Minoer in der Nordsee und vor den britischen Inseln?

Ich bitte dich. Von Massalia über Gibraltar und die gefürchtete Biskaya nach Britannien? Da ist die erste Etappe über Land durch Gallien bedeutend einfacher, gefahrloser und vermutlich auch schneller. An der Küste wird er dann ein einheimisches Schiff mit ortskundigen Seeleuten gechartert haben.
 
Dass eine Etappe über Land einfacher wäre, beweist aber noch nicht, dass sie auch genommen wurde. Immerhin ging es dem Pytheas um eine Forschungsreise, nicht um eine möglichst sichere und bequeme Reise. Wenn er West- und Nordeuropa erkunden wollte, musste er nun mal herumfahren, ohne wissen zu können, in welche Gefahren er eventuell geraten würde.
 
@Ravenik: Wenn er West- und Nordeuropa erkunden wollte, musste er nun mal herumfahren, ohne wissen zu können, in welche Gefahren er eventuell geraten würde.
"Oghams razor"...
Abgesehen davon, er brauchte auch ein geeignetes Schiff samt (furchtloser) Besatzung. Ob er die daheim gefunden hätte? Zudem, das darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen, hatte zum Zeitpunkt der Reise Karthago die Straße von Gibraltar für fremde Schiffe gesperrt.
 
Wieso "sicher"? Erst durch die Gründung von Massalia traten die Griechen in intensiveren Kontakt mit Gallien und lernten das Hinterland kennen.

Die Griechen lernten das Hinterland erst nach der Gründung von Massilia kennen, das mag sein; die dort heimischen Völkerschaften werden sich schon früher ins Inland getraut bzw dort gelebt haben. Auch wenn kein Grieche respektive Minoer früher es wagen konnte, einen Frankreich-Tripp von der Cote Azur in die Breatagne zu unternehmen: Evtl wurden entlang dieser Route schon sehr lange Waren, u.a. cornisches Zinn, gehandelt.
 
Kennt jemand die Bücher von Hodge (Ancient Greek France) bzw. Wallinga (Ships and sea-power before the great Persian War) zur Provence, Massalia, den Phöniziern und den griechischen Wirtschaftsbeziehungen?

Die Rhone war ein uralter Handelsweg, und selbst die Römer verschoben später Legionen aus Ägypten wohl auf diesem Weg nach Britannien bzw. Germanien.

Aus der "Linie" auf das Befahren Richtung Norden durch Minoer zu schließen, ist aber weit hergeholt, ebenso wie beim weg über die Donau zur Elbe, der oben angesprochen wurde. Ob Kenntnisse über solche Fernrouten existierten, ist spekulativ. Eher handelt es sich um eine Kette von Tauschplätzen, also partielles Wissen "auf Sicht".
 
Alternativ zur Rhone-Rhein- oder Rhone-Seine-Route ist auch eine Route Massilia-Narbonne und dann entlang der Aude und der Garonne. also auf der Trasse des späteren Canal de Midi , denkbar.
Entlang der Route befanden sich zumindest mehrere gallische Oppidae, wie Enserune,Nages,Montlaures ,Escourillon,Murcens, etc.die als Handels-und Umschlagplätze fungiert haben könnten.
solche Plätze sicherten zum einen die Versorgung und zum anderen werden antike Händler nicht reine Ferntransporteure gewesen sein, sondern entlang ihres Weges allerlei Waren tauschgehandelt haben.Und dazu war es wichtig,daß diese Routen durch besiedelte Gegenden führten- was für die Inlandsrouten spricht.
 
Es ist aber unbekannt, ab wann sie die Passage sperrten.
Zur fraglichen Zeit (um 320 v. Chr.) beherrschte Karthago den Mittelmeerausgang mit ziemlicher Sicherheit. Einen Griechen aus Massilia hätten sie nicht einfach passieren lassen. Außerdem erwähnt Pytheas zwar eine Umrundung Britanniens, das Wattenmeer und Thule - aber nicht die doch ihm auch unbekannten Gewässer von Portugal bis Britannien. Nein, auch wenn du eine Umrundung von Westeuropas offenbar liebgewonnen hast - sie ist m.E. ganz unwahrscheinlich.
Immerhin ging es dem Pytheas um eine Forschungsreise, nicht um eine möglichst sichere und bequeme Reise.
Das wissen wir doch gar nicht. Da er Händler war, nehme ich mal vordergründig kommerzielle Interessen und nicht Forscherdrang an. Ein Grund mehr, nicht den langen unsicheren Seeweg durch die karthagische Sperre zu wählen.
 
Ich hätte da mal eine Frage:

Meines Wissens beruhte die Überlegenheit der Minoer auf dem Monopol des Olivenöles. Nicht nur als reines Öl, sondern auch als Kosmetik, Heilmittel ... etc.

Warum sollten sie also, wenn ihnen das Öl doch abgenommen wurde wie die berühmten "warmen Semmeln", was ihren Reichtum begründete und die Möglichkeit solcher Gebäudekomplexe wie Knossos oder Faistos ermöglichte, versuchen, auf risikoreichen Pfaden an Silber zu kommen? Immerhin läßt sich Silber ja wohl besser transportieren als Olivenöl! Warum sollten sie also das Risiko übernehmen, welches doch klugerweise auf andere Schultern gehört?

Grüße
excideuil
 
Eben! Ich könnte mir auch statt eines durchgehenden Transportes von ritannien oder Der Nordsee in die Ägäis eher den Handel über eine Staffette von Umschlagplätzen mit mehreren regionalen Zwischenhändlern vorstellen.
 
Nein, auch wenn du eine Umrundung von Westeuropas offenbar liebgewonnen hast
Ich habe sie nicht "liebgewonnen", ich schließe sie bloß nicht aus, wir wissen schlicht und einfach nicht, wie Pytheas in die Nordsee gelangt ist.
Außerdem: Wieso haben denn die Karthager die Straße von Gibraltar gesperrt, wenn ohnehin niemand durchfahren wollte, weil die Route an der Küste Westeuropas entlang so gefährlich und gefürchtet gewesen sei? Die Karthager selbst, zumindest Himilko, haben die Route jedenfalls befahren.

Außerdem erwähnt Pytheas zwar eine Umrundung Britanniens, das Wattenmeer und Thule - aber nicht die doch ihm auch unbekannten Gewässer von Portugal bis Britannien.
Was er erwähnt hat, wissen wir nicht, da sein Reisebericht nicht erhalten ist. Wir kennen ihn nur durch Erwähnungen vor allem bei Strabon und Polybios, die keine vollständigen Nacherzählungen lieferten, sondern nur das aus ihrer Sicht Interessante erwähnten, wobei obendrein beide seinem Bericht arg misstrauisch gegenüberstanden, sowie durch Einzelnotizen bei Diodor, Plinius und anderen.

Meines Wissens beruhte die Überlegenheit der Minoer auf dem Monopol des Olivenöles. Nicht nur als reines Öl, sondern auch als Kosmetik, Heilmittel ... etc.

Warum sollten sie also, wenn ihnen das Öl doch abgenommen wurde wie die berühmten "warmen Semmeln", was ihren Reichtum begründete
Woher wollen wir das alles so genau wissen?
 
Übrigens gibt es bei Strabon sehr wohl einen Hinweis, dass Pytheas an der Atlantikküste fuhr. Im 2. Teil des 3. Buches wird unter Berufung auf Pytheas u. a. erwähnt, dass es an der Nordküste Spaniens leichter gewesen sein soll, Richtung Gallien zu fahren als Richtung Ozean.
 
Seefahrer! Sie wickelten wohl als Zwischenhändler den Überseehandel für Völker ab, die selbst in der Seefahrt nicht so aktiv waren. Da sprang bestimmt auch eine Menge für sie heraus. (Das Zinn, das sie sich von wo auch immer besorgt haben, war bestimmt auch nicht alles für den Eigenbedarf bestimmt.)
Außerdem sage ich nicht, dass sie nicht mit Olivenöl handelten. Ich kenne nur keinen Beleg dafür, dass sie ein Monopol hatten und es ihre Haupteinnahmequelle war. Darum meine Frage, worauf sich Deine Aussage stützt.
 
Naja, es ist natürlich fair, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten.
Egal. Frage ich anders. Was hatten denn die Minoer anzubieten, um im Geschäft zu bleiben? Was hatte Kreta außer dem Olivenöl?l

Zur Zeit des hier diskutierten Pytheas gab es das minoische Kreta schon seit etwa 1000 Jahren nicht mehr. Zur Hochblüte der Minoer zwischen 1800 und 1400 v. Chr. existierte auch Karthago noch nicht und die Stadtstaaten der Phönizier kommen erst Ende des 2. Jahrtausend v. Chr. auf und erleben ihre Blütezeit im 1. Jahrtausend. Wer also den Zinnhandel zu den Minen in Cornwall während der Bronzezeit betrieb, kann heute nicht mehr eindeutig entschieden werden. Analog zur politischen Lage im Mittelmeer könnten es mykenische, minoische oder sehr frühe phönizische Seefahrer gewesen sein, kaum jedoch Ägypter, da bekannt ist, dass sie keine Hochseeschifffahrt betrieben.

Allerdings ist es durchaus möglich, dass heute nicht mehr zu identifizierende autochthone Seefahrer von den Küsten und Inseln des Mittelmeers ebenfalls oder gar ausschließlich die Schifffahrt nach Cornwall betrieben, wobei sie vielleicht lediglich als Schiffseigner und Kapitäne gegen Entgelt fungierten, ohne am Handel selbst beteiligt zu sein.

Es erhebt sich die Frage, welche Produkte z.B. die Minoer oder Mykener tauschen konnten. Das waren zu dieser Zeit - und auch noch Jahrhunderte später von anderen Mittelmeeranrainern - fein gearbeitete Keramik in Form von Amphoren, Vasen, Schüsseln oder Statuetten, Arbeiten aus Marmor oder anderen Natursteinen, Schmuck, Waffen, Bronzeobjekte verschiedenster Art, möglicherweise auch Olivenöl und Wein, denn etwa seit 1700 v. Chr. kultivierten auf Kreta die Minoer Edelreben.

Was die Reiseroute des Pytheas im 4. Jh. v. Chr. betrifft, so gibt es ganz unterschiedliche Hypothesen, von denen keine einzige beweisbar ist:

Pytheas gelangte möglicherweise durch die Straße von Gibraltar. Die Annahme eines Zinnmonopols Karthagos und einer Blockade der Meerenge zur Aufrechterhaltung dieses Monopols sind äußerst zweifelhaft. Entsprechende Mutmaßungen, Pytheas' Schiff sei durch ein Kontrollsystem geschlüpft, daher ebenso. Die Textstellen zur Stützung der Blockadetheorie sind dürftig und erlauben auch andere Interpretationen. Die notwendigen Einrichtungen zum Unterhalt einer Blockadeflotte an der Straße von Gibraltar sind nicht nachgewiesen, und Pytheas' Heimatstadt Massilia verfügte mit dem Rhodanus selbst über einen erträglicheren Handelsweg für Zinn.

Ebenso unklar ist, ob Pytheas überhaupt die Iberische Halbinsel umschifft hat, da der entsprechende Hinweis bei Strabon – Pytheas habe die Küsten Europas „von Gades bis zum Tanais“ bereist – auch metaphorisch als „von einem Ende Europas zum anderen“ zu verstehen ist. Der englische Archäologe Barry Cunliffe nimmt sogar an, dass Pytheas nicht mit einem eigenen Schiff reiste, sondern zunächst über Aude und Garonne an die gallische Atlantikküste gelangte und von dort aus mit einheimischen Seefahrern seine Reise etappenweise fortsetzte, wozu auch Strabons Bemerkung, Pytheas habe Britannien „durchwandert“, passen würde.

Sein weiterer Reiseweg muss ihn über die Mündung der Loire, die Halbinsel Armorica, das zu Cornwall gehörende Kap Belerion, die Irische See und den Nordkanal bis zu den Hebriden geführt haben. Dies folgt aus den oben genannten Zitaten und Breitengradangaben antiker Astronomen, die auf Sonnenstandsmessungen Pytheas’ zurückgehen sollen und in etwa mit der Nordküste der Bretagne, der Insel Man und der Hebrideninsel Lewis übereinstimmen.
Pytheas ? Wikipedia
 
@Dieter: Es erhebt sich die Frage, welche Produkte z.B. die Minoer oder Mykener tauschen konnten. Das waren zu dieser Zeit - und auch noch Jahrhunderte später von anderen Mittelmeeranrainern - fein gearbeitete Keramik in Form von Amphoren, Vasen, Schüsseln oder Statuetten, Arbeiten aus Marmor oder anderen Natursteinen, Schmuck, Waffen, Bronzeobjekte verschiedenster Art...
Wenn das so einfach wäre, müssten sich minoische Artefakte in ganz anderen Mengen in Westeuropa finden. Es sind aber, und auch das ist nicht zweifelsfrei, nur Einzelnachweise die genauso gut nach dem "Stille-Post-Prinzip" gewandert sein können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn das so einfach wäre, müssten sich minoische Artefakte in ganz anderen Mengen in Westeuropa finden. Es sind aber, und auch das ist nicht zweifelsfrei, nur Einzelnachweise die genauso gut nach dem "Stille-Post-Prinzip" gewandert sein können.

Die Staaten des Mittelmeers trieben unzweifelhaft Handel miteinander und sie tauschten dabei das, was sie produzierten. Ds waren in Mykene, Ägypten, dem Reich der Hethiter oder dem der Minoer sicherlich unterschiedliche Produkte.
 
Wer also den Zinnhandel zu den Minen in Cornwall während der Bronzezeit betrieb, kann heute nicht mehr eindeutig entschieden werden. Analog zur politischen Lage im Mittelmeer könnten es mykenische, minoische oder sehr frühe phönizische Seefahrer gewesen sein, kaum jedoch Ägypter, da bekannt ist, dass sie keine Hochseeschifffahrt betrieben.
Ich bin skeptisch, dass Phönizier so früh schon nach Britannien segelten, auch wenn das öfters zu lesen ist. Die Erkundungsreise des Karthagers Himilko im frühen 5. Jhdt. würde dann auch keinen Sinn ergeben, da er nur eine Route und Gegenden erforscht hätte, die den Phöniziern schon längst bekannt gewesen wären.
Mykenische Seefahrer halte ich für unwahrscheinlich, da sie keine ausgeprägte Seefahrernation waren, jedenfalls anscheinend lange Zeit nicht gegen die minoische Seemacht ankamen.
Die Ägypter segelten zwar nach Punt, aber über weiträumige Aktivitäten ist nicht einmal im Mittelmeerraum etwas bekannt, also fallen sie wohl tatsächlich auch weg.
Am plausibelsten erscheint mir daher tatsächlich die Annahme, dass es lange Zeit keine direkten Kontakte gab, sondern dass das britische Zinn von Händler zu Händler weitergereicht wurde, bis es im Mittelmeerraum ankam. Dann könnte Himilkos Reise den Sinn gehabt haben, herauszufinden, wo der sagenhafte Herkunftsort denn nun lag.
Allerdings soll Himilko antiken Angaben zufolge der Route gefolgt sein, die schon seit langem die Seefahrer von Tartessos benutzten. Demzufolge hätten dann also die Tartessier das Zinn in den Mittelmeerraum gebracht, wo es dann eventuell von den Phöniziern weiterverbreitet wurde. Himilkos Reise könnte dann den Zweck gehabt haben, nach dem Untergang von Tartessos selbst den Direkthandel zu übernehmen.
 
Am plausibelsten erscheint mir daher tatsächlich die Annahme, dass es lange Zeit keine direkten Kontakte gab, sondern dass das britische Zinn von Händler zu Händler weitergereicht wurde, bis es im Mittelmeerraum ankam.

Auch das ist eine nicht zu bestreitende Möglichkeit, wobei das Zinn dann in erster Linie auf dem Landweg bzw. über die großen Flüsse auf den Kontinent gelangt sein muss.

Eine Möglichkeit, an die ich noch gar nicht gedacht habe, ist das von dir erwähnte Tartessos. Das könnte ein wichtiger Knotenpunkt bzw. eine Relaisstation für die Seeroute gewesen sein. Die Tartessier lagen ja geografisch äußerst günstig.

Im übrigen muss man sehen, dass die antike Seefahrt in der Regel Küstenschifffahrt war, d.h. die Schiffe auf der Zinnroute segelten in Küstennähe Spaniens und Frankreichs nach Norden, nahmen sicher auch an heute unbekannten Stellen Wasser und Proviant von Einheimischen auf und machten dann den großen Sprung über den Kanal.
 
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