Luxenberg und die Jungfrauen

Mir ist - neben der Luxenbergschen Ignoranz des Kontextes - noch etwas eingefallen, was wiederum auf der grammmatikalisch-morphologischen Ebene gegen Luxenbergs Behauptung spricht. Aber ich muss hier wiederum betonen, dass ich kein Orientalist bin und daher auch keine "Autorität" beanspruche.

Wenn - wie Luxenberg behauptet - das Wort ḫimār tatsächlich erst durch Muḥammad Eingang ins arabische Lexikon gefunden hätte, also ein aramäisches Lehnwort wäre, dann wäre seine Pluralbildung ḫumur sehr auffällig. Denn normalerweise werden Lehnworte in der entlehnenden Sprache produktiv genutzt, indem sie den normalen morphologischen Bildungen unterworfen werden.
Im Deutschen z.B. gibt es starke (unregelmäßige) und schwache (regelmäßige) Verben. Abgesehen von dem Umstand, dass viele der starken Verben sich allmählich den Schwachen anpassen (noch im Vollzug: backen, buk, gebacken vs. backen, backte, gebackt; längst vollzogen, die starke Form nicht mehr im Wortschatz präsent: Der Hund bellt, der Hund ball (sic!), heute nur noch bellen, bellte, gebellt), werden Lehnworte normalerweise der regelmäßigen Morphologie unterworfen, im Beispiel also entlehnte Verben im Deutschen, die ganz selbstverständlich schwach/regelmäßig konjugiert werden: chillen, chillte, gechillt; loaden, loadete, geloadet (aber: laden, lud, geladen).
Das Ausweichen auf das Deutsche sei mir bitte verziehen, ich hoffe somit mehr Transparenz für das Problem geschaffen zu haben. Sollte ich stattdessen zu mehr Verwirrung beigetragen haben: Mea culpa.

Zurück zum Arabischen ḫimār bzw. seiner Pluralbildung ḫumur. Die Bildung ḫumur ist ein sogenannter "gebrochener", also unregelmäßiger Plural.
Wäre ḫimār ein Lehnwort, wäre aber meines Dafürhaltens eine regelmäßige Pluralbildung zu erwarten, die dann ḫimārūn bzw. ḫimārīn lauten müsste. Die Pluralbildung ḫumur dürfte daher darauf hinweisen, dass es sich bei dem Wort um ein genuin arabisches, vorkoranisches Wort handelt. Umso unwahrscheinlicher ist eine Verwechslung zwischen <ḫ> und <ǧ>.
 
Die These, der Islam sei aus dem Juden- und Christentum hervorgegangen, wurde hier als "absurd" bezeichnet mit dem Argument, Mohammed habe lediglich "oberflächliche" Kenntnisse der judenchristlichen Tradition gehabt. Dazu ein paar Hinweise auf den judenchristlichen Kontext des Islam:

1) In Mekka und im Hedschas waren im 6. Jahrhundert bereits mehrere Stämme und Sippen christianisiert, z.B. bei den Koreischiten (dem Stamm Mohammeds) die Familie des Abd al-Azi Ibn Qusay sowie die Tamim, die Rabia, die Bani Taglub und andere. Eine besondere Bedeutung kommt Waraka Ibn Nawal zu, einem Vetter von Khadija, der ersten Frau von Mohammed. Laut islamischen Quellen (!) war Waraka zeitlebens ein ebionitischer Priester, der in Mekka lebte und predigte (und das in Zeiten des angeblichen "Unwissens"). Er hatte die Bibel in der hebräischen und griechischen Originalsprache genau studiert. Es heißt, dass er zunächst Jude war und dann zum Christentum übertrat. Mit Mohammed stand er über viele Jahre in engem Kontakt. Er gehörte zu seinen Förderern und wurde von ihm ebenfalls sehr geschätzt, wie ein überliefertes (angebliches) Zitat Mohammeds zeigt, dass dem Christen Waraka einen Platz im Paradies zugesteht.

Wie also kann Mohammed eine nur "oberflächliche" Kenntnis der judenchristlichen Tradition gehabt haben, wenn ein Verwandter und enger Vertrauter von ihm ein - wohlgemerkt ebionitischer, also anti-trinitarischer - christlicher Priester war?

2) Die islamische Tradition weiß von einem christlichen Friedhof in Mekka um das Jahr 600. Mehr noch: Im Jahr 605 kam es in der Kaaba zu einem Brand, verursacht durch ein höchst christlich anmutendes ´Weihrauchfass´. Beim Wiederaufbau legte man, nach dem Vorbild der Kirchen in Syrien, auf die Dreischiffigkeit des Gebäudes Wert. Günter Lüling hat erster darauf aufmerksam gemacht, dass die Apsis des Gebäudes eine Gebetsrichtung (kibla) der Kaaba nach Jerusalem nahelegt, wie es sich für judenchristliche Kirchen damals gehörte. Die Änderung der Gebetsrichtung nach Mekka ist also eine spätere Änderung durch Mohammed. Dass in der Kaaba die ursprüngliche Gebetsrichtung nach Jerusalem wies, geht auch aus islamischen Quellen hervor. Mohammed selbst soll das, islamischen Quellen zufolge, zunächst so praktiziert haben.

3) Ein renommierter Orientalist, Theodor Nöldeke, hielt Mohammed für in der judenchristlichen Tradition verwurzelt: „Während er (= Mohammed) sich früher den Juden und Christen nächstverwandt fühlte, bewog ihn die Erfolglosigkeit seiner Propaganda unter diesen, sich nach einer anderen Anknüpfung umzusehen, und er fand sie schließlich in der ‚Religion des Ibrahim‘, den eine Offenbarung eng mit der Ka'ba verflocht“ (Nöldeke, Geschichte des Korans).
 
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Die These, der Islam sei aus dem Juden- und Christentum hervorgegangen, wurde hier als "absurd" bezeichnet mit dem Argument, Mohammed habe lediglich "oberflächliche" Kenntnisse der judenchristlichen Tradition gehabt.

Das ist eine nicht korrekte Zusammenfassung dessen, was ich geschrieben habe. Zur Erinnerung die entsprechenden Stellen:

Dass der Qur'an aber eine Zusammenstellung und Übersetzung von christlichen und jüdischen Liedern sein soll, ist völlig absurd. Niemand der den Qur'an mal gelesen hat, würde darauf kommen.

Absurde Thesen zum Islam gibt es im Übrigen noch ein paar mehr.

Absurd ist in erster Linie nicht, dass evtl. einzelne Worte aufgrund von Schreibfehlern missverstanden worden wären, sondern die Annahme, dass der Islam quasi durch ein Missverständis entstanden sei und dass der Qur'an eine Sammlung christlicher und jüdischer Lieder sei. Dass der Qur'an entgegen muslimischen Dogma nicht offenbart worden ist und dass sein Verfasser wohl eine oberflächliche Kenntnis jüdischer und christlicher Glaubensvorstellungen hatte steht völlig außer Frage.

1) In Mekka und im Hedschas waren im 6. Jahrhundert bereits mehrere Stämme und Sippen christianisiert, z.B. bei den Koreischiten (dem Stamm Mohammeds) die Familie des Abd al-Azi Ibn Qusay sowie die Tamim, die Rabia, die Bani Taglub und andere. Eine besondere Bedeutung kommt Waraka Ibn Nawal zu, einem Vetter von Khadija, der ersten Frau von Mohammed. Laut islamischen Quellen (!) war Waraka zeitlebens ein ebionitischer Priester, der in Mekka lebte und predigte (und das in Zeiten des angeblichen "Unwissens"). Er hatte die Bibel in der hebräischen und griechischen Originalsprache genau studiert. Es heißt, dass er zunächst Jude war und dann zum Christentum übertrat. Mit Mohammed stand er über viele Jahre in engem Kontakt. Er gehörte zu seinen Förderern und wurde von ihm ebenfalls sehr geschätzt, wie ein überliefertes (angebliches) Zitat Mohammeds zeigt, dass dem Christen Waraka einen Platz im Paradies zugesteht.

Wie also kann Mohammed eine nur "oberflächliche" Kenntnis der judenchristlichen Tradition gehabt haben, wenn ein Verwandter und enger Vertrauter von ihm ein - wohlgemerkt ebionitischer, also anti-trinitarischer - christlicher Priester war?

Auch hier veränderst du, was ich schrieb. Aus der "wohl oberflächlichen Kenntnis" machst du eine "nur oberflächliche Kenntnis". Das eine ist das Zugeständnis, dass da Kenntnisse vorhanden waren (meine tatsächliche Version), das andere ist die Bagatellisierung solcher Kenntnisse (die Version nach der Paraphrase).

Der Qur'ān kann m.E. stellenweise nur mit Kenntnis bestimmter Bibelstellen, v.a. aus der Genesis, verstanden werden, da es sich um Kommentare dieser Bibelstellen handelt.
Das wesentliche ist aber, dass Muḥammad das ihm vorliegende Material verändert hat.
So wird z.B. Isma'el der Sohn der Hagar, der in Genesis zwei oder drei Mal vorkommt, nämlich als Erstgeborener Abrahams, dann bei seiner Verstoßung und Bastardisierung und schließlich, in einem erzählerischen Bruch, als er gemeinsam mit seinem jüngeren, aber im Ggs. zu ihm als legitim anerkannten Bruder Isaak das Begräbnis des Vaters Abraham unternimmt. Isma'el, der in der Bibel weiter keine Rolle spielt, wird dann aber von den Muslimen als Stammvater der Araber und der von dir oben erwähnten Banū Qurayš ("Koraischiten").
Teilweise bezichtigt Muḥammad die alte Überlieferung gar als falsch, nun durch Gottes Offenbahrung an ihn korrigiert.
Man könnte das mit den Brüdern Grimm vergleichen, die aus derben, französischen Märchen voller Sex zwar grausame aber an Kinder gerichtete und dementsprechend sexuell entschärfte Märchen gemacht haben. Man nimmt eine Vorlage, aber heraus kommt etwas völlig neues.

3) Ein renommierter Orientalist, Theodor Nöldeke, hielt Mohammed für in der judenchristlichen Tradition verwurzelt: „Während er (= Mohammed) sich früher den Juden und Christen nächstverwandt fühlte, bewog ihn die Erfolglosigkeit seiner Propaganda unter diesen, sich nach einer anderen Anknüpfung umzusehen, und er fand sie schließlich in der ‚Religion des Ibrahim‘, den eine Offenbarung eng mit der Ka'ba verflocht“ (Nöldeke, Geschichte des Korans).

Und steht damit doch eigentlich im Widerspruch zu Luxenberg, für dessen Theorie du ihn hier vereinnahmen möchtest.

Willst du dich eigentlich mal zu den von mir skizzierten grammatischen Problemen, die Lichtenbergs Hypothesen aufwerfen, äußern?
Und du sprichst immer von "muslimischen Quellen". Das ist etwas nebulös. Geht's auch konkreter?
 
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