Media in Germania - der Tintenfassdeckel des Germanicus

El Quijote hatte wegen der Materialstärke leisen Zweifel an der Funktion geäußert.

An Pferdegeschirr gibt es ähnliche Scheiben und anscheinend auch bei Gewichten. Denn "falls" es kein Tintenfassdeckel ist, steht die Frage im Raum, was es ist. Können wir andere Möglichkeiten ausschließen - eine Zierscheibe müsste z.B. beim Loch Befestigungsspuren aufweisen - bleibt der Tintenfassdeckel.

Einen Grund für einen Gegenstempel gibt es weder bei einem Deckel noch bei einer Zierscheibe, was Opterix Einwand aufhebt. Es geht ja erst einmal darum, zu klären, was es ist.

Da Germanicus als Eigentümer postuliert wurde, habe ich mir erlaubt, anzudeuten, dass eine Zierscheibe einem Feldherrn eher zuzuordnen ist als ein von Sklaven, Freigelassenen und niedrigen Chargen benutztes Tintenfass. Denn Mitgliedern der kaiserlichen Familie bisher persönlich zugeordnete Gegenstände sind aus edleren Materialien. Bronze als Zaumzeug oder an Rüstung und Waffen sind wegen Ilias und Funktion nicht unangemessen.

Damit habe ich mich aber nicht grundsätzlich zur Zuordnung zu Germanicus geäußert. Ich habe mich bewusst nicht dazu geäußert, weil ich das Finderglück nicht gleich trüben wollte.

Ganz davon abgesehen ist und bleibt ein rätselhafter Schriftfund aber auch an und für sich spektakulär. Und da Hermundure nicht nur offizieller Sondengänger ist, sondern seine Funde regelmäßig hier vorstellt, gebührt ihm nicht nur der Glückwunsch, sondern auch Lob. Mit mehr solcher Sondengänger, würde sich unkontrollierte Schatzsuche schnell weniger lohnen, was effektiver sein dürfte als das verfehlte Gesetz.

Und wenn ich jetzt doch soviel schreiben muss, auch von mir dann jetzt auch ausdrücklich Herzlichen Glückwunsch zum Fund!
 
El Quijote hatte wegen der Materialstärke leisen Zweifel an der Funktion geäußert.
Ich möchte diesen Eindruck aber nicht mit Verve verteidigen, bei einer wiederholten Betrachtung der Fotos habe ich diesen ersten Eindruck so nicht mehr gehabt. Vielleicht ist hermundure ja so freundlich, ein Foto einzustellen, dass die Materialstärke besser beurteilen hilft.
 
Folgen wir mal der gewagten These, es handele sich um den Tintenfassdeckel des Germanicus: Warum sollte ausgerechnet der gegengestempelt sein?
Ich bin mir auch nicht sicher, ob es sich tatsächlich um einen Gegenstempel handelt. Fest steht, dass hier eine mechanische Kraft eingewirkt hat.
Ich möchte diesen Eindruck aber nicht mit Verve verteidigen, bei einer wiederholten Betrachtung der Fotos habe ich diesen ersten Eindruck so nicht mehr gehabt. Vielleicht ist hermundure ja so freundlich, ein Foto einzustellen, dass die Materialstärke besser beurteilen hilft.
Auch ein Foto der Rückseite wäre nicht schlecht. Ich komme noch mal auf den erwähnten Rand um das Loch zurück. Er ist präzise gedreht, so, als ob man die Drehmaschine plotzlich angehalten hat und dadurch der "Sprung" entstand. Für ein Loch für den Griffel zu viel Aufwand. Es steckt eine unbekannte Funktion dahinter. Das Rechteck des Gegenstempels entstand ebenfalls nicht durch ungewollte Einwirkung eines härteren Teils, denn dann wäre die Scheibe verbogen, wenn sie nicht auf dem Amboss lag. Eine Inschrift kann ich darin nicht erkennen.
 
Ich gratuliere jetzt mal nicht - als Archäologe sehe ich nämlich Privatgrabungen und Sondengänger sehr kritisch. Wer hat das Metallscheibchen denn gereinigt?
...
Zum Material: Über dem ersten A scheint ein moderner Abrieb zu sein, und die sehr goldige Farbe würde mich zu der Frage hinreißen, ob es sich um Messing handeln könnte?
Privatgrabungen sind höchst kritisch zu sehen. Ehrenamtliche Unterstützung durch Detektoreinsatz nicht. Eine Grobreinigung ist oft erforderlich, um Schrott auszuschließen. Alles weitere gehört natürlich in die Hand von Fachleuten.
Messing oder Bronze- das kann nur im Labor bestimmt werden. Allerdings neigt Messing eher zur Sprödbrüchigkeit, wenn auch Tintenfässer oft daraus gefertigt wurden.
 
Bin erst jetzt wieder dazu gekommen etwas zum Fund zu sagen. Es ist ohne Zweifel ein Tintenfassdeckel, welcher im Übrigen aus Bronze ist. Hier die Antwort von Frau Dr. Dr. Hoss vom Archäologischen Institut der Uni Köln dazu:

Sehr geehrter Herr ...,

herzlichen Glückwunsch zu diesem schönen Fund!

Es gibt einen griechischen Autor diesen Namens (des 3./2. Jh. v. Chr.), aber es ist wohl eher möglich, dass Ihr Tintenfass von jemandem gefertigt wurde, der nach diesem Autor benannt war.
Griechische Namen waren offenbar gar nicht so selten, es sind eine Reihe Tintenfässer bekannt, die den Stempel: EXOFSOCR (Ex Offinicina Socrates) oder Varianten davon tragen."

Auch Prof. Deschler-Erb hat mir zum Fund gratuliert, wenn auch nur kurz.

Die Stempel sind unterschiedlich gut erhalten, was ich ja schon schrieb. Es gibt z.B. mehrere Schlagmarken auf römischen Silbertabletts von germanischen Gräbern. Nicht nur Münzen wurden mit Schlagmarken versehen. Das bitte zu Bedenken. Wer in Richtung der Saale wollte, musste hier die Unstrut queren. Auch das ehemalige Ringheiligtum von Goseck ist gleich um die Ecke.
 
Hallo Opteryx,

der Riss im Deckel ist sehr wahrscheinlich durch äußere mechanische Einflüsse entstanden. Der Deckelrand ist auch nicht komplett. Man sieht eindeutig Ausbruchspuren auf einer Seite. Eine absichtliche Zerstörung und anschließende Deponierung (Opfer) kann nicht ausgeschlossen werden. Ein kleiner Striemen vom Pflug ist auch dabei - leider.
 
Hallo Opteryx,

der Riss im Deckel ist sehr wahrscheinlich durch äußere mechanische Einflüsse entstanden. Der Deckelrand ist auch nicht komplett. Man sieht eindeutig Ausbruchspuren auf einer Seite. Eine absichtliche Zerstörung und anschließende Deponierung (Opfer) kann nicht ausgeschlossen werden. Ein kleiner Striemen vom Pflug ist auch dabei - leider.
Während die Oberfläche des Deckels ein Abbild der rauen Gussform bildet, liegt am Rand des Loches ganz klar eine mechanische rotierende Nachbearbeitung (Handfräser o.ä.) vor. Der Grund ist unbekannt. Zur Aufnahme des Schreibstiftes wäre ein randloses Loch ausreichend, günstig leicht abgesenkt, damit die abgestreifte Tinte reinläuft. Stell doch bitte mal ein Foto der Rückseite ein.
 
Herzlichen Glückwunsch zum Fund. Ich finde gerade diese "Alltagsgegenstände" so spannend!
Zum Stempel: Hier finde ich die Positionierung des vermeintlichen "T", das ich nicht erkennen kann, schwierig.
Meiner Meinung nach haben da zum fehlenden Rand hin keine weiteren Zeichen Platz und auf der anderen Seite wird es zu den Buchstaben des Stempels eng.
Außerdem wäre das nur irgendwie lieblos reingequetscht - für mich einfach nicht "schön" genug.
Aber das ist nur meine Meinung und ganz unwissenschaftlich.
 
zur Inschrift "ARATUS-?" auf einem der Fotos in #1:
bilde ich mir das nur ein, oder ist da nach dem S noch ein weiteres, vielleicht teilweise abgeschliffenes Zeichen?
 
...upps... das hatte ich übersehen, hatte mehr aufs Foto geschaut.
Also links das "L" kann ich nicht erkennen, rechts also ein "S" (kann ich auch nicht so ganz deutlich erkennen, rechts sehe ich nur, dass da noch irgendwas ist) das sind dann wohl Abkürzungen.
 
...upps... das hatte ich übersehen, hatte mehr aufs Foto geschaut.
Also links das "L" kann ich nicht erkennen, rechts also ein "S" (kann ich auch nicht so ganz deutlich erkennen, rechts sehe ich nur, dass da noch irgendwas ist) das sind dann wohl Abkürzungen.
Nein. Links ist der Stab (lituus) und rechts möglicher Weise die Schöpfkelle (simpuvium). Mit einiger Fantasie.
 
Herzlichen Glückwunsch zum Fund. Ich finde gerade diese "Alltagsgegenstände" so spannend!
Zum Stempel: Hier finde ich die Positionierung des vermeintlichen "T", das ich nicht erkennen kann, schwierig.
Meiner Meinung nach haben da zum fehlenden Rand hin keine weiteren Zeichen Platz und auf der anderen Seite wird es zu den Buchstaben des Stempels eng.
Außerdem wäre das nur irgendwie lieblos reingequetscht - für mich einfach nicht "schön" genug.
Aber das ist nur meine Meinung und ganz unwissenschaftlich.
Der Stempel ist schief eingeschlagen. Rechts tief und links flach. Der Platz würde reichen. Vielleicht lässt sich mit besonderer Belichtung oder auf dem Röntgenbild mehr erkennen.
 
Manche Tintenfassdeckel hatten einen kleinen Verschluss, der die Öffnung abdeckte und bei Gebrauch zur Seite gedreht wurde. Er war mittels Niet excentrisch befestigt. Deshalb oft das kleine Loch.
 
Nach längerem Drehen habe ich das Loch entdeckt. Für einen Niet ist es zu schräg. Vermutlich diente es zum Abfluss abgetropfter Tinte.
 
So, hier nun die andere Seite und das Gewicht der Laufwaage. Letzteres ist ebenfalls aus Bronze.
 

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