Mythen als Identitätsstifter

lyden

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Hallo,

ich benötige dringed konkretes Wissen!!!!

Ich bin Referendarin für Geschichte am Gymnasium (in Dresden)
und ich steh am Dienstag vor einem Leistungskurs 12 Geschichte und muß
90min. zum Thema "Mythen als Identitätsstifter am Bsp. des Hermannsdenkmal" - Idee von Staatsnation und Freiheit :confused:
unterrichten.

Leider geben die Lehrbücher dazu nicht viel, bis gar nichts her und ich hab leider nicht die Zeit mir einschlägige Werke dazu zu erarbeiten!!!!:weinen:

Vielen lieben Dank!

Lydia
 
Ein bisschen Zeit wirst du dafür aber schon aufwenden müssen. Ohne Literatur geht sowas nunmal nicht.

Empfehlenswert ist Herfried Münkler - Die Deutschen und ihre Mythen

Darin gibts auch ein Kapitel zu Nationalmythen und zum "Kampf gegen Rom".
Hier solltest du einiges über Hermann finden.

Zu Denkmälern im 19. Jh. generell, wenn auch langwierig zu lesen, aber genial analysiert:

Thomas Nipperdey: Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert
 
Zuletzt bearbeitet:
Erst ein mal Danke für die schnell Antwort,
ich bin schon die ganze Zeit am lesen, aber da das nicht meine einzigen Stunden sind , die ich vorbereiten muß mangelt es mir an Zeit.

Ein bisschen Zeit wirst du dafür aber schon aufwenden müssen. Ohne Literatur geht sowas nunmal nicht.

Empfehlenswert ist Herfried Münkler - Die Deutschen und ihre Mythen
[/B]

Leider ist das von die empfohlene Buch in unserer Bibo schon ausgeliehen, ich hab mir statt dessen von

Speth, Rudolf: Nation und Revolution, Politische Mythen im 19. Jahrhundert

geholt.

Kennst du dich mit diesem Thema aus?????

Muß ein Mythos erst sozialkulturell bekannt bzw. verankert sein um in Bildern, Festen und Ritualen inszeniert zu werden?

Sind politische Mythen eine eigeneständige Gattung? (wie z.B. Gründungsmythen, Schlachtenmythen,....)

Danke!!!

Lydia
 
Zum Herrmannsmythos würde ich dir auch "Die Varusschlacht" von Ralf Peter Märtin empfehlen. Er geht in 2 Kapiteln auf die Entstehungsgeschichte des Denkmals und die Rezeption von Arminius als Befreier vor "Überfremdung" und Begründer des Deutschtums ein (wie es im 19. Jh. gesehen wurde).

Hierzu sollte es eigentlich auch genug Aufsätze geben ich bin bei meinen Hausarbeiten unter gnomon-online öfter mal über was gestolpert.
 
Ein sehr spannendes Thema. Der Verweis auf Münkler ist schon sehr hilfreich und lohneswert, das Buch zu kaufen, da es nicht ausleihbar ist

Wichtig ist das Verständnis der kulturellen Verankerung, auf die Slotkin, aber nicht Münkler oder Dörner hinweisen.

Slotkin bezieht sich in seinen drei "Referenz-Büchern" ur Analyse von Mythen explizit auf Berger.

The Social Construction of Reality: A Treatise in the Sociology of Knowledge - Peter L. Berger, Thomas Luckmann - Google Bücher

Als Einstieg in das Thema ist dises Buch von Pross sicherlich sehr hilfreich.

Politische Symbolik: Theorie und Praxis der öffentlichen Kommunikation - Harry Pross - Google Bücher

Noch ergänzt durch Cassierer: Vom Mythod des Staates.

Neben der Übersicht von Pross sind noch hilfreich das Verständnis der Veränderung von Mythen und Slotkon bezieht sich da auch explizit auf das wichtige Werk von Kuhn, der ein absolutes Muss im Bereich der Wissens-Theorie bildet und die bruchhafte Veränderung von Mythen erklären hilft.

Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen - Thomas S. Kuhn - Google Bücher

In diesen Kontext gehören ebenfalls die Arbeiten von Mannheim. Zum einen seine Arbeiten zur Wissens-Soziologie, aber noch wichtiger sein Konzept der "Generationslagerung", dass in Kombination mit Berger erklären kann, wieso kulturelle Orientierungen, und Mythen als Spezialfall, in unterschiedlichen Altersgruppen in unterschiedlicher Form entstehen können.

Speziell mit dem Hermann-Mythos setzt sich Dörner sehr kompetent auseinander und gehört für den Bereich der deutschen Mythen sicherlich auch in den Bereich der wichtigen Referenzliteratur, wie Münkler.

Politischer Mythos und symbolische Politik: Sinnstiftung durch symbolische ... - Andreas Dörner - Google Bücher


Für Amerika setzt sich Slotkin mit dem Gründungsmythos "dem Frontier-Mythos" (und nicht mit dem American Dream !!) auseinander.

Wichtig ist seine Arbeit, da er im ersten Band eine grundsätzlich Theorie der Entwicklung von Mythen entwirft, die sich stark an obige Theoretiker anlehnt. Damit geht er weit über das hinasu, was Dörner und Münkler leisten, die im wesentlichen eine Ideengeschichte der "deutschen Mythologie" leisten. Das allerdings, m.E., wirklich brillant und lesenswert.

Gunfighter nation: the myth of the frontier in twentieth-century America - Richard Slotkin - Google Bücher

Regeneration through violence: the mythology of the American frontier, 1600-1860 - Richard Slotkin - Google Bücher

The fatal environment: the myth of the frontier in the age of ... - Richard Slotkin - Google Bücher

Ein Verständnis des Nationbuildung in Deutschland, ohne sich mit der Bedeutung der deutschen Mythologie beschäftigt zu haben, dürfte eine sehr einseitige Vorgehensweise sein.
 
Eine gute Darstellung von thanepower!

Ich hatte schon einmal die Frage angesprochen, inwieweit sich auch die Wirkungsmacht tatsächlich nachweisen lässt. "Identitätsstiftend" ist schon mal ein Ansatz in der Richtung, wenn auch mE noch recht weich formuliert, bzw. eher am unteren Ende einer Wirkungsskala anzusiedeln.

Lässt sich dazu mehr sagen?
 
Vielen lieben Dank!

Ich merke schon, mit dem Thema könnte man ein ganzes Seminar füllen, allerdings sind es nur 90 min. in einer 12. Klasse. Daher muß ich das ganze Thema didaktisch auf das wichtigste reduzieren.

Auch für mich ist das Thema absolutes Neuland, daher eben auch meine Fragen
Muß ein Mythos erst sozialkulturell bekannt bzw. verankert sein um in Bildern, Festen und Ritualen inszeniert zu werden?

Sind politische Mythen eine eigeneständige Gattung? (wie z.B. Gründungsmythen, Schlachtenmythen,....)

Vielen Dank für die vielen Tipps, wenn ich etwas mehr Zeit hab, werd ich bestimmt einiges davon lesen!!!

Lydia
 
Muß ein Mythos erst sozialkulturell bekannt bzw. verankert sein um in Bildern, Festen und Ritualen inszeniert zu werden?

Jein. Gerade am Hermannsdenkmal lässt sich deutlich machen, dass die Aktualität/Popularität von Mythen eng mit der allgemeinen politischen Entwicklung verknüpft ist. Sehr schön zum Ausdruck kommt das in dieser zeitgenössischen Quelle:

Es war im Jahre 1860, einer Zeit der politischen und geistigen Windstillen, als in diesen Blättern auf ein „vergessenes deutsches Denkmal“, das Hermann-Denkmal im Teutoburger Walde bei Detmold, aufmerksam gemacht wurde.
Damals war seit dem Jahre 1846, wo der Unterbau des Denkmals beendigt und mit der Kuppel gekrönt war, ein betrübender Stillstand eingetreten. In Folge der unbehaglichen politischen Mißstimmung flossen die Gaben sehr spärlich...

Das Hermann-Denkmal im Teutoburger Wald ? Wikisource


Sind politische Mythen eine eigeneständige Gattung? (wie z.B. Gründungsmythen, Schlachtenmythen,....)

Ich verstehe leider nicht, wie "Gattung" hier gemeint ist, auch scheint mir die Trennschärfe zwischen "Gründungsmythen", "Schlachtenmythen" und "politischen Mythen" nicht gegeben. Das sollte aber ohnehin nur von Interesse für den Fachleiter sein und würde selbst einen LK überfordern.

Pragmatischer Vorschlag: Steig ein mit einer Zeitleiste des Baus (und evtl. einer zeitgenössischen Postkarte, die die nationale Aufladung des Denkmals deutlich macht). Die Schüler werden feststellen, dass der Bau lange Zeit still stand. Damit wäre schonmal eine Leitfrage gegeben.

In der Stunde dann Klärung, warum der Bau so lange nicht fortgeführt wurde, etwa mittels der o. a. Quelle. Wie Du von den Schülern eine Leitfrage wie etwa "Welchen Stellenwert haben Mythen in der Ausbildung eines Nationalbewusstseins?" bekommen willst, ist mir schleierhaft, aber vielleicht darf so etwas ja auch mal ganz old school vom Lehrer vorgegeben werden. Diese Frage könnte man m. E. im Anschluss an die Erarbeitung gut diskutieren.

Hier noch ein Link zu eine möglichen Postkarte für den Einstieg: http://www.deutsche-schutzgebiete.de/webpages/Hermannsdenkmal2.jpg

Und hier noch einige didaktische Anmerkungen zum Thema (Sek II): Internet-Portal "Westfälische Geschichte"

Viel Erfolg!
 
Vielen Dank Floxx78!!!!

Ich habe natürlich Vorgaben vom Fachleiter bekommen und die hätte gerne zu Beginn eine Klärung des Begriffs.
In dem Zusammenhang habe ich auch ein Blatt von ihr bekommen wo "Arten" von Mythen aufgelistet sind (Kaisermythen, Dolchstoßlegende, Mythos und Utopie im Nationalsozialismus,... ), in dem Buch was ich gerade lese bezieht sich auf Politische Mythen, könnte man das als Überbegriff nehmen? Schließlich gibt es banal gesagt auch Mythen über Stars, ....

Ich hatte überlegt, ob ich zum Abschluß frage, welche heutigen Mythen könnten identitätsstiftend wirken?

Aber vielen Dank für deine Links! da fällt mir bestimmt einiges ein was man damit machen kann.

LG Lydia
 
Ich hatte überlegt, ob ich zum Abschluß frage, welche heutigen Mythen könnten identitätsstiftend wirken?

Fraglich, ob das zeitlich noch in die Stunde passt, aber in den Entwurf hineinschreiben würde ich das schon. Sei Dir aber bewusst, dass die Schüler dazu alle möglichen Gedanken haben werden (die Du auch nutzen solltest - aber evtl. erstmal ohne Fachleiter).
 
Ich hatte überlegt, ob ich zum Abschluß frage, welche heutigen Mythen könnten identitätsstiftend wirken?

Sorry, aber eine merkwürdige Frage an eine Schulklasse! Es ist für mich deshalb merkwürdig, wenn danach gefragt wird, ob etwas identitätsstiftend wirkt, ohne vorher überhaut ein Begriff oder eine Vorstellung der positiven und/odr negativen Wirkungen von Mythen im politischen Umfeld zu haben.

Sicherlich waren bestimmte politische Mythen wichtig im Kontext des Nationbuilding der unterschiedlichen deutschen "Reiche". Das mag man positiv beurteilen oder auch nicht.

Definitiv negativ ist jedoch auch die "dunkle Seite" bzw. die janusköpfige Seite der Mythen und ihrer Wirkungen.

Sofern man beispielsweise den wichtigen Nibelungen-Mythos betrachtet, der eine zentrale Rolle in der Mythologie der deutschen Reiche gespielt hat, und vor allem die politische Funktionalisierung der Nibelungen-Treue durch Hitler bzw. im Nationalsozialismus, dann wird sehr schnell ersichtlich, welch menschenverachtendes und zynisches Potential in Mythen auch !! stecken kann.

Deshalb: Mythen sind per se weder schlecht, noch sind sie gut! Sie stellen mächtige ideologische Instrumente dar, um die Politikformulierung in einer konkreten politischen bzw. historischen Situation zu erleichtern. Aber dieser Kontext und die Ziele, für die sie instrumentalisiert werden, sind zu beleuchten.

Auch um deutlich zu machen, dass Mythen die Politiker, die sie ursprünglich für ihre Ziele instrumentlaisieren wollten, und es auch teilweise erfolgreich taten, durch die Eigendynamik von Mythen, aufgrund der öffentlichen Meinung etc., sich schnell in der Rolle der Zauberlehrlinge wieder fanden. Und die "destruktiven Auswirkungen" der Mythen bzw. der implizit darin enthaltenen Ideologien nicht mehr kanalisieren konnten (z.B. der Ausbruch und die Beendigung des WW1 und des WW2).

Aus diesem Grund sollte man in einer Oberstufen-Lehreinheit m.E. ein wenig kritische Reflektion über das Thema "Mythen und Identitätsstiftung" erwarten können. Es soll schließlich die Ausbildung kritikfähiger Staatsbürger untzerstützt werden. Und zumindest während meiner Schulzeit wurde ich in diesem Sinne gefordert und gefördert. Sollten sich Lehrpläne so geändert haben?

Also, ein wenig didaktische Contenance scheint bei dem Thema angemessen zu sein, wenn man nicht die Identitätsstiftung der Mythen sehr einseitig affirmativ bearbeiten möchte.
 
Hallo,

ich benötige dringed konkretes Wissen!!!!

Ich bin Referendarin für Geschichte am Gymnasium (in Dresden)
und ich steh am Dienstag vor einem Leistungskurs 12 Geschichte und muß
90min. zum Thema "Mythen als Identitätsstifter am Bsp. des Hermannsdenkmal" - Idee von Staatsnation und Freiheit :confused:
unterrichten.

Leider geben die Lehrbücher dazu nicht viel, bis gar nichts her und ich hab leider nicht die Zeit mir einschlägige Werke dazu zu erarbeiten!!!!:weinen:

Vielen lieben Dank!

Lydia

Mythen können aber auch für chauvinistischen Nationalismus missbraucht werden. Hierbei kann das Hermannsdenkmal als Beispiel dienen. Im späten 19. Jahrhundert fertiggestellt, nach den napoleonischen Kriegen (Besetzung Preußens) und dem deutsch-französischen Krieg 1871 war Frankreich in den Köpfen der deutschen Nationalisten der Erbfeind der Deutschen. Die Franzosen galten als Feinde, die es zu hassen galt. Somit wurde alles französische als "welscher Tand" abgelehnt, der Reihn sollte die natürliche Grenze zwischen den verfeindeten Nationen sein. Auch die Römer kamen 9 n. Chr.über den Reihn ins freie Germanien um es zu unterwerfen, damit begründete sich der nationalistische Mythos von der Bedrohung, die immer über den Reihn kommt. Somit knüpften die Nationalisten mit dem Mythos des Cheruskers "Hermann" (eigentlich Arminius) an den legendären Sieg über die Invasoren an. Deshalb ist der Schwertarm der Statue auch dohend in Richtung Frankreich gerichtet ( als Warnung an Frankreich, nie wieder den Reihn zu überqueren, wie unter in den Revolutionskriegen und zur Zeit Napoleons). Der Sieg über die Römer wurde einfach mal als Sieg über die Welschen (eigentlich Schimpfwort für Franzosen) verkauft. Im Nationalsozialismus revidierte man diese Darstellung, um den Bündnispartner Italien (welches sich im Faschismus unter Mossulini auf das Römische Reich berief) nicht zu brüskieren.
 
Mythen sind gefährlich aber es scheint so als bräuchte jeder Staat, Volk, Partei e.t.c ein Mythos.

Sogar die EU scheint bald einen zu haben, habe in einer Doku auf 3sat gehört "Das Vermächtnis des Römischen Reichs, sei Europa!!!!).
 
Mythen sind gefährlich aber es scheint so als bräuchte jeder Staat, Volk, Partei e.t.c ein Mythos.

Sogar die EU scheint bald einen zu haben, habe in einer Doku auf 3sat gehört "Das Vermächtnis des Römischen Reichs, sei Europa!!!!).

Mythen sind gefährlich aber es scheint so als bräuchte jeder Staat, Volk, Partei e.t.c ein Mythos.

Sogar die EU scheint bald einen zu haben, habe in einer Doku auf 3sat gehört "Das Vermächtnis des Römischen Reichs, sei Europa!!!!).

Es liegt auf jeden Fall Nahe, den Mythos des Römischen Reiches mit dem Projekt Europa zu verbinden. Viele europäische Länder liegen nicht nur auf dem Gebiet des ehemaligen Imperiums, sie verkörpern mit ihren demokratischen Verfassungen auch die weiterentwickelten Ideale des antiken Griechenlandes, welche in veränderter Form durch die römische Kolonisation zu uns kamen (wie das Christentum in der Spätantike). Des Weiteren finden sich überall Zeugnisse römischer Kultur, ob als Ruinen oder als Fachsprache. Auch im Mittelalter vom 10.Jahrhundert bis 1806 gab es schon die Idee des HRRDN, welches ebenfalls große Teile Mittel, und-Westeuropas plus Italiens umfasste und viele Sprachen umfasste. Dieses vestand sich ebenfalls als Nachfolger Roms. Heute gestaltet sich wohl die Mystifizierung Roms zum Vorgänger Europas als grenzenfreier,demokratischer,marktwirtschaftlicher Rechtsstaat, in welchen die Vielfalt bei gleichzeitiger Mobilität/Flexibilität erhalten bleiben soll ( Vielleicht die Toleranz Roms gegenüber den lokalen Gebräuchen der befriedeten Völker ?).
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei allem Respekt das ist doch absurd. Was haben die skandinavischen Länder mit dem römischen Reich zu schaffen und warum werden so bedeutenden Teilen des römischen Reichs wie Ägypten oder Syrien keine Aufnahme in die EU in Aussicht gestellt (außer man nimmt das christliche Rom als Begründung).

Ob das römische Reich eine Demokratie war, darüber kann man nun wirklich streiten, der Senat wurde ja nicht gewählt. Außerdem war die Getreideversorgung staatlich organisiert, von Marktwirtschaft kann keine Rede sein.
 
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