Maglor
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Zum Thema Hams Fluch, Kanaans Knechtschaft und Kuschs Hautfarbe:
Das Alte Testament spielt im Nahen Osten. Die in der biblischen Völkertafel beschrieben Völker befinden sich in einem vergleichsweise kleinen Gebiet. Der größte Teil der antiken Welt, u.a. auch Europa, Westafrika und Zentralfrika waren den Autoren völlig unbekannt.
Die bekanntesten Söhne Hams sind Kanaan und Kusch, deren Namen gleich für die entsprechenden Länder und Völker stehen. Das Kanaan nicht in Afrika liegt, ist, denke ich, offensichtlich. Wo das biblische Kusch liegt, ist eher unklar. Mal scheint es für ganz Ägypten zu stehen, vielleicht auch für das ägyptische Nubien. Die erste Frau des Moses soll Kuschitin gewesen sein. Daneben tauchen Kuschiten in biblischen Texten manchmal auch in Vorderasien auf. Es ist jedenfalls uneinheitlich.
Nur bei Jeremia 13.23 wird die Hautfarbe der Kuschiten erwähnt. (Man beachte hier auch den Kontext! Womit wird die Hautfarbe denn verglichen? Das ist jedenfalls nichts gutes.)
Flavius Josephus überlieferte in römischer Zeit die in der Bibel nur angerissene Geschichte um die kuschtische Frau des Moses und macht sie zu einer äthiopischen Königin.
Im übrigen hat Josephus auch biblische Völkertafel um zahlreiche Völker erweitert, die in der klassischen Antike bekannt. So stammen von Japhet jetzt auch verschiedene europäischer Völker von Japhet und nordwestafriklanische von Sem.
Im Neuen Testament, konkret in Apostelgeschichte 8.23f. wird das Königreich Nubien bzw. Kusch erwähnt, allerdings wird es im griechischen Text Äthiopien genannt.
Es geht um einen hohen Beamten der äthiopischen Königin, der ein Eunuch ist. Laut Apostelgeschichte ist er nach Jerusalem gepilgert. Dort tritt er zufällig Philippus, der ihn bekehrt und tauft. (Luther übersetzt das aber anders.)
Erst der westgotische Gelehrte Isidor von Sevilla setzt die Söhne Noahs mit den drei Kontinent komplett gleich, sodass Ham für Afrika steht, Sem für Asien und Japhet für Europa. Diese Deutung wird prägend für europäische Gelehrte ds Mittelalters.
Die Deutung, dass die Söhne Noahs für die drei Stände Klerus (Sem), Ade (Japhet) und Leibeigene(Ham) stehen, war im hohen Mittelalter ebenfalls verbreitet. Eike von Repgow, der Verfasser des Sachsenspiegels, hält das aber für Unsinn, viel mehr seien die Leibeigenen kriegerisch unterworfen worden. Laut Eike besiedelten die Söhne Noahs die drei Kontinente und alle drei Stände in Europa stammen von Japhet ab und alle Afrikaner von Ham - das wäre seiner Meinung die wahre Geschichte.
Luther übersetzt die Kuschiten in Jeremia als "Mohren", ebenso wie die Äthiopier in der Apostelgeschichte mit Mohren. In der Einheitsübersetzung des 20. Jahrhundert werden daraus "Neger". Eunuch übersetzt er aber mit "Kämmerer".
In der Einheitsübersetzung werden die Kuschiten bei Jeremia noch bis weit ins 20. Jahrhundert noch mit "Neger" übersetzt.
Was war zuerst da?
Verschiedentlich wurde angeführt, "die Christen" hätten die Praktiken der Sklaverei von "den Muslimen" übernommen. Es handelt sich hier bei um kein Strohmann-Argument. Diese Behauptung ist meistens unbelegt so auch in den Zeitungsartikeln von Flaig und N’Diaye und wird auch immer wieder von Usern vorgetragen.
Simpler Fakt ist, dass das Christentum älter als der Islam.
Die Sklaverei zuerst war natürlich zuerst da!
Für den üblichen Unfug halte ich z.B. das hier aus Flaigs NZZ-Kommentar: "Die hautfarbenbezogene Version des Fluches gelangte um die Mitte des 15. Jahrhunderts nach Europa, als die Portugiesen sich in den islamischen Sklavenhandel an der westafrikanischen Küste einklinkten."
Gab es an der westafrikanischen Küste überhaupt islamischen Sklavenhandel? Und wie hat sich Portugal da "eingeklinkt?
Meines Wissens handelten muslimische Sklavenhändler (z.B. Tuareg) mit Westafrika über den Landweg quer durch die Sahara und hatten die Küstengebiete (spätere Sklavenküste, Goldküste usw.) nie erreicht, während die Portugiesen mit ihren Karavellen zur See unterwegs waren.
Zu den Anfängen des portugiesischen Sklavenhandels in Afrika
Der Seefahrer und Entdecker Nuno Tristao war der erste portugiesische Sklavenhändler in Afrika - Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Portugiesen unter Nuno Tristao überfielen irgendwelche Menschen, die sie Küste des heutigen Mauretanien bzw. Westsahara vorhanden, wahrscheinlich handelte es sich um muslimische Berber. Teilweise brachten die Portugiesen ihre eigenhändig eingefangenen Sklaven nach Portugal, andere ließen sie gegen Lösegeldzahlungen ihrer Landsleute in Form von Goldstaub wieder frei. Das Geschäft mit den verklavten Berbern hat sich aber nicht gelohnt und war außerdem aufgrund der verständlichen Feindseligkeit der Berber gefährlich. (Wie sich die Portugiesen mit versklavten Fischern und Kamelhirten über die Auslegung des Alten Testaments ausgetauscht haben soll, bleibt rätselhaft.)
Das große Geschäft der Portugiesen beginnt erst weiter südlich - außerhalb der islamischen Welt und auch außerhalb des Aktionsradius der muslimischen Sklavenhändler. Muslime tauchten dort höchstens als Sklaven auf, die aus dem Norden an die westafrikanische Küste verschleppt wurden und dort auf den Sklavenmärkten heidnischer Königreiche feilgeboten wurden.
Wo ist der Zusammenhang zwischen den verfehlten Auslegungen zu Ham?
Die Übertragung der Eigenschaften von Kusch (schwarze Haut) und Kanaan (Knechtschaft) auf ihren Vater Ham ist jetzt wirklich kein besonderer theologischer Kunstkniff. Da kommt man auch leicht selbst trauf. Ich kann auch nie erkenne in wie weit die rassistische Version des Ham-Mythos in den USA auf irgendeiner traditionsreichen Auslegungstradition beruht.
Kunstreicher erscheint mir eher die Verlagerung der Ham-Legende auf den gesamten afrikanischen Kontinent und dies geht wohl schon auf Isidor von Sevilla (um 600) zurück.
Das Alte Testament spielt im Nahen Osten. Die in der biblischen Völkertafel beschrieben Völker befinden sich in einem vergleichsweise kleinen Gebiet. Der größte Teil der antiken Welt, u.a. auch Europa, Westafrika und Zentralfrika waren den Autoren völlig unbekannt.
Die bekanntesten Söhne Hams sind Kanaan und Kusch, deren Namen gleich für die entsprechenden Länder und Völker stehen. Das Kanaan nicht in Afrika liegt, ist, denke ich, offensichtlich. Wo das biblische Kusch liegt, ist eher unklar. Mal scheint es für ganz Ägypten zu stehen, vielleicht auch für das ägyptische Nubien. Die erste Frau des Moses soll Kuschitin gewesen sein. Daneben tauchen Kuschiten in biblischen Texten manchmal auch in Vorderasien auf. Es ist jedenfalls uneinheitlich.
Nur bei Jeremia 13.23 wird die Hautfarbe der Kuschiten erwähnt. (Man beachte hier auch den Kontext! Womit wird die Hautfarbe denn verglichen? Das ist jedenfalls nichts gutes.)
Flavius Josephus überlieferte in römischer Zeit die in der Bibel nur angerissene Geschichte um die kuschtische Frau des Moses und macht sie zu einer äthiopischen Königin.
Im übrigen hat Josephus auch biblische Völkertafel um zahlreiche Völker erweitert, die in der klassischen Antike bekannt. So stammen von Japhet jetzt auch verschiedene europäischer Völker von Japhet und nordwestafriklanische von Sem.
Im Neuen Testament, konkret in Apostelgeschichte 8.23f. wird das Königreich Nubien bzw. Kusch erwähnt, allerdings wird es im griechischen Text Äthiopien genannt.
Es geht um einen hohen Beamten der äthiopischen Königin, der ein Eunuch ist. Laut Apostelgeschichte ist er nach Jerusalem gepilgert. Dort tritt er zufällig Philippus, der ihn bekehrt und tauft. (Luther übersetzt das aber anders.)
Erst der westgotische Gelehrte Isidor von Sevilla setzt die Söhne Noahs mit den drei Kontinent komplett gleich, sodass Ham für Afrika steht, Sem für Asien und Japhet für Europa. Diese Deutung wird prägend für europäische Gelehrte ds Mittelalters.
Die Deutung, dass die Söhne Noahs für die drei Stände Klerus (Sem), Ade (Japhet) und Leibeigene(Ham) stehen, war im hohen Mittelalter ebenfalls verbreitet. Eike von Repgow, der Verfasser des Sachsenspiegels, hält das aber für Unsinn, viel mehr seien die Leibeigenen kriegerisch unterworfen worden. Laut Eike besiedelten die Söhne Noahs die drei Kontinente und alle drei Stände in Europa stammen von Japhet ab und alle Afrikaner von Ham - das wäre seiner Meinung die wahre Geschichte.
Luther übersetzt die Kuschiten in Jeremia als "Mohren", ebenso wie die Äthiopier in der Apostelgeschichte mit Mohren. In der Einheitsübersetzung des 20. Jahrhundert werden daraus "Neger". Eunuch übersetzt er aber mit "Kämmerer".
In der Einheitsübersetzung werden die Kuschiten bei Jeremia noch bis weit ins 20. Jahrhundert noch mit "Neger" übersetzt.
Was war zuerst da?
Verschiedentlich wurde angeführt, "die Christen" hätten die Praktiken der Sklaverei von "den Muslimen" übernommen. Es handelt sich hier bei um kein Strohmann-Argument. Diese Behauptung ist meistens unbelegt so auch in den Zeitungsartikeln von Flaig und N’Diaye und wird auch immer wieder von Usern vorgetragen.
Simpler Fakt ist, dass das Christentum älter als der Islam.
Die Sklaverei zuerst war natürlich zuerst da!
Herzlichen Glückwunsch, du hast da mehrere Sätzr im Artikel gefunden, die keine Polemik oder gar Unfug enthalten. Die Stelle war wirklich schwer zu finden!ist just in dem NZZ Artikel von Flaig u.a. so etwas zu lesen:
Die islamische Orthodoxie, nicht anders als die jüdische und die christliche, war antirassistisch und hatte die natürliche Gleichheit der Menschen zum Axiom – ebenso wie das römische Recht. Sklaverei ist eine Strafe für die Ungläubigen, so lautet die offizielle Lehre der islamischen Kleriker, sie ist nicht Folge von rassischer Minderwertigkeit. Aber Philosophen und Gelehrte hielten dagegen. So lesen wir bei Ibn Khaldun (gestorben 1406): «Daher sind in der Regel die schwarzen Völker der Sklaverei unterwürfig, denn (sie) haben wenig Menschliches und haben Eigenschaften, die ganz ähnlich denen von stummen Tieren sind.»
...vielleicht sollte man Autoren, auf die man eindrischt, vorher mal lesen... was ich da zitiert habe liest sich nun nicht gerade wie typischer Revanchismus und Islamophobie.
...vielleicht sollte man Autoren, auf die man eindrischt, vorher mal lesen... was ich da zitiert habe liest sich nun nicht gerade wie typischer Revanchismus und Islamophobie.
Für den üblichen Unfug halte ich z.B. das hier aus Flaigs NZZ-Kommentar: "Die hautfarbenbezogene Version des Fluches gelangte um die Mitte des 15. Jahrhunderts nach Europa, als die Portugiesen sich in den islamischen Sklavenhandel an der westafrikanischen Küste einklinkten."
Gab es an der westafrikanischen Küste überhaupt islamischen Sklavenhandel? Und wie hat sich Portugal da "eingeklinkt?
Meines Wissens handelten muslimische Sklavenhändler (z.B. Tuareg) mit Westafrika über den Landweg quer durch die Sahara und hatten die Küstengebiete (spätere Sklavenküste, Goldküste usw.) nie erreicht, während die Portugiesen mit ihren Karavellen zur See unterwegs waren.
Zu den Anfängen des portugiesischen Sklavenhandels in Afrika
Der Seefahrer und Entdecker Nuno Tristao war der erste portugiesische Sklavenhändler in Afrika - Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Portugiesen unter Nuno Tristao überfielen irgendwelche Menschen, die sie Küste des heutigen Mauretanien bzw. Westsahara vorhanden, wahrscheinlich handelte es sich um muslimische Berber. Teilweise brachten die Portugiesen ihre eigenhändig eingefangenen Sklaven nach Portugal, andere ließen sie gegen Lösegeldzahlungen ihrer Landsleute in Form von Goldstaub wieder frei. Das Geschäft mit den verklavten Berbern hat sich aber nicht gelohnt und war außerdem aufgrund der verständlichen Feindseligkeit der Berber gefährlich. (Wie sich die Portugiesen mit versklavten Fischern und Kamelhirten über die Auslegung des Alten Testaments ausgetauscht haben soll, bleibt rätselhaft.)
Das große Geschäft der Portugiesen beginnt erst weiter südlich - außerhalb der islamischen Welt und auch außerhalb des Aktionsradius der muslimischen Sklavenhändler. Muslime tauchten dort höchstens als Sklaven auf, die aus dem Norden an die westafrikanische Küste verschleppt wurden und dort auf den Sklavenmärkten heidnischer Königreiche feilgeboten wurden.
Wo ist der Zusammenhang zwischen den verfehlten Auslegungen zu Ham?
Die Übertragung der Eigenschaften von Kusch (schwarze Haut) und Kanaan (Knechtschaft) auf ihren Vater Ham ist jetzt wirklich kein besonderer theologischer Kunstkniff. Da kommt man auch leicht selbst trauf. Ich kann auch nie erkenne in wie weit die rassistische Version des Ham-Mythos in den USA auf irgendeiner traditionsreichen Auslegungstradition beruht.
Kunstreicher erscheint mir eher die Verlagerung der Ham-Legende auf den gesamten afrikanischen Kontinent und dies geht wohl schon auf Isidor von Sevilla (um 600) zurück.
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