Ich hatte überlegt, ob ich zum Abschluß frage, welche heutigen Mythen könnten identitätsstiftend wirken?
Sorry, aber eine merkwürdige Frage an eine Schulklasse! Es ist für mich deshalb merkwürdig, wenn danach gefragt wird, ob etwas identitätsstiftend wirkt, ohne vorher überhaut ein Begriff oder eine Vorstellung der positiven und/odr negativen Wirkungen von Mythen im politischen Umfeld zu haben.
Sicherlich waren bestimmte politische Mythen wichtig im Kontext des Nationbuilding der unterschiedlichen deutschen "Reiche". Das mag man positiv beurteilen oder auch nicht.
Definitiv negativ ist jedoch auch die "dunkle Seite" bzw. die janusköpfige Seite der Mythen und ihrer Wirkungen.
Sofern man beispielsweise den wichtigen Nibelungen-Mythos betrachtet, der eine zentrale Rolle in der Mythologie der deutschen Reiche gespielt hat, und vor allem die politische Funktionalisierung der Nibelungen-Treue durch Hitler bzw. im Nationalsozialismus, dann wird sehr schnell ersichtlich, welch menschenverachtendes und zynisches Potential in Mythen auch !! stecken kann.
Deshalb: Mythen sind per se weder schlecht, noch sind sie gut! Sie stellen mächtige ideologische Instrumente dar, um die Politikformulierung in einer konkreten politischen bzw. historischen Situation zu erleichtern. Aber dieser Kontext und die Ziele, für die sie instrumentalisiert werden, sind zu beleuchten.
Auch um deutlich zu machen, dass Mythen die Politiker, die sie ursprünglich für ihre Ziele instrumentlaisieren wollten, und es auch teilweise erfolgreich taten, durch die Eigendynamik von Mythen, aufgrund der öffentlichen Meinung etc., sich schnell in der Rolle der Zauberlehrlinge wieder fanden. Und die "destruktiven Auswirkungen" der Mythen bzw. der implizit darin enthaltenen Ideologien nicht mehr kanalisieren konnten (z.B. der Ausbruch und die Beendigung des WW1 und des WW2).
Aus diesem Grund sollte man in einer Oberstufen-Lehreinheit m.E. ein wenig kritische Reflektion über das Thema "Mythen und Identitätsstiftung" erwarten können. Es soll schließlich die Ausbildung kritikfähiger Staatsbürger untzerstützt werden. Und zumindest während meiner Schulzeit wurde ich in diesem Sinne gefordert und gefördert. Sollten sich Lehrpläne so geändert haben?
Also, ein wenig didaktische Contenance scheint bei dem Thema angemessen zu sein, wenn man nicht die Identitätsstiftung der Mythen sehr einseitig affirmativ bearbeiten möchte.