Mauerbau in Berlin

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BeX9939

Gast
War der Bau der Berliner Mauer für die DDR überlebenswichtig?
 
War der Bau der Berliner Mauer für die DDR überlebenswichtig?

Gegenfrage: Hat die DDR überlebt?

Solche Fragen sollten nicht diejenigen sein, die im Geschichtsunterricht hängen bleiben oder schlimmstenfalls sogar gestellt werden.

"Warum hielt die Führung der DDR den Mauerbau für überlebenswichtig?" wäre da wohl die angemessenere Fragestellung. Schließlich sollte in der Betrachtung der Ereignisse nicht allein eine nüchterne, die historischen Fakten abwägende Gewichtung der Fakten stehen, sondern auch die Frage danach, was wir in unserer heutigen Gesellschaft mit diesem Wissen anfangen können und wollen.

Es ließe sich dann darüber diskutieren, warum sich die Ideologie der SED trotz Mauerbau nicht durchgesetzt hat und schließlich auch darüber, inwiefern das offensichtlich erfolgreichere demokratische Gegenmodell sich trotz oder gerade wegen der Gegensätze zum sozialistischen Versuch verbessern ließe. Lernen aus der Geschichte ist also angesagt, anstelle von schlichtem Nachvollzug.
 
"Warum hielt die Führung der DDR den Mauerbau für überlebenswichtig?" wäre da wohl die angemessenere Fragestellung.
Wenn man es in dem Zeitfenster sieht, halte ich die Mauer für die DDR als stalinistischen Staat schon für überlebenswichtig, zumindest bis zum Eintritt ihres Todes. Man verstand sich, eigentlich schon damals vergreist, als System der Zukunft. Die staatsführende Partei der DDR hat den Weggang ihrer Bürger eben nicht als Anreiz genommen, sich zu demokratisieren. Für eine stalinistisch geprägte Parteiführung wohl auch unannehmbar. Schließlich hat die Partei "immer recht..."
Später war die Mauer allerdings einer der Faktoren, weshalb die DDR als Staat für die Mehrheit ihrer Bürger nicht mehr, wie soll man sagen, zu ertragen war. Die durch die Mauer verweigerte Demokratisierung fand um 28 Jahre verspätet dann auf der Straße statt.
 
Die Frage lautet:

War der Bau der Berliner Mauer für die DDR überlebenswichtig?“

Eindeutig -> Ja!

Als die Mauer gebaut wurde war ich 20. Jahre alt und im September 1961 begann mein Maschinenbaustudium in Karl-Marx-Stadt/Chemnitz.

Wäre diese Mauer nicht gebaut worden, hätte aus meiner Sicht und meinem Kenntnisstand die DDR vielleicht noch eine kurze Zeit existieren können.
Wie lang kann ich nicht sagen, aber „kurze Zeit“ ist in so einem Fall auch eine klare Aussage.

Mein Fachgebiet ist eigentlich die Technik und die Betriebswirtschaft.
Aber ich möchte mal ein paar Zeilen zur m/l Ideologie schreiben.

Mein Kenntnisstand ist, mit der m/l Ideologie hat man zu keiner Zeit die Massen erreicht und überzeugen können.
Obwohl und das war ja nicht zu übersehen, man gab sich da alle Mühe und war auch recht aktiv.
Ich lasse mal hier außen vor den m/l Unterricht an den Schulen, Berufsschulen, Ingenieurschulen und Universitäten usw.

Aus meiner betrieblichen Sichtweite ein paar Sätze.

Auch in den Betrieben bemühte man sich den Marxismus – Leninismus in die Massen zu tragen.

Diese Schulungen hatten aber sehr bald ihren eigenen Namen.
Zwei Namen sind mir noch im Gedächtnis:
1. "Rotes Wochenende" (betraf vorallem Freitagsschulungen) und
2. "Rotlichtbestrahlung", dh. Vorträge in Verwirklichung des Kampfprogramms um den Titel „Brigade der sozialistischen Arbeit“.

Das sollte man aber richtig einordnen und keinesfalls überwerten.
Der Lektor begann seinen Vortrag in der Regel mit den aktuellen Beschlüssen der SED und flechtet da die Lehre von Marx, Engel und Lenin mit ein, sozusagen als theoretische Grundlage, als theoretisches Fundament.
Man hörte sich den Vortrag des Lektors an und dann ging’s in die Diskussion.
Meisten ging es da um Unzulänglichkeit im Betrieb/Kombinat (die gab’s ja haufenweise!) und je nach aktueller Situation um allg. politische Probleme/Fragen.
Ein paar Beispiele an die ich mich erinnere:

  • Einführung der DDR Staatsbürgerschaft,
  • Die neue Ladenkette, die im Volksmund „UWUBU“ genant wurde,
  • Die Intershops,
  • Urlaubsplätze übers Reisebüro,
  • Hochwertige Konsumgüter, d.h. deren Beschaffung und Unterhaltung,
  • Wenn Jugendweihen anstanden, das Problem mit der Zuteilung von „Edelkonserven“ u.v.a.m.
Und wenn man dieses und vieles, vieles andere berücksichtigt, wird man schnell zu der Schlussfolgerung kommen:

Der einzigste Sinn die Mauer bestand darin, dass der Exitus der DDR damit erst einmal verhindert wurde.
Man hatte sich Zeit geschaffen um zu beweißen, dass der Sozialismus im Sinne von Marx, Engels und Lenin tragfähig ist, sozusagen eine echte Alternative zur bürgerlichen Demokratie ist. Denn bis Anfang der 60iger war man diesen Beweiß schuldig geblieben.

Ich erinnere mich immer gern an ein Gespräch zwischen Wilhelm Pieck und Herbert Wehner. Hatte dazu mal was bei einem Interview von Herbert Wehner im Fernsehen (muss so in den 70igern gewesen sein) gehört.
Herbert Wehner verabschiedete sich von Wilhelm Pieck (war so ende der 40iger) sinngemäß mit den Worten, dass was sie vorhaben wird in einer riesigen Katastrophe enden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine relativ neue Darstellung der DDR und ihrem "Hineinwachsen" in das staatliche Modell einer "Versorgungsdiktatur" nach Honeckers Vorstellungen findet sich bei Port.

Die rätselhafte Stabilität der DDR: Arbeit und Alltag im sozialistischen ... - Andrew I. Port - Google Books

Positiv an der Darstellung ist die Darstellung der Legitimationsdefizite der DDR im Weberschen Sinne (Port bezieht sich explizit auf diese Kategorie), die Beschreibung der Widerstandspotentiale aber auch die "Unterstützungskulturen" zu beschreiben, die das Regime auch hatte.

Die Idee des Mauerbaus ging dabei von Chruschtschow aus und nicht originär von Ulbricht, wenngleich dieser die Vorteile schnell erkannte.

Mauerbau - "Wir lassen euch jetzt ein, zwei Wochen Zeit" - SPIEGEL ONLINE

In diesem Sinne war der Mauerbau mehr als "lediglich" der Versuch, die Flucht in den Westen zu verhindern, sondern es ging auch um die Stabilität der beiden Blöcke.
 
Eine relativ neue Darstellung der DDR und ihrem "Hineinwachsen" in das staatliche Modell einer "Versorgungsdiktatur" nach Honeckers Vorstellungen findet sich bei Port.

Gute Empfehlung. das Buch ist sachlich geschrieben und liest sich trotzdem gut. Wer es unbedingt in Papierform haben möchte kann sich bei der bpb melden.
Die Studie geht aber nu am Rand auf die Gründe des Mauerbaus ein. Im Wesentlichen beschäftigt sie sich eher mit den Arbeits- und Sozialstrukturen bzw. den innerbetrieblichen und innnerbehördlichen Prozessen die zum langsamen Exitus der DDR führten.
 
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