sagt "Ich heiße Karlaugust..." (setz einen beliebigen Namen ein!) und nicht fragt "Wie willst Du mich nennen?"
*Räusper*
Ich glaube, das ist zu einfach gedacht. Es gibt viele Bespiele in der Geschichte der römisch-germanischen Begegnungen, wo uns die Römer Namen von den Stämmen überliefern, wobei diese Namen jedoch keineswegs immer Eigenbezeichnungen waren. Und schon hier beginnt das Problem, denn schon alle diese Namen müssen erst auf eine mögliche Eigenbezeichnung hin überprüft werden. Dazu haben wir zum Glück die Wissenschaft, die das für uns tut. Um das einmal zu verdeutlichen:
Schon die Bezeichnung "Germanen" für eine bestimmte Ethnie war ursprünglich keine Eigenbezeichnung, sondern wurde in erster Linie durch die Römer geprägt und erst viel später drang der Name in unseren Sprachgebrauch ein.
Anderes Beispiel (wenn hier auch OT):
Der Name der Alamannen - obwohl er germanisch klingt - war ursprünglich keine Eigenbezeichnung dieses Stammesverbandes, sondern kam zustande durch die Ansiedlung von germanischen Föderaten durch Kaiser Diokletian unter der Bezeichnung "Alamannos", germ. - Alamannen ( "Männer, im Gesamten genommen" ). Das Territorium hieß seitdem "Alamannia".
Ebenso verhält es sich mit den Teilstämmen der Alamannen:


+ Der Stamm der Alamannen setzte sich zusammen aus den:
- Juthungen ( "Abkömmlinge", möglicherweise Nachkommen des suebischen Stammes der Semnonen )
- und einiger Splitter - Stämme, die nach ihrer Niederlassung als
- Brisigaven ( Breisgau ),
- Lentiensen ( am Fluß Linz, heute Aach ),
- Bucinobanten ( bei Mainz )
- u. Raetovaren ( nördliches Raetien )
bezeichnet wurden.

Aber das nur als Beispiel, daß man selbst mit den überlieferten Bezeichnungen Vorsicht walten lassen sollte. Oft kennen wir aber die Eigenbezeichnungen nicht, so daß wir dennoch diese Fremdbezeichnungen übernehmen müssen, um überhaupt einen Namen zu haben.


...Ja, klar. Viele Stämme haben ihren Namen beibehalten. Zum Teil lässt sich das heute noch an Regionsbezeichnungen nachweisen. Das Land Sachsen ist das augenfälligste Beispiel (auch wenn die Sachsen, wie erwähnt ein Stammesverband waren).
Das Land Sachsen auf keinen Fall, sondern Niedersachsen.
...Nimm hier wieder die Sugambrer: Ich bin auch der Meinung, dass dieser Stamm zu groß gewesen sein muss, um durch die Umsiedelung von 40.000 Menschen "vernichtet" zu werden. Er war ja laut römischen Quellen einer der mächtigsten rechtsrheinischen Stämme.
In den Quellen werden u. a. auch von 24.000 eingewanderten Haruden und von 60.000 getöteten Brukterern überliefert, aber:
Die überlieferten Zahlenausgaben werden zu Recht bezweifelt und besitzen nur Annäherungswerte (s. aber auch keltische Stammesstärken zwischen 14.000 und 263.000 Personen bei Cäsar, Bell. Gall. 1, 29).

...Für gänzlich unwahrscheinlich halte ich es jedenfalls, den Stammbaum irgendeines Deutschen auf irgendeinen germanischen Stamm zurückführen zu wollen. Durch diese Region sind Römer, Kelten, Germanen, Hunnen, Franzosen und was weiß ich wer sonst noch gezogen. Die haben alle ihre Spuren hinterlassen. Und spätestens seit der industriellen Revolution sind die Menschen ohnehin zu mobil, um sie noch irgendwie ethnisch "festmachen" zu können. Warum sollte man das auch wollen?
Nun, die eigene Abstammung interessiert schon sehr viele Menschen. Gerade in unserer heutigen Zeit boomen wieder Seiten, in denen man angeblich seine eigene Abstammung rekonstrieren können soll. Das ist natürlich Humbug.
Auch gebe ich dir recht, daß es schon immer Vermischungen mit anderen Völkern gegeben hat - die von dir genannten sind da schon korrekt. Aber was ich meinte, als ich schrieb:

Barbarossa schrieb:
...für einige Westdeutsche Länder ist es durchaus möglich, die Abstammung der Bevölkerung an bestimmten Stämmen festzumachen...
dann meinte ich die Masse eines ganzen Stammesverbandes, wie z. B. die Franken, die nun einmal ein Zusammenschluß der Usipiter, Amsivarier, Chamaver, Tenkterer, Sugambrer, Tubanten, Chattuarier, Hasuarier und Brukterer darstellen. Und hier hat es in späterer Zeit auch keine größeren Wanderungen mehr gegeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Muspilli: Danke für den Hinweis, dass ich einen Teil Deiner Anmerkungen in anderen Threads beantworten sollte.
Was mich stört, daß du einerseits Lokalisierungen für unmöglich hälst, andererseits aber die Forschungsergebnisse oder besser Ansichten der Forschung relativ unkritisch übernimmst, wie beispielsweise:
Ich persönlich halte es für möglich, dass sich die übriggebliebenen Sugambrer den Brukterern angeschlossen haben, denn die in der beginnenden Frankenzeit linksrheinisch siedelnden Brukterer haben sich meines Wissens auf die Sugambrer berufen.
Gibt es dazu "Forschungsergebnisse oder besser Ansichten der Forschung"? Ich kenne keine und habe folglich auch keine unkritisch übernommen. Meine Formulierung "Ich halte es für möglich" sollte die folgenden Aussagen als meine Theorie kennzeichnen. Die leite ich unter anderem daraus ab, dass Brukterer und Sugambrer in historischen Quellen als Nachbarn genannt werden und dass das eher nördlich gelegene Brukterergebiet für flüchtende Sugambrer ein "logisches" Ziel gewesen sein dürfte, da der Druck der Römer ja von Westen und Süden kam. Das alles natürlich immer unter dem von mir in Parenthese genannten Vorbehalt, dass die historischen Quellen ungenau sind und keine sicheren Schlüsse zulassen. Dass sich in späterer Zeit Brukterer auf die Sugambrer berufen hätten, habe ich irgendwann mal gelesen, kann die Quelle aber nicht mehr angeben. Deshalb steht dort "meines Wissens", nicht "erwiesenermaßen".

Übrigens habe ich nirgends geschrieben, dass eine Zuordnung "unmöglich" ist. Ich schrieb, dass ich sie für problematisch halte und dass solche Zuordnungsversuche deshalb immer bis zu einem gewissen Grad spekulativ bleiben. Dazu zitiere mich jetzt mal unfein selbst:
Hallo, Forengemeinde!
Da dies mein erster Post ist, grüße ich erstmal alle.
Was die Ausgangsfrage betrifft, fürchte ich, dass es eine zufriedenstellende Antwort wohl nicht geben kann. Welche Völker siedelten in NRW? Vermutlich alle. Bei dem Versuch der Zuordnung eines Siedlungsgebiets stößt man zwangsläufig auf eine Reihe von Problemen (und noch mehr Probleme würde man bekommen, wenn man daraus dann auch noch eine "Kontinuität" der damaligen Bevölkerungen bis heute ableiten wollte).

Und damit schließe ich diesen Diskurs für mich jetzt mal ab.

@Barbarossa:
*Räusper*
Ich glaube, das ist zu einfach gedacht. Es gibt viele Bespiele in der Geschichte der römisch-germanischen Begegnungen, wo uns die Römer Namen von den Stämmen überliefern, wobei diese Namen jedoch keineswegs immer Eigenbezeichnungen waren.
Im Grunde sind wir einer Meinung. Sicher haben die Römer uns die Namen überliefert, da es germanische Schriftquellen ja nicht gibt (wir sprechen immer über die frühe römische Kaiserzeit!). Sicher haben die Römer auch solche Stammesnamen "verballhornt", so dass wir nicht sicher sein können, dass die römische Schreibweise korrekt war. Beispiel: Ich habe irgendwo mal gelesen, dass die Römer Schwierigkeiten mit der Aussprache eines führenden "H" gehabt hätten und deshalb den Stammesnamen "Hatten" eventuell als "Chatten" wiedergegeben hätten (reine Spekulation, keine Ahnung ob das stimmt, nur ein Beispiel, okay?)

Nichtsdestotrotz sind die in den Quellen genannten Stammesnamen nicht "frei erfunden". Sie haben offensichtlich keine lateinischen Ursprünge. Daraus schließe ich, dass sie zumindest auf Eigenbezeichnungen zurückgehen.

Schon die Bezeichnung "Germanen" für eine bestimmte Ethnie war ursprünglich keine Eigenbezeichnung, sondern wurde in erster Linie durch die Römer geprägt und erst viel später drang der Name in unseren Sprachgebrauch ein.
Wieder stimme ich Dir zu und wieder vertrete ich die Auffassung, dass eine Eigenbezeichnung der Ursprung war. Caesar hat die Unterscheidung Germanen-Gallier aus politischen Gründen eingeführt: Gallier = Freunde, Germanen = Feinde. Trotzdem ist das Wort "Germanen" kein lateinisches Wort. Zur Herkunft des Namens schreibt Tacitus, dass sich eine Gruppe von besonders brutalen Plünderern, die nach Gallien eingedrungen war, so genannt habe, dass in der Folgezeit die verängstigten Gallier alle von Osten kommenden Eindringlinge so genannt hätten und dass die folgenden Eindringlinge die Bezeichnung gern angenommen hätten, weil sie ihnen den Ruf verliehen hat, besonders furchterregend und mächtig zu sein.

All das stützt ja meine These, dass es schwierig ist, Stämme und Gebiete sicher zu identifizieren. Je nachdem wer sie benannt hat, könnte auf Eigen- oder Fremdbezeichnungen zurückgegriffen haben. Ein und derselbe Stamm könnte den Römern mal unter diesem, mal unter jenem Namen begegnet sein. So sprechen die Römer von Sueben. Andere Quellen behaupten, dass mehrere Stämme "suebisch" gewesen seien.

dann meinte ich die Masse eines ganzen Stammesverbandes, wie z. B. die Franken, die nun einmal ein Zusammenschluß der Usipiter, Amsivarier, Chamaver, Tenkterer, Sugambrer, Tubanten, Chattuarier, Hasuarier und Brukterer darstellen. Und hier hat es in späterer Zeit auch keine größeren Wanderungen mehr gegeben.
Auch hier bin ich Deiner Meinung. Das betrifft dann allerdings schon die Zeit nach der Völkerwanderung. Ab dem Zeitpunkt, da sich feste Zusammenschlüsse wie Franken und Sachsen gebildet hatten, gibt es kaum noch Wanderungsbewegungen, sondern nur noch Ausdehnungen von Machtbereichen. Ab dem Zeitpunkt kann man natürlich Siedlungsgebiete benennen und auch Kontinuitäten bis heute nachweisen. Ab dem Zeitpunkt gibt es dann aber auch keine Stämme mehr. Und es gibt schon "eigene" schriftliche Quellen, die bei der Lokalisierung von Siedlungsgebieten helfen.
Z.B. Gregor von Tours

MfG
 
Zuletzt bearbeitet:
...Nichtsdestotrotz sind die in den Quellen genannten Stammesnamen nicht "frei erfunden". Sie haben offensichtlich keine lateinischen Ursprünge. Daraus schließe ich, dass sie zumindest auf Eigenbezeichnungen zurückgehen(...)Caesar hat die Unterscheidung Germanen-Gallier aus politischen Gründen eingeführt: Gallier = Freunde, Germanen = Feinde. Trotzdem ist das Wort "Germanen" kein lateinisches Wort. Zur Herkunft des Namens schreibt Tacitus, dass sich eine Gruppe von besonders brutalen Plünderern, die nach Gallien eingedrungen war, so genannt habe, dass in der Folgezeit die verängstigten Gallier alle von Osten kommenden Eindringlinge so genannt hätten und dass die folgenden Eindringlinge die Bezeichnung gern angenommen hätten, weil sie ihnen den Ruf verliehen hat, besonders furchterregend und mächtig zu sein.
Ich stimme dir zu, daß der Begriff von Cäsar geprägt wurde.
Über die verschiedenen Theorien des Germanen-Begriffes habe ich hier eine Abhandlung geschrieben: Die Germanen
Ich stimme dir nicht zu, daß zur Zeit Cäsars die Gallier als "Freunde" bezeichnet wurden, oder auch nur so angesehen wurden. Statt dessen war Rom oder genauer gesagt Cäsar gerade dabei, die keltischen Gallier zu unterwerfen. Da war es natürlich wichtig, zu wissen, wie weit Gallien im Osten ging. Cäsar zog also die politische Grenze am Rhein, bis zu der er vordrang. Daraus resultierte auch die Untscheidung zwischen "Galliern" und "Germanen".
...Auch hier bin ich Deiner Meinung. Das betrifft dann allerdings schon die Zeit nach der Völkerwanderung. Ab dem Zeitpunkt, da sich feste Zusammenschlüsse wie Franken und Sachsen gebildet hatten, gibt es kaum noch Wanderungsbewegungen, sondern nur noch Ausdehnungen von Machtbereichen. Ab dem Zeitpunkt kann man natürlich Siedlungsgebiete benennen und auch Kontinuitäten bis heute nachweisen. Ab dem Zeitpunkt gibt es dann aber auch keine Stämme mehr.
Kleine Anmerkung:
Die Stämme begannen bereits im 3. Jh. n. Chr. (also vor dem Beginn der "Völkerwanderung", an der die Franken gar nicht teilnahmen), sich zu Stammesverbänden zusammen zu schließen, wobei (um beim Thema Franken zu bleiben) dieser Prozeß meist fließend und allmählich war.
Seit etwa 200 n. Chr. begannen sich einige der kleinen westgermanischen Stämme entlang der römischen Grenze, namentlich die Usipiter, Amsivarier, Chamaver, Tenkterer, Sugambrer, Tubanten, Chattuarier, Hasuarier und Brukterer zu einem größeren Stammesverband zusammenzuschließen, der sich selbst als "die Franken" (= die Kühnen) bezeichnete.
(...)
Die Franken wurden erstmals 258 n. Chr. als Francii von römischen Quellen erwähnt, anlässlich eines ihrer vielen Raubzüge über die Grenze in die römische Provinz Gallien hinein.
Die Franken waren ursprünglich völlig freie, gegenseitig unabhängige germanische Stämme, die zu Zwecken der gemeinsamen Kriegsführung gegen die Römer eng verbunden auftraten. Erst nach Jahrzehnten des gemeinsamen Kampfes verdichteten sich die lockeren Bindungen immer weiter, bis zu einem mächtigen Staatswesen, dem Reich der Franken.
Die Entstehung der Franken - Seite 5 - Geschichtsforum
 
Über die verschiedenen Theorien des Germanen-Begriffes habe ich hier eine Abhandlung geschrieben: Die Germanen
Interessante Zusammenfassung. Besonders der von Dir zitierte Deutungsversuch von Stabon ist spannend und war mit neu. Ich würde den aber trotzdem nicht übernehmen wollen. Wahrscheinlicher erscheinen mit da Tacitus´ Deutung oder der keltische Ursprung des Namens.
Ich stimme dir nicht zu, daß zur Zeit Cäsars die Gallier als "Freunde" bezeichnet wurden, oder auch nur so angesehen wurden. Statt dessen war Rom oder genauer gesagt Cäsar gerade dabei, die keltischen Gallier zu unterwerfen. Da war es natürlich wichtig, zu wissen, wie weit Gallien im Osten ging.
Okay, das habe ich zu verkürzt dargestellt. Caesar hat den Germanenbegriff und die Unterscheidung zu Galliern aus innenpolitischen Gründen eingeführt (wohl wissend, dass auch links des Rheins Germanen wohnten und einige Stämme rechts des Rheins Kelten waren). Er wollte damit den römischen Senat überzeugen, dass jenseits des Rheins "der Feind" sitzt und Legionen aufgeboten werden müssen, um diesen Feind fernzuhalten. Schließlich basierte Caesars Macht auf seinem Kommando über die Legionen. Diese Machtbasis musste er sichern, indem er dem römischen Senat einen "äußeren Feind" präsentierte. Formell war Rom ja noch eine Republik und der Senat das "Regierungsgremium". Und die Gallier hat Caesar dem Senat tatsächlich als "Freunde" verkauft. Er hat so getan, als wäre Gallien schon eine römische Provinz, in der nur ein paar Aufsässige noch befriedet werden müssten. Führende Stämme wie die Häduer waren ja auch tatsächlich Verbündete Roms. Und dass andere führende Stämme wie die Sequaner feindlich waren, hat der gute Caesar dann locker mit dem fiesen Germanen Ariovist erklärt, der die eigentlich doch gutwilligen Seqaner geknechtet und in den Krieg gezwungen habe. Ich bleibe dabei: "De bello gallico" ist ein Werk, das die Gallier als "fast-schon-Römer" und die Germanen als "barbarische Bedrohung" darstellt. Aber gut geschrieben. Als Autor war Caesar weit besser als zum Beispiel Tacitus. Meine Meinung.

Kleine Anmerkung:
Die Stämme begannen bereits im 3. Jh. n. Chr. (also vor dem Beginn der "Völkerwanderung", an der die Franken gar nicht teilnahmen), sich zu Stammesverbänden zusammen zu schließen, wobei (um beim Thema Franken zu bleiben) dieser Prozeß meist fließend und allmählich war.
Ja, weiß ich. "Fertig" waren diese Stammesverbände aber erst, als die Einzelstämme nicht mehr eigenständig waren. Ich sehe darin einen fließenden Prozess: Das ganze begann mit gemeinsamen Raubzügen. Die Beteiligten haben sich während dieser Züge "Franken" genannt, weil ja Krieger aus mehreren Stämmen dabei waren. Nach dem Raubzug haben sich die Beteiligten allerdings wieder getrennt und ihren jeweiligen Stämmen zugesellt. In der Schilderung des Raubzugs von Sunno, Genobaudes und Marcomer (Ende 4. Jahrhundert) bei Gregor von Tours wird deutlich, dass es die Einzelstämme noch gab. Die Herausbildung des Frankenreichs von den ersten gemeinsamen Aktionen bis zur Einsetzung eines Königs, der über alle beteiligten Stämme geherrscht hat, hat also rund 300 Jahre gedauert.

Aber jetzt sind wir wirklich OT.

MfG
 
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