Maritime Rüstung 1815 - 1860

Köbis17

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Die Frage zu der englischen und französischen Flotten zur Zeit der napoleonischen Kriege, weckt in mir die Frage nach der maritimen Entwicklung nach 1815 bis 1860, vor allem zwischen den beiden führenden Seemächten in dieser Zeit.

Auch nach 1815 hatte die Royal Navy einen enormen Führungsanspruch als größte Seemacht, doch konnte die französische Marine bis in die 1830iger Jahre aufholen und ich habe von einer Periode des Wettrüstens von 1840 bis 1850 zwischen beiden Mächten gelesen, Teile von Informationen habe ich bisher nur am Rande in Hobsons - Maritimer Imperialismus- aufgenommen. Doch marine-politisch und auch technisch, war der Zeitraum von 1815 bis zu den 1850iger Jahren (Krimkrieg) kaum von großen Veränderungen geprägt. Die Woodenwalls prägten das Bild, mit bis zu weit über 110 Kanonen, aber auch minimalistischer und klarere Linien im Erscheinungsbild und durch das neue Material Eisen und Stahl als Stützelemente zum Holzrumpf im Schiffbau schon für die Zukunft den neuen Weg aufzeigend.
Hinzukommt der Dampfantrieb, der sich aber nur zögerlich im Kriegsschiffbau bis 1850 durchsetzt.

Ich werde mich parallel weiter Informieren, vor allem über das Wettrüsten zwischen England und Frankreich in den 1840iger Jahren, aber dennoch die Frage hier in die Runde, wer weiß mehr darüber?
 
Es tat sich schon eine ganze Menge.

Läßt man mal technische Feinheiten wie die Frage von Kupfer- oder Stahlkesseln beiseite, liegt die Innovation im Dampfantrieb rein schon in der Menge:
(Aufsatz von Greg Kennedy im Northern Mariner 1997)

Von 1840 bis 1850 verdoppelte sich die Zahl der dampfgetriebenen Kriegschiffe der RN von 45 (mit rd. 20.000 Tonnen, Durchschnitt unter 500 Tonnen) auf 85 (bei einer Verachtfachung der Tonnage auf 165.000, nahezu 2000 Tonnen im Durchschnitt), verbunden mit einer Kostenexplosion für Bau und Unterhalt der Flotte.

Parallel gab es einen enormen Tonnageanstieg in der Handelsflotte (2,3 auf 3,5 Mio. Tonnen), allerdings überwiegend auf Segel entfallend.

Die Basis der britischen Schiffbaupolitik seit 1817 war bereits der Two-Power-Standard (Lambert). Neben Frankreich ist mE in Großbritannien die amerikanische Entwicklung sehr beachtet worden, auch wegen der militärischen Konfrontation 1812/14. Ein Teil der britischen Flotte war "gebunden", da der einzige Schutz Kanadas in einer Blockadefähigkeit der britischen Flotte gelegen hat.
 
Ich greife mal auf ein paar Texte zurück, die ich in einem anderen Kontext geschrieben hatte:

ich habe mich nun etwas mit der Periode nach 1814 befasst. Zu Beginn gab es tatsächlich wenig Neuerungen, auch wenn ich nicht von einem ausdrücklichen „Stau“ sprechen würde, erst langsam flossen dann die ersten technische Neuerungen aus der einsetzenden Industriellen Revolution ein, beginnend bei den Briten.

Andererseits und wie so häufig nach einer langen Kriegsphase, gab es wenig Geld für neue Konstruktionen, so dass die Projekte teilweise sehr lange dauerten.

Die Französische Marine beendete erst einige Schiffe die noch unter Napoleon begonnen wurden, wie die Neptune (80, 1818) die Centaure (80, 1818), die Algesiras (80, 1823) und die Couronne (74, 1824).

Die größte davon waren m.W. die Trocadero (118, 1824) und die Souverain (118, 1819).

Diese beiden gehörten zu der Ocean Klasse, die 15 Schiffe umfasste von denen die Meisten noch unter Napoleon gebaut wurden, ein paar jedoch nie vom Stapel liefen.

Die Roi de Rome (118) musste abgebrochen werden, da sie in der Werft verrottet war.

Ein paar davon hatten extrem lange Bauzeiten, wie die Friedland (112), auf Stapel gelegt 1812, fertig gestellt erst 1840, die Ville de Paris (118), auf Kiel gelegt 1807, vom Stapel gelaufen 1850 und die Louis XIV (118) von 1811 bis 1854!!!

Man kann sich vorstellen, dass bei dieser Konstellation, zumindest bei den Linienschiffen bei den Franzosen keine großen Innovationen stattfanden. Einige dieser Schiffe erhielten dann schon während des Baus Hilfsdampfmaschinen, andere wurden dann nachträglich umgerüstet, die Formen und Bauweisen entsprachen aber noch weitgehend denen aus der Vorzeit.

Die bemerkenswerteste Entwicklung dieser Zeit bei den Linienschiffen, ist tatsächlich ein Hang zum Gigantismus. In dieser Zeit wurden einige der größten je gebauten Linienschiffe hergestellt. Die Fregatten wuchsen (schon ab 1812) auf Größen, die denen der frühren kleineren Linienschiffen glichen.

Den Beginn machten die Osmanen 1829 mit der Mahmudiye (128, eine Zeitlang das größte Kriegsschiff der Welt). Es folgten 1837 die US-Navy mit der Pennsylvania (136, Stapellauf 1837).

Frankreich folgte mit dem Neubau der Le Valmy (120, Stapellauf 1847) die Napoleón (90, 1850) und die Bretagne (130, 1855).

Und zum Schluss die Briten mit der Duke of Wellington (130, 1853), und der Marlborough (130, 1855) so wie die weiteren Schwesterschiffe Prince of Wales und Royal Sovereign (nicht fertig gestellt und noch in der Werft zum Turmschiff umgebaut)

Viele dieser Schiffe haben die bis dahin maximale Länge von 60 Metern im Batteriedeck überschritten. Möglich wurde dass, durch die neue Diagonalspantbauweise und er beginnenden Einsatz von Metallverstärkungen. Diese wurden von dem Briten Seppings eingeführt, das erste komplett nach diesem Muster gebaute Beispiel war m.W. die Rodney (92, 1833). Ein Grund für diese Neuerung war die steigende Schwierigkeit passende Formhölzer zu bekommen.

Die Rumpfformen wurden allgemein einfacher, der Decksprung verschwand fast vollständig und die Stufen der Schanzkleider gingen gerade herunter, wodurch die Schiffe äußerlich plumper wirkten.

Um mehr Platz zu gewinnen hat man die oberen Decks breiter gemacht, die Bordwände waren dadurch senkrechter. Die Rümpfe (zumindest bei Briten und Amerikanern) wurden V-formig gebaut. Dieses ergab schnellere Schiffe, ging aber zu lasten der Stabilität. Diese Schiffe schlingerten und Stampften stark und waren schlechtere Artillerieplattformen als ihre Vorgänger. Später (ab 1850) ist man dann wieder bei der Royal Navy auf rundere Spantformen gegangen, und erhielt am Ende formen die Stark denen von Chapman aus dem 18. Jahrhundert entsprachen.

Heck und Bug wurden Runder. Beim Bug begann das bei einigen Schiffen schon ab 1802, auf Grund der Ergebnisse dann bei allen britischen Neubauten ab 1811. Der Bug wurde höher und die Schiffe dadurch trockner, die Arbeit der Mannschaften im Bugbereich sicherer. Man konnte auch mehr Geschütze nach vorne richten. Die Dekorationen des Bugs verschwanden fast vollständig, eine Zeitlang durfte man bei den Briten nicht einmal Gallionsfiguren anbringen, ausser an den größten Einheiten.

Bei dem Heck erfolgte die Rundung später. Das erste Beispiel war die dänische Christian VII, ab 1833 hat die Form sich allgemein durchgesetzt. Es war ein technisch nicht unkompliziertes Detail. Es fielen die Heckgalerien weg (später kamen sie zeitweilig in vereinfachter Form wieder auf) und sowieso der größte Teil des Zierrats. Die Rundung des Hecks erlaubte auch mehrere Stückpforten nach hinten. Später kamen ellipsenförmige Hecks auf.

Auf Deck wurden die Gangways an der Kuhl immer größer, bei einigen Schiffen wurde sie sogar komplett geschlossen. Die US-Navy hatte bereits auf den Gangways Geschütze aufgestellt, kam aber wieder davon ab wegen Stabilitätsproblemen. Die Französische Marine hat später auf dem obersten Deck auch durchgehend Geschütze aufgestellt und so praktisch Vierdecker produziert (bis dahin gab es in dieser Form nur die Santisima Trinidad) die aber nur als Dreidecker klassifiziert wurden.

Nach einer ersten Tendenz, mehr Geschütze aufzustellen, ging diese später aber dafür mit größeren Kalibern. Die Bombenkanone wurde ab 1820 eingeführt und bei mittleren und kleineren Schiffen große Decksgeschütze auf Drehlafetten. Die Lafetten der Unterdecksgeschütze verloren die Hinterräder und wurden mit Spaken mit Hilfsrädern gerichtet. Die Kaliberanzahl nahm ab. Die Drehbassen (Swiwels) waren schon vorher praktisch verschwunden, die Karronaden wurden auf Grund der Erfahrungen des Britisch-Amerikanischen Krieges weniger eingesetzt.

Technisch gab es noch kleinere Neuerungen an den Ruder, Ankern und Takelage.
Relativ früh begann die Verwendung von Dampfmaschinen, erst als Hilfsgeräte zum Ankerhieven und ab 1830 als Hilfsantrieb.

Ab 1830 wurden dann auch von den Marinen zahlreiche Dampfkorvetten in Auftrag gegeben.

* Zusammenfassend, kann man feststellen, dass es eine Reihe von Neuerungen im Schiffsbau gab, die jedoch überwiegend von den Briten ausging. Von einen Innovationsstau würde ich wirklich nicht sprechen, da vorher für lange Zeit es kaum Änderungen gegeben hatte und die Entwicklung sich ab 1800 und verstärkt ab 1820 begann zu beschleunigen. Es kamen in den folgenden 30 Jahren mehr Innovationen zusammen als in den 200 zuvor.

Bei den Franzosen war durch die Situation der Restauration und dem „Aufbrauchen“ der unter Napoleon begonnen Schiffe, der Fortschritt an den Schiffen geringer, sie haben aber die größten Neuerungen bei der Artillerie eingeführt.



Die Schlacht von Navarino 1827 ist noch eine klassische Seeschlacht unter Segelschiffen und könnte auch 50 Jahre vorher so geschehen sein.

Beim Gefecht von San Juan de Ullua 1838 werden die französischen Schiffe von Raddampfern geschleppt und in Position gebracht.


Empfehlenswert als Literatur:



Frank Howard, Segelkriegsschiffe 1400-1860.


Nicht ganz so treffend aber mit einigen interessanten Informationen: Jean Meyer und Martine Acerra, Segelschiffe im Pulverdampf.


Folgen einige Links.


http://en.wikipedia.org/wiki/French_...ras_%281823%29
http://en.wikipedia.org/wiki/French_...nne_%281824%29
http://en.wikipedia.org/wiki/French_...and_%281840%29
http://en.wikipedia.org/wiki/French_...XIV_%281854%29
Ottoman ship Mahmudiye - Wikipedia, the free encyclopedia

http://en.wikipedia.org/wiki/USS_Pen...nia_%281837%29
French ship Valmy - Wikipedia, the free encyclopedia
http://en.wikipedia.org/wiki/French_...gne_%281855%29

http://en.wikipedia.org/wiki/HMS_Duk...ton_%281852%29

http://fr.wikipedia.org/wiki/Classe_...e_de_Marseille
 
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[...]Die Rumpfformen wurden allgemein einfacher, der Decksprung verschwand fast vollständig und die Stufen der Schanzkleider gingen gerade herunter, wodurch die Schiffe äußerlich plumper wirkten.

Um mehr Platz zu gewinnen hat man die oberen Decks breiter gemacht, die Bordwände waren dadurch senkrechter. Die Rümpfe (zumindest bei Briten und Amerikanern) wurden V-formig gebaut. Dieses ergab schnellere Schiffe, ging aber zu lasten der Stabilität. Diese Schiffe schlingerten und Stampften stark und waren schlechtere Artillerieplattformen als ihre Vorgänger. Später (ab 1850) ist man dann wieder bei der Royal Navy auf rundere Spantformen gegangen, und erhielt am Ende formen die Stark denen von Chapman aus dem 18. Jahrhundert entsprachen.

Heck und Bug wurden Runder. Beim Bug begann das bei einigen Schiffen schon ab 1802, auf Grund der Ergebnisse dann bei allen britischen Neubauten ab 1811. Der Bug wurde höher und die Schiffe dadurch trockner, die Arbeit der Mannschaften im Bugbereich sicherer. Man konnte auch mehr Geschütze nach vorne richten. Die Dekorationen des Bugs verschwanden fast vollständig, eine Zeitlang durfte man bei den Briten nicht einmal Gallionsfiguren anbringen, ausser an den größten Einheiten.

Bei dem Heck erfolgte die Rundung später. Das erste Beispiel war die dänische Christian VII, ab 1833 hat die Form sich allgemein durchgesetzt. Es war ein technisch nicht unkompliziertes Detail. Es fielen die Heckgalerien weg (später kamen sie zeitweilig in vereinfachter Form wieder auf) und sowieso der größte Teil des Zierrats. Die Rundung des Hecks erlaubte auch mehrere Stückpforten nach hinten. Später kamen ellipsenförmige Hecks auf.

[...]

Empfehlenswert als Literatur:
Frank Howard, Segelkriegsschiffe 1400-1860.
Klar Bdaian, das Werk habe ich auch im Schrank …
Interessant finde ich die Bemerkung warum die Ellipsenform am Heck nicht schon früher zur Ausführung kam. So wird auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die neuen Formen der Heckspanten auf dem Papier auszuarbeiten. Die Runden Formen des Hecks konnten einfach nicht Skizziert werden und die Kurven auf einen Plan zu übertragen, was auch der Grund war, warum die Schiffsbauer den Bau eines Rundhecks bisher für undurchführbar hielten.

Was mir beim Lesen des Artikels deines Literaturtipps: VI. Die letzten der Wooden Walls – Der Schiffskörper ab Seite 231 aufgefallen ist, sind die Veränderungen am Rumpf, die Du auch schon erwähnst hast. Mit den Änderungen des Bugs und des Hecks, oder dem Wegfall z.B. von Barkhölzern, praktisch mit heutigen Worten ausgedrückt, dem Cleaning des Rumpfes wurden im Grunde die Möglichkeiten geschaffen, eine Panzerung erstmals im Bereich der Batterie bis zur Wasserlinie am Rumpf anzubringen. Ich denke, die neuen gradlinigen Formen erleichterten dies ungemein.
 
die Frage nach der maritimen Entwicklung nach 1815 bis 1860, vor allem zwischen den beiden führenden Seemächten in dieser Zeit.
(...) auch technisch, war der Zeitraum von 1815 bis zu den 1850iger Jahren (Krimkrieg) kaum von großen Veränderungen geprägt.

erste metallgepanzerte Kriegsschiffe scheint man schon kurz vor 1860 gebaut zu haben: Entwicklung der frhen Panzerschiffe 1859-1872 - ebenso die gepanzerten schwimmenden Batterien Schwimmende Batterie ? Wikipedia

erste gepanzerte Geschütztürme erscheinen auf Kriegsschiffen offenbar erst kurz nach 1860, die Panzertürme von Ericson und Coles Geschützturm ? Wikipedia und diese wiederum beeinflussten die Panzerturmentwicklung im Festungsbau (Schumanns Geschütztürme)

Es scheint, dass 1860 tatsächlich eine Art Wndepunkt in dieser Entwicklung markiert.
 
erste metallgepanzerte Kriegsschiffe scheint man schon kurz vor 1860 gebaut zu haben: Entwicklung der frhen Panzerschiffe 1859-1872 - ebenso die gepanzerten schwimmenden Batterien Schwimmende Batterie ? Wikipedia


Der Krimkrieg war der innovative Anstoß zum Thema Panzerung durch Eisenplatten, denn hier wurde erstmals mit Explosivgeschossen "gearbeitet" und die hölzernen Segellinienschiffen hatten dem nix entgegen zu halten. Da reichte auch der stärkste Hölzerne Rumpfaufbau nicht aus. Dies rief die ersten schwimmenden Batterien auf den Plan, die wiederum sich auf die aktive Kriegsschifffahrt auswirkten. Danach war der Siegeszug des Eisen bzw. Stahlschiffbaus nicht mehr aufzuhalten, zumal der Dampfantrieb mit Schiffen aus Eisen oder Stahl eine bessere Basis bot, als die hölzernen Rümpfe ...
 
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Der Krimkrieg war der innovative Anstoß zum Thema Panzerung durch Eisenplatten, denn hier wurde erstmals mit Explosivgeschossen "gearbeitet" und die hölzernen Segellinienschiffen hatten dem nix entgegen zu halten. Da reichte auch der stärkste Hölzerne Rumpfaufbau nicht aus. ...

In diesem Zusammenhang ist die Seeschlacht von Sinope ein Meilenstein, als eine osmanische Flotte in kürzester Zeit von russischen Kriegsschiffen zerstört wurden, die bereits die vom Franzosen Paixhans entwickelten Bombenkanonen verwendeten.

Seeschlacht bei Sinope ? Wikipedia
 
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