Ludwig XIV. und der Winter 1709

Nergal

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Oft hört man in Dokumentationen im Fernsehen, oder man liest in populärwissenschaftlichen Zeitschriften, dass im Winter 1709 das Wasser auf der Tafel des Sonnenkönigs gefror.

In wie weit ist dies wahr?
Hätte man nicht die räumlichkeiten mit zB Feuerbecken, mobilen Öfen effektiv beheizen können?
Oder hatte dies eher damit zu tun dass der König so etwas als ein zu meidendes Zeichen von Schwäche, und damit seinem Image schadend, angesehen hätte?
 
nun ja, Versailles kann verdammt kalt sein, besonders wenn man sich m Winter in den goßen Säle und Galerien aufhält
Der Spiegelsaal z.B. hatte keinen Kamin(der hätte auch keinen Sinn gemacht) ,aber eine riesige einfachverglaste Fensterfront.Wenn die im Schatten lag war im Winter ein Kühlhaus nix dagegen, Insgesamt gab es ca.600 unbeheizbare Räume in Versailles und die Kamine sind nun auch nicht gerade die wärmetechnisch effizienteste Heizungsart- das ganze Schloss muss winters sehr kalt gewesen sein
 
Wie konnte man sich gegen diese Kälte helfen? Madame de Rambouillet nähte sich ein Bärenfell auf den Körper und die Maréchale de Luxembourg verbrachte den Winter in ihrem Tragestuhl mit Fuß- und anderen Wärmern. Und man hatte bei Hof eine besondere Vorliebe für die niedlichen, kleinen King Charles Spaniel. Man hatte sie auf dem Schoß und immer dabei. Kleine tragbare Heizungen.
 
Von diesem extremen Winter habe ich auch schon desöfteren gelesen. Von einer besonderen Beheizung von Versailles in der Zeit habe ich noch nie etwas gelesen. Es würde im Zeitgeist liegen, wenn man versucht hätte, lieber stur dem Zeremoniell zu folgen und die unangenehmen Erscheinungen zu ignorieren. Auch wenn man Louis XIV immer enorme Prunkliebe unterstellt, so war er auch pragmatisch genug, auf ein wenig seiner Pracht zu verzichten, wenn es die momentanen Verhältnisse erforderten. Der Krieg beanspruchte extrem die Kassen. Schon in einem vorigen Kriege war Louis XIV bspw. dazu gezwungen gewesen sein wertvolles Silbermobiliar mit hohem finanziellen Verlust abzuschaffen und einzuschmelzen, um den Krieg weiterführen zu können. Da kann es schon sein, dass man in Versailles lieber auf Komfort verzichtete, statt den Krieg evtl. zu verlieren.
 
Das Problem mit all dem Barock waren die großen Fenster und die hohen Räume, sowie die in einer Linie aufgereihten Durchgänge zwischen den Räumen. Hinzukamen die alten Kamine, die in Frankreich anstatt den Kachelöfen bevorzugt wurden, sowie das Holz zum Heizen, anstatt der Kohle, wie bspw. in England üblich.

Die Heizung des Schlosses Versailles wurde nachfolgend, im Laufe des 18. Jhs. verbessert. Die Kamine blieben dennoch wegen den schlecht ziehenden Schornsteinen problematisch; es windete in den Räumen und der Rauch gelangte in die Zimmer, weshalb manches Interieur immer wieder aufgefrischt werden musste. Zudem regnete es durch die Schornsteine herein, sodass bei Schneefall das Brennholz feucht werden konnte, was den Heizwert reduziert.

Obwohl manche Darstellung übertrieben sein dürfte, waren die Zustände auf Schloss Versailles in jenem Winter sicherlich von feuchter Kälte und Rauch, sowie von der Schufterei des gehetzten Personals geprägt.
 
Zudem regnete es durch die Schornsteine herein, sodass bei Schneefall das Brennholz feucht werden konnte, was den Heizwert reduziert.

Welchen Durchmesser hatten denn diese Schornsteine? Ich halte das für unrealistisch, zumal Schnee und Regen selten genau senkrecht herunterfällt.
Unser Schornsteinfeger empfahl uns, unsere Abdeckhaube auf dem Schornstein lieber abzunehmen, weil wir zu wenig "Zug" hatten. Schnee oder Regen ist jedenfalls noch nicht bis zum Brennholz durchgedrungen.

Gruss, muheijo
 
Das mit dem Hineinregnen ist ein altbekannter Effekt. Normalerweise kommt er selten vor, doch manche Schornsteine scheinen dafür prädestiniert zu sein.

Und natürlich waren die Schornsteine -auch in Bauernhäusern- größer als heute.
 
Unser Schornsteinfeger empfahl uns, unsere Abdeckhaube auf dem Schornstein lieber abzunehmen, weil wir zu wenig "Zug" hatten. Schnee oder Regen ist jedenfalls noch nicht bis zum Brennholz durchgedrungen.Gruss, muheijo

Ich hab bei einer Dachsanierung die gleichen Auskünfte erhalten und auf die Erstinstallation einer Haube verzichtet. Und natürlich hat es bei mir auch noch nie in den Kamin geregnet
 
Welchen Durchmesser hatten denn diese Schornsteine? Ich halte das für unrealistisch, zumal Schnee und Regen selten genau senkrecht herunterfällt.
Zum Durchmesser der Schornsteine kann ich nichts sagen; die waren sicherlich unterschiedlich bemessen.
Paar Infos online zur Beheizung von Schloss Versailles im 18. Jh.: W. R. Newton, Hinter den Fassaden von Versailles, @ Google Books.
 
Die Heizungen in Schlössern konnten sehr „repräsentativ“ ausfallen. Im Palast von Poitiers - heute Justizpalast - hat der „Ofen“ ein Dach von den Ausmaßen eines Bauernhauses. 10 Meter lang, 2,30 Meter tief und mündet in drei Kamine. Das müßte jetzt ein Fachmann bestimmen, welchen Durchmesser die Kamine haben müssen wenn da unten auf 20 Quadratmetern aufgeschichtetes Holz in Brand gesetzt wird.
 
Heizung war ein echtes Problem in Versailles
Selbst der König Louis XV beklagte sich über die große Kälte,die in seinem offiziellen Schlafzimmer herrschte, welches er aus diesem Grunde nur für das zeremonielle Lever und Coucher benutzte, Die Nacht hingegen verbrachte Monsieur im inneren Kabinett wo es entschieden wärmer war
Fie Folge war ein wahlloser Einbau von Kaminen ,Öfen und zugehörigen Abzugssystemen die z.T. illegal eingebaut wurden, und das hatte Folgen,
Da die Abzugskamine nicht über die Dachlinie hinausragen durften zogen sie meist nicht richtig und russten relativ schnell zu- fadurch kam es immer wieder zu Bränden.Ausserdem waren die Abzugssysteme undicht,so dass der Rauch teilweise aus den Wänden quoll und fanze Appartmenttrakte unbewohnbar machte, von solchen Petitessen wie Kohlenmonoxydvergiftungen gar nicht zu reden,
Saint-Simon berichtete das Schloss habe auf Grund der illegalen Rauchabzüge von der Parkseite ger ausgesehen als habe es gebrannt.
Dass das Schloss noch steht ist unter diesen Umständen ein Wunder, zumal es diverse größere Brände gab -so u.a. 1707 und 1751


Ich empfehle zu dem Thema übrigens das Buch "Hinter den Fassaden von Versailles" von William R. Newton in dem ein ganzes Kapitel dem Thema Heizung gewidmet ist
 
Es gibt zahlreiche Berichte von Zeitgenossen, die den Winter 1708/09 für den schlimmsten seit Menschengedenken beschreiben. Die Ostsee war mit dickem Eis bedeckt. Das Eis war so dick, dass schwerbeladene Wagen über den Sund zwischen Dänemark und Schweden passieren konnten. Im Baltikum, Skandinavien, Russland und Polen erfroren Elche und Hirsche. Die Kanäle Venedigs, die Mündung des Tajo und selbst die Rhone war mit Eis bedeckt. In Paris fror die Seine zu, dass man sie gefahrlos zu Fuß passieren konnte. Selbst entlang der Atlantikküste, in Buchten und Hafeneinfahrten gab es Eis. Die Armee Karls XII. litt furchtbare Qualen in der Ukraine. Bis Weihnachten 1708 waren über 3000 Schweden erfroren. Kaum einer entging Erfrierungen. Karl XII. befolgte den Rat der Kosaken und rieb Erfrierungen mit Schnee ein und entging so Amputationen, die bei vielen nötig waren. Bis Weihnachten 1708 erreichte die Kältewelle ihren Höhepunkt. Eichhörnchen und Vögel fielen tot von den Bäumen, in ganz Europa krepierte Vieh auf den Weiden.

Robert K. Massie, Peter the Great S. 420-422. Frans Bengtson The Life of Charles XII. S. 370 ff.
 
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