Messerschmiedemeister Ende 18.Jhd.

*Nachtrag*
Das Ansehen eines Berufes orientierte sich in früheren Zeiten eben nicht nur an dem Verdienst, der damit zu erzielen war. Im Gegenteil, je reicher ein Müller wurde, umso mehr neidete man es ihm und umso mehr Unredlichkeit unterstellte man ihm.
 
Der Scharfrichter, der Kleemeister, die Hübschlerinnen, OK.

Alles andere ist Unsinn.:winke: wiki hin oder her

Ihr könnt doch nicht 2 Drittel der Frühneuzeitlichen Bevölkerung zu den "Unehrlichen" rechnen.[/quote

Nee, nee, @repo!

Das ist schon richtig, was ich oben geschrieben habe, wenn du an die handfesten wirtschaftlichen Interessen in den überbesetzten Handwerkerinnungen denkst, dann wird aus diesem "Unsinn" Methode. Allerdings ist dein Einwand nicht ganz unberechtigt, und man sollte den Makel der "Unehrlichkeit" nicht überschätzen, tatsächlich fällt es gar nicht mal so leicht, ein Handwerk zu finden, dass nicht irgendwo und irgendwann von anderen Zünften als "unehrlich" diffamiert wurde. Dazu gehörten wegen der unangenehmen Gerüche oft auch Gerber und Kürschner. Andererseits waren nicht zuletzt die von allen Gewerben unehrlichsten, die Henker und Abdecker wegen ihrer "Berufserfahrung" oder auch wegen des abergläubischen Nimbus als Heilpraktiker und Veterinäre gefragte Leute, und es gab Scharfrichter, die es soweit brachten, dass ihnen der Job eines Amtsarztes oder "Stadt Physikus" übertragen wurde, was aber nichts an ihrem sozialen Status änderte.

Die Scharfrichter fanden durchaus prominente Fürsprecher wie Martin Luther, der das Amt des "Meister Hans" für notwendig und den "Meister Hans" für einen "braven Mann" erkärte, und Anfang der 70er Jahre des 18. Jhds wurde gesetzlich auch die Unehrlichkeit der Henker aufgehoben und ihren Nachkommen erlaubt, einen anderen Beruf zu ergreifen, doch magisch- rituelle Vorstellungen und Rituale lebten noch lange fort. So mussten für den Bau eines Galgens alle sozialen Schichten mitwirken, es wurden so viele Männer wie Tage im Jahr sind, dafür abgestellt: 365 1/2 Mann. In einem fränkischen Ort zählte der Stadtmusikant als "halber Mann". In Marburg sollte 1807 ein prominenter Räuber, der ohne Geständnis abzulegen im Kerker verstarb, von der jüdischen Gemeinde freigekauft. Er wurde neben dem Galgen begraben, musste dann aber exhumiert und von einem Mitglied des Gerichts für ehrlich erklärt werden, ehe er auf dem jüdischen friedhof beerdigt wurde.
 
*Nachtrag*
Das Ansehen eines Berufes orientierte sich in früheren Zeiten eben nicht nur an dem Verdienst, der damit zu erzielen war. Im Gegenteil, je reicher ein Müller wurde, umso mehr neidete man es ihm und umso mehr Unredlichkeit unterstellte man ihm.

Nee, nee Caro.
"Unehrlich" hatte damals eine andere Bedeutung wie heute. Hatte auch nichts mit "Ansehen" zu tun, sondern rechtliche Bedeutung.

Aber da gibt es welche hier die Dir das besser verklickern können.

Ich zahle jedoch jährlich horrende :motz:Summen an die Handwerksorganisationen und habe von da her schon Zugriff auf die entsprechenden Infos, die ich als zutreffend bezeichnen würde.
 
Ich weiß nicht, ob das vorher richtig rübergekommen ist, "unehrliche Berufe" sind die genannten alle nicht.

Das sind alles ehrsame Handwerksberufe.
Was natürlich nichts darüber aussagt, ob die jeweilige Person "redlich" war, oder nicht.

Und wers immer noch nicht glaubt, kann per PN die Rufnr. des kompetenten Ansprechpartners bei der Handwerkskammer bekommen.
 
Zurück zum Thema:

Das (damals) kleine Dorf Wendelstein bei Nürnberg war über Jahrhunderte ein Zentrum der Klingenschmied-Kunst. Meine Vorfahren stammen von dort, deshalb habe ich mich ein wenig mit den Gegebenheiten befasst. (Natürlich waren meine Leute auch Klingenschmiede.)

Das war ein durchaus angesehener Beruf, den nicht jeder einfach so ausüben durfte. Es wurde streng darauf geachtet, nur die richtigen Kandidaten in die Zunft aufzunehmen.

Um überhaupt eine Lehre zu beginnen, benötigte man eine ehrliche und eheliche Abstammung, den richtigen Glauben (Wendelstein war evangelisch) und natürlich einen guten Ruf.

Um als Klingenschmied tätig werden zu dürfen, musste man eine erfolgreich absolvierten Lehre (incl. der Wanderschaft) nachweisen.

Meister wurde man mormalerweise nur als Sohn oder Schwiegersohn eines solchen. Eine weitere Möglichkeit war die Heirat einer Meisterswitwe, um den Handwerksbetrieb des Verstorbenen weiterführen zu können.

Die Nähe zu Nürnberg war für die Wendelsteiner Klingenschmiede äußerst gewinnbringend, denn Nürnberg war ja lange Zeit hinweg eines der wirtschaftlichen Zentren im deutschen Raum. Viele Handelswege führten hindurch. Die qualitativ und quantitativ gute Klingenproduktion wurde nach Nürnberg verkauft und von dort "in alle Welt" (also z.B. Böhmen, Augsburg, Welschland usw.) exportiert.

Mit Scherenschleifern hatte das Handwerk - das wurde ja bereits erwähnt - überhaupt nichts zu tun.
 
Ich weiß nicht, ob das vorher richtig rübergekommen ist, "unehrliche Berufe" sind die genannten alle nicht.

Das sind alles ehrsame Handwerksberufe.
Was natürlich nichts darüber aussagt, ob die jeweilige Person "redlich" war, oder nicht.

Und wers immer noch nicht glaubt, kann per PN die Rufnr. des kompetenten Ansprechpartners bei der Handwerkskammer bekommen.

Ich glaube es immer noch nicht!

Ich zahle übrigens auch Jahresbeitrag bei der Industrie- und Handelskammer. Die Qualität der Information muss gut sein, weil sie teuer war, die Logik überzeugt mich nicht. Deine These ist leichter zu behaupten, als zu beweisen. Fast die gesamte volkskundliche und historische Literatur der letzten 150 Jahre von den Gebrüdern Grimm über Riehl bis zu Publikationen von Werner Danckert, Ernst Schubert, Ingeborg Weber- Kellermann, Richard Van Dülmen, Franz Irrsiegler, Arnold Lasotta, Christoph Daxelmüller u. a. listen allesamt Müller, Schäfer und Leineweber unter den "unehrlichen Gewerben" auf. Es sind Originalquellen vorhanden, dass deren Nachkommen Zunftrechte verweigert wurden.

Einige unehrliche Gewerbe bzw solche, die teilweise diffamiert wurden haben es zu großem Ruf gebracht wie Zahnärzte und Chirurgen. Nicht korrekt ist am Wikiartikel, dass Weber dazu gehörten. Tuchweber und Loder genossen durchaus großes Ansehen. In Flandern, Oberdeutschland und England besaßen die reicheren Meister großen Einfluss wie der flämische Nationalheld Pieter de Coninck, der als Dekan der Weber den Freiheitskampf Brügges organisierte. Er und sein Freund Jan Breydel, dekan der Metzger von Brügge wurden nobilitiert.
 
Nee, nee Caro.
"Unehrlich" hatte damals eine andere Bedeutung wie heute. Hatte auch nichts mit "Ansehen" zu tun, sondern rechtliche Bedeutung.

Aber da gibt es welche hier die Dir das besser verklickern können.
Liest man den von caro verlinkten Artikel, dann erfährt man, was es mit der "Unehrlichkeit" der Müller und Leineweber auf sich hatte.
Die Beschäftigung als solche war doch in keiner Weise eine unredliche und ihr Lebenswandel ebenso unbescholten wie der der übrigen Handwerker. Etwas anderes war es, das ihnen den Eintritt in ein anderes Handwerk versperrte - die Unfreiheit....
Die Müller, welche auf dem Lande fast durchaus Hörige oder Zinsleute der Grundherren, der Kirchen und Klöster und in den Städten dem Rat oder anderen Herren, z. B. den sog. Mühlerben zinspflichtig waren, galtren später wegen dieser Abhängigkeit als bescholten, und die Zünfte verschlossen sich ihnen deshalb.
Das war etwas anderes als der Status der Henker, Abdecker (die nicht reich oder wohlhabend waren), Hübschlerinnen u.ä.
Davon abgesehen standen Müller schon im Verdacht, im eigenen oder dem Interesse ihrer Grundherrn, die Bauern zu betrügen.

Ergänzung: Dort steht auch, dass man Leineweber und Tuchmacher auseinanderhalten sollte. Die Nachfahren des (freien) Tuchmachers Fugger stiegen schließlich zu Fürsten auf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das meiste ist auch hier schon wieder gesagt worden. Ich habe für mich vier Fragen notiert:

  1. Welches war das Grundmotiv der "Ehrlosigkeit"?
  2. Nach welchen Grundsätzen wurde die Ehre gegeben oder abgesprochen?
  3. Welche (rechtlichen, sozialen) Folgen hatte die Ehrlosigkeit?
  4. Warum waren diese Konstrukte vor allem in Deutschland so wirkungsmächtig?
zu 1)
Das führt sofort weiter zurück zur Frage: Was ist "Ehre" überhaupt? Diese Diskussion unterschlage ich kurzerhand zugunsten der heute dominierenden strukturalistischen Anschauung, wie etwa sie von Bourdieu vertreten wird. Danach steht hinter dem Ehrbegriff (1) ein mehrstufiges komplexes Kommunikationssystem zur Regelung sozialer Beziehungen, welches (2) darauf ausgerichtet ist, soziale Unterschiede und Differenzierungen aufrechtzuerhalten und (3) hierdurch die Bildung/Stützung kollektiver Identitäten zu ermöglichen. Kürzer gesagt: es handelt sich vorzugsweise um soziale Sachverhalte.

zu 2)
Die zeitgenössischen Antworten auf die Frage, wem man die Ehre gibt und wem nicht, muten recht willkürlich an. Eine Systematik lässt sich schwerlich ausmachen - es konnten ganz unterschiedliche Bevölkerungskreise mindestens in einen schlechten Ruf kommen; so schrieb Sebastian Brant 1494, dass "all bschysß yetz von den buren kunt".

Unstreitig ist sicher der Zusammenhang zwischen "Ehrlosigkeit" und "gesellschaftlichen Aussenseitern" (vgl. den Beitrag von Scribner Außenseiter zwischen Mittelalter und ... - Google Buchsuche). Eine pragmatische Einteilung "unehrlicher" Personen in drei Gruppen hat van Dülmen vorgelegt:

  • öffentliche, aber niedrige Dienste (Scharfrichter, aber auch Amts- und Gerichtsdiener), die etwas mit der Ausübung von Gewalt zu tun haben und dabei, vor allem beim Henker, Tabus berühren
  • Spielleute, Musikanten, Gaukler, d. h. Leute, die häufig den Wohnsitz wechseln und für die "Grundversorgung" entbehrlicher erscheinen als andere
  • Mitglieder unehrlicher Gewerbe, deren Status bestimmt wird durch
    • uneheliche Geburt oder
    • unehrliche Abstammung
Es sind schon viele Versuche gemacht worden, das Unehrliche von Gewerben wie Leineweber, Müller usw. zu erklären. [1] So wurde etwa die These aufgestellt, Unehrlichkeit könne etwas zu tun haben mit (vorgängiger) Unfreiheit; wie andere auch ist diese aber nicht schlüssig zu beweisen.

"Trost" mag spenden, dass die Handhabung der "Unehrlichkeit" in Bezug auf das Handwerk sowohl zeitlich wie räumlich immer sehr unterschiedlich gewesen ist. Was die Zunftordnung in der einen Stadt erlaubte oder verbot, konnte in der anderen anders geregelt sein. Die Obrigkeit war meistens daran interessiert, diskriminierende Regelungen abzubauen; die Reichspolizeiordnungen der Jahre 1548 und 1577 haben das z. B. versucht, konnten sich aber gegen die innergesellschaftlichen "mentalen Modelle" vorerst nur schwer durchsetzen; erst im 18. Jahrhundert trat eine grundlegende Änderung ein, bei der die Zahl der für "unehrbar" Erklärten entscheidend eingeschränkt wurde.

zu 3)
Wegen der Buntscheckigkeit der Regelungen ist es auch schwer, die konkreten Rechtsfolgen von "Ehrlosigkeit" zu beschreiben. Sie konnten z. T. sehr weit gehen (siehe Reallexikon der germanischen ... - Google Buchsuche) oder auch weniger spürbar sein, sich "nur" auf die Ausübung bestimmte Berufe beschränken.
In manchen Fällen ging man eigenartige "Umwege", um ehrbar zu werden, z. B. indem sich jemand vorübergehend als Soldat verdingte.

zu 4)
An mehreren Stellen bin ich darauf gestoßen, dass speziell die Ehrbarkeits-Ehrlosigkeits-Konstrukte im Handwerk in keinem anderen europäischen Land so ausgeprägt und wirkmächtig waren wie in Deutschland. Aber warum? Hat jemand eine gute These dazu?


[1] Siehe zum Müller etwa Landmuller Und Industrialisierung ... - Google Buchsuche, zu vielen anderen Berufen beneke Index.
 

Auf S. 156 unten der zitierten Schrift ist die Rede von den "abgelegenen, schlecht überwachbaren Standorte(n) der Mühlen".

Eine Bestätigung für diesen Topos fand ich neulich bei Küster [1], der in seinen Betrachtungen über das mittelalterliche Dorf darauf hinweist, das Mühlen im Allgemeinen abseits der Dörfer unmittelbar im Talgrund errichtet wurden. Der Müller stand deshalb schon rein räumlich "etwas außerhalb der Dorfgemeinschaft", und der - oft schluchtartige - Talgrund galt überdies als nicht geheuer...


[1] Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa, S. 189; das beigegebene Bild zeigt die Klausenmühle im Mettmatal/Südschwarzwald.
 
Zurück
Oben