Markt auf der Burg?

Brissotin

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Ich hätte da mal eine Frage.

Ich stolpere beim Vorlesen aus Sachbüchern für Kinder auf die Aussage, es habe auf Burgen Märkte gegeben.

Z.B. hier mal eine Stelle:
"Am Markttag war in der Burg viel los. Hier konnte man alles kaufen, was man brauchte. Gemüse, Brot, auch Kühe, Hühner oder andere Tiere wurden zum Verkauf angeboten. Manchmal kamen auch Händler von weit her und verkauften exotische Gewürze oder Stoffe aus fernen Ländern. ..."
*

Gibt es dafür irgendwelche historischen Belege?
Wie können die Autoren darauf gekommen sein?


Bei dem vorliegenden Beispiel wird damit geworben, das Buch sei "Von erfahrenen Pädagogen geprüft und empfohlen" und es sei für Vorschulkinder geeignet.

Mir klingt es hier und in einem Buch von Ravensburger, was sogar eher noch wissenschaftlicher daher kommt, so als verwechsle man den Burghof mit einem Marktplatz. Es wird ja auch so getan, als ob das auf allen Burgen normal war. Schaue ich mir aber Burgen des Mittelalters an, so wäre auf dem Burghof garkein Platz für sowas wie einem Markt gewesen. Davon abgesehen, dass Vieh bspw. normalerweise auf speziellen Viehmärkten verkauft wurde, da Großvieh viel Platz braucht, Koppeln auf einer Wiese zum Beispiel.
Normalerweise ist ein Markt mit bestimmten Privilegien verbunden und wird bspw. urkundlich erwähnt, wo das Marktrecht zugebilligt wurde (auch wenn daran offenbar nicht der Status einer Stadt hing, der manchmal mit der Umwallung durch eine Stadtmauer zusammen hing).

Weiß dazu jemand mehr?
Wie kann ich richtig reagieren, wenn ich erklären will, dass das was da in einem Buch steht eigentlich Quatsch ist. Die Logik wie - schau mal, auf den Burgen, wo wir bisher waren, war für einen Markt garkein Platz - zieht irgendwie nicht recht.

* Kapitel "Das Leben auf der Burg" (o.S.) in: "Klipp Klapp Sach- und Rätselheft" ars Edition, München, 2011
 
Ohne die Formulierungen im Einzelnen zu kennen oder das pädagogische Problem der Korrektur eines Buches anzugehen: Ein Markt "in" einer Burg dürften eher Händler mit Angeboten für die Burgbewohner gemeint sein und dann kommen vielleicht andere noch hinzu. Dies sollte auch ohne besondere Marktrecht möglich sein, quasi als Privatbesuch des Händlers (und je nach Stellung und Macht des Burgherrn).

Verzichtet man auf eine wörtliche Übernahme des "in" der Burg, so kann ich mir auch einen Verkauf vor den Toren der Burg vorstellen. Dort bildet sich eine Siedlung derer, die nicht in die Burg passen (begrenzter Platz) und als Bedienstete oder Bauern der Umgebung dennoch so viel Schutz wie möglich genießen wollen. Diese Siedlung tritt aber noch nicht selbstständig in Erscheinung (wird erst später zu eigenen juristischen Person). Deshalb die Identifikation über die Burg mit erst einer zukünftigen Trennung.

Außerdem dürften manche Märkte auch in kleine Burgen gepasst haben. Die Zahl der Marktstände war nicht immer groß, die Mühsal des Weges dürfte für Käufer wie Verkäufer nicht an den letzten Metern in die Mauern hinein gehangen haben und ein gewisses Gedränge wird man in Kauf genommen haben.
 
Ohne die Formulierungen im Einzelnen zu kennen oder das pädagogische Problem der Korrektur eines Buches anzugehen: Ein Markt "in" einer Burg dürften eher Händler mit Angeboten für die Burgbewohner gemeint sein und dann kommen vielleicht andere noch hinzu. Dies sollte auch ohne besondere Marktrecht möglich sein, quasi als Privatbesuch des Händlers (und je nach Stellung und Macht des Burgherrn).

Verzichtet man auf eine wörtliche Übernahme des "in" der Burg, so kann ich mir auch einen Verkauf vor den Toren der Burg vorstellen. Dort bildet sich eine Siedlung derer, die nicht in die Burg passen (begrenzter Platz) und als Bedienstete oder Bauern der Umgebung dennoch so viel Schutz wie möglich genießen wollen. Diese Siedlung tritt aber noch nicht selbstständig in Erscheinung (wird erst später zu eigenen juristischen Person). Deshalb die Identifikation über die Burg mit erst einer zukünftigen Trennung.
Es geht aber eben um das "in" der Burg.
Die Formulierung steht ja oben in dem Zitat von mir aus einem der Bücher. Das Zitat ist doch recht eindeutig (und was längeres wird man in Büchern, die sich an die Altersgruppe wenden auch nicht erwarten können).

Davon abgesehen ist ja schon die Formulierung absurd, man habe auf einer Burg Brot gekauft. Wer soll denn dergleichen getan haben? Der Bauer auf dem Dorf konnte sich sein Brot selber backen. Mir kommt die ganze Formulierung aus dem Buch einfach so vor, als habe der Autor einen modernen Wochenmarkt mit Gemüse- und Brotständen etc. vor Augen gehabt.

Was sollte man auf der Burg mit einem Markt? Die Burg war wohl wie damals jeder Haushalt vorwiegend ein Selbstversorger. Man lebte von den Erträgen der Bauern, die diese auf die Burg zu bringen hatten. Ergänzend dazu gab es sicherlich auch die Möglichkeit den Bedarf an frischen Produkten wie Eiern und Milch durch eigene Tiere abzudecken.
Dass reisende Händler vorbei kamen und z.B. kostbare Stoffe auf einer Burg dem zahlungskräftigen Publikum anboten hingegen ist natürlich plausibel.

Mir geht es auch nicht um die Spekulation, ob es Märkte auf einer Burg gegeben haben könnte, sondern darum, ob es konkrete Hinweise dafür gibt, dass es solche Märkte gab.

Ich habe in den Jahren wie ich Burgen besucht habe oder etwas in Burgenführern gelesen habe noch nie von einem Markt auf einer Burg gelesen, nichtmal bei einer größeren Burg.
 
Was sollte man auf der Burg mit einem Markt?

Erstens das, und zweitens macht das schon aus Sicherheitsgründen keinen Sinn: Stichwort "Trojanisches Pferd". Ein oder zwei Dutzend kampffähige Männer hätten sich als Händler und Kunden tarnen und ihre Waffen in ein paar Händlerkarren verstecken können, falls am Tor jeder Hereinkommende abgetastet würde, wobei allein schon die Vorstellung, dass die Burgherren einem solchen Markt eine so große Bedeutung beimaßen, dass sie ein Sicherheitsrisiko in Kauf nahmen, unsinnig erscheint. Schließlich waren die Burgen gebaut worden, um ihre Besitzer optimal zu schützen, und nicht, um Feinden aus belanglosen Gründen freien Zugang zu gestatten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, das Mittelalter ist kein Robin Hood-Film. Die Frage ist halt, welcher Burgbegriff zugrunde gelegt wird. Ich habe den Eindruck, Briso denkt an eine einfache, frühmittelalterliche Motte, während das Kinderbuch an Großburgen des Hoch- und Spätmittelalters denkt, á la Schloss Burg, Burg zu Burghausen oder die Kaiserburg in Nürnberg.
 
Es geht aber eben um das "in" der Burg.
Ich habe ja nur zwei Erklärungen versucht, einmal die Ungenauigkeit mit "in der Burg" die Siedlung vor der Burg zu meinen (ist es wohl nach Deienr Erklärung nicht) und einmal der kleine Markt tatsächlich in der Burg.

@Chan: Wiw groß soll denn der Markt sein und wer kommt da zusammen?
Ein heutiger Wochenmarkt deckt viel mehr Kunden ab als damals in Burg und direkter Umgebung gewohnt haben, es wird also weniger umgesetzt worden sein. Außerdem wird ein Großteil der Versorgung der Burg tatsächlich über Abgaben gelaufen sein, die nicht über einen Markt gehandelt wurden. Es geht also um Überschüsse und die Versorgung derer, die von der Abgabenwirtschaft nicht abgedeckt waren.
Die meisten Marktbesucher dürften auf der Burg gut bekannt gewesen sein, so dass nur Händler von weiter weg ein erhöhtes Risiko darstellen. Da aber neben Waren auch Neuigkeiten aus der Ferne beliebt waren, dürften die Burgbewohner schon aufmerksam gewesen sein und während der Abwesenheit einiger Kämpfer wird so ein Markt eben nicht in der Burg stattgefunden haben.

Das Kinderbuch scheint aber wirklich hier falsche Eindrücke zu vermitteln, unabhängig von der wissenschaftlichen Genauigkeit des Inhalts.
 
Ich habe ja nur zwei Erklärungen versucht, einmal die Ungenauigkeit mit "in der Burg" die Siedlung vor der Burg zu meinen (ist es wohl nach Deienr Erklärung nicht) und einmal der kleine Markt tatsächlich in der Burg.
Das sind ja meistens suburbia in den mittelalterlichen Quellen.

Die meisten Marktbesucher dürften auf der Burg gut bekannt gewesen sein, so dass nur Händler von weiter weg ein erhöhtes Risiko darstellen.
Die Vorstellung, dass als Händler getarnte feindliche Bewaffnete in die Burg eindrangen wird eher dem Konsum von Hollywoodfilmen geschuldet sein, als dass sie dem realen Mittelalter gerecht wird.

Zu Widukinds Angabung zur "Burgenordnung" Heinrichs I. (926) habe ich folgende Übersetzung gefunden:

"Er gebot, dass die Gerichtstage und alle Märkte und Gastmähler in den Burgen abgehalten würden" (Concilia et omnes conventus atque convivia in urbibus voluit celebrari)
Da liegt aber urbs zugrunde.
 
Zu Widukinds Angabung zur "Burgenordnung" Heinrichs I. (926) habe ich folgende Übersetzung gefunden:

"Er gebot, dass die Gerichtstage und alle Märkte und Gastmähler in den Burgen abgehalten würden" (Concilia et omnes conventus atque convivia in urbibus voluit celebrari)

Hausarbeiten.de - Von Heinrich lernen heißt siegen lernen?
Das ist doch mal eine Aussage, womit ich etwas anfangen kann. Vielen, vielen Dank!

@ El Quijote
Mir geht es nicht um eine Motte, sondern darum ob es allgemein üblich war, dass Märkte auf Burgen stattfanden.
 
Das sind ja meistens suburbia in den mittelalterlichen Quellen.

[...]
Zu Widukinds Angabung zur "Burgenordnung" Heinrichs I. (926) habe ich folgende Übersetzung gefunden:

"Er gebot, dass die Gerichtstage und alle Märkte und Gastmähler in den Burgen abgehalten würden" (Concilia et omnes conventus atque convivia in urbibus voluit celebrari)
Da liegt aber urbs zugrunde.
Wenn man natürlich eine Siedlung außerhalb einer Burg suburbium nennt, dann ist die Interpretation einer urbs als Burg nur folgerichtig.
 
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