Luftkrieg: Psychische Belastungen alliierter Flugzeugbesatzungen im Luftkrieg 1942/45

silesia

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Jede Empathie für die Opfer war z.B. auch den meisten alliierten Bomberpiloten fremd. Die Zeugnisse hierzu sind ebenso bestürzend. In dem Kontext findet aber keine Forschung statt.

Soweit das Klischee in einem heiklen Thema, das mit dem Luftkrieg über dem Deutschen Reich, gegen Städte und hohen Verlusten der Zivilbevölkerung verbunden ist. Dieser Aspekt soll aber hier nicht verknüpft werden, sondern es geht um die psychischen Stress für die alliierten Besatzungen im Luftkrieg, ein Randaspekt also.

Die ersten Untersuchungen führten Großbritannien und die USA dazu bereits während des Krieges durch, entsprechende Studien wurden erstellt. In Großbritannien war die Bezeichnung "lack of morale fibre" (LMF - fehlende Willenskraft) üblich, wenn Flugbesatzungen Einsätze ohne erkennbare technische Gründe abbrachen oder erst gar nicht antreten wollte und verweigerten.

Diese "Verweigerung" - häufig durch den psychischen Stress bedingt - hatte ihren Grund. Alliierte Bomberbesatzunge mußten nach 15-30 Einsätzen zurückgezogen werden, da die Einsatzfähigkeit ua. aus psychischen Gründen erheblich absank. Die 8. US-Luftflotte hatte 1942-45 rund 106.000 Besatzungsmitglieder in Kampfberührung mit Flak- oder Jägerberührung (von rd. 300.000 insgesamt). Verluste: 20.000, Gefangene durch Abschuss rd. 23.000, unbeschadet zurückgekehrt: 60.000. Dabei wurden rd. 3100 Crewmitglieder wegen "psychiatric disorder" aussortiert ("disposition", siehe History US-AAF, Band 7, S. 404). Noch höhere Quoten hatte die Royal Air Force bei ihren Nachtangriffen, bei denen zT je Einsatz 3- 10% der Flugzeuge verloren gingen (Verlustquote rd. 56.000 Tote bei 125.000 Besatzungsmitgliedern, also rd. 44%).

Statistisch würde demnach eine Besatzung kaum 25 Einsätze mit Gefechtsberührung unbeschadet überstehen, tatsächlich ließen die Leistungskurven nach 10-20 Einsätzen nach oder es wurde lack of morale fibre konstatiert.

Besonderen psychologische Wirkungen übte der Flak-Schutz über dem Reich aus, wobei dieser Effekt die Wahrnehmung der Bedrohung durch Jagdflugzeuge wohl erheblich überstieg. Tatsächlich waren Beschädigungen durch Flaktreffer relativ häufig, und dabei traf es eben auch Besatzungsmitglieder (zB Juni-August 1944: Verluste 8. US-AAF 342 Flugzuge durch Flak, rd. 11.000 beschädigungte Flugzeuge durch Flaktreffer). ->Westermann, FLAK - German Anti-Aircraft-Defences 1914-1945, S. 291.

Eine Monographie hat unter Auswertung der Studien, die bereits während des Kriegs angefertigt wurde, diese Effekte (ua. der "Flakhölle") untersucht:
Courage and air warfare: the Allied ... - Google Bücher

Insbesondere der Flak-Effekt und die Bedrohung durch Jäger wirkte dabei auf die Besatzungen unterschiedlich ein: die Jahre 1942/44 sind in den psychischen Belastungen hier mit 1945 aufgrund des nachlassenden deutschen Widerstandes kaum vergleichbar, da die Verlustrisiken erheblich sanken.

Dieser Hintergrund sollte beachtet werden, wenn Zeitzeugen-Aussagen ex post kaum Interesse an der unter dem Bombenhagel liegenden Zivilbevölkerung bekunden. Auch nach den Kriegsjahren ist hier zu differenzieren.
Stimulant Use in Extended Flight Operations
The Flyer: British culture and the ... - Google Bücher
 
Soweit das Klischee in einem heiklen Thema, das mit dem Luftkrieg über dem Deutschen Reich, gegen Städte und hohen Verlusten der Zivilbevölkerung verbunden ist. Dieser Aspekt soll aber hier nicht verknüpft werden, sondern es geht um die psychischen Stress für die alliierten Besatzungen im Luftkrieg, ein Randaspekt also.
[...]

@silesia, ich denke, wenn es um die psychische Belastung von Soldaten im direkten Kampfeinsatz geht, spielt es wohl kaum eine Rolle, ob es ein angehöriger der Land-, Luft- oder Seestreitkräfte ist.

Und glaubst Du, zu unterscheiden, ob der Soldat im Schützengraben, im Kampfpanzer oder im getauchten Uboot eine ander Streßbelastung aufweist?
Da steht bei allen die Angst ganz oben. Aber wahrscheinlich nicht die Angst vor dem Kampf, sondern die Angst vor dem nicht wissen, was passieren kann...

Also ich finde es deshalb nicht korrekt es nur auf eine bestimmte Nation und Kampfeinheit zu reduzieren.
Zumindest ist das meine persönliche subjektive Meinung.
 
Ich dachte mir schon, dass dieses Thema prima vista missverstanden werden könnte.

Es geht nicht um die von Dir geäußerten Behauptungen oder Vergleiche mit anderen Truppenteilen, sondern um die Detailbetrachtung des Luftkriegs aus Sicht der alliierten Besatzungen.

Wieso sollte das nicht "korrekt" sein? (wobei ich bei einer solchen Fachfrage den Massstab des "korrekt" nicht nachvollziehen kann) Es handelt sich - wie man an den Publikationen sehen kann - rein sachlich um eine historische Fragestellung, die zugegeben in Deutschland wenig Beachtung findet. Aber auch diese Sicht ist ja wahrnehmbar, wenn auch eingegrenzt.

Wenn der Beitrag für den einen oder anderen ein bislang völlig unbekanntes Feld beleuchtet oder Interesse an weiteren Informationen weckt, reicht das.
 
Insbesondere der Flak-Effekt und die Bedrohung durch Jäger wirkte dabei auf die Besatzungen unterschiedlich ein: die Jahre 1942/44 sind in den psychischen Belastungen hier mit 1945 aufgrund des nachlassenden deutschen Widerstandes kaum vergleichbar, da die Verlustrisiken erheblich sanken.


Lag es nicht vielmehr daran, dass aufgrund des Vordringens der Alliierten auf dem europäischen Festland die Anflugwege und -zeiten der Bomber wesentlich verringert werden konnten und im Bedarfsfall auch rascher Hilfe durch Jagdflieger angefordert werden konnte?

Zuvor waren die aus England anfliegenden Verbände bereits über dem Ärmelkanal angegriffen worden, mussten sich dann durch mehrere Flakgürtel durchquälen, wurden immer wieder von Jägern angegriffen. Und hernach mussten sie den ganzen Weg wieder zurück nach GB fliegen. Das waren mehrere Stunden unter enormer Anspannung. Vor allem, wenn der Treibstofftank immer leerer wurde...

Spätestens ab Herbst 1944 hatte sich die Lage für die Aliierten wesentlich gebessert, trotz Strahlenflugzeuge und Nachtjäger der Luftwaffe.
 
Lag es nicht vielmehr daran, dass aufgrund des Vordringens der Alliierten auf dem europäischen Festland die Anflugwege und -zeiten der Bomber wesentlich verringert werden konnten und im Bedarfsfall auch rascher Hilfe durch Jagdflieger angefordert werden konnte?...
Spätestens ab Herbst 1944 hatte sich die Lage für die Aliierten wesentlich gebessert, trotz Strahlenflugzeuge und Nachtjäger der Luftwaffe.

Mit der Ergänzung hast Du recht, das habe ich verkürzt dargestellt. Neben den zurückgehenden/zrückgehaltenen Jägerzahlen der Luftwaffe stieg der Schutz ebenfalls durch die genannten Faktoren an. Interessanterweise soll aber die Jägerbedrohung weniger destruktiv auf die Besatzungen eingewirkt haben, als das Verharren in den Kanzeln unter Flakbeschuss.

Westermann stellt dar, wie die "Reichsverteidigung" im Herbst 1944 im wesentlichen auf dem Flakeinsatz beruhte. Diese Bedrohung verringerte sich 1945 ganz erheblich durch den Abzug an die Ostfront. Gegen Kriegsende 1945 fanden sich eben auch weite Bereiche ohne Flakschutz. Auf den Unterschied wollte ich am Rande hinweisen.


P.S., und um nochmal auf den Hinweis von @Köbis zurückzukommen, ein literarischer Bezug zur deutschen Luftwaffe: dabei erinnerte ich mich an das Buch "Er flog an meiner Seite" (Erwin Morzfeld), Geschichte des Leutnant Torstegge und seiner Crew ua. bei Flug gegen alliierte Eismeer-Geleitzüge. In einer Szene wird der Anflug in den Flakschirm eines Konvois recht drastisch geschildert. Der Funker nässte sich weinend ein, der MG-Schütze Laworski brüllte irrsinnig, hatte Schaum vorm Mund und feuerte wahllos in der Gegend herum. Ein Staffelkollege meldete vorher "Probleme" und warf die Torpedos blind ab. Das dürfte die psychische Ausnahmesituation recht gut beschreiben, ähnliche Schilderungen findet man ansatzweise auch in den alliierten Studien, die auf empirischer Basis beruhen. Solche Analysen sind mir allerdings für die Luftwaffe nicht bekannt, weswegen ich die Einschränkung auf die alliierten Luftwaffen gewählt habe. Interessant wäre hier tatsächlich, ob während des Krieges Unterschiede zwischen Luftwaffe, US-AAF und Royal Air Force in der "Behandlung" des Luftwaffenpersonals bestanden haben. Wenn dazu jemand weitergehende Hinweise hat, bitte einstellen.
 
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P.S., und um nochmal auf den Hinweis von @Köbis zurückzukommen, ein literarischer Bezug zur deutschen Luftwaffe:[...]

@silesia, es ging mir bei der allgemeinen Darstellung des psychischen Stresses bei Soldaten im Krieg nicht um eine Unterscheidung der Nationen, die Gegeneinander kämpften. Sondern die Hervorhebung der Luftwaffe, egal welcher Nation, als stressgeplagte Soldaten zu einseitig.
Ich möchte damit auch keine Grundlage schaffen für die Frage nach: Welche Teilstreitkraft hatte die größten psychologischen Streß zu ertragen? - aber ich denke die Besatzung eines Ubootes, die Monatelang in einer kleinen stinkigen Röhre aus Stahl eingepfercht ist, leidet schon psychischen Streß, auch ohne Kampfhandlung...

Wenn hier aber nur die Thematik des Luftkrieges als Grundlage stehen sollte, dann finde ich, daß der psychologische Streß grundsätzlich bei allen Waffengattungen als gleich dargestellt werden sollte und dann eine Diskussion zu führen ist auf die Thematik der Teilstreitkräfte...

Aber vielleicht habe ich es auch nur falsch verstanden, Grundsätzlich ist es ein wichtiges und interessantes Thema.
 
Ein Aspekt, der Stress von Bomberbesatzungen wie Silesia es in #1 plastisch darstellt, der psychologisch durchaus nachvollziehbar ist:

1. Jagdflugzeuge sah man kommen und sie konnten bekämpft werden. Es ergab sich somit die klassische Situation des direkten Kampfes.

In dieser Situation ist die gesamte Besatzung in der Rolle eines Subjekts und kann somit Stress deutlich besser kompensieren.

2. Granaten sah man nicht und man konnte sich nicht effektiv mit ihnen auseinandersetzen.

In dieser Situation ist die Besatzung in der Rolle des Objekts und es kann lediglich durch das Auslösen der Bombenladung punktuell den Stresspegel reduzieren.

Ein kurzes Wort zur eingangs angesprochenen Empathie von Bomberbesatzungen. Die gängige These ist, dass mit steigender Distanz zum Ziel, der Krieg abstrakter duch die Soldaten erlebt wird. Und diese Veränderung führt zu einer Reduzierung von Empathie.

Es sei denn wir haben einen reflektierten, sensiblen Soldaten vor uns. In diesem Fall kann das abstrakte Verstehen der Situation der Opfer zu konkretem Stress, aufgrund von Empathie führen. Vermutlich eher die Minorität, die am schnellsten unter traumatischen Belastungen zu leiden hat.

Ein Aspekt, der universell ist, und nur noch durch die Controller in den Abschuss-Silos von ICBM oder in Atom-U-Booten noch übertroffen wird.

Unter dieser Voraussetzung kann man, rein analytisch, das Verhalten von Soldaten mit direktem Kontakt zum Feind bzw. zum Opfer, nicht mit der abstrakten Situation des Tötens durch Bomberbesatzungen aus hochfliegenden Bombern vergleichen.

Und von Bomberbesatzungen, gleich aus welchem Land sie kommen, Empathie zu erwarten, ist m.E. unrealistisch.

Dennoch: Das Mitfühlen oder die Empathie mit den Opfern ist einerseits sicherlich auch eine Frage des Charakters. Es ist aber auch zu einem nicht geringen Prozentsatz eine Frage der vermittelten Wertvorsellungen.

Und eine Ideologie, die wie die faschistische bzw. nationalsozialistische, auf einem deutlichen Freund- Feindbild aufbaut und zusätzlich die rechtstaatliche Barriere der Militärgerichtbarkeit nach dem Polenfeldzug eleminiert hat, wird kaum hoffen dürfen, empathische Soldaten hervorzubringen.

Und an diesem Punkt ergeben sich systematische Unterschiede in der Gesamtheit der Soldaten, nicht im Einzellfall, zwischen der WM und den Westallierten. Und dieses noch verstärkt mit Fortschreiten der NS-Indoktrination während des Krieges.
 
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1. Jagdflugzeuge sah man kommen und sie konnten bekämpft werden. Es ergab sich somit die klassische Situation des direkten Kampfes.

In dieser Situation ist die gesamte Besatzung in der Rolle eines Subjekts und kann somit Stress deutlich besser kompensieren.

2. Granaten sah man nicht und man konnte sich nicht effektiv mit ihnen auseinandersetzen.

In dieser Situation ist die Besatzung in der Rolle des Objekts und es kann lediglich durch das Auslösen der Bombenladung punktuell den Stresspegel reduzieren.

zu 1) In einer B17, die angeschossen wie eine flügellahme Ente hinter dem Pulk hing, hatte man meist nichts davon, den Jäger kommen zu sehen. Man pickte sich deutscherseits ohnehin bevorzugt solche "Beute" raus, anstatt selbstmörderisch eine Combat Box anzugreifen.
zu 2) Die meisten Nachtbomber merkten es erst, wenn der Jäger wirklich feuerte. Galt besonders bei Einsatz der "Schrägen Musik" und dann war es zu spät.
 
Damit sind wir beim Kern:

Die gängige These ist, dass mit steigender Distanz zum Ziel, der Krieg abstrakter duch die Soldaten erlebt wird. Und diese Veränderung führt zu einer Reduzierung von Empathie.

Wenn vor "Distanz" ein "ungefährdet" eingefügt wird, was mit weiter Distanz idR verbunden ist bzw. unterstellt werden kann, ist das richtig. Das "ungefährdet" ist allerdings der entscheidende Faktor. Die Gefährdungslage, siehe die Verlust-Quoten zum Bomber Command, war empirisch messbar, und damit sicher je Einsatz perzipiert. Die US-AAF hat hierzu (ganz pragmatisch und natürlich nur mit Blick auf die Wirksamkeit des Waffensystems) Einsatztabellen und Studien erstellt, die das Abziehen des Personals vor dem völligen psychischen Verschleiß zur Folge hatten (-> maximale Einsatzzahlen für Besatzungsmitglieder)

Empathie spielte übrigens - jedenfalls nach den Studien - weder für die "psychiatric disorder" noch für den "lack of morale fibre" eine Rolle. Das schließt natürlich keinesfalls den Einfluss als Stressfaktor aus. Ich würde allerdings die massive Bedrohungslage aufgrund der Flakzonen höher ansetzen - was Westermann als flak's hidden effects bezeichnet, abseits von messbaren Beschädigungen des "Geräts".
 
Einige Untersuchungen sind zur 305th Bomb Group erfolgt. Die Gruppe verlor in den ersten 12 Monaten (iW 1943) über die Hälfte ihres Personals, nur rund ein Viertel blieb unverwundet. Bei den Besatzungen wurden heftige psychische Reaktionen beobachtet:

- (zT wiederkehrendes!) temporäres Erblinden bei Überqueren bestimmter Gebiete (zB Niederlande)
- Schockstarre beim Einfliegen in Flakzonen unter Beschuss, auf die von Crewmitgliedern idR durch Schläge reagiert wurde
- Schüttelanfälle, Weinkrämpfe usw.

noch einige Literatur:
Project MUSE - The Journal of Military History - LMF: The Use of Psychiatric Stigma in the Royal Air Force during the Second World War
The cream of the crop: Canadian aircrew, 1939-1945 Von Allan Douglas English (dort Kapitel 6: Conserving thr Cream of the Crop - RCAF and "the lack of moral fibre")
Battle exhaustion: Soldiers and Psychiatrists in the Canadian army, 1939-1945 Von J. T. Copp,Bill McAndrew
Shell shock to PTSD: military ... - Google Bücher
Reid, DD: Some measures of the effect of operational stress on bomber crews. Air Ministry AP 3139: 245-258. HMSO, 1947 - Psychological Disorders in Flying Personnel of the Royal Air Force
"The Helmeted Airmen" in: A War of Nerves: Soldiers and Psychiatrists in the Twentieth Century, Ben Shephard
 
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Ich will nochmal kurz auf die Empathie eingehen, bevor ich zum eigentlichen Thema des Threads komme:

Dieser Hintergrund sollte beachtet werden, wenn Zeitzeugen-Aussagen ex post kaum Interesse an der unter dem Bombenhagel liegenden Zivilbevölkerung bekunden.
Die psychische Belastung der Crew ist nicht die originäre Ursache sondern vielmehr Teil einer verflochtenen Wirkungskette. Die Besatzung steht bereits beim Anflug unter psychischer Belastung durch die Rahmenfaktoren, die du ja bereits beschreibst, sie haben ein Ziel das sie zu erfüllen haben, das wäre der zugehörige Leistungsdruck hinzu kommt noch ein von Person zu Person unterschiedlich hoher intrinsischer Druck (nur wenn Leistungsdruck und intrinsischer Druck zusammen größer sind als der Leidensdruck durch die Rahmenfaktoren bringen sie den Auftrag auch zu Ende - zum intrinsischen Druck und zum Leistungsdruck aber weiter unten mehr). Mit Erreichen des Zieles, also dem Bombenabwurf, fällt dieser ganze Druck ab, um sich dann, nach Auftragserfüllung wieder aufzubauen, allerdings mit neuem Ziel, nämlich wieder lebend zurück zu kommen. Je länger die Phasen des Drucks sind und je stärker der Druckabfall zum Zeitpunkt der Zielerreichung sind, desto stärker ist auch die psychische und physische Belastung. Wie Thanepower bereits richtig schreibt, nimmt die empathische Wirkung umso mehr ab, je größer die Distanz ist, damit ist die so genannte Entmenschlichung gemeint, weil man mit zunehmender Distanz einen Menschen immer weniger als Menschen wahrnimmt (in eine vergleichbare Richtung geht auch das Autofahrersyndrom, das evtl. ein Begriff ist). Nachdem Bomberbesatzungen gar nichts bis maximal sehr wenig von den Menschen wahrgenommen haben, die sie bebombt haben, ist das Herstellen eines empathischen Bezuges an der Stelle ohnehin unwahrscheinlich bis unmöglich, bringt man jetzt noch das Abfallen des psychischen Drucks mit ins Spiel, der lange Zeit Aufrecht erhalten wurde und der je nach Abfalltiefe von Erleichterung bis hin zur Euphorie gehen kann, ist das nicht vorhanden sein von empathischen Gefühlen für die Bebombten absolut normal.

Es sei denn wir haben einen reflektierten, sensiblen Soldaten vor uns. In diesem Fall kann das abstrakte Verstehen der Situation der Opfer zu konkretem Stress, aufgrund von Empathie führen. Vermutlich eher die Minorität, die am schnellsten unter traumatischen Belastungen zu leiden hat.
Oder auch nicht, die Empathie würde im Falle der Bomberbesatzung die Abfalltiefe des Drucks abmildern, die physische und psychische Belastungsfrequenz wäre damit geringer.

Die ersten Untersuchungen führten Großbritannien und die USA dazu bereits während des Krieges durch, entsprechende Studien wurden erstellt. In Großbritannien war die Bezeichnung "lack of morale fibre" (LMF - fehlende Willenskraft) üblich, wenn Flugbesatzungen Einsätze ohne erkennbare technische Gründe abbrachen oder erst gar nicht antreten wollte und verweigerten.

Diese "Verweigerung" - häufig durch den psychischen Stress bedingt - hatte ihren Grund.
Nachdem der Leidensdruck der Rahmenfaktoren von dir bereits dargestellt wurde möchte ich hier noch den Leistungsdruck und den intrinsischen Druck mit ergänzen. Wie ich oben bereits schrieb wird nur abgebrochen, wenn in einer subjektiven Abwägung der Leidensdruck der Rahmenfaktoren größer ist als der Leistungsdruck sowie der intrinsiche Druck in Summe. Der Leistungsdruck ist der von Dritten auferlegte Druck zur Leistungserfüllung. Im militärischen Zusammenhang also Befehle, aber auch Ehre, Ansehen, Erfüllen von Erwartungshaltungen Dritter usw. Der intrinsische Druck sind die jeweiligen Moral- und Wertvorstellungen, die Überzeugungen etc. Solange der Leidensdruck geringer ist, summieren sich die drei Ausprägungen des psychische Stresses auf.
 
das wäre der zugehörige Leistungsdruck hinzu kommt noch ein von Person zu Person unterschiedlich hoher intrinsischer Druck (nur wenn Leistungsdruck und intrinsischer Druck zusammen größer sind als der Leidensdruck durch die Rahmenfaktoren bringen sie den Auftrag auch zu Ende - zum intrinsischen Druck und zum Leistungsdruck aber weiter unten mehr).
Das ist ein guter Hinweis, daraufhin habe ich nochmal nachgeschlagen:

Extrinsische und intrinsische Faktoren werden bereits in der quantitativ umfangreichreichen Studiensammlung: Air Ministry Publ. 3139 ""Psychological Disorders in Flying Personell of the Royal Air Forca - Investigated 1939-45" bechrieben, ua. in der analyse von rd. 1200 Fällen, die im Sechsmonatszeitraum 1942 aus psychologischen Gründen vorläufig ausgemustert wurden. Dieser "Druckzustand" scheint sich über die Anzahl Einsätze bzw. Flugstunden kumuliert zu haben, bildete sich also nicht jeweils neu. Jenseits von 250 Flugstunden im BomberCommand (10 - 15 Kampfeinsätze plus Training Unit) scheinen die Raten sprunghaft angestiegen zu sein.

Je länger die Phasen des Drucks sind und je stärker der Druckabfall zum Zeitpunkt der Zielerreichung sind, desto stärker ist auch die psychische und physische Belastung. ...Nachdem Bomberbesatzungen gar nichts bis maximal sehr wenig von den Menschen wahrgenommen haben, die sie bebombt haben, ist das Herstellen eines empathischen Bezuges an der Stelle ohnehin unwahrscheinlich bis unmöglich, bringt man jetzt noch das Abfallen des psychischen Drucks mit ins Spiel, der lange Zeit Aufrecht erhalten wurde und der je nach Abfalltiefe von Erleichterung bis hin zur Euphorie gehen kann, ist das nicht vorhanden sein von empathischen Gefühlen für die Bebombten absolut normal.

Auch der Hinweis auf die "Druckphasen" passt hervorragend:

Die Ausfallraten aufgrund "psychological disorder" während des Trainings, also vor oder nach den nächtlichen Kampfeinsätzen, waren höher als bei den Einsätzen direkt. Ein Grund scheint zu sein, dass die Verlustrisiken (Ausfallraten bei Besatzungen mit Familie waren höher als bei Singles) bzw. die nicht mehr beherrschbaren Druckphasen von dem Flugpersonal antizipiert worden sind. Ein anderer typischer Fall sind gerade geglückte "returns" unter Beschädigungen oder Crash beim Landeanflug.

siehe
Statistical Survey of the Occurance of Psychological Disorder in Flying Personnel in six months (Feb. to Aug. 1942)
Clinical and Statistical Study of Neurosis precipitated by flying duties,
sowie die entsprechenden Fallstudien für "Neurosen" 1943/44 und 1944/45.
 
@Lili und Thane

Ich habe von Psychologie keine Ahnung und würde mir da kein statement anmaßen. Daher nur ein kurzer Einwurf.

"...Ein kurzes Wort zur eingangs angesprochenen Empathie von Bomberbesatzungen. Die gängige These ist, dass mit steigender Distanz zum Ziel, der Krieg abstrakter duch die Soldaten erlebt wird. Und diese Veränderung führt zu einer Reduzierung von Empathie.

Es sei denn wir haben einen reflektierten, sensiblen Soldaten vor uns. In diesem Fall kann das abstrakte Verstehen der Situation der Opfer zu konkretem Stress, aufgrund von Empathie führen. Vermutlich eher die Minorität, die am schnellsten unter traumatischen Belastungen zu leiden hat. ..."

@Thane

So abstrakt war der Bombenkrieg nicht. Die Besatzungen des RAF Bomber Command erlebten die Wirkung von Bombenangriffen tw. selbst bzw. ihre Familien durch deutsche Angriffe (Bomben, V1, V2).

Ich denke, daß nach jedem Angriffsflug es Auswertungen der Ergebnisse gab, Luftbilder (vorher => danach), Berichte der Aufklärung etc.

@Lili

"...Nachdem Bomberbesatzungen gar nichts bis maximal sehr wenig von den Menschen wahrgenommen haben, die sie bebombt haben, ist das Herstellen eines empathischen Bezuges an der Stelle ohnehin unwahrscheinlich bis unmöglich..."

Damit würde die Empathie mit dem Abstand zum Feind abnehmen, am unempathischsten wären dann Generalstabsoffiziere. Ich erlaube mir anzumerken, die Bomberbesatzungen wußten welche Schäden sie anrichteten, sie kannten den Bombenmix ihrer Flugzeuge und die erwünschte Wirkung der Bombardements und tw. sahen sie es ja auch.

Den Stress den sie erleideten ist der Stress aller Soldaten und der heißt m.E. Angst, Angst vor den Kameraden alles richtig zu machen und nicht zu versagen, Angst vor den Vorgesetzten und nicht zuletzt Angst um ihr Leben.

Das nur als Anmerkung, ohne jedwede psychologischen Kenntnisse.


M. :winke:
 
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Combat stress reaction - Wikipedia, the free encyclopedia

Es gab ein Untersched in der Wahrnehmung der Auswirkungen von Krieg zwischen Soldaten, die in Russland gekämpft haben oder am Monte Cassino oder Besatzungen von Bombern.

Am deutlichsten und klischeehaftesten sicherlich noch symbolisiert durch Jagdflieger am Kanal, die mit weißen Seidenschals in ihre Jagdmaschinen stiegen (so die Hollywood-Variante).

Die Auswertung der Bombardierungen erfolgte durch spezielle Teams am Boden und es waren, soweit ich weis, auch spezialisierte Flugzeuge, die die Schäden aufnahmen.

Insofern kannten die britischen Bomberstaffeln den Bombenkrieg durch den "Blitz" auf Coventry etc. Aber auch das war eine sehr indirekte Erfahrung.
 
Es gab ein Untersched in der Wahrnehmung der Auswirkungen von Krieg zwischen Soldaten, die in Russland gekämpft haben oder am Monte Cassino oder Besatzungen von Bombern.

Das ist richtig.


Speziell auf das Thema bezogen lässt sich dass innerhalb (ohne problematische Vergleiche zu anderen Waffengattungen) der Airforce belegen. Die Trainingsgruppen für das BomberCommand sowie die eingesetzten BombGroups hatten empirisch

- abweichende Relationenn für Ausfälle aus psychologischen Gründen
- abweichende auftretende Symptome/Häufigkeitsverteilungen

gegenüber Fighter Command (Jagdflieger), Coastal Command, Middle East oder Asia. Es gab eine Reihe von Sondersituationen im Krieg: ein anderes Beispiel sind die Alëuten und die dortigen Flugverhältnisse (extremer Nebel, reihenweise Crashs, Häufungen von Ausfällen mit psychologischem Hintergrund). Es muss also nicht der Kampfeinsatz sein.


Ein weiterer Hinweis, warum man Äußerungen der Besatzungen vor dem Hintergrund psychologischer Untersuchungen vorsichtig werten muss: nicht nur als Zeitzeugen lange nach dem Krieg, sondern auch in den tausenden Analysen (cases) wurden die Sekunden der Bombenabwürfe mit Begriffen wie Rebirth, Ejaculation etc. belegt. Der Hintergrund ist oben - denke ich - ausreichend angerissen (umgekehrt ist wohl offensichtlich, welche Wirkung solche, aus dem Kontext gerissene Aussagen haben). Man sollte sich ergänzend bewusst sein, dass diese "master of destruction" (auch eine Selbstbezeichnung) als idR 20-30-jährige Männer in kleiner Gruppe mit einem hightech-Kriegsgerät, mit elitärem Auftritt und zT phantastischen Vorstellungen über den Einsatz und Gerät bei Eintritt (T. H. G. Ward, "The Psychological Relationship Between Man and Aircraft," British Journal of Medical Psychology 24/1951) extremen Verlustrisiken eingesetzt wurden.
 
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"...Speziell auf das Thema bezogen lässt sich dass innerhalb (ohne problematische Vergleiche zu anderen Waffengattungen) der Airforce belegen. Die Trainingsgruppen für das BomberCommand sowie die eingesetzten BombGroups hatten empirisch

- abweichende Relationenn für Ausfälle aus psychologischen Gründen
- abweichende auftretende Symptome/Häufigkeitsverteilungen..."


Sind diese jungen Männer eventuell besonders psychologisch betreut worden, so daß Störungen häufiger diagnostiziert wurden? Meine Erfahrung, nicht wissenschaftlich unterlegt, sagt mir, daß mit der Intensität der psychologischen Betreuung auch die Höhe der diagnostizierten psychischen Defekte zunimmt.

Empirisch dürfen dann m.E. nur Untersuchungen/Diagnosen verwendet werden, die vor Kriegsende erstellt wurden. Alle nach Kriegsende erstellten Untersuchungen könnten bereits individuelle Exculpationstrategien beinhalten, bei allem Vertrauen in das fachliche Können der Psychologen.

Lassen wir richtigerweise andere Waffengattungen beiseite. Militärökonomisch waren zu dieser Zeit innerhalb der Luftwaffe eingespielte Besatzungen von Bombern sehr viel "Wert". Die Ausbildungszeit von Piloten, Bombenschützen war lang, die Erfahrungswerte von "Masterbombern", "Pathfindern" äußerst schwer ersetzbar. Ergo war die militärmedizinische Betreuung hoch (inkl. psychologische Betreuung) und damit auch die Diagnose und Dokumentation von psychischen Defekten.

Gibt es denn vergleichende Untersuchungen für die deutsche Luftwaffe oder andere Luftwaffen?

@Thane

"...Die Auswertung der Bombardierungen erfolgte durch spezielle Teams am Boden und es waren, soweit ich weis, auch spezialisierte Flugzeuge, die die Schäden aufnahmen...."

Ja, Luftaufklärung, Meldungen der Nachrichtendienste etc. Aber die wurden in den Staffeln ausgewertet. Vllt. hat ein Mitdiskutant Zugang zu Einsatz- bzw. Auswertungsmeetings des RAF Bomber Command.

Für die deutsche Luftwaffe siehe hier:

http://startext.net-build.de:8080/b...ndex.htm?kid=F8EF8CDEAAE849A29DC3A20209BD06F3

http://startext.net-build.de:8080/b...=3C76B2C7F9404FAB85D814BE30B91A8D&searchPos=1

M.
 
Sind diese jungen Männer eventuell besonders psychologisch betreut worden, so daß Störungen häufiger diagnostiziert wurden? Meine Erfahrung, nicht wissenschaftlich unterlegt, sagt mir, daß mit der Intensität der psychologischen Betreuung auch die Höhe der diagnostizierten psychischen Defekte zunimmt.
Das könnnte so sein.
Genau aus dem Grund habe ich auf die Statistiken der RAF nach den internen Bereichen angeführt, deren psychologische Betreuung einheitlich geregelt war (Fighter Command wich hier nicht von Coastal Command oder Bomber Command ab). Damit dürfte dieser Einwand RAF-intern nicht greifen. Ich schaue das aber nochmal nach.

Empirisch dürfen dann m.E. nur Untersuchungen/Diagnosen verwendet werden, die vor Kriegsende erstellt wurden. Alle nach Kriegsende erstellten Untersuchungen könnten bereits individuelle Exculpationstrategien beinhalten, bei allem Vertrauen in das fachliche Können der Psychologen.
Die Analysen zur RAF - für unterschiedliche Zeiträume - basieren auf Datenmaterial, Befragungen und Untersuchungen während des Krieges. Die Auswertungen fanden zT schon während des Krieges (-> Minimierung von Verlusten), zT in der Diskussion auch nach 1945 statt.

Vllt. hat ein Mitdiskutant Zugang zu Einsatz- bzw. Auswertungsmeetings des RAF Bomber Command.
Ad hoc nicht. Allerdings findet man dazu Hinweise in den diversen Historien zu einzelnen Verbänden. Ein zweiter Hinweis unter einem anderen Aspekt: im Rahmen der Psychologischen Studien wurde auf die "Stabilisierung" der Besatzungen hingewiesen, und dazu gehörten neben dem Vertrauen auf eingerichtete Rettungssysteme, der Ausstattung der Flugzeuge, dem schnellen Entfernen von "casualties" auch "Erfolgsmomente", für die die Folgen der Einsätze präsentiert wurden. Dazu werden mit ziemlicher Sicherheit die üblichen Beobachtungsfotos gehört haben.
 
...Militärökonomisch waren zu dieser Zeit innerhalb der Luftwaffe eingespielte Besatzungen von Bombern sehr viel "Wert". Die Ausbildungszeit von Piloten, Bombenschützen war lang, die Erfahrungswerte von "Masterbombern", "Pathfindern" äußerst schwer ersetzbar. Ergo war die militärmedizinische Betreuung hoch (inkl. psychologische Betreuung) und damit auch die Diagnose und Dokumentation von psychischen Defekten.

Bzgl. Diagnose und Dokumentation "im Vergleich" hast Du ebenfalls recht. Das lässt sich aber ebenso auf die Bedeutung des Materials und die Betrachtung von Verlustrisiken zurückführen. Hier ist die Bedeutung aufgrund des Fluggeräts anders anzusetzen als zB bei einem Infanteristen.

Die Betreuung diente im Ansatz der Optimierung bzw. Minimierung von Verlustrisiken von Gerät und Menschen. Dazu ist die unten dargestellte Graphik (Quelle: AAF-History, Band VII, S. 401) interessant, die von der USAAF stammt und rd. 2050 Crewmitglieder im Zeitraum 1943/44 ausgewertet hat. Auf dieser Basis wurde bei den Allierten die personelle Besetzung der Flugzeuge gesteuert (hier am Beispiel Schwere Bomber). Bei Verlustrisiken zwischen 2 und 6% pro Einsatz, korrelierend zur Zahl der kumulierten Einsätze einer Crew, zeigt sich, dass nach ca. 15 Einsätze die Hälfte des Personals verloren ist (Killed bzw. MiA). Ich hatte oben auf Statistiken der 305th Bomb Group verwiesen, die im Verlauf 1943 die Hälfte ihres Personal verloren hatte.

Schlussfolgerung: der Austausch von Besatzungen (s.o.: "eingespielt, viel Wert, äußerst schwer ersetzbar") wurde anhand von kumulierten Einsatzzahlen je Crew gesteuert, da lang-fliegende Crews mit kumuliert hoher Einsatzzahl ein dreifach höheres Verlustrisiko pro Einsatz ("risk rate" per mission) aufwiesen und die Materialverluste durch Aussonderung der Besatzung beeinflusst werden konnten. Ähnliche Statistiken bestanden für das Bomber Command der RAF. Die empirisch belegten höheren Ausfallraten je (weiterem) Einsatz sind ua. auf die langzeitlichen psychischen Drucksituationen zurückgeführt worden.

Also:
Ja, die Besatzungen wurden aufgrund des Geräts und der Optimierung der Einsätze genau beobachtet und psychologisch weitgehender betreut als andere Bereiche
Nein, es ist kein Dokumentations- oder Betreuungseffekt, der hinter den Ausfällen steckt. A) innerhalb der Peer Group ist ein Anstieg der risk rate/sortie nachzuweisen B) in den anderen Flugbereichen von USAAF und RAF lagen die psychologisch begründeten Ausfallraten (bis auf regionale Besonderheiten, siehe oben) niedriger.

Nachtrag: in etlichen dokumentierten Fällen bei Nachtbombardierungen wurde übrigens der psychologische Effekt der Such-Scheinwerfer auf die Besatzungen höher angesetzt als der des Flakbeschusses oder der unvermittelt auftauchenden Nachtjäger.

Study of the attrition rate for heavy-bomber crews in the ETO (2050 Fälle 1943/44):
 

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Damit würde die Empathie mit dem Abstand zum Feind abnehmen, am unempathischsten wären dann Generalstabsoffiziere. Ich erlaube mir anzumerken, die Bomberbesatzungen wußten welche Schäden sie anrichteten, sie kannten den Bombenmix ihrer Flugzeuge und die erwünschte Wirkung der Bombardements und tw. sahen sie es ja auch.
Nein, so war das nicht gemeint, die Entfernung zum Gegner meint die wirkliche räumliche Entfernung. Platt formuliert ist es schwerer einen Menschen zu töten, wenn man ihm dabei in die Augen schauen muss und das Oper ein Gesicht hat. Die angerichteten Schäden waren hingegen zerstörte Gebäude und eine namen- und gesichtslose Mengenangabe an Menschenleben, mit denen sie nichts in Verbindung brachten.

Den Stress den sie erleideten ist der Stress aller Soldaten und der heißt m.E. Angst, Angst vor den Kameraden alles richtig zu machen und nicht zu versagen, Angst vor den Vorgesetzten und nicht zuletzt Angst um ihr Leben.
Stress und die Fähigkeit oder überhaupt die Rahmenbedingungen zur Empathie sind allerdings zweierlei, die im Kriegseinsatz zusammenwirken können. Die Stressbeschreibung als Resultat der Angst ist zwar nicht falsch, aber doch eher einfach, es gibt auch Zwänge, Frames, Sozialisation etc. die dabei eine Rolle spielen.
 
Sicher waren die Bomberbesatzungen nicht direkt mit dem Leid konfrontiert, das ihre Bomben hervorriefen, obwohl sie natürlich theoretisch wussten, was sie auslösten. Aber Wissen und Sehen sind zwei paar Stiefel. In der Tat waren viele Alliierte Soldaten (auch von der Air Force) betroffen, als sie in den letzten Kriegswochen beim Vormarsch in Deutschland die Zerstörungen hautnah miterleben konnten.

Das totale Extrem für eine unpersönliche und empathiefreie Kriegsführung finden wir heute beim Einsatz von Drohnen. Der Bomber verabschiedet sich morgens von Frau und Kindern, fährt aus seinem Vorstadthäuschen in die Kaserne, lenkte dort Drohnen in 10.000 km Entfernung auf feindliche Stellungen und bringt Tod und Zerstörung über die Ziele. Abends fährt er wieder nach Hause.

Zurück zu den Bombern des 2. WK:
Häufig kam das kritische Nachdenken erst lange nach dem Krieg. Ich meine ganz konkret die Teilnahme ehemaliger Luftwaffenpiloten bei Gedenkfeiern in Coventry oder RAF-Veteranen bei Feierlichkeiten in Dresden. (Ich kann mich erinnern, als die Dresdner Frauenkirche wieder aufgebaut wurde. Das Kuppelkreuz wurde vom Sohn eines RAF-Piloten geschmiedet, die Kosten wurden vom britischen "Dresden Trust" getragen. Überhaupt haben viele ehem. RAF-Angehörige und deren Nachkommen den Wiederaufbau dieser einen Kirche - quasi als Symbol der Versöhnung- finanziell und ideell unterstützt).
 
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