Märchen als Element der kindlichen Bildung - ab wann?

Muspilli

Aktives Mitglied
Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass kaum einem Kind, dem die Märchen vorgelesen oder erzählt wurden, auch der "wissenschaftliche Apparat" mitgeliefert wurde. Da muss es nicht verwundern, dass sich dte Vorstellung festsetzte, die Berge, hinter denen die 7 Zwerge wohnen, seien die am Horizont oder zumindest nicht weit dahinter.

Ich hoffe, du hast nichts dagegen, daß ich mit deinem Zitat einen neueen Thread eröffne. Das Thema hatte ich schon mal anderweitig angesprochen:
Freilich bin ich nicht der Auffassung, daß Märchen überhaupt mit Geschichten für Kinder beschrieben werden sollten, mögen auch manche in ihrer Tradierung auch einen pädagogischen Einschlag erhalten haben. Ich halte es eher für ein Vorurteil, dessen historischen Bedingungen zu untersuchen wären.

Läßt es sich eigentlich belegen, daß Märchen - wenn nicht für Kinder konzipiert, so das geläufige Vorurteil, Kindern schon früh vorgelesen wurde? Scorpio deutete es an:

Die Grimmschen Märchen etablierten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts in deutschen Bürgerhäusern, doch sind Märchen, seien es Kunst- oder Volksmärchen nicht vordergründig für ein kindliches Publikum gesammelt worden. [...]

Meine Frage wäre die nach Belegen, ab wann sie als Material für kindliche Bildung eingesetzt wurden. Kennt jemand Hinweise aus Biographien oder Studien dazu?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe zwar bislang noch nichts von ihm gelesen, bin jetzt aber auf Heinz Rölleke ? Wikipedia gestossen. In einem Interview mit der ZEIT sagte er folgende Sätze:

"Zugespitzt gesagt: Die Märchen waren umso erfolgreicher, je unwissenschaftlicher sie daherkamen. Der Stil war ausschlaggebend, den Wilhelm über die Jahre verfeinerte. Schon 1815 zog sich sein stärker wissenschaftlich ambitionierter Bruder aus dem Unternehmen zurück. Was als germanistische Arbeit begonnen hatte, wurde mehr und mehr zu einem literarischen Projekt. Wilhelm formulierte die Märchen immer weiter aus, versuchte sie zu entsexualisieren, weil er sie für eine ideale Kinderlektüre hielt, und verlieh ihnen den unverwechselbaren Grimmschen Märchenton."

Prof. Rölleckes Publikationen könnten für die Frage jedenfalls interessant sein. (Etwas OT hier ein Interview mit ihm bei 3Sat Kulturzeit)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hoffe, du hast nichts dagegen, daß ich mit deinem Zitat einen neueen Thread eröffne. Das Thema hatte ich schon mal anderweitig angesprochen:


Läßt es sich eigentlich belegen, daß Märchen - wenn nicht für Kinder konzipiert, so das geläufige Vorurteil, Kindern schon früh vorgelesen wurde? Scorpio deutete es an:



Meine Frage wäre die nach Belegen, ab wann sie als Material für kindliche Bildung eingesetzt wurden. Kennt jemand Hinweise aus Biographien oder Studien dazu?


Guckst du hier, die Göttinger Enzyklopedie des Märchens gibt Auskunft über Erzählforschung und ist online verfügbar http://wwwuser.gwdg.de_enzmaer/vorstellung-dt.html
 
Ich hoffe, du hast nichts dagegen, daß ich mit deinem Zitat einen neueen Thread eröffne. Das Thema hatte ich schon mal anderweitig angesprochen:


Läßt es sich eigentlich belegen, daß Märchen - wenn nicht für Kinder konzipiert, so das geläufige Vorurteil, Kindern schon früh vorgelesen wurde? Scorpio deutete es an:



Meine Frage wäre die nach Belegen, ab wann sie als Material für kindliche Bildung eingesetzt wurden. Kennt jemand Hinweise aus Biographien oder Studien dazu?

Eine interessante Frage, wobei sich die Frage stellt, seit wann man überhaupt von einer Literatur für Kinder und Jugendliche ausgehen kann. Bereits im 16. Jahrhundert erschienen Fibeln, die Kindern das erlernen von lesen und schreiben erleichtern sollten, und im 17. und 18. Jahrhundert erschienen vor allem in protestantischen Territorien Erbauungsliteratur für Kinder. Die mangelnde Alphabethisierung trug dazu bei, dass erst die Spätaufklärung und Frühromantik eine eigenständige Literatur für Jugendliche und Kinder schuf, bei der nicht nur moralistische Belehrung, sondern auch Unterhaltung im Vordergrund stand. Bei Hoffman und Campe erschien Ende des 18. Jahrhunderts eine gekürzte Fassung von Defoes Robinson Crusoe. Die Sammlung von Brentano "Des Knaben Wunderhorn" fand Eingang in viele Bürgerhäuser, und Wilhelm Hauff schrieb 1826 seine bekannten Märchen Kalif Storch, Der kleine Muck, Zwerg Nase, Das Märchen vom falschen Prinzen und die Schwarzwaldgeschichte Das kalte Herz für den Märchenalmanach, der sich an "Söhne und Töchter gebildeter Stände" wandte.

Das erste Buch oder eines der ersten Bücher nur für Kinder war 1845 der Struwelpeter, der vom Verfasser selbst illustriert wurde. Dabei stehen Belehrungen über falsches Verhalten und seine Konsequenzen im Vordergrund, die Figuren sind aber so überzeichnet, dass sie ironisch wirken. Ähnliches gilt auch für Wilhelm Buschs Max und Moritz. Nach einer Klage Was muss man oft von bösen Buben hören oder lesen, werden die Protagonisten eingeführt, und die Erbauungsliteratur auf die Schippe genommen, wenn am Ende kaputte Kinder gemahlen und an Enten verfüttert werden.

Das erste Kinderbuch, das frei von moralistischen Belehrungen ist, Lewis Carrols "Alice im Wunderland", das sehr hohe Verbreitung hatte und sich u. a. auf dem Nachttisch Queen Victorias befand.
 
Zurück
Oben