Napoleon - Erschaffer oder Zerstörer Deutschlands?

Dein Beispiel mit den verbündeten Sachsen macht deutlich, dass die Auswirkungen der Ziele des Korsen auf die Bevölkerung, egal ob Freund oder Feind, sich nicht wirklich grundsätzlich unterschieden.

Es ist høchste Zeit, geschætzter excideuil, die doch sehr einseitige Sichtweise etwas gerade zu ruecken:

Es verfælscht die napoleonischen Epoche doch etwas zu stark, wenn man es darauf verkuerzt, dass sæmtliche Kriege und Ereignisse dieser Zeit nur darauf zurueckzufuehren sind, dass ein Einzelner von Anfang an nichts anderes im Sinn hatte, als die Weltherrschaft zu erlangen und er das einzige Hindernis fuer einen Frieden in Europa gewesen sei. (Ich denke, ich habe damit die Masse deiner Postings sinngemæss richtig zusammengefasst)

- Warum in aller Welt sollte es nicht akzeptabel gewesen sein, eine østerreichische Vorherrschaft in Italien durch eine franzøsische zu ersetzen? Was sprach gegen den Frieden von Basel und Campo Formio, oder spæter den Frieden von Lunéville? War ein frz. linkes Rheinufer und ein paar Satellitenstaaten so masslos?
- Wieso mussten Russland und Østerreich 1805 Frankreich angreifen?
- Wieso musste Preussen 1806 unbedingt gegen Frankreich zu Felde ziehen?
- Wieso musste Østerreich 1809 erneut den Krieg erklæren?

Man sah jedesmal eine Chance, vorherige Friedensschluesse rueckgængig zu machen, und ging jedesmal baden. Und es gab ein Land, dass dies gerne unterstuetzte, diplomatisch und mit Geldern: England.

Ganz so schwarz-weiss sollte man also diese 20 Jahre Napoleon nicht malen:
"Das friedvolle Europa gegen einen masslosen Korsen" verkuerzt es doch zu sehr.

Gruss, muheijo
 
In meinen Beiträgen, geschätzer muheijo habe ich zum Ausdruck gebracht, dass ich die Situation für Frankreich nach Lunéville und Amiens für eine ausgezeichnete halte. In dieser Stellung war weder eine österreichische oder russische Übermacht auf dem Kontinent zu erwarten. Es hätte eine lange Friedenszeit bedeuten können, wenn man denn den Willen gehabt hätte, mit diplomatischen Mitteln Konflikte zu lösen.

Meiner Ansicht nach war es politischer Selbstmord, diese gleichgewichtige Stellung zu verlassen und Frankreich weitere Gebiete einzuverleiben. Das Gleichgewicht in Europa wurde dadurch nachhaltig gestört, die Friedensschlüsse waren quasi Diktate also bessere Waffenstillstände und trugen bereits den Keim neuer Auseinandersetzungen in sich. Und so konnte sich natürlich der Korse hinstellen, um zu behaupten, er wäre gezwungen, Sieg an Sieg zu reihen. Ja, klar, wen man nicht erkennt, dass die Position der anderen Mächte sie dazu zwingt.

Nach meinen Erkenntnissen gab es keine stategische französische Außenpolitik zu Zeiten des Empire. Meiner Ansicht nach reagierte sie nur auf die sich ständig ändernden Bedingungen, wobei deutlich wird, dass nur aus der Position der Stärke gehandelt wurde. Diplomatie im übertragenen Sinn fand nicht statt. Deutlich wird dies an der Stellung zu Rußland. Erst ein Zusammengehen, dann der Krieg 1812, und weitere Gedanken Richtung Indien. Deutlich wird dies auch 1813, als trotz der großzügigen Angebote Österreichs kein Ergebnis erzielt wird, N. den kleinsten Sieg zum Anlass nimmt, keinen Frieden zu schließen. Alles oder nichts, so läßt sich dies beschreiben. So handeln nur Hasadeure! Und deswegen ist es auch so schwierig, die Ziele N. zu beschreiben.

Ich bin weit davon entfernt, N. die alleinige Schuld zu geben, bin aber der Meinung, dass die Nichterkenntnis der Wechselwirkungen seines Handelns die Grundlage seiner letzlich zwingenden Niederlage war.

Grüße
excideuil
 
... und weitere Gedanken Richtung Indien.

Das Thema hatten wir schon, ich sehe es nirgends belegt, sogar widerlegt:
Es war urspruenglich nicht einmal beabsicht, ueberhaupt bis Moskau zu marschieren.
Es ging in diesem Feldzug einzig darum, Russland wieder in das System der Kontinentalsperre zu bringen.

Gruss, muheijo
 
In meinen Beiträgen, geschätzer muheijo habe ich zum Ausdruck gebracht, dass ich die Situation für Frankreich nach Lunéville und Amiens für eine ausgezeichnete halte. In dieser Stellung war weder eine österreichische oder russische Übermacht auf dem Kontinent zu erwarten. Es hätte eine lange Friedenszeit bedeuten können, wenn man denn den Willen gehabt hätte, mit diplomatischen Mitteln Konflikte zu lösen.

Soweit d'accord, nur wie hætte eine diplomatische Løsung aus franzøsischer Sicht aussehen kønnen z.B.

- gegenueber Russland und Østerreich 1805, vor dem Angriff auf Bayern?
- gegenueber Preussen 1806, vor dessen Kriegserklærung?

Ich sehe da nicht viel Handlungsspielraum, wenn man nicht auf die von dir angesprochenen Fortschritte (Lunéville) wieder hætte verzichten sollen.

Gruss, muheijo
 
Das Thema hatten wir schon, ich sehe es nirgends belegt, sogar widerlegt:
Es war urspruenglich nicht einmal beabsicht, ueberhaupt bis Moskau zu marschieren.
Es ging in diesem Feldzug einzig darum, Russland wieder in das System der Kontinentalsperre zu bringen.

Gruss, muheijo

Schon räumlich betrachtet, darf bezweifelt werden, dass die Einnahme Moskaus einzig der Durchsetzung der Kontinentalsperre diente. Bekannt ist, dass N. ein Friedensangebot des Zaren erwartete. Da dies nicht erfolgte, kann das in N. Kopf gedachte Ziel nur spekulativ sein. Sicher ist aber, dass Moskau Indien näher liegt als das Baltikum.
Wie auch immer, die französische Außenpolitik bestand zu der Zeit nur aus N.

Grüße
excideuil
 
Soweit d'accord, nur wie hætte eine diplomatische Løsung aus franzøsischer Sicht aussehen kønnen z.B.

- gegenueber Russland und Østerreich 1805, vor dem Angriff auf Bayern?
- gegenueber Preussen 1806, vor dessen Kriegserklærung?

Ich sehe da nicht viel Handlungsspielraum, wenn man nicht auf die von dir angesprochenen Fortschritte (Lunéville) wieder hætte verzichten sollen.

Gruss, muheijo

Meiner Ansicht nach sehr einfach. Mit diplomatischen, möglicherweise auch mit militärischen Mitteln das Gleichgewicht erhalten. Das schließt ein, nach einem Sieg nicht der Versuchung zu erliegen, dem Verlierer einen demütigenden Frieden aufzuzwingen, der Frankreich räumlich stärkt und den Gegner zu weiterem Widerstand zwingt. Wenn Frankreich auf Zugewinn verzichtet hätte, hätte es jeder wie auch immer gearteten Kriegstreiberei die Spitze genommen.

Grüße
excideuil
 
Sicher ist aber, dass Moskau Indien näher liegt als das Baltikum.

Um mal damit aufzuræumen:

Moskau --> Neu Delhi ca. 4.350 km
Moskau --> Berlin ca. 1.600 km
Moskau --> Paris ca. 2.500 km
Moskau --> Riga ca. 850 km

Man soll also einen mehr als doppelt so langen Weg zuruecklegen, als man bisher gemacht hat und bei dem man bereits vielleicht 3/4 der Soldaten verloren hat? Eine Nachschublinie von vielleicht 6.000 km einrichten?

Wære Indien zur Disposition gestanden, warum hat er's dann nicht gemacht? Warum gab es weder davor noch danach von irgendwem irgendwelche Pro's oder Kontras? N hat in St.Helena sich ueber alles und jedes ausgelassen, aber darueber nicht?
Er muss diese Idee also gut geheim gehalten haben...

Nein, es gab in Moskau angelangt nur 2 Alternativen: Ueberwintern oder Rueckmarsch. Die vorherrschende Meinung ist, dass die 1. Alternative aller Wahrscheinlichkeit nach durch den Brand zunichte gemacht worden ist.

Zu Alternative 2 hat sich N freilich etwa 2 Wochen zu spæt entschieden.

Die verschiedenen Ueberlegungen wæhrend des Vormarsches sind hingegen belegt: Quasi bei jeder Etappe (Vilnius, Smolensk etc.) gab es "Diskussionen" im engen Kreis um N, was zu tun sei: Rueckmarsch, Stopp oder weiterer Vormarsch, verbunden mit Verhandlungsangeboten an den Zaren, die aber zu keinem Ergebnis fuehrten. Dazu gibt es zahlreiche Memoiren und Quellen.

Schon räumlich betrachtet, darf bezweifelt werden, dass die Einnahme Moskaus einzig der Durchsetzung der Kontinentalsperre diente. Bekannt ist, dass N. ein Friedensangebot des Zaren erwartete. Da dies nicht erfolgte, kann das in N. Kopf gedachte Ziel nur spekulativ sein.

Es ist so spekulativ, dass es Unsinn ist. Genauso kønnte man sagen, er hætte sich danach nach Amerika einschiffen lassen wollen.
Es ist einfach durch nichts belegt, und deswegen ærgert mich es, N solche Phantastereien anzudichten.

Und du bringst da etwas durcheinander: Es ging nicht darum, die Kontinentalsperre in Moskau durchzusetzen; die Einnahme Moskaus sollte dem Zaren auf die Spruenge helfen, einem Frieden mit ihm einzugehen, bei dem die Rueckkehr Russlands in die Kontinentalsperre ein Bestandteil sein sollte.

Ich bin gerne einig, dass sich N bezuegl. Russland gewaltig verschætzt hat - aber Hirngespinste à la Indien sollte man ihm wirklich nicht zutrauen.

Gruss, muheijo
 
Es ist so spekulativ, dass es Unsinn ist. Genauso kønnte man sagen, er hætte sich danach nach Amerika einschiffen lassen wollen.
Es ist einfach durch nichts belegt, und deswegen ærgert mich es, N solche Phantastereien anzudichten.

Ich bin gerne einig, dass sich N bezuegl. Russland gewaltig verschætzt hat - aber Hirngespinste à la Indien sollte man ihm wirklich nicht zutrauen.

Gruss, muheijo

Über das Stadium "ärgern" bin ich hinaus. Früher hat es mir mehr als nur Kopfschütteln bereitet, wenn z.B. nach der Behauptung N. er hätte die Revolution beendet, viele ehrfurchtvoll dieses auch anerkennen. Bitte, kein Problem, ihre Meinung, ich sehe das anders, habe meine Meinung hier im Forum auch kundgetan und damit hat es sich. Sich über eine andere (sachliche begründete) Meinung zu ärgern, macht keinen Sinn.

Mein Verweis, Moskau sei näher an Indien als das Baltikum war deiner Aussage geschuldet:

"Es ging in diesem Feldzug einzig darum, Russland wieder in das System der Kontinentalsperre zu bringen."

Wäre dem so gewesen, hätte eine begrenzte Intervention, die Seewege betreffend wohl gereicht?

In deinem letzten Beitrag relativierst du:

"Es ging nicht darum, die Kontinentalsperre in Moskau durchzusetzen; die Einnahme Moskaus sollte dem Zaren auf die Spruenge helfen, einem Frieden mit ihm einzugehen, bei dem die Rueckkehr Russlands in die Kontinentalsperre ein Bestandteil sein sollte."

Ein Frieden mit dem Zaren? Auf welcher Grundlage? Auf der eines Diktates wie im übrigen Europa? Dann sage mir, mit welchen Mitteln er dieses Diktat hätte durchsetzen wollen.
Oder ein echter Frieden als Partner? Was hätte denn N. dem Zaren bieten können im Tausch gegen die bekanntlich negativen wirtschaftlichen Wirkungen der Kontinentalsperre? Etwa einen gemeinsamen Marsch gegen Indien, weil die Kontinentalsperre offensichtlich nicht ihren Zweck erfüllte?

Deutlich wird diese Möglichkeit schon 1808. Vor Erfurt wurde Talleyrand wieder in Gnaden aufgenommen. Und dieser berichtet in seinen Memoiren von einem Schreiben an Alexander: "Zugleich brachte er wieder die Teilung der Türkei in Anregung und außerdem noch seinen lang geplanten Feldzug nach Indien gegen England." (T.:Memoiren, Bd. 1, Seite 295)

Sicherlich nur ein Indiz, auch unter der Tatsache, dass der Feldzug nie stattfand. Will man den Sinn des Rußlandfeldzuges verstehen, bekommt die Idee Indien aber Konturen, egal ob sie realistisch war oder nicht.

Grüße
excideuil
 
Napoleon und Goethe

Immerhin nutzte Goethe die Franzosen in Weimar und das Inkrafttreten des Code de Civil sofort als Gelegenheit, seine Christiane Vulpius zu heiraten. Diese "unstandesgemäße Verbindung", vorher gänzlich undenkbar, entsetzte seine gebildeten Zeitgenossen und Verehrer geradezu. Bettina von Armin nannte sie "eine dicke Blutwurst" - andere kolportierten, sie würde sich alle Tage besaufen.

1813, als allzu patriotische Reden geschwungen wurden, sagte Goethe: "Ja zerrt nur an euren Ketten, sie werden sich tiefer ins Fleisch schneiden, denn dieser Mann (N.) ist viel zu groß für euch." Das wurde mit "Lasst ihn, er ist alt geworden" von seinem Umfeld kommentiert.
(Quelle: diverse Augenzeugen, aufgeführt in "Befreiung 1813,1814,1815")
Muss das Buch in meinem Chaos noch suchen.
 
Immerhin nutzte Goethe die Franzosen in Weimar und das Inkrafttreten des Code de Civil sofort als Gelegenheit, seine Christiane Vulpius zu heiraten. Diese "unstandesgemäße Verbindung", vorher gänzlich undenkbar
Scheint mir eine nette Legende, denn der Code civil kann in Weimar fühestens im Dezember 1806 in Kraft getreten sein, als das Herzogtum dem Rheinbund beitrat. derweilen der Minister Goethe seinen Bettschatz bereits am 19. Oktober 1806 ehelichte.
 
Zum Thema Polen:

Ausgeschlossen. N. hätte besetzte Gebiete aufgeben müssen. In seinen Augen wäre das eine Niederlage gewesen.

Die Polen kann man vielleicht zu den treuesten Verbuendeten Napoleons rechnen. Und er hat sie enttæuscht, weil er Ihnen eben nicht die volle staatliche Unabhængigkeit (das Hzgt. Warschau war mit Sachsen in Personalunion verbunden) und grøssere Gebiete zugestanden hat.
Warum? Aus Ruecksicht gegenueber Russland: Polen war fuer N Verhandlungsmasse, auch und gerade 1812.

Der Russlandfeldzug wære sonst møglicherweise anders verlaufen.

Gruss, muheijo
 
Zum Thema Polen:

Die Polen kann man vielleicht zu den treuesten Verbuendeten Napoleons rechnen. Und er hat sie enttæuscht, weil er Ihnen eben nicht die volle staatliche Unabhængigkeit (das Hzgt. Warschau war mit Sachsen in Personalunion verbunden) und grøssere Gebiete zugestanden hat.
Warum? Aus Ruecksicht gegenueber Russland: Polen war fuer N Verhandlungsmasse, auch und gerade 1812.

Der Russlandfeldzug wære sonst møglicherweise anders verlaufen.

Gruss, muheijo

Bekanntlich war Polen schon vor Napoleon (das letzte Mal 1795) zwischen Rußland, Österreich und Preußen aufgeteilt worden. So kann es nicht wundern, dass in Tilsit, immerhin nannten sich der Zar und Bonaparte da noch Freunde, der Zar kaum seiner polnischen Besitzungen verlustig gehen konnte.

Betrachtet man sich den geheimen Vertrag von Erfurt 1808, findet man mit keinem Wort Polen erwähnt, stattdessen wird über Friedensverhandlungen mit England gesprochen. Rußland bekommt dafür die Moldau und die Walachei in Ausicht gestellt ... und Artikel XII besagt: "Sollten die Bemühungen Rußlands und Frankreichs zur Erlangung eines Friedens erfolglos bleiben, ..., so werden Ihre Kaiserlichen Majestäten nach Ablauf eines Jahres von neuem zusammenkommen, um sich über die kriegerischen Operationen zu verständigen und dieselben dann mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln ins Werk setzen." (Talleyrand: Memoiren, Bd. 1 Seiten 345-348)

Der Vertrag von Erfurt hat dazu geführt, dass Bonaparte in Spanien freie Hand behielt, während Europa ruhig blieb, er zeigt aber auch das strategische Ziel des Korsen, den Krieg mit England. Deutlich wird auch, in welche geografische Richtung er den Ergeiz des Zaren zu lenken suchte.
Klar auch, dass mögliche Kriege gegen England kaum auf/über die See stattfinden würden, es blieb also nur der Landweg ...

1812 hatte sich die Lage geändert. Die Kontinentalsperre hatte ihr Ziel bislang nicht erreicht, nein, sogar für schwierige wirtschaftliche Verhältnisse auf dem Kontinent geführt. Und der Zar machte eine andere Politik, erklärte sich sogar gegen die Sperre.
Der Krieg gegen Rußland war Wahnsinn, aber Bonaparte kam nicht umhin, ihn zu führen. Ein mit England handelndes Rußland war nicht nur eine wirtschaftliche Gefahr.
Welche Möglichkeiten hatte er also?
Die Besetzung der russischen Häfen und damit auf Dauer neben Spanien einen zweiten Brandherd? Keine Lösung gegen England, zumal deutlich wurde, dass die Kontinentalsperre ihr nicht Ziel erreichen würde/konnte.
Oder den einen siegreichen Krieg?
Bonaparte wählte die einzig Aussicht auf Erfolg bietende Möglichkeit. Wahrscheinlich wusste er, dass er nur diesen einen Versuch hatte. Graf Ségur berichtet von einer ungewöhnlichen Unentschlossenheit des Korsen.
Jeder mag dies für sich deuten. Man muss den Korsen auch nicht mögen, aus der historischen Perspektive läßt sich aber ermessen, vor welcher riesigen logistischen Aufgabe er stand.

Gut, genug geplaudert. Bonaparte wollte Rußland besiegen, keine Frage. Der Sieg war aber gegen England gedacht. Meiner Ansicht nach war es kein Zufall, dass sich Karten von Indien in Davouts Bagage fanden. Sicherlich ist es Spekulation aber Bonaparte wollte Rußland einbinden in seinen Krieg gegen England. Eine andere Logik erschießt sich mir nicht. Und der Krieg gegen England war aber auf See nicht zu gewinnen!

Gesetzt den Fall, Bonaparte hätte wirklich mit dem Zaren einen "brüderlichen" Frieden geschlossen. Warum hätte er ihm Polen geben sollen? (und das für lau, nur für ein Versprechen?) Schau dir die Karte an, wie weit der Zar nach Westeuropa gekommen wäre. Warum hätte Bonaparte den König von Sachsen brüskieren und Österreich beunruhigen sollen? Warum sollte er sich sinnlose Probleme schaffen, wo es doch Richtung Indien soviel Land zu erobern gab?

Gerade Polen, das auf dem Wiener Kongress zum Zankapfel wurde, die Säbel rasseln ließ und sogar zu einem Geheimvertrag zwischen England, Frankreich und Österreich führte, weil nach der Zerschlagung der französischen Übermacht eine russische befürchtet wurde.

Glaubst du wirklich, dass Bonaparte diese hervorragende strategische Stellung des Zaren mit Polen nicht begriffen hätte?

Grüße
excideuil
 
Das Thema Polen lief mir zufällig noch einmal über den Weg.

Harold Nicolson resümiert in seinem Buch über den Wiener Kongress auch über den Feldzug 1812:

"Als der Kaiser der Franzosen im Jahre 1812 zu seinem russischen Feldzug aufbrach, versicherte er den Polen, er betrachte diesen Feldzug als seinen 'zweiten polnischen Krieg'; es darf auch als gewiß angenommen werden, dass Napoleon, falls er (wie er zuversichtlich hoffte) Alexander gezwungen haben würde, um Frieden zu bitten, auf die Wiederherstellung Polens in seinen Grenzen von vor den Teilungen und auf den Rückzug Rußlands hinter die Düna und den Dnjepr gedrungen hätte." [1]

Nicolson geht im Falle einer Niederlage N. und gar seiner Gefangennahme davon aus, dass dies nicht das Ende seiner Herrschaft (bezogen auf die Verhältnisse von 1812) gewesen wäre:

"Alexander war an England nur mit leichten Verpflichtungen gebunden, an Europa als Ganzes mit überhaupt keinen. Napoleon würde ihm wohl die Wiedereinrichtung des Königreiches Polen von Danzig bis Krakau angeboten haben ... Der Zar seinerseits würde die Wiederherstellung Preußens in seiner früheren Machtfülle verlangt und erlangt haben, ... Doch welche Notwendigkeit, was für eine Veranlassung - außer dem, was ihm als Sendung vorschwebte - bestand für ihn, sich des Weiteren für Europa als solches einzusetzen? Napoleon würde Alexanders irrlichtelierenden Geist mit Träumen von orientalischem Glanz und Prunk abzulenken und ihm die Versuchung vorzugaukeln gewußt haben, wie er als Eroberer Konstantinopels und des Orients die Liebe und Bewunderung seiner Landeskinder wieder erringen werde. Hand in Hand könnten sie miteinander durch die Türkei, durch Ägypten, Mesapotamien und Persien bis an die Grenzen Indiens vordringen." [2]

Ein wirklich interessanter Gedanke. 1812 gab es in der Tat keine Macht in Europa, die Napoleons Macht militärisch hätte gefährden können. Ein Friede Frankreichs mit Rußland und wohl auch mit Preußen hätte die politischen Verhältnisse nachhaltig geändert. Napoleons Macht wäre nicht gebrochen worden und ein Kreuzzug gegen England gen Indien wohl die logische Konsequenz.
Und nicht zuletzt hätte es kein Tauroggen gegeben, wenig beachtet aber irgendwie doch der Auslöser der Feldzüge, die N. zur Abdankung zwangen.

Betrachtet man die "Planspiele" in ihrer Konsequenz, bleiben zwei Erkenntnisse:
N. hätte Polen niemals freiwillig herausgegeben.
Die Tatsache, dass es keinen (Friedens-) Vertrag zwischen Frankreich und Rußland gab, war und bleibt von allen Möglichkeiten die Beste.

Grüße
excideuil

[1] Harold Nicolson: Der Wiener Kongress oder über die Einigkeit unter Verbündeten 1812-1822, Zürich, 1946, Seite 42
[2] ebenda, Seite 25
 
Es verfælscht die napoleonischen Epoche doch etwas zu stark, wenn man es darauf verkuerzt, dass sæmtliche Kriege und Ereignisse dieser Zeit nur darauf zurueckzufuehren sind, dass ein Einzelner von Anfang an nichts anderes im Sinn hatte, als die Weltherrschaft zu erlangen und er das einzige Hindernis fuer einen Frieden in Europa gewesen sei.
Nun sicher braucht es zum Krieg immer zwei Parteien - aber es ist doch legitim und verständlich, daß die übrigen europäischen Staaten sich dem Machtanspruch Napoleons nicht unterordnen wollten. Insofern kann man schon sagen, daß er das Haupthindernis für den Frieden war - und nach seiner Niederlage blieb es ja auch erstaunlich lange friedlich.

- Warum in aller Welt sollte es nicht akzeptabel gewesen sein, eine østerreichische Vorherrschaft in Italien durch eine franzøsische zu ersetzen?
Es ist ja schon ein Unterschied zwischen einer lockeren Vorherrschaft in einem Teil Italiens und der direkten Herrschaft in ganz Italien. Napoleon annektierte ja nicht nur die habsburgischen Fürstentümer in Nord- und Mittelitalien, sondern auch Piemont, Neapel, den Kirchenstaat und Venedig.

Was sprach gegen den Frieden von Basel und Campo Formio, oder spæter den Frieden von Lunéville? War ein frz. linkes Rheinufer und ein paar Satellitenstaaten so masslos?
Im Sinne eines halbwegs fairen Mächtegleichgewichts war das schon maßlos - die "paar Satellitenstaaten" umfaßten ja die Benelux-Staaten, große Teile Deutschlands, die Schweiz und Italien.
Und Napoleon behandelte diese Gebiete eben nicht nur als Pufferstaaten (das war im Prinzip der Konsens der Friedensverträge gewesen), sondern etablierte sich direkt als Herrscher (als "Mediator" in der Schweiz, Präsident in Italien, Putsch-Unterstützer in Holland). Das war für die Nachbarn kein vertrauenerweckendes oder friedliches Verhalten.

- Wieso mussten Russland und Østerreich 1805 Frankreich angreifen?
Erst einmal: Warum mußte Napoleon 1803 England angreifen?
Das war ja schließlich der entscheidende Bruch, nach Lunéville und Amiens war ja ganz Europa im Frieden.

- Wieso musste Preussen 1806 unbedingt gegen Frankreich zu Felde ziehen?
Das war in der Tat eine politische Dummheit ersten Ranges. Aber nicht ursächlich dafür, daß Europa nach dem Ende dieses Konflikts nicht zur Ruhe kam.

- Wieso musste Østerreich 1809 erneut den Krieg erklæren?
Auch hier fehlt etwas: Warum hat Napoleon vorher in Spanien angegriffen?
Das war schließlich ein verbündeter Staat - und er nützt völlig skrupellos die Chance, sich diesen per Staatsstreich unter den Nagel zu reißen.
Von da an war doch endgültig klar, daß sich die übrigen Staaten keines Friedens sicher sein konnten, daß Napoleon kein zuverlässiger Partner war. Man könnte das österreichische Verhalten 1809 fast als Präventivkrieg betrachten ...

Ganz so schwarz-weiss sollte man also diese 20 Jahre Napoleon nicht malen:
Ich würde es eher als schwarz-grau sehen.
Unschuldslämmer waren Napoleons Gegner nicht. Aber bei ihm kann ich eigentlich nur unglaubliche Machtgier und die Unfähigkeit / den Unwillen zu einer friedlichen Koexistenz mit Anderen feststellen.
 
1.
Nun, mein Beitrag war nicht als Schuldzuweisung gedacht. Ich habe nur ein Beispiel offeriert, dass die Eroberungsgelüste eines Einzelnen selbst Landstriche und deren Bewohner weitab von Frankreich negativ in Mitleidenschaft zogen, um den oft versuchten Versuch, N. Bedeutung für Deuschland politisch in positiven Bildern zu malen, zumindest mit der Darstellung der Auswirkungen seiner Maßnahmen auf die damalige Bevölkerung zu relativieren.

2.
Die für die Alliierten siegreiche Völkerschlacht bei Leipzig macht deutlich, dass N. ohne massierte Truppenverbände nicht beizukommen war. Unstrittig dürfte sein, dass das Land um Leipzig mit der Versorgung der Truppen völlig überfordert gewesen wäre. Dieser Aspekt und die strategische Sicherung von Territorien dürften wohl für die Besetzung Dithmarschens verantwortlich gewesen sein. In der Summe aber wohl Maßnahmen, die notwendig waren, um unter Aufbietung aller Reserven Europas den Korsen zu besiegen ... und so muss wohl konstatiert werden, dass das Verhalten der Kosaken, welches ich nicht gutheiße, indirekt Auswirkung der Machtbestrebungen eines Einzelnen ist.

3.
Anders gesagt, wäre N. nach Amiens König von Frankreich geworden, wären diese Maßnahmen nicht notwendig gewesen, Dithmarschen heute vielleicht noch unter dänischer Verwaltung, sicher aber wäre den Menschen so manche Entbehrung, so manches Opfer erspart geblieben.


Aber so musste ein Krieg geführt werden, der die Finanzen Europas erschöpfte. Erinnert sei an die Situation auf dem Wiener Kongress als zwischen den Alliierten in der polnischen und sächsischen Frage Streit entbrannte, Kriegsrufe laut wurden und doch keine Seite Krieg führen wollte, besser konnte.

Grüße
excideuil
Ich verstehe den Beitrag nicht ganz. Kannst Du mir da helfen?

1.
Ist mir klar.

2.
Was hat denn nun die Völkerschlacht damit zu tun?
Vielleicht war sie dafür verantwortlich, dass die Verbündeten weiter vorstoßen konnten. Aber was hat das direkt mit der Besetzung von Dithmarschen zu tun?

3.
Was hat der Titel damit zu tun, was Napi ab 1804 tat?
 
1.
- Warum in aller Welt sollte es nicht akzeptabel gewesen sein, eine østerreichische Vorherrschaft in Italien durch eine franzøsische zu ersetzen? Was sprach gegen den Frieden von Basel und Campo Formio, oder spæter den Frieden von Lunéville? War ein frz. linkes Rheinufer und ein paar Satellitenstaaten so masslos?
- Wieso mussten Russland und Østerreich 1805 Frankreich angreifen?
2.
- Wieso musste Preussen 1806 unbedingt gegen Frankreich zu Felde ziehen?
3.
- Wieso musste Østerreich 1809 erneut den Krieg erklæren?

...
4.
Ganz so schwarz-weiss sollte man also diese 20 Jahre Napoleon nicht malen:
"Das friedvolle Europa gegen einen masslosen Korsen" verkuerzt es doch zu sehr.
1.
Der Frieden von Lunéville war maßlos. Die Ergebnisse mussten zwar vom Kaiser und Reich unterzeichnet werden, waren aber in Wahrheit nicht hinnehmbar.
Andererseits konnten die anderen Mächte, England voran, nicht akzeptieren, dass Bonaparte meinte nach seinem Gutdünken über Länder verhandeln zu können. Aus Bonapartes Sicht war das einleuchtend. Er war es, der Österreich bezwungen hatte(wenn man Moreau ausklammert). Er war es, dem gelungen war, die Macht über Frankreich zu usurpieren. Frankreich wiederum hatte über 10 Jahre im Krieg den allerstärksten Staaten Europas (Preußen, England, Österreich, das Reich, Russland) widerstanden. Das alles ermunterte den Herrscher eben jener offenbar mächtigsten Nation Europas dazu, dass er seine Stellung für so wichtig hielt und sich selbst für allmächtig. Was traditionell an großen Tischen verhandelt wurde (Ländertauschprojekte wie beim Wiener Frieden nach dem Poln. Thronfolgekrieg (1735/38)), veränderte Napoleon eher per Federstrich.
2.
Das war in der Tat selten dämlich (von den Preußen). Ich frage mich weniger nach dem warum 1806, als nach dem warum NICHT 1805? Als Frankreich den Rücken frei hatte, schlug man los.

3.
Man hielt wohl Napoleon für in Spanien beschäftigt und tatsächlich band der spanische Schauplatz bedeutende Kräfte der Gegner.
Warum man das politisch-moralisch tat, ist schwerer zu sagen. Man hoffte wohl auf eine allgemeine deutsche Unzufriedenheit, überschätzte die Stärke der Bewegungen, welche dann um den schwarzen Herzog, Schill oder auch Dörnberg eher vereinzelte Strohfeuer blieben.

4.
Wir können es auch schwarz-gelb malen. :D
 
Ich hätte gern auf die Sache mit Amiens von R.A. reagiert, weiß aber nicht, ob das nicht von "Napoleon-Erschaffer oder Zerstörer Deutschlands" weiter wegführt. Gut, es ist zumindest näher dran, als der Russlandfeldzug. :scheinheilig:
Die Besetzung des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg steht ja für mich im direkten Zusammenhang mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches.
 
Ich verstehe den Beitrag nicht ganz. Kannst Du mir da helfen?

1.
Ist mir klar.

2.
Was hat denn nun die Völkerschlacht damit zu tun?
Vielleicht war sie dafür verantwortlich, dass die Verbündeten weiter vorstoßen konnten. Aber was hat das direkt mit der Besetzung von Dithmarschen zu tun?

3.
Was hat der Titel damit zu tun, was Napi ab 1804 tat?

Ja, natürlich.

2.
Die Völkerschlacht selbst nichts, wohl aber das Ergebnis. Napoleon war geschlagen aber nocht nicht besiegt. Das bedeutete, dass große Truppenkörper erhalten und auch versorgt werden mussten, um denn weiter siegreich zu bleiben. Und dazu diente wohl auch Dithmarschen, das zudem unter dänischer Verwaltung stand und so wohl auch territorial gesichert werden sollte.

3.
"wäre N. nach Amiens König von Frankreich geworden .." Mit König ist die Beschränkung auf die damalige Landkarte gemeint. Bekanntlich hat sich N. zum Kaiser gekrönt, also nicht beschränkt.

Sorry, wenn ich mich ververständlich ausgedrückt habe. Ich verspreche Besserung!

Grüße
excideuil
 
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