Marschgewindingkeit und -zeiten

Eichelhäher

Aktives Mitglied
Einen schönen guten Tag :) Hoffe einfach mal vertrauensvoll auf Hilfe hier.

Ich sitze schon seit Jahren an einem sehr historisch aufgezogenen Fantasyroman (der grob den walisischen Kampf gegen die englische Herrschaft im 13. Jahrhundert nachzeichnet), und stelle fest, dass ich alle Zeit- und Wegesangaben, die ich so im Hinterkopf habe, aus Sekundärquellen zusammengeklaubt habe, die mir zu unzuverlässig sind. Weiß einer von euch, wieviel Weg man am Tag zurücklegen kann - als einzelner Reiter, als kleinerer Fußtrupp, als mittelgroße Armee etc?

Als einigermaßen realistische Zahl habe ich als Untergrenze 20 km am Tag, als absolute Obergrenze mit Gewaltmarsch unter höchster Dringlichkeit und etlichen Blasen an den Füßen 40 km/Tag angenommen. Kommt das hin?

Dass ein Hannibal in den Alpen mit 30000 Mann und knapp 40 Kriegselefanten 16 Kilometer am Tag schafft, weiß ich, aber die Relationen helfen mir nicht. Vielleicht kurz ein paar mehr Details: Das Terrain entspricht Wales - viele Hügel, viel Regen, schlechte Straßen. Armeen sind klein - 500 bis 2000 Mann, und das ist schon viel. Die Ausrüstung ist sehr leicht. Rüstungen sind kaum vorhanden, eventuell mal Lederrüstungen. Waffen sind meist Bögen und Lanzen, wenig Schwerter. Die wenigen Reiter (die vielleicht 10% der Truppe ausmachen) sind leicht gepanzert; Lederrüstungen und seltener ein Kettenhemd. Stand ist etwa 13. Jahrhundert, allerdings unter Berücksichtigung der Tatsache, dass man nicht solche Ausrüstung hatte wie zur gleichen Zeit in England und Frankreich.

Würde mich sehr über jede Art von Input freuen!
 
Hallo Goldene 7,

ich habe gerade was zu 1066 geschrieben, da hab ich u.a. was über Marschleistungen gelesen. Also:

Nachdem Harold von England die Schlacht von Stamford Bridge geschlagen (und gewonnen) hatte, erfuhr er am 1.10.1066 von der Landung der Normannen an der Südküste.

In Gewaltmärschen zog er mit seinen Kriegern von York nach London und dann weiter nach Hastings, wo er am 13.10.1066 ankam und in Stellung ging.
Auf dem Weg dorthin hatte er jedoch in London einige Tage verbracht und zusätzliche Truppen ausgehoben.

Die Entfernung York-London-Hasting beträgt etwa 480 km.

Ich weiß nun nicht genau, wie lange er sich in London aufgehalten hat. Wenn er nur 3 Tage in London verbracht hat, dann haben er und seine Leute 10 Marschtage zu 48 km hinter sich gebracht. Bei längerem Aufenthalt hätte sich Marschleistung pro Tag natürlich entsprechend erhöht.

(Selbst wenn er auf einen Aufenthalt in London verzichtet hätte, wären es 480 : 13 = 37 km pro Tag gewesen. Immer noch eine reife Leistung!)

Nur: Geholfen hat ihm diese Anstrengung bekanntlich nicht...

Schöne Grüße,

Jacobum
 
Whoa! Das ist allerdings beachtlich. Hilft mir sehr, sehr weiter, danke!

Wobei ich allerdings annehme, dass grade zwischen York und London vermutlich eine sehr gut benutzte Römerstraße existiert hat, oder? Selbst wenn sie nicht mehr überall befestigt und gepflastert war, wird sie zumindest nicht zugewachsen gewesen sein.

Aber das kommt mit meiner Obergrenze von 40 km/Tag ja dann ganz gut hin!
 
GoldSeven schrieb:
Whoa! Das ist allerdings beachtlich. Hilft mir sehr, sehr weiter, danke!

Wobei ich allerdings annehme, dass grade zwischen York und London vermutlich eine sehr gut benutzte Römerstraße existiert hat, oder? Selbst wenn sie nicht mehr überall befestigt und gepflastert war, wird sie zumindest nicht zugewachsen gewesen sein.

Aber das kommt mit meiner Obergrenze von 40 km/Tag ja dann ganz gut hin!

Dass es da Römerstraßen gegeben hat, glaube ich auch. In welchem Zustand die sich aber so viele Jahre nach Abzug der Legionen befunden hatten - da muss ich passen...
(Vielleicht weiß es ja jemand hier im Forum, aber das ist eigentlich nicht Bestandteil des Themas).

Für Harold und seine Krieger kam ja noch erschwerend hinzu, dass sie schon in Eilmärschen nach York geeilt waren, dort eine schwere Schlacht geschlagen hatten und dann den eigentlichen Gewaltmarsch nach Hastings durchgeführt haben.

Grüße,
Jacobum
 
Noch ein Beispiel (ich habe kürzlich ein Buch über den Hundertjährigen Krieg gelesen):

Am 24.10.1415 fand zwischen Engländern und Franzosen die Schlacht bei Agincourt statt.

Zuvor, am 13.8. waren die Engländer unter König Henry V. bei Harfleur gelandet, um die Stadt einzunehmen. Dies hatte länger gedauert als gedacht, erst am 22.9. ergab sich Harfleur. Nach ein paar Tagen des Ausruhens (und Raubens und Plünderns) zogen die Engländer am 8.10. weiter, um noch vor Wintereinbruch ihren wichtigen Stützpunkt Calais zu erreichen.

Inzwischen hatten sich aber die Franzosen gesammelt und den Engländern den Weg abgeschnitten. An den Ufern der Somme, die die Engländer überqueren mussten, standen die Franzosen, um deren Durchkommen nach Calais zu verhindern.

Am 24.10. schlugen die Engländer ihr Lager ganz in der Nähe der Franzosen auf, am nächsten Tag begann die Schlacht, und wie die ausging, wissen wir ja (oder nicht...?).

So, jetzt zur Marschleistung:

Laut Michelin-Routenplaner sind es von Harfleur nach Agincourt rund 210 km, das meiste auf Fernstraßen. Die können wir 1415 vergessen. Der Weg, den das englische Heer zurückgelegt hat, war auch sicher nicht der kürzeste. Ich denke, wenn wir 240 (statt 210) km ansetzen, liegen wir nicht allzu sehr daneben.

Und nun die Rechenaufgabe: In 16 Tagen werden 240 km zurückgelegt, macht pro Tag rund 15 Kilometer.

Aber was war das für eine Strecke?
Der Weg war uneben, es regnete seit Wochen ununterbrochen, alles war aufgeweicht und überschwemmt, der zähe Morast verhinderte ein gleichmäßiges Vorankommen.

Und die marschierende Truppe? Die Soldaten Henrys litten an Erschöpfung, Kälte, Hunger und an der Ruhr. Entsprechend kamen sie voran.

Hierbei handelte es sich um ein reines Fuß-Heer, Henrys Streitkräfte bei Agincourt bestanden zum Großteil aus Bogenschützen, der Rest waren Infanteristen mit Nahkampfwaffen. Schweres Gerät war nicht dabei. Die Truppe reiste quasi mit leichtem Gepäck, was wiederum vorteilhaft fürs Vorankommen war.

Soweit dieses Beispiel zum Thema "Marschleistung".

Grüße,

Jacobum
 
15 bis 20 Kilometer Marschleistung für Fusstruppen sind für damals OK, vor allem in unebenen Terrain.

Höhere Leistungen bis 40 km oder gar 50 km (sieben Meilen) pro Tag sind möglich, jedoch nur für kürzere Zeitspannen und ohne Tross. Für napoleonische Zeiten sind solche Tempi verbürgt, jedoch bei deutlich besseren Strassen als im Mittelalter.

Mann muss bedenken, dass bei solch einer Leistung sehr viele Ausfälle durch Erschöpfung und Wundsein passieren. Die Kolonnen ziehen sich auch in die Länge und zeigen Lücken (sehr gefährlich). Die Truppen sind zudem dann bei Ankunft erschöpft und kaum noch in der Lage zu kämpfen.

Die angebliche Tagesleistung von Harold möchte ich in Frage stellen. Seine Truppen sind vermutlich weiter marschiert und haben keine Pause in London gemacht, er selbst reiste wohl zu Pferde.
Vielleicht ist es jedoch auch die Erklärung für seine Niederlage.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke, ihr habt mir SEHR geholfen!!

Die angebliche Tagesleistung von Harold möchte ich in Frage stellen. Seine Truppen sind vermutlich weiter marschiert und haben keine Pause in London gemacht, er selbst reiste wohl zu Pferde.

Das kann ich mir auch gut vorstellen.

Vielleicht ist es jedoch auch die Erklärung für seine Niederlage.

DAS war mein erster Gedanke ;)
 
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