Marx' "Klasse"

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Hallo,

welchen aktuellen Realitätsgehalt hat der marxistische Begriff der "Klasse" heute???
Wäre Euch über Hilfe wirklich dankbar!!! :)
MfG
Gisma
 
Der Begriff Klasse ist mWn. älter als Marx. :grübel:
Klassen resultieren aus Arbeitsteilung und Produktmangel (d.h.: es gibt nicht genug Produkte um, damit man sie allen Menschen kaufen kann. Daher muss man sie unterschielich hohe Geldbeträge erstehen, die nicht jeder aufbringen kann.), aus denen wirtschaftliche Ungleichheit entsteht.
gibt es diese Faktoren noch?
Dann wäre diese frage geklärt.
Ob wir heute noh die gleichen Klassen wie zu Zeiten von Marx haben ist eine andere Frage mit einer schwierigeren Beantwortung.
 
Themistokles schrieb:
Klassen resultieren aus Arbeitsteilung und Produktmangel (d.h.: es gibt nicht genug Produkte um, damit man sie allen Menschen kaufen kann. Daher muss man sie unterschielich hohe Geldbeträge erstehen, die nicht jeder aufbringen kann.), aus denen wirtschaftliche Ungleichheit entsteht.

Ich würde es anders definieren. Eine "Klassengesellschaft" hat m.E. drei entscheidende Merkmale:

1. Deutliche Unterschiede im Einkommen verschiedener Gesellschaftsgruppen, wobei "Einkommenssprünge" die Klassengrenzen anzeigen.
2. "Dünne" Mittelschicht.
3. Geringe vertikale Fluktuation (kaum Auf- oder Abstiegsmöglichkeiten) und Tendenz zur Vererbung des "Klassenstatus" -> Herkunft entscheidet maßgeblich die Klassenzugehörigkeit

Des weiteren könnte man politische Einflussnahmemöglichkeiten, gesundheitliche oder sonstige Aspekte dazu nehmen. Diese wären m.E. aber zweitrangig.

Wenn wir uns heute die Verhältnisse in Deutschland ansehen, dann trifft der Begriff der Klassengesellschaft kaum zu. Es gibt keine krassen Einkommenssprünge, wie etwa in Südafrika oder Indien. Auch die Mittelschicht (Beamten, Angestellte, etc.) ist gut ausgeprägt und der Sohn eines Bauern oder Handwerkers ist nicht dazu verdammt auch Bauer oder Handwerker zu werden.

Wir erleben eine TENDENZ in Richtung Klassengesellschaft. Bis wir aber da angelangt sind, muss noch viel passieren ...
 
Pope schrieb:
3. Geringe vertikale Fluktuation (kaum Auf- oder Abstiegsmöglichkeiten) und Tendenz zur Vererbung des "Klassenstatus" -> Herkunft entscheidet maßgeblich die Klassenzugehörigkeit
Aber das ist doch gerade, was die Klassengesellschaft von der Ständegesellschaft unterscheidet: das ein Wechsel zwischen den Klassen je nach wirtschaftlichem Erfolg möglich ist.
Heute ist es allerdings schwieriger Menschen in Klassen einzuteilen, weil z.B. Akademiker, die traditionell dem gehobenen Bürgertum angehörten und über die entsprechenden wirtschaftlichen Möglichkeiten verfügten, heute auch aus anderen Schichten kommen und häufig von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Sie verfügen nicht mehr zwangsläufig über die finanziellen Ressourcen, wie früher.
Welcher Klasse gehören sie nun an: dem Bildungsbürgertum, oder doch - überspitzt - dem Lumpenproletariat?
 
El Quijote schrieb:
(Akademiker) Welcher Klasse gehören sie nun an: dem Bildungsbürgertum, oder doch - überspitzt - dem Lumpenproletariat?

Hängt vielleicht davon ab, ob sie Betriebswirtschaft oder Sozialwissenschaft studiert haben :still:
 
Heute teilt man es in Mileaus ein, es sind Mischformen zwischen Herkunft und persönlichen Werteverstellungen.
 
El Quijote schrieb:
Aber das ist doch gerade, was die Klassengesellschaft von der Ständegesellschaft unterscheidet: das ein Wechsel zwischen den Klassen je nach wirtschaftlichem Erfolg möglich ist.

Anders: der wirtschaftliche und gesellschaftliche Erfolg ist den höheren Klassen vorbehalten. In der Ständegesellschaft entscheidet die Geburt den Stand mittels Abstammung. In der Klassengesellschaft bestimmt nicht die "Blutgruppe", sondern die wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen Bedingungen, in die man hineingeboren wird, die Aufstiegschancen.

Es läuft dabei auf's selbe hinaus.
 
Pope schrieb:
In der Klassengesellschaft bestimmt nicht die "Blutgruppe", sondern die wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen Bedingungen, in die man hineingeboren wird, die Aufstiegschancen.

Ich bin nicht sicher, ob die Klassenzugehörigkeit immer als "sozial erworben" anstatt als "angeboren" angesehen wurde.

Denn nur wenn sie als angeboren betrachtet wird, kann es für einen gesellschaftlichen Strukturwandel als sinnvoll angesehen werden, die Mitglieder einer Klasse umzubringen. In der Oktoberrevolution waren dies z.B. "die" Großgrundbesitzer und Kulaken.

Marx selbst war Sohn eines zum Christentum konvertierten Juden, also Christ. Er selbst war fanatischer Antisemit, weil er die Juden als Träger(-Klasse) des Kapitalismus ansah. So schmähte er Lassalle, weil dieser Jude war.

Auch die Nazis sahen die Juden als die Träger des Kapitalismus, den es abzuschaffen gelte. Da sie das Judentum als "Rasse", also als angeboren, sahen, war Marx für sie ein Jude.

Ich meine also, dass das Klassenkonzept in die Irre führt.
 
Klaus schrieb:
Ich meine also, dass das Klassenkonzept in die Irre führt.

:)huh: Deshalb wollte Marx es ja abschaffen und die klassenlose Gesellschaft formen.)

Das Klassenkonzept hat seine Berechtigung. Für's europäische 19.Jhd. ist eine Klassengesellschaft belegt. Bzw. die Situation im 19.Jhd. formte den Begriff.

Auch in vielen Entwicklungsländern gibt es Klassengesellschaften. Daher kann man das Konzept nicht einfach ablehnen. Die Frage ist nur, ab wann eine Gesellschaft als solche zu bezeichnen ist, und ob Deutschland dort wieder angelangt ist.
 
Der Begriff der Klassengesellschaft hat sich im Laufe der Zeit geändert. Zu der Zeit von Marx und teilweise auch heute, bestimmt das Vermögen und die Tätigkeit des Einzelnen die Klasse.
Die Klasse der Aristokraten dürfte weitgehend weggefallen sein. Diese Klasse wurde vom Besitzbürgertum abgelöst.
Der Mittelschicht dürften Menschen, Angestellte aber auch Arbeiter angehören, die von dem Lohn ihrer Beschäftigung oder Tätigkeit gut leben können und vielleicht auch Haus- und Grundbesitz haben.
Zur Unterschicht, nicht mehr unbedingt Arbeiterschaft, da diese durch die Automation in Europa und Amerika wegfallen wird, gehören Menschen, die von ihrer Arbeit fast nicht leben können oder arbeitslos sind und somit in Deutschland HatzIV beziehen, was auch die Sozialhilfe einbezieht.:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
El Quijote schrieb:
(Akademiker) Welcher Klasse gehören sie nun an: dem Bildungsbürgertum, oder doch - überspitzt - dem Lumpenproletariat?

Hängt vielleicht davon ab, ob sie Betriebswirtschaft oder Sozialwissenschaft studiert haben :still:

Ich fürchte, mit den alten Schubladen kommen wir nicht weiter. Man müßte zumindest die Kategorien "Bildungsproletariat" und "Lumpenbürgertum" einführen...
 
Ich fürchte inhaltlich gibts diese Klassen schon! Ich kenne eine Menge Akademiker und Ing´s die knapp über der Sozialhilfe leben.
 
El Quijote schrieb:
(Akademiker) Welcher Klasse gehören sie nun an: dem Bildungsbürgertum, oder doch - überspitzt - dem Lumpenproletariat?

Arne schrieb:
Hängt vielleicht davon ab, ob sie Betriebswirtschaft oder Sozialwissenschaft studiert haben :still:


Sozialwissenschaft = Lumpenproletariat? Na, gut. (hehe!)
Aber,
Betriebswirtschaft = Bildungsbürgertum ????? ( Jesus !) "Diplomproleten" trifft meistens eher.
 
Können wir bitte wieder zu der durchaus ernsten Frage zurückkehren, anstelle sich weiter in der Verbreitung von Vorurteilen zu ergehen?
 
askan schrieb:
Ich fürchte inhaltlich gibts diese Klassen schon! Ich kenne eine Menge Akademiker und Ing´s die knapp über der Sozialhilfe leben.

Du hast recht lieber Askan,
es gibt insoweit Klassen, weil arbeitslose Ingeneure auch auf das Sozialhilfeniveau absinken können.:grübel:
 
heinz schrieb:
es gibt insoweit Klassen, weil arbeitslose Ingeneure auch auf das Sozialhilfeniveau absinken können.:grübel:

Welcher besondere Status die Ingeneure aus der Masse der Arbeitslosen heraushebt, will sich mir nicht erschließen.
Ich sehe da auch weder einen Zusammenhang mit dem historischen Marx noch mit seinen aktuellen Adepten.
 
Echt nicht?
Massenverarmung aufgrund struktureller Arbeitslosigkeit die durch verbesserte Produktionsmittel und grenzenlos verfügbarer Ressourcen bedingt sind, ist eigentlich zur Zeit Top-Thema in der Politik und in den Medien.

Obwohl Marx kaum gelesen wird, ist es erschreckent wie genau der "freie Markt" sich an sein Drehbuch hält.
 
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