Napoleon - Erschaffer oder Zerstörer Deutschlands?

Hei Brissotin,

das klingt ein wenig nach unaufløslicher Erbfeindschaft zwischen D/Habsburg und F.
Ich meine schon, dass es durchaus einen Interessensausgleich zwischen den beiden geben konnte - die Rheingrenze wære sicherlich fuer die Habsburger akzeptabel gewesen, wenn sie nicht durch frz. Revolutionstruppen und den "Emporkømling" Napoleon erreicht/verteidigt worden wære, sondern durch einen Bourbonen z.B. .
Habsburgs Interessen waren doch eher auf dem Balkan gegen das Osmanische Reich (und vielleicht Russland) gerichtet und auch sinnvoller als z.B. der Besitz der habsburg. Niederlande/Belgien.

Gruss, muheijo
 
Hei Brissotin,

das klingt ein wenig nach unaufløslicher Erbfeindschaft zwischen D/Habsburg und F.
Ich meine schon, dass es durchaus einen Interessensausgleich zwischen den beiden geben konnte - die Rheingrenze wære sicherlich fuer die Habsburger akzeptabel gewesen, wenn sie nicht durch frz. Revolutionstruppen und den "Emporkømling" Napoleon erreicht/verteidigt worden wære, sondern durch einen Bourbonen z.B. .
Habsburgs Interessen waren doch eher auf dem Balkan gegen das Osmanische Reich (und vielleicht Russland) gerichtet und auch sinnvoller als z.B. der Besitz der habsburg. Niederlande/Belgien.
Aber waren die Niederlande (die österreichischen Niederlande) nicht auch eine der einträglichsten Provinzen der Österreicher? Aber sicherlich waren diese Gebiete den Österreichern, d.h. dem Kaiser, nicht so wichtig, wie ein kompaktes Staatsgebiet zu erreichen. Das wird zum einen durch das österreichisch-bayerische Tauschprojekt in den 1770ern und 1780ern wie auch durch den Rückzug Österreichs am Rhein (Vorderösterreich) verdeutlicht. Natürlich ohne jeden Ausgleich sich die Niederlande wegnehmen zu lassen, wollten die Österreicher auch nicht. Außerdem war die Verteidigung derselben ja ein hervorragender Anlass, dass man die Reichsarmee aktivieren konnte. Denn die österreichischen Niederlande waren ja ein Teil des Reiches. Das erklärt für mich auch die Hartnäckigkeit des Kaisers gegenüber Frankreich, mit dem Vorgehen Frankreichs in den Niederlanden, auch die Einflussnahme und Besetzung der Generalstaaten, konnte der Kaiser keinesfalls leben. Daher führte Österreich auch sicherlich den Krieg weiter bis 1797.

Aber schon die Installierung der neuen französischen Departements von 1798 im Linksrheinischen musste zweifelsohne das Reich an sich in Frage stellen, wenn das hingenommen wurde...
 
Aber schon die Installierung der neuen französischen Departements von 1798 im Linksrheinischen musste zweifelsohne das Reich an sich in Frage stellen, wenn das hingenommen wurde...

Warum?
- Sprachgrenzen waren doch zur damaligen Zeit uninteressant.
- Alle, die linksrheinisch verloren haben, wurden rechtsrheinisch entschædigt.
- Wirtschaftlich und Bevølkerungsmæssig war der Verlust auch verkraftbar.

Gruss, muheijo
 
Welcher Herrscher innerhalb des Reiches konnte denn eine umfangreiche Außenpolitik über die Grenzen des Reiches hinaus verfolgen? Ich meine die Frage auf die Zeit vor 1800 gemünzt. Preußen und Österreich sowie das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg mit Sicherheit, ...
Und dann natürlich Bayern, siehe den "Reichsverräter" Max Emmanuel.

Ansonsten gebe ich Dir aber völlig recht.
 
Mir viele jetzt kein einziger französischer König sowohl des Mittelalters wie auch der Neuzeit ein der versucht hätte das HRR zu zerstören
Na ja, ein "zerstören" konnte kaum versucht werden, weil Frankreich dazu vor Napoleon die Mittel fehlten.
Ein solcher Versuch wäre so absurd gewesen, daß in der Tat kein König daran Gedanken verschwendet hat.

Aber es gab eigentlich (zumindestens nach dem Ende des hundertjährigem Krieg, vorher war Frankreich intern beschäftigt) eine permanente außenpolitische Linie, das Reich bestmöglich zu schwächen und seinen Einfluß zurückzudrängen.

Da stand Napoleon voll in der Tradition der Könige und hat dieses Schwächen und Zurückdrängen dann eben bis zum Endpunkt geführt - der Vernichtung des Reichs.
 
Repo schrieb:
Aber es gab eigentlich (zumindestens nach dem Ende des hundertjährigem Krieg, vorher war Frankreich intern beschäftigt) eine permanente außenpolitische Linie, das Reich bestmöglich zu schwächen und seinen Einfluß zurückzudrängen.

Diese außenpolitische Linie war letztlich die Reaktion Frankreichs durch die Bedrohung durch Habsburg welches seit dem burgundisch-spanischen Erbgang Frankreich umklammert hatte und seitdem ähnlich wie England während des hundertjährigen Krieges Druck auf Frankreich aufbaute.

30er Krieg, spanischer Erbfolgekrieg und Reunionskriege waren die Mittel womit das Brechen dieser Unklammerung erreicht wurde. Das dabei in den Jahrhunderten die kaiserliche Autorität im Reich baden ging war aber wohl eher der Unfähigkeit der Kaiser zu schulden, die nicht in der Lage waren diese gegenüber den Reichsfürsten durchzusetzen. Frankreich bediente sich letztlich der kaiserfeindlichen Kräfte innerhalb des Reiches für seinen Kampf, genauso wie übrigens Habsburg während der Hugenottenkriege in Frankreich gerne rührte.

Unter Ludwig XV. und XVI. kam es schließlich zur Annäherung zu den Habsburgern die mit den Angriffen der Monarchien Europas in den Koalitionskriegen gegen die Republik freilich beendet wurde. Den Königen also eine jahrhundertelange gezielte Zerstörung des Kaisertums, für welches sie sich selber oft bewarben, anzulassten ist nicht gerechtfertigt.

Die Schwäche des Kaisertums hat seinen Ursprang aber sicherlich nicht bei den Habsburgern. Schon die Staufer vor ihnen regierten mit gebrochenen Schwingen die ihnen Philipp August 1214 zusandte.
 
Diese außenpolitische Linie war letztlich die Reaktion Frankreichs durch die Bedrohung durch Habsburg welches seit dem burgundisch-spanischen Erbgang Frankreich umklammert hatte...
Über Ursachen oder gar Berechtigungen wollte ich gar nichts sagen. Nach den damaligen Maßstäben braucht es auch gar keine große moralische Berechtigung, um sich auf Kosten seiner Nachbarn ausdehnen zu wollen.
Und Frankreich hatte halt nur die Habsburger zum Landnachbarn ...

Wobei mir jetzt nicht bewußt wäre, daß die Habsburger wirklich aktiv Frankreich bedroht hätten, z. B. in Form von Gebietsansprüchen. Da waren die englischen Könige schon anders - die haben Druck gemacht.
Bei den Habsburgern war es wohl nur die Möglichkeit, daß diese die geographische Lage ausnutzen würden, die den französischen Königen unangenehm war.

Den Königen also eine jahrhundertelange gezielte Zerstörung des Kaisertums ...
Wie schon gesagt: Zerstörung war wohl lange Zeit nicht Ziel, weil völlig außerhalb der denkbaren Möglichkeiten.
Es ging ums Schwächen und Zurückdrängen, um das Erobern von Reichsgebieten zwecks eigener Stärkung - und natürlich wäre die eigene Übernahme des Kaiserthrons noch besser gewesen.
 
Von ihrem Geld ...
Und einige zehntausend Rekrutierte von Leben und Gesundheit.

Richtig. Erst "befreite" er die Europäer von ihrem Gold, dann "befreite" er die Tuilerien davon, um z.B. bei Leipzig sein "Deutschland" zurückzu"erobern", um es wieder zu "besetzen" ...


Grüße
excideuil
 
Da machte die Republik aber auch nicht so viel was anderes.
Wollte nicht Brissot (ja, ja auch ich habe ein Steckenpferd manchmal) Europa befreien oder zusammenhauen?
 
War Napoleon für Deutschland ein Befreier oder ein Besatzer?:confused:

Es ist ja nicht sehr höflich, eine Frage mit einer Gegenfrage zu kontern, in diesem Fall aber macht es Sinn.

Zunächst mal sollte man sich fragen welches Deutschland? Deutschland war eher eine Vorstellung in den Köpfen einiger Intellektueller, als ein tatsächliches politisches Gebilde. Sicher, es gab eine Art Reichspatriotismus, und bis 1806 das Heilige Römische Reich, doch Deutschlands Bewohner sahen sich zumeist eher als Preußen, Hessen, Bayern oder Sachsen. Erst mit den Nachwirkungen der Französischen Revolution und der französischen Besatzung entwickelte sich ein deutscher Nationalismus und stellten sich Intellektuelle wie Heinrich von Kleist oder Ernst Moritz Arndt die Frage "was ist der Deutschen Vaterland?".

am Anfang war Napoleon hat schon Nipperdey festgestellt, und am Beispiel des Royaume Westphalie, das als Musterstaat angelegt war, stellt man fest, dass Napoleon sowohl Befreier, als Besatzer war.

Im Königreich Westphalen wurde das erste frei gewählte Parlament auf deutschem Boden gegründet, zum ersten Mal waren alle Menschen vor dem Gesetz gleich, die Leibeigenschaft wurde beseitigt, die Gewerbefreiheit und die Emanzipation der Juden eingeführt. Man konnte im Reich des "Königs Lustik" sogar aus der Kirche austreten. Das liberale Bürgertum der Residenz Kassel hat Jerome Bonarparte gehuldigt, dennoch klatschten die meisten Leute Beifall, als 1813 Kurfürst Wilhelm I. zurückkehrte, der alle Reformen bis auf die Geschworenengerichte wieder abschaffte und in der hessischen Armee "alte Zöpfe" wieder einführte.

Bereits 1806 und 1809 kam es zu Aufständen gegen die Franzosen, denn der große Bruder in Paris griff rücksichtslos auf die Ressourcen des Landes zurück, um seine Kriege zu finanzieren. Da auch die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde mussten die jungen Männer in Kriegen kämpfen, die nicht die ihren waren. Die westphälische Armee, im Kern die der alten Landgrafschaft Hessen Kassel ist in Spanien und Russland verblutet, nur wenige Hundert Mann von 20.000 überlebten Napoleons Russlandabenteuer.
 
Mehr oder minder frei waren aber doch auch die Wahlen in der Mainzer Republik.:winke:

Aber eben nicht in den Staaten der HRR. Insofern ist hier aufgrund des frz. Einflusses schon etwas passiert, dass fuer den weiteren Verlauf der dt. Geschichte positiv zu werten ist: Man kam auf den Geschmack...

Und auch das weiter oben erwæhnte Bluten fuer fremde Mæchte gab es ja auch schon frueher, da hat doch ein hessischer Landesfuerst seine Soldaten nach England verkauft/vermietet...Also nicht unbedingt etwas neues, wenn auch im Umfang extremer.

Gruss, muheijo
 
Aber eben nicht in den Staaten der HRR. Insofern ist hier aufgrund des frz. Einflusses schon etwas passiert, dass fuer den weiteren Verlauf der dt. Geschichte positiv zu werten ist: Man kam auf den Geschmack...
Das verstehe ich jetzt nicht.

Was willst Du mir jetzt damit sagen?

Wo lag den Mainz? Nicht im HRR? :confused:
 
Das verstehe ich jetzt nicht.

Was willst Du mir jetzt damit sagen?

Wo lag den Mainz? Nicht im HRR? :confused:

(Noch), ja. Aber eben unter frz. Einfluss - o.k., noch nicht z.Zt. von Napoleons Regierung , aber jedenfalls nicht aufgrund von Reformen der damaligen Herrscher.
Ich wollte auf's "vom Ausland = Frankreich = spæter dann Napoleon beeinflusst/veranlasst" hinaus - es war keine Reform oder gar Revolution im HRR aus sich selbst heraus: Darauf hætte man noch lange warten kønnen.

Gruss, muheijo
 
Aha, ich dachte, Du wolltest es mit Westfalen vergleichen. Darum war ich irritiert. Wobei mir die Mainzer Republik zumindest eher von der Mainzer Bevölkerung getragen vorkommt, als es das westfälische Königreich war. Bei dem einen wurde ein Staat ganz und gar von Napoleon gegründet/geschaffen, in dem anderen ging die Aktivität ja auch von den deutschen Republikanern wie Forster aus, die dann freilich von den Franzosen unterstützt bzw. vereinnahmt wurden.

Demokratische Zirkel gab es aber in vielen Teilen Deutschlands von Altona bis Mainz. Kein Wunder also, dass sich auch durchaus in den Jahren der französischen Schwesterrepubliken durchaus auch in Deutschland Vordenker deutscher Staaten ähnlichen Modells fanden.
Eine größere demokratische Erhebung freilich ist mir nicht bekannt. Dafür mangelte es offenbar am Potenzial v.a. in der Fläche.
 
Aha, ich dachte, Du wolltest es mit Westfalen vergleichen. Darum war ich irritiert. Wobei mir die Mainzer Republik zumindest eher von der Mainzer Bevölkerung getragen vorkommt, als es das westfälische Königreich war. Bei dem einen wurde ein Staat ganz und gar von Napoleon gegründet/geschaffen, in dem anderen ging die Aktivität ja auch von den deutschen Republikanern wie Forster aus, die dann freilich von den Franzosen unterstützt bzw. vereinnahmt wurden.

Demokratische Zirkel gab es aber in vielen Teilen Deutschlands von Altona bis Mainz. Kein Wunder also, dass sich auch durchaus in den Jahren der französischen Schwesterrepubliken durchaus auch in Deutschland Vordenker deutscher Staaten ähnlichen Modells fanden.
Eine größere demokratische Erhebung freilich ist mir nicht bekannt. Dafür mangelte es offenbar am Potenzial v.a. in der Fläche.

Das Königreich Westphalen war sicher ein ziemlich künstliches politisches Gebilde, das Territorien umfasste, die nicht viel miteinander gemein hatten und wenig homogen waren, dennoch würde ich die historischen Chancen Westphalens höher veranschlagen, als die der Mainzer Republik, die in ihrem Bestand völlig auf französisches Militär angewiesen war. Westphalen aber war ein territorial sehr kompakter Flächenstaat mit einer sehr modernen Verwaltung. Auch wirtschaftlich hätte Westphalen seinen Bürgern einiges bieten können, wenn das Königreich Zeit gehabt hätte, sich in einer längeren Friedenszeit zu entfalten.

Das liberale Bürgertum der Residenz Kassel, darunter viele Hugenottenfamilien zeigte sich durchaus geneigt, Jerome Bonarparte Beifall zu klatschen. Viele Handwerker, vor allem in der Residenz Kassel profitierten von der Gewerbefreiheit und von staatlichen Aufträgen. Will man einigen zeitgenössischen Berichten aus der "Franzosenzeit" Glauben schenken, blieben die Bauern und die Armee in althessischer Treue dem Hause Hessen verpflichtet wie Johann Caspar Schenk von Schweinsberg, der letzte Kommandant der festung Ziegenhain, der 1807 mit einem "althessischen Fluch auf die Lausefranzosen" ins Nirvana abtrat. Der Landgraf bzw. Kurfürst hatte sich aber mit seinen Millionen ins Ausland abgesetzt, und das vielbewunderte Preußen das Debakel von Jena und Auerstedt erlitten. Die hessischen Beamten und Offiziere mussten von irgendetwas leben, und die meisten von ihnen traten in westphälische Dienste und waren durchaus loyal gegenüber dem neuen Staat.
 
Nun, vielleicht liege ich falsch, vielleicht verderbe ich es mir mit den Napoleonverehrern, dennoch:

Napoleon werden Verdienste an die Brust geheftet, die m.A. nach zumindest fragwürdig sind, einfach, weil er gar nicht anders konnte.

Beispiel Code Civil. Das Gesetzbuch ist Ergebnis der Revolution, nicht Ergebnis von Napoleons Wohlwollen. Dasselbe gilt auch für die anderen Gesetze, die eingeführt wurden, ebenso für die Verwaltung. Sie waren Bedürfnisse des siegreichen Bürgertums und kein Napoleon hätte sie verhindern können!

Beispiel Religion. Napoleon glaubte an seinen Stern aber nicht an einen Gott. Er führte dennoch die Religion wieder ein. Warum wohl?
Als Machtpolitiker hatte er die Zeichen seiner Zeit erkannt, alle getroffenen Maßnahmen dienten dem Zweck, Frankreich besser beherrschbar zu machen, um die vorhandenen Ressourcen für die Kriegsführung nutzen zu können.

Nicht nur der Ruhm seiner Schlachten verbreitete in Europa Hoffnungen ...

Man stelle sich nur vor, er hätte in den eroberten Ländern bestehende feudale Verhältnisse beibehalten. Unmöglich, der Widerstand gegen ihn wäre sofort losgebrochen. Er konnte gar nicht anders als eine moderne Staatsverwaltung, einen Hauch von Freiheit einzuführen. Das ganze hatte ja sogar den Charme, dass der Nimbus des "Befreiers" lange Zeit den eigentlichen Zweck überdeckte, denn bei Licht betrachtet, dienten alle Maßnahmen wieder nur der Maximal-Ausbeutung der Länder, um sich mit Hilfe der eroberten Ressourcen auf den nächsten Feind zu stürzen ...

In der Summe hat Napoleon Ideen und Veränderungen über Europa gebracht, dies aber völlig unabhängig von seinem eigentlichen Wollen, denn was hat beispielsweise eine Reform in Westfalen mit der Niederringung von England oder der Errichtung der Weltherschaft zu tun? Sie war Mittel zum Zweck.

Die Ergebnisse der franz. Revolution wären unweigerlich über Europa gekommen, fraglich ist nur wie und wann. Ob Napoleon nun ein Beschleuniger war, ist zumindest zweifelhaft, schließlich hat die heilige Allianz im Ergebnis des Wiener Kongresses für viele Jahre verhindernd gewirkt.

Grüße
excideuil
 
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