Napoleon als Urvater der EU?

Um die nationale Bewegung in Italien und dabei insbesondere ihre Anfangsphase besser nachvollziehen zu können muss man zurück bis zu den Renaissancekriegen. Spätestens ab dann war Italien nur noch Spielbällchen zwischen den (spanischen) Habsburgern, Frankreich und dem HRRDN. Es gab immer wieder kleinere allerdings lokale und italienweit eher weniger beachtete Aufstände gegen die jeweiligen Fremdherrscher. In der aktuellen Forschung (unter anderem Daum, der das Risorgimento mit der bisher größten Zeitspanne nämlich von 1750 bis 1919 bezeichnet) geht man mittlerweile von einem beginnenden Risorgimento ab 1746 mit Il Balilla aus. Ab diesem Zeitpunkt häufen sich die kritischen Stimmen und Aufstände. Die französische Revolution und Vordenker wie der bereits genannte Filippo Buonarroti taten ihr übriges, es entstanden aufständische Gruppierungen von italienischen Jakobinern, die aufgrund von Repressalien teilweise fliehen mussten, und zwar größtenteils nach Frankreich. Es war auch Buonarroti, der Napoleon 1796 von der Idee eines vereinten Italiens zu gewinnen, allerdings hatte Napoleon daran kein Interesse, da bei den Koalitionskriegen in Italien eben weniger die Interessen Italiens im Vordergrund standen, sondern vielmehr eine Schwächung Österreichs, die in diesem Zusammenhang "nur" auf italienischem Boden stattfand. Dementsprechend groß war auch die Enttäuschung in den revolutionären Kreisen Italiens, dass der bis dahin als Heilsbringer wahrgenommene Napoleon und das vorbildliche Frankreich mit seiner Revolution und der Republik doch nicht in dem Sinne der Heilsbringer war, wie man sich dies erhofft hatte. Bei allen (durchaus positiven) Reformen, die in den italienischen Ländern dieser Zeit auch eingeleitet wurden, so wuchs doch die Unzufriedenheit aus den revolutionären Kreisen hinaus in die bürgerlichen Salons. Schließlich hatte man "nur" Fremdherrschaft gegen Fremdherrschaft getauscht (so zumindest die Wahrnehmung). Der Wiener Kongress und die Restauration machten alles noch schlimmer als es ohnehin schon war und taten so ihr übriges zur nationalen Bewegung in Italien. Soviel mal zur Ideengeschichte und zum Vorgeplänkel, jetzt konkret zu deinen Beispielen:

Hat N so wirklich gar nichts mit der spæteren italienischen Einigung zu tun?
Meine obigen Ausführungen dürften zeigen, dass Napoleon nicht das Nationalgefühl der Italiener erweckt hat (das war die Ausgangsthese), er hat auch das Risorgimento nicht eingeleitet (das war die 1. Folgethese) und die spätere nationale Einigung Italiens war auch kein Erfolg Napoleons aus 1796 (das war dann die 2. und letzte Folgethese). "Zu tun" hatte er durchaus was mit dem Risorgimento, allerdings bei weitem mittelbarer und auch weniger durch positive Konnotation wie es hier im Diskussionsverlauf teilweise dargestellt wurde. Die Hoffnungen die in Frankreich und insbesondere in die Person Napoleon gesetzt und dann enttäuscht wurden, habe ich ja bereits oben erwähnt. Im Hinblick auf die nationale Einigung Italiens hatte er also quasi eine Art Negativ-Verstärker-Funktion innerhalb der revolutionären und später auch der bürgerlichen Kreise.

Allein schon die Namensgebung "italienische Republik" / "Kønigreich Italien"

"Italien" war auch schon davor geographischer Begriff und vor dem Königreich Italien 1805-1814 war Reichsitalien das Königreich Italien, das rein territorial betrachtet viel eher an einen Zusammenhang zum Königreich Italien 1805-1814 erinnert, als das Königreich Italien unter dem Haus Savoyen.

die italienische Trikolore (spæter in abgewandelter Form, aber in den 3 Farben)
Flaggenkunde ist nicht meine Stärke, hier würde ich aber eher einen Zusammenhang zur in Italien idealisierten französischen Revolution und zur französischen Trikolore sehen, als zu Napoleon.

sogar die italienische Lira

Den Zusammenhang verstehe ich jetzt nicht wirklich. Was hat den die Lira mit Napoleon zu tun? Die Lira war im Herzogtum Toskana schon lang vor Napoleon Zahlungsmittel.

die Abtrennung von Teilen Suedtirols und Zuschlagung an Italien
Auch den Zusammenhang krieg ich nicht wirklich hin. Der Tiroler Volksaufstand aus dem resultierend das Königreich Italien 1805-1814 Teile Südtirols besetzen konnte, resultierte aus einem Aufstand der Tiroler (angestachelt von den Österreichern) gegen das mit Frankreich verbündete Königreich Bayern. 1915 war Südtirol die in Aussicht gestellte Bezahlung für den Kriegseintritt Italiens auf Seiten der Entente (gefordert aufgrund der italienischen Minderheit in Südtirol).

die Bekæmpfung des gemeinsamen Feindes Østerreich...
Das gab es auch schon vor und nach Napoleon, auch hier fehlt mir wieder der Zusammenhang zu Napoleon.

Das kann doch nicht Zusammenhanglos und ohne Wirkung auf das direkt nach Napoleon einsetzende Risorgimento gewesen sein?
Vor Napoleon :D :winke:
 
@muheijo

Auf der Suche nach der entsprechenden Textstelle, welche die mittelalterlichen Zustände Norditaliens beschreibt, bin ich auf eine Textstelle des Historikers John Holland Rose gestoßen, der diese Zustände für andere Teile Italiens bestätigt:

„Dieses Land war lange Schlachtfeld der Bourbonen und Habsburger gewesen und ihre durch bürgerliche Zwietracht verstärkte Nebenbuhlerschaft hatte das Volk, welches einst Europa Gesetze gegeben hatte, in den Zustand kläglicher Schwäche hinabgedrückt. Europa war einst das Schlachtfeld der Römer gewesen, jetzt war Italien das Schlachtfeld Europas. Die Habsburger beherrschten den Norden, wo sie das reiche Herzogtum Mailand mit der starken Festung Mantua und einige zerstreute kaiserliche Herrschaften besaßen.
Ein Spross des Hauses Österreich regierte Florenz über das blühende Herzogtum Toskana. Modena und Lucca standen unter der allgemeinen Kontrolle des Wiener Hofes.
Der Süden der Halbinsel nebst Sizilien wurde von Ferdinand IV. beherrscht, einem Abkömmling der spanischen Boubonen, der sein Volk im Zustande mittelalterlicher Unwissenheit und Knechtschaft verharren ließ; und diese Dynastie übte die Oberaufsicht über das Herzogtum Parma.
Die päpstlichen Staaten waren ebenfalls in die Stumpfheit des Mittelalters versunken, nur in den nördlichen Gebieten von Bologna und Ferrara, bekannt als die „Legationen“, gedachten die Einwohner noch der Zeit ihrer Unabhängigkeit und knirschten unter dem empörenden Zwang der päpstlichen Regierung. Das erkannte man, als den Sauerteig des französischen Revolutionsgedankens der italienische Städte in Gärung versetzte.

Die Lombardei und Piemont bebten vor zurückgehaltener Erregung, und als der König von Sardinien Viktor Amadeus III. Krieg gegen die französische Republik begann, wurden die Turiner nur mit Schwierigkeit von Empörung zurück gehalten.

Tatsächlich entdeckte Bonaparte – denn von da an schrieb er seinen Namen so – die politische Schwäche der Stellung Habsburgs in Italien. Wie konnten die Habsburger als Herren von elf verschiedenen Völkern nördlich der Alpen, über ein gänzlich fremdes Volk, südlich von jenem Gebirgswall dauernd zu beherrschen hoffen?
Die vielen Misserfolge der alten ghibellinischen oder kaiserlichen Partei gegenüber dem volkstümlichen Impulse, der die italienische Natur bis in ihre Tiefe aufgewühlt hatte, enthüllte das Künstliche der Herrschaft.
Konnte nicht auch so ein Impuls durch die französische Revolution mitgeteilt werden?
Und würde nicht die Hoffnung auf nationale Freiheit und Loslösung von Lasten, diese Völker mit Eifer für die Sache der Franzosen erfüllen?
Augenscheinlich lag hier die Möglichkeit einer Ausbreitung der demokratischen Ideen vor.
Von Anfang an wurden Bonapartes Sympathien für die Befreiung des ihm stammverwandten Italiens lebhaft erregt und wenn auch sein Anteil durch die Eingebung des Ehrgeizes beeinflusst wurde, so verlor er doch niemals die Wohlfahrt des Volkes, von dem er abstammte, aus den Augen.
In seinem auf St. Helena geschriebenen Denkwürdigkeiten fasste er seine Überzeugungen bezüglich der Halbinsel in folgende staatsklugen Äußerungen zusammen:

Italien, abgeschlossen in seinen natürlichen Grenzen, getrennt durch das Meer und sehr hohe Gebirge von dem übrigen Europa, scheint berufen zu sein, eine große und mächtige Nation zu werden………
Seine Einheit in Sitten, Sprache und Literatur sollte in näherer oder entfernter Zukunft dazu führen, seine Bewohner unter einer einzigen Regierung zu vereinigen……..
Rom ist ohne Zweifel die Stadt, welche die Italiener eines Tages zu ihrer Hauptstadt wählen werden.“
Ein prophetisches Wort! Es kam von einem Manne, der als Eroberer und Organisator jenes Volkes aus jahrhundertelanger Stumpfheit aufrüttelte und ihm etwas von seiner eigenen unzähmbaren Tatkraft einhauchte.“ (*1)

Nun, ich würde nicht soweit gehen, den englischen Historiker John Holland Rose, einen Parteigänger Napoleons zu nennen. Dafür gibt es in seiner zweibändigen Ausgabe „Napoleon I.“ keinen Hinweis. Und so sehe ich mich einerseits in meinen Aussagen hinsichtlich der Zustände in Italien vor 1796 bestätigt und andererseits auch in meiner Auffassung, dass Napoleon Miterwecker und Wegbereiter eines italienischen Nationalgefühles war.

Ich suche natürlich noch weiter in meiner Sammlung nach dieser besagten Textstelle, in der ein Zeitzeuge die mittelalterlichen Zustände in Norditalien schildert und zitiere diese auch gern.

Hinsichtlich der hier nochmals gebetsmühlenartig wiederholten Schlagworte der Bildung von Vasallenstaaten und der Hegemonie, welche wie auch Oben im Quellenzitat zu lesen, jedem anderen Herrscher dieser Zeit zuzuschreiben ist, scheint es mir angebracht darauf hinzuweisen, dass man sich einer historischen Person eben nur wirklich nähern kann, wenn man deren wesentliche Eigenschaften, also jene, die diese Person explizit ausmachen, von jenen trennt die unwesentlich sind, also jenen, die auch bei Hunderten anderen Personen anzutreffen sind.
Dann erst kann man die Geschichte und Rolle einer Person vorurteilsfrei und frei von Parteinahmen und Propaganda aufarbeiten.

Dass die rückschrittlichen Kräfte Europas, militärisch und teils auch staatlich reformiert, diese Neuerungen nutzten, um einen Sieg ihrer rückschrittlichen Ideen über Napoleon und den Rheinbund zu erzielen und ihnen dieses gelang, weil sie sich gezwungenermaßen irgendwann einmal einig waren, sagt überhaupt nichts über Irrtümer der Europäer zu Napoleon und den Rheinbund.
Revolutionäre Gedanken, wie sie z.B. Napoleon durch Expansion und die Gründung des Rheinbundes in ganz Europa Verbreitung fanden, hatten immer europaweit viele Feinde, wie sich später auch z.B. 1848 zeigte, als wiederum europaweit die revolutionären Gedanken ganzer Völker niedergekämpft wurden.
Schon allein die Tatsache, dass diese Staaten sich reformieren mussten, um irgendwann gegen Napoleon bestehen zu können, zeigt die Wirkung der positiven staatsgestalterischen Impulse Napoleons, welche die Gedanken der Französischen Revolution in sich trugen.

(*1) „Napoleon I.“ unter Benutzung neuen Materials aus dem britischen Staatsarchiv von John Holland Rose, Litt. D., autorisierte deutsche Übersetzung von Professor Dr. R. W. Schmidt., Druck und Verlag Greiner & Pfeiffer, Stuttgart 1906, Bd. 1 Seite 74 - 76
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Vielleicht solltest Du einmal diese Stelle genauer beachten:
Auf der Suche nach der entsprechenden Textstelle, welche die mittelalterlichen Zustände Norditaliens beschreibt, bin ich auf eine Textstelle des Historikers John Holland Rose gestoßen, der diese Zustände für andere Teile Italiens bestätigt:

„Dieses Land war lange Schlachtfeld der Bourbonen und Habsburger gewesen und ihre durch bürgerliche Zwietracht verstärkte Nebenbuhlerschaft hatte das Volk, welches einst Europa Gesetze gegeben hatte, in den Zustand kläglicher Schwäche hinabgedrückt. Europa war einst das Schlachtfeld der Römer gewesen, jetzt war Italien das Schlachtfeld Europas. Die Habsburger beherrschten den Norden, wo sie das reiche Herzogtum Mailand mit der starken Festung Mantua und einige zerstreute kaiserliche Herrschaften besaßen.
Ein Spross des Hauses Österreich regierte Florenz über das blühende Herzogtum Toskana. Modena und Lucca standen unter der allgemeinen Kontrolle des Wiener Hofes.
Der Süden der Halbinsel nebst Sizilien wurde von Ferdinand IV. beherrscht, einem Abkömmling der spanischen Boubonen, der sein Volk im Zustande mittelalterlicher Unwissenheit und Knechtschaft verharren ließ; und diese Dynastie übte die Oberaufsicht über das Herzogtum Parma.
Die päpstlichen Staaten waren ebenfalls in die Stumpfheit des Mittelalters versunken, nur in den nördlichen Gebieten von Bologna und Ferrara, bekannt als die „Legationen“, gedachten die Einwohner noch der Zeit ihrer Unabhängigkeit und knirschten unter dem empörenden Zwang der päpstlichen Regierung. Das erkannte man, als der Sauerteig des französischen Revolutionsgedankens die italienischen Städte in Gärung versetzte.
Ich verweise insbesondere auf die Formulierungen "reiches Herzogtum Mailand" und "blühendes Herzogtum Toskana" (wobei die Toskana allerdings Großherzogtum war). Dein Autor arbeitet geradezu den Gegensatz zwischen dem reichen und blühenden Norden und dem unterentwickelten Süden heraus, behauptet also geradezu das Gegenteil von Deiner Behauptung, wonach die von den Habsburgern regierten Teile Norditaliens unterentwickelt und primitiv gewesen seien.
 
@Ravenik
Das ist mir nicht entgangen. Und ich bleibe Dir auch die Textquellen, auf die ich mich anfangs hier im Thema bezog (aus der Erinnerung heraus) nicht schuldig. Ich bin noch auf der Recherche danach.
Ich habe diesen Textteil auf den Du Dich jedoch jetzt beziehst hier nicht unterschlagen und das andere aus dem Zusammenhang reißen wollen.
Zum einen weil dies zur Differenzierung dazu gehört und auch weil einige doch ziemlich lärmten und die mittelalterliche Rückständigkeit in Bezug auf "ganz Italien" negierten.
 
Ich suche natürlich noch weiter in meiner Sammlung nach dieser besagten Textstelle, in der ein Zeitzeuge die mittelalterlichen Zustände in Norditalien schildert und zitiere diese auch gern.

Das ist doch Haarspalterei und führt zu nichts! Die Lage der bäuerlichen Bevölkerung Norditaliens war nicht besser und nicht schlechter als die in Frankreich oder Spanien. Im Gegensatz zu Frankreich gab es allerdings zahlreiche kulturelle Zentren, die auf das Umland ausstrahlten.

Anders sah das hingegen im Königreich Neapel aus, wo unter den spanischen Vizekönigen Misswirtschaft und Korruption herrschten und Süditalien zum Armenhaus Europas mit einer verelendeten bäuerlichen Bevölkerung wurde.
 
Das ist doch Haarspalterei und führt zu nichts! Die Lage der bäuerlichen Bevölkerung Norditaliens war nicht besser und nicht schlechter als die in Frankreich oder Spanien. Im Gegensatz zu Frankreich gab es allerdings zahlreiche kulturelle Zentren, die auf das Umland ausstrahlten.

Anders sah das hingegen im Königreich Neapel aus, wo unter den spanischen Vizekönigen Misswirtschaft und Korruption herrschten und Süditalien zum Armenhaus Europas mit einer verelendeten bäuerlichen Bevölkerung wurde.

Sehe ich auch so, aber die ganze italienische Diskussion führt zu nichts. Es ist völlig egal, ob die Italiener rückständig waren oder nicht, schon der Feldzug 1796/97 diente auch der Geldbeschaffung. Napoleon sagte es auf St. Helena selbst:

"Ich habe alles in allem der französischen Staatskasse wenigstens 50 Millionen verschafft." [1]

Was spielt es für eine Rolle, ob die, die ich beraube rückschrittlich sind oder nicht?

Interessant auch der nächste Satz:
"Das war das erste Mal in der modernen Geschichte, dass eine Armee das bedürftige Vaterland unterstützte, anstatt ihm zur Last zu fallen." [1]

Wenn man die Sprechblase Vaterland weg läßt, bleibt die Erkenntnis des Korsen, wie sich ein großes Heer erhalten läßt, ohne dass die eigene Person infrage gestellt wird: Nämlich auf Kosten anderer.
Und das hat er immer getan. Preußen z.B. "durfte" über eine Milliarde zahlen. Erst als Europa gegen ihn aufstand, damit die Hilfsquellen versiegten, musste er auf die geraubten 300 Millionen in Gold in den Tuilerien zurückgreifen.

Und so sehe ich auch eher seine staatsgestalterische Leistung für ganz Europa, im Kontext der Zeit und im Vergleich zu den anderen Potentaten in Europa, die später auch nur der Gedanke der Vernichtung Napoleons einte und wieder in Kleinstaaterei und Restauration verfielen, als das erreicht war. .

Nun, ich weiß nicht, ich sehe da eher den Versuch, in korsischer Familientradition ehemalige europäische Potentaten durch mehr oder besser eher weniger geeignete Vertreter der eigenen Familie zu ersetzen. Wenn staatsgestalterische Leistung vorliegt, dann nur durch Maßnahmen, die zu verhindern er sich nicht wagen durfte, da der dritte Stand nun einmal die Revolution gewonnen hatte.

Dass die europäischen Fürsten später die Vernichtung Napoleon einte, ist ein Märchen. Bis zuletzt hätte er Frieden haben können.
Ebenso demagogisch ist dein Ansatz zu Kleinstaaterei und Restauration. Hier werden Ursache und Wirkung durcheinander gebracht. Bekannt ist, dass die Landkarte vor Napoleon nicht wiederhergestellt wurde und die Restauration ist unmittelbare Folge der napoleonischen Kriege. In der Physik heißt das Aktio=Reaktio. Und so ist die "Heilige Allianz" eben auch ein "Folgeprodukt".

Grüße
excideuil

[1] Willms, Johannes: „Napoleon“, Pantheon, München 2009, (2005), Seite 148
 
Wie bereits zu Beginn des Threads angedeutet, ist die Fragestellung schon irreführend. Daraus resultiert das teilweise doch recht muntere Vergleichen von Äpfeln mit Birnen :still:.

Bei allem,

was für Europa an Positivem durch die Politik Napoleons hängengeblieben ist,
was in der EU auch auf napoleonisches Gedankengut zurückzuführen ist,

darf nicht vergessen werden, dass Napoleons Bestreben ein reines Machtstreben war. Die Segnungen, die französischem aufklärerischem Gedankengut entsprangen, wurden mit der Waffe durchgesetzt und nicht durch ausschließlich verbales Überzeugen der Gegner von Vorzügen der Ideen.

Was daraus im Laufe der Geschichte Positives geworden ist, ist doch bitte sauber von der Intention Napoleons zu trennen.

Davon wird der Code civil auch nicht schlechter ;).

Viele haben dies ausführlicher und besser in diesem Thread beschrieben als ich, ich möchte es nur zusammenfassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, kann er nicht. Napoleons Europapolitik strebte nach der (notfalls gewaltsamen) Errichtung und Erhaltung einer französischen Hegemonie über Europa. Die EU hingegen ist (zumindest auf dem Papier) ein freiwilliger Zusammenschluss der europäischen Staaten auf gleichberechtigter Basis.

Dass Napolėons Europa auf Paris zentriert sein sollte liegt einfach daran dass er es für notwendig halten musste weil in Kontonentaleuropa nur in Frankreich etwas in entscheidendem Maß voran ging (Grande Revolution)
Kant, etc. sind Ausnahmen, und an eine Herrschaft über England war noch nicht zu denken.
Außerdem zeigt der Titel Kaiser deutlich Bonapartes Wunsch an die Römischen Caesaren anzuknüpfen (auch mit einem Vereinigten Europa) und das neue Rom/ Byzantium ist logischerweise Paris

Napoleon war Frankreich und seinen Soldaten (!) verpflichtet. Nicht auszudenken, was sie gesagt hätten, wenn er Rom oder Berlin oder Venedig oder sonstwas zur Hauptstadt erklärt hätte!

Und dass er Europa in kleine Verwaltungsbereiche aufteilt ist Fakt. Sein Vetter, König von Neapel, Jerome, König von Westfalen und die Armeen von Poniatowski, etc. sagen alles.

Napoleon ist nicht unbedingt der Vater der EU aber des Gedankens eines Föderal organisierten Europäischen Staates (der sich Nicht an den bestehenden Staatengrenzen orientiert)
 
Bei allem, was für Europa an Positivem durch die Politik Napoleons hängengeblieben ist, was in der EU auch auf napoleonisches Gedankengut zurückzuführen ist, darf nicht vergessen werden, dass Napoleons Bestreben ein reines Machtstreben.

Das ist der Eigennutz an der Sache gewesen. Aber zum Beispiel seine Kommentare zu Rückständigkeit und Religion in Ägypten und Russland zeigen dass er größeres vorhatte. Er wollte ein neues Zeitalter beginnen!!!
Sein Machtstreben war zu seiner Privaten Ergötzung. Auch sein Verhalten als Herrscher Elbas war äusserst eindrucksvoll.

Wenn Napoleon Wellington und Kutuzow besiegt hätte würde unser Kontinent ganz anders und vielleicht sogar besser aussehen.
 
Sagen wir es mal so: ohne die Napoleonischen Feldzüge hätte es keinen Veränderungsdruck auf die überkommenen europäischen Gesellschaften gegeben und so etwas wie die Steinschen Reformen und ähnliche Bestrebungen hätten wohl langfristig nicht stattgefunden.
Wie ein Europa nach Napoleons Vorstellunge aussehen würde,hätte er endgültigen Erfolg gehabt zeigen die linksrheinischen ,von Frankreich dominierten Gebiete und die dort eingeführten Standards wie Gewerbefreiheit, Abschaffung der Ständegesellschaft und ein modernes ,auf Gewaltenteilung beruhendes Verfassungs- und Rechtssystem.
Von hier und den anderen "napoleonischen Staatenbildungen" gingen,trotz der anschließenden Restauration erhebliche Impulse auf das Bewußtsein der Völker Europas aus, die neben den Nationalismen auch erstmals so etwas wie ein paneuropäisches Bewußtsein schufen
 
Sagen wir es mal so: ohne die Napoleonischen Feldzüge hätte es keinen Veränderungsdruck auf die überkommenen europäischen Gesellschaften gegeben und so etwas wie die Steinschen Reformen und ähnliche Bestrebungen hätten wohl langfristig nicht stattgefunden.
Das halte ich für eine Legende.:winke:
 
Wie ein Europa nach Napoleons Vorstellungen aussehen würde,hätte er endgültigen Erfolg gehabt, zeigen die linksrheinischen, von Frankreich dominierten Gebiete und die dort eingeführten Standards wie Gewerbefreiheit, Abschaffung der Ständegesellschaft und ein modernes ,auf Gewaltenteilung beruhendes Verfassungs- und Rechtssystem.

Da wäre ich vorsichtig. Die "natürlichen Grenzen" Frankreichs, so wie sie sich damals darstellten und verstanden wurden, waren in Grunde bereits "Errungenschaft" der Revolution. In diesen Gebieten etwas anderes zu tun als im französischen Kernland hätte wohl ebenso nicht funktioniert wie eine Negierung der Ergebnisse der Revolution. Diese Entwicklung auf die napoleonischen Eroberungen übertragen zu wollen ist zumindest fraglich. Und dies nicht nur unter dem Aspekt, dass Gewaltenteilung in Frankreich auch eher auf dem Papier stand.

Grüße
excideuil
 
Das halte ich für eine Legende
Wieso ?:winke:

excideuil, du hast in so fern recht,als die linksrheinischen Gebiete zu französischen Departements wurden, aber es handelte sich doch um besetzte Gebiete und kein gewachsenes französisches Territorium und hatte daher schon Modellcharakter für den Umgang mit weiteren abhängigen Gebieten. Als ähnliche Musterstaaten außerhalb Frankreichs sollten ja u.a.das Königreich Westphalen,das Großherzogtum Frankfurt ,das Großherzogtum Berg sowie das Königreich Holland fungieren.Den Grundizügen nach handelte es sich dabei um von den Prinzipien der Aufklärung geprägte Modellstaaten,die jedoch letztendlich durch die Belastungen der napoleonischen Kriege scheiterten. Gleichwohl geben diese Staaten und Gebiete m.E. eine Vorstellung davon,wie das napoleonische Europa nach einem erfolgreich beendeten Krieg ausgesehen hätte.
 
Na, ja, ich bleibe da vorsichtig. Auch weil ich mir die Frage stelle: Entsprach es denn Bonapartes Intension, Frankreich und die Modellstaaten so zu gestalten, wie es geschehen ist? Anders gefragt, entsprach dies nicht viel eher den Interessen des französischen Bürgertums, das die Revolution gewonnen hatte?

Bei Willms heißt es:
"Der Putsch des 18. Brumaire hatte nur gelingen können, weil er die damals herrschende Unordnung und Ratlosigkeit mit dem Versprechen überwand, die Errungenschaften der Revolution gegen deren Revolutionierung zu verteidigen. Damit vor allem gewann Bonaparte die Unterstützung der Revolutionsgewinnler, während die ermüdeten und enttäuschten Volksmassen, die einst der jakobinischen Revolution ihre Wucht verliehen hatte, sich allzu bereitwillig mit der Verheißung abfanden, dass ihre Souveränität plebiszitär gewahrt bliebe." [1]

Man kann Bonaparte alles Mögliche vorwerfen, eines wird man ihm nicht absprechen können: eine überdurchschnittliche Intelligenz. Unzweifelhaft hat er begriffen, dass seine Machtgrundlage auf der Durchsetzung der Errungenschaften der Ergebnisse der Revolution bestand. Logisch daher die Veränderungen in Staat, Verwaltung und Gesellschaft, logisch die Gesetzbücher, die das Leben regelten. Logisch auch seine Anteilnahme, sein Arbeitseifer, seine Einflussnahme auf die Gesetze, wollte er sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen ...

Betrachtet man das Konsulat, wird deutlich, dass alles was verwirklicht wurde, als Idee schon vorher bestand, gleich ob Bildung, metrisches System, Code Civil ... und im Grunde war dem "Degen", den Sièyes suchte, doch nur die Rolle zugedacht, für Ruhe im Land zu sorgen! Dass Bonaparte seine Rolle anders verstand, wird spätestens klar, als sich Widerstand gegen seine Bestrebungen, sich zum Alleinherrscher zu machen erhob.

Kann es daher wundern, dass die Eroberungen Holland, Westphalen ... nach dem Vorbild Frankreichs organisiert wurden? Betrachtet man die räumliche Nähe zu Frankreich, kommt mir unwillkürlich der Gedanke, dass diese Staaten ein erweitertes "Binnenabsatzgebiet" für die französische Wirtschaft darstellten. Ist dies nicht gleichbedeutend mit der Weitererfüllung des am 18. Brumaire geschlossenen "Vertrages", auch wenn Napoleons Brüder oder getreue Vasallen wie Murat oder Dalberg auf dem Thron saßen? Anders gefragt, wie hätten denn Modellstaaten auf der Grundlage des ancien régime gewirkt?

Betrachtet man die weitere Entwicklung, waren weitere tiefgreifende Veränderungen in anderen eroberten/verbündeten Staaten wohl nicht mehr erforderlich, es genügte, dass das Gold großer Teile Europas gen Frankreich rollte …

Ich kann daher kein napoleonisches Europa nach „den Prinzipien der Aufklärung“ erkennen.

Was nun einen erfolgreich beendeten Krieg betrifft:
In der napoleonischen Außenpolitik gibt es m.W. kein Papier, das strategische Ziele definiert. Wenn es so etwas wie einen roten Faden gibt, dann ist es der Krieg gegen England. Betrachtet man folgende Zahlen:

Exportvolumen Frankreich/England in Millionen Franc:
1805 1806 1807 1808 1809 1810 1811 1812 1813 1814
Frankreich 375 455 385 341 341 377 328 419 354 346
England 1034 1110 1010 1012 1287 1315 893 1132 k.A. 1235 [2]

dann wird deutlich, dass Napoleon den Krieg nicht in Europa gewinnen konnte. Mit anderen Worten, wäre der russische Feldzug erfolgreich gewesen, wäre er in Asien weitergeführt worden …
Ich möchte mir die Folgen für Europa nicht ausmalen.

Grüße
excideuil

[1] Willms, Johannes: „Napoleon“, Pantheon, München 2009, (2005), Seite 375
[2] Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht – Internationale Beziehungen 1785 – 1830, Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich, 2004, Seite 93
 
Ich komme noch einmal auf das Thema Europa, Musterstaaten und Wirkmächtigkeit der napol. Kriege zurück:

Westfalen wurde mit den Schulden der einverleibten Gebiete belastet, es musste 20 – 30 Millionen allein von dem verschwenderischen hessischen Kurfürsten übernehmen, weiterhin 35 Millionen für die Armee aufbringen, 26 Millionen als Beitrag zu den Kriegslasten (in eineinhalb Jahren) und 8 Millionen für offene Posten aus dem Krieg von 1807. Ferner beschlagnahmte Napoleon die Hälfte der Domänen und schenkte sie lastenfrei seinen Generalen. Auch hier eine franz. Besatzungsarmee von ungefähr 30000 Mann, für deren Unterhalt das Land aufzukommen hatte. Im Jahre 1812 war die Staatsschuld auf eine bisher nicht gekannte Höhe angewachsen. Das Defizit der ersten sechs Monate betrug bereits 30 Millionen …
Sogar König „Lustic“ stieß schließlich einen Alarmruf aus: „Die Gärung hat den höchstmöglichen Grad erreicht. Man denkt daran, dem Beispiel Spaniens zu folgen, und wenn ein Krieg ausbricht, werden alle Gebiete zwischen Rhein und Oder der Herd eines aktiven Aufstands sein. Die hauptsächlichste Ursache dieser Unzufriedenheit ist nicht nur die Ablehnung des fremden Joches, sondern vielmehr der Ruin aller Bevölkerungsklassen, die überspannten Steuern, Kriegsabgaben, der Unterhalt von Truppen, Durchmärsche von Soldaten, fortgesetzte Quälereien. Die Verzweifelung der Völker, die nichts zu verlieren haben, weil man ihnen alles weggenommen hat, ist wirklich schrecklich.“ [1]

„Westphalen (1807: 38000 qkm mit ca. 2 Mio. Einw.; 1810: 54.000 qkm mit 2,6 Mio. Einw.) erhielt Ende 1807 eine den franz. Vorgaben entsprechende Verfassung und Verwaltung. Außenpolitisch sollte dem neuen Königreich die Aufgabe zufallen, das über die Elbe zurückgedrängte Preußen in Schach zu halten. Aus diesem Grunde musste es für eine 12500 Mann starke Besatzung in Magdeburg aufkommen. Ansonsten diente es dem Kaiser als Soldatenreservoir, da für das Heer – ein Kontingent von 25000 Mann zu stellen war. Außerdem zog Napoleon den größten Teil der Domänen ein, um damit vor allem verdiente hohe Offiziere seiner Armee auszustatten. Sie wurden zudem in den Adelsstand erhoben, und für ihre Güter galt das Majorat, d.h. das ungeteilte Erbrecht für den ältesten Sohn, das in Frankreich durch den Code civil ausgeschlossen war. Die Ausbeutung des Königreiches für militärische Zwecke trug erheblich zu seiner geringen Stabilität bei … Napoleon traute es seinem jüngsten Bruder ebenso wenig wie König Ludwig von Holland zu, die Kontinentalsperre an den Küsten seines Reiches durchzusetzen. Deshalb wurde bereits Ende des Jahres ein breiter Gebietsstreifen entlang der Nordsee, insgesamt 8500 qkm, abgetrennt. Seitdem besaß das Königreich nur noch 45500 qkm mit etwa 2,1 Millionen Einw. 1813 wurde es zum Nebenkriegsschauplatz, der nach N. Niederlage von Leipzig durch die franz. Truppen geräumt wurde. König Jérôme verließ sein Land am 26. Oktober.“ [2]

Und dies gerade einmal nach einer Woche nach der Schlacht von Leipzig! Deutlicher kann sich die instabile Lage von Westphalen gar nicht darstellen. Deutlich wird auch, dass vom Begriff des Modelstaates wohl nur die Verwaltung und Gesetze bleiben, ansonsten sich das Land ausschließlich den Hegemonialwünschen des Kaisers unterzuordnen hatte. Sehr deutlich erkennbar an der systematischen Ausplünderung und auch an der veränderten Grenzziehung, die nur franz. Interessen im Wirtschaftskrieg gegen England dienen sollte.

Ähnliches gilt für das Großherzogtum Berg (17.350 qkm mit nahezu 880000 Einw.)
Zu stellende Truppen: 6600.
„Trotz nachhaltiger Reformen, die der Wirtschaft des bergischen Landes mit seiner auf Export angewiesenen Textilindustrie nützlich waren, konnte der Wohlstand nicht vermehrt werden, da Frankreich sich vor allem seit 1806 auch gegen einen Musterstaat wie das Großherzogtum durch Schutzzölle. 1807 wurde bergischen Produkten auch der Markt des Königreichs Italien verschlossen, zudem traf die Kontinentalsperre das Land schwer, weil man auf die Zufuhr von Rohstoffen von den Britischen Inseln angewiesen war…
Die Besetzung durch preußische Truppen Ende des Jahres (1813) und die Angliederung des bergischen Landes an das Königreich Preußen wurden deswegen hier mit Erleichterung aufgenommen.“ [2]

Erbe zieht dann als Fazit:
„In beiden franz. Musterstaaten auf deutschem Boden ist N. also aus dem inneren Widerspruch seiner Außenpolitik nicht herausgekommen: Seine Expansionsbestrebungen und seine protektionistische Wirtschaftspolitik blieben miteinander unvereinbar. Deshalb war es nicht möglich, die Staaten, mit denen er in Deutschland gewissermaßen moralische Eroberungen hätte machen können, so auszustatten und so gut zu stellen, dass sie auf die übrigen deutschen Staaten innerhalb wie außerhalb des Rheinbundes wirklich beispielhaft und nachahmenswert hätte wirken können. So blieb es faktisch bei einer Ausbeutungspolitik, die sämtliche positiven Ansätze, die durch Reformen sonst hätten bewirkt werden können, zunichte machte. Nirgends sind daher die letztlich negativen Auswirkungen der in sich paradoxen Politik des franz. Kaisers so offenkundig wie hier.“ [2]

Ich denke, dies bedarf keines weiteren Kommentars.

Sagen wir es mal so: ohne die Napoleonischen Feldzüge hätte es keinen Veränderungsdruck auf die überkommenen europäischen Gesellschaften gegeben und so etwas wie die Steinschen Reformen und ähnliche Bestrebungen hätten wohl langfristig nicht stattgefunden.
Das halte ich für eine Legende.
Ich auch. Ein sehr interessanter Gedanke ist schon in #42 genannt worden:
Als "Urvater der EU" taugt Napoleon m.E. nicht, da käme aus meiner Sicht eher ganz unspektakulär der Zollverein infrage, was nichts heißen mag.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Zollverein

Ausgehend von:
„Der Deutsche Zollverein war ein Zusammenschluss deutscher Bundesstaaten für den Bereich der Zoll- und Handelspolitik“ (Wiki), dann berührt das ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Diese wirtschaftlichen Interessen gab es auch 1790: „Die Zersplitterung in einzelne Territorien und Länder führte dazu, dass es in Deutschland um 1790 noch 1.800 Zollgrenzen gab.“ (Wiki) Betrachtet man die großen wirtschaftlich starken europäischen Staaten in Europa, dann wird deutlich, dass den deutschen Staaten auch ohne napol. Kriege eher früher als später gar nichts übrig geblieben wäre als sich wirtschaftlich – und auch politisch - so aufzustellen, um dem wirtschaftlichen Druck von außen standhalten zu können. Und der Zollverein ist ein schöner Beleg, da er in Friedenszeiten gebildet wurde! Das bedeutet, dass den napol. Kriegen in Bezug auf die Entwicklung in Europ zuviel Bedeutung beigemessen wird. Man kann sogar zu dem Schluss kommen, dass durch die Ergebnisse (Restauration, Wiener Kongress, Heilige Allianz) die Entwicklung in Europa sogar gebremst wurde. Aber das ist spekulativ.

Grüße
Excideuil

[1] Presser, Jacques: „Napoleon – Die Entschlüsselung einer Legende“, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1979, Seiten 325/6
[2] Erbe, Michael: Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht – Internationale Beziehungen 1785 – 1830, Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich, 2004, Seiten 181-183
 
Ich komme noch einmal auf das Thema Europa, Musterstaaten und Wirkmächtigkeit der napol. Kriege zurück:

Westfalen wurde mit den Schulden der einverleibten Gebiete belastet, es musste 20 – 30 Millionen allein von dem verschwenderischen hessischen Kurfürsten übernehmen, weiterhin 35 Millionen für die Armee aufbringen, 26 Millionen als Beitrag zu den Kriegslasten (in eineinhalb Jahren) und 8 Millionen für offene Posten aus dem Krieg von 1807. Ferner beschlagnahmte Napoleon die Hälfte der Domänen und schenkte sie lastenfrei seinen Generalen. Auch hier eine franz. Besatzungsarmee von ungefähr 30000 Mann, für deren Unterhalt das Land aufzukommen hatte. Im Jahre 1812 war die Staatsschuld auf eine bisher nicht gekannte Höhe angewachsen. Das Defizit der ersten sechs Monate betrug bereits 30 Millionen …
Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass Friedrich II. den hessischen Staat auf viele Jahrzehnte mit dem "Soldatenhandel" saniert hätte. Wie passt denn das zusammen?
 
Dass Napolėons Europa auf Paris zentriert sein sollte liegt einfach daran dass er es für notwendig halten musste weil in Kontonentaleuropa nur in Frankreich etwas in entscheidendem Maß voran ging (Grande Revolution)
Kant, etc. sind Ausnahmen, und an eine Herrschaft über England war noch nicht zu denken.
Außerdem zeigt der Titel Kaiser deutlich Bonapartes Wunsch an die Römischen Caesaren anzuknüpfen (auch mit einem Vereinigten Europa) und das neue Rom/ Byzantium ist logischerweise Paris

Napoleon war Frankreich und seinen Soldaten (!) verpflichtet. Nicht auszudenken, was sie gesagt hätten, wenn er Rom oder Berlin oder Venedig oder sonstwas zur Hauptstadt erklärt hätte!

Und dass er Europa in kleine Verwaltungsbereiche aufteilt ist Fakt. Sein Vetter, König von Neapel, Jerome, König von Westfalen und die Armeen von Poniatowski, etc. sagen alles.

Napoleon ist nicht unbedingt der Vater der EU aber des Gedankens eines Föderal organisierten Europäischen Staates (der sich Nicht an den bestehenden Staatengrenzen orientiert)

Auf so eine Staatenunion wie es der gute Napoleon wollte kann man wirklich verzichten.
 
Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass Friedrich II. den hessischen Staat auf viele Jahrzehnte mit dem "Soldatenhandel" saniert hätte. Wie passt denn das zusammen?

Man lebte tatsächlich auf großem Fuss (nur als Beispiel der europaweite exzessive Gemäldekauf, vergleichbar Sachsen, der größte Teil der Sammlung wurde von Jerome geraubt) und finanzierte trotz der Einnahmen aus dem Bergbau, Handel und Salz auch über Schulden und auch über den Soldatenhandel, mindestens seit dem Dreißigjährigen Krieg. Jedenfalls brauchte man Geld und verkaufte/"vermietete" fast 20.000 Mann an die Briten für die laufenden Ausgaben.

Die hohe Verschuldung zu Napoleons Zeiten kann ich jetzt nicht belegen, aber halte ich für plausibel. Schon die Karlsaue soll durch solche Vermietungen finanziert worden sein, weswegen in einer früheren Documenta dort ein Schweinestall in Front der Orangerie aufgebaut wurde.
 
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