Napoleons "Diktatur"

David94

Neues Mitglied
Hallo,ich möchte eine Hausarbeit schreiben und mein Lehrer gab mir die Frage,ob Napoleons Diktatur anerkannt oder abgelehnt wurde.
Ich bin mir nicht sicher,ich finde Argumente dafür,aber auch welche dagegen.
Mich interessiert eure Meinung und hoffe auf ein paar Antworten.
 
Ich denke mal, dass Dein Lehrer auch wollte, dass Du Argumente dafür und dagegen findest.

Mal ein kleiner Hinweis: Plebiszit von 1800. 3 Mio. Jastimmen zur Konsulatsverfassung, 1562 Nein-Stimmen und 4 Mio. Enthaltungen.
 
Napoleon war im Sinne Machiavellis ein Machtpolitiker, der sich der unterschiedlichen Quellen von "legalem" und legitimen" politischem institutionellem Handeln durchaus bewußt war und sie nutzen konnte und vor allem auch nutzen wollte.

Gleichzeitig war er ein innenpolitischer und außenpolitischer Visionär, auch geprägt durch einzelne Ziele der Französichen Revolution, der eine gesicherte Machtbasis benutzte, um diese ambitionierten Ziele erreichen zu können. In welchem Umfang er dabei das Wertesystem der FR als ideologischen Überbau lediglich benutzte, um die "Massen" zu mobilisieren, ohne selber davon überzeugt zu sein, sei dahin gestellt.

Politische Macht war somit für ihn teils Selbstzweck, um sein Ego zu erhöhen, aber auch andererseist ein Instrument, um Ziele umzusetzen, die im vermeintlichen oder realen Interesse Frankreich waren.

Grundsätzlich halte ich persönlich den Begriff der "Diktatur" für problematisch in Bezug auf Napoleon, da er eine autokratische Regierungsform unterstellt, die sich begrifflich nicht von der des zaristischen Russlands unterscheidet.

Immerhin sollte man bei der konzeptionellen Einordnung seiner politischen Herrschaft berücksichtigen, dass er den Code civile einführte und auf der Verwaltungsseite als Modernisierer in Erscheinung trat.

http://de.wikipedia.org/wiki/Code_civil
 
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Gleichzeitig war er ein innenpolitischer und außenpolitischer Visionär, auch geprägt durch einzelne Ziele der Französichen Revolution, der eine gesicherte Machtbasis benutzte, um diese ambitionierten Ziele erreichen zu können. In welchem Umfang er dabei das Wertesystem der FR als ideologischen Überbau lediglich benutzte, um die "Massen" zu mobilisieren, ohne selber davon überzeugt zu sein, sei dahin gestellt.

Da ich derzeit wenig Zeit habe, nur ein kurzer Beitrag und nur zu dem hervorgehobenen:

Ich kann weder innenpolitisch noch außenpolitisch Visionen erkennen.

Die Ergebnisse der Französischen Revolution umzusetzen ist keine Idee Napoleons, schließlich war er nur als "der Degen" vorgesehen. Daher kann er sicherlich auf seine Fahne schreiben, dass alle diese schönen modernen Dinge in seiner Regierungszeit umgesetzt wurden, aber das war es schon. Betrachtet man nur seine Einflußnahme auf den Code Civil, dann muss man konstatieren, dass dies sicherlich korsischer Tradition entspricht, mit modernen Visionen aber nichts zu tun hat. Und so bleibt der "schnöde" Machiavelli übrig, eben die Tatsache, dass er sich die ihm bietende und zudem fortschrittliche Situation als Machtpolitiker zugelassen und bestens genutzt hat.

Ähnlich in der Außenpolitik. Wenn es denn etwas wie einen roten Faden gibt, ich habe das schon öfter betont, dann ist es der Krieg gegen Großbritannien. Auf dem Weg, die Briten zu besiegen, finde ich keine Visionen, nur Machtpolitik:

Der Kürze halber mag ein Beispiel reichen:

"Auf längere Sicht hatte jedoch Napoleons Zugeständnis an die Interessen des mediasierten Adels die Folge, dass der seine Patrimonialbesitztümer ebenso behalten durfte wie alle Herrschafts- und Feudalrechte, sofern diese nicht einen wesentlichen Bestandteil der Souveränität darstellten. Außerdem wurden dem Adel alle Privilegien garantiert, derer sich die souveränen Fürsten und Bundesmitglieder auf ihren Domänen erfreuten und die beispielsweise die niedere und mittlere Gerichtsbarkeit ebenso umfassten wie die überkommenden Zehnten und Feudalabgaben." (Willms: Napoleon, Seite 445)

Daran läßt sich erkennen, dass die heute so vielgelobte Mediatisierung überhaupt nicht Napoleons Intension im Sinne des Fortschritts "gedacht" war sondern "die deutschen Bundesgenossen sollten damit nur in Stand gesetzt werden, ihrem Protektor auf dem französischen Kaiserthron willige Helfer zu sein." (ebenda)

Deutlich wird, jedes Mittel ist recht, mit Segen für Europa, mit Fortschritt hat es allerdings nichts zu tun.

Natürlich war Napoleon ein Diktator, man mag sicher über Details streiten, allein die Verhängung der Kontinentalsperre ist Ausdruck genug. Die billigende Inkaufnahme des Niederganges der Wirtschaft vieler Länder, die gnadenlosen Versuche, sie durchzusetzen sprechen beredt.

Grüße
excideuil
 
Natürlich war Napoleon ein Diktator, man mag sicher über Details streiten, allein die Verhängung der Kontinentalsperre ist Ausdruck genug. Die billigende Inkaufnahme des Niederganges der Wirtschaft vieler Länder, die gnadenlosen Versuche, sie durchzusetzen sprechen beredt.
Was unterscheidet denn einen Diktator von einem hergebrachten Monarchen?
Die Kontinentalsperre war eine Art Sanktion, ein Mittel des Handelskrieges in ungekanntem Ausmaß. Der Handelskrieg war im 18.Jh. ein übliches Mittel der Politik. Hätte Napoléon nicht die Beteiligten eher als Satellitenstaaten statt als Verbündete behandelt, dann könnte man eine gemeinsame antibritische Maßnahme darin erkennen. Allerdings war es ja tatsächlich so, dass die Kontinentalsperre nach meinem Dafürhalten einzig auf den Nutzen Frankreichs und auf die Schädigung der britischen Weltmacht ausgerichtet war. Dies wurde auch so m.E. empfunden und ich kenne keine Belege dafür, dass andere Staaten, die sich zwangsweise daran beteiligen mussten, der Kontinentalsperre eine überwiegend positive Funktion abgewinnen konnten.

Mir ging es bei dem Hinweis auf das Plebiszit darum, dass sich damit ja schon eine gewisse Zustimmung zum Staatsstreich ablesen lässt, auch wenn dieser dadurch erst im Nachhinein legitimisiert werden sollte.

Das Räderwerk der bonapartistischen Herrschaft funktionierte nach meinem Dafürhalten von Anfang an recht gut. Es ist doch bemerkenswert, dass sich 1799/1800 keine bürgerkriegsähnliche Zustände in Frankreich einstellten. Diejenigen, gegen welche Bonaparte die Macht der Bajonette einsetzen musste, also die Mitglieder des Rats der Fünfhundert, rebellierten nicht.
Es scheint mir, als ob als Ursache oft ins Feld geführt wird, dass das Direktorium nichts weiter als eine Diktatur der maßgeblichen Direktoren war. Wiewohl es (bzw. die Thermidorianer) 1795 recht erfolgreich alle Angriffe auf die Republik im Inneren vereitelte und auch die Direktorialverfassung durchsetzen konnte, war es am Ende wenig geliebt - eher gefürchtet. Wahlergebnisse, welche Barras und seinen jeweiligen Partnern unlieb waren, mussten annuliert werden. So schien auch schon im Direktorium die Demokratie eine Farce, wenngleich sie immerhin in der Verfassung verankert war.

Vielleicht war man gegenüber einer Demokratie gleichgültig geworden, welche auch unter dem Direktorium immerhin für etwa 4 Jahre mehr oder weniger nur auf dem Papier stand.
Daher überwog wohl zumindest anfangs der Eindruck, nun einen starken Mann und erfahrenen Feldherren an der Spitze zu haben, welcher den dringend erwarteten Frieden bringen konnte. Dass er später eine sehr auf den Krieg ausgerichtete Außenpolitik betreiben würde, konnte man 1799 ja noch nicht ahnen, als Bonaparte bis auf seine Einmischungen in die helvetischen Angelegenheiten und die Friedensverhandlungen mit Österreich 1797 kein politisches Profil hatte zeigen können.

Selbst wenn Bonaparte eine gewisse Beliebtheit genoss, würde ich seiner Herrschaft die Bezeichnung Diktatur beimessen. Zwar gab er dieser 1804 den Deckmantel einer Monarchie und dies wurde wohl von einigen wie Talleyrand begrüßt, aber dies änderte ja m.E. nicht viel an der Gestalt der Regierung.
 
"Was unterscheidet denn einen Diktator von einem hergebrachten Monarchen? ..."

Die Herrschaftsmethoden können m.E. manchmal identisch sein, nur hat die Monarchie eine legitimatorische Grundlage. Sei es eine religiöse oder eine auf Tradition und Herkommen beruhende bzw. beides, eine Diktatur beruht auf bloßer Macht, auch wenn es plebizitäre Elemente geben sollte. Erst die totalitären Diktaturen im 20. Jh. schufen sich eine legitimatorische ideologische Grundlage.

N. war ein Usurpator und blieb auch als Kaiser einer und ich denke, seine Pariastellung unter den europäischen Monarchen war ihm auch selbst bewußt.

M.
 
"Was unterscheidet denn einen Diktator von einem hergebrachten Monarchen? ..."

Die Herrschaftsmethoden können m.E. manchmal identisch sein, nur hat die Monarchie eine legitimatorische Grundlage. Sei es eine religiöse oder eine auf Tradition und Herkommen beruhende bzw. beides, eine Diktatur beruht auf bloßer Macht, auch wenn es plebizitäre Elemente geben sollte. Erst die totalitären Diktaturen im 20. Jh. schufen sich eine legitimatorische ideologische Grundlage.

N. war ein Usurpator und blieb auch als Kaiser einer und ich denke, seine Pariastellung unter den europäischen Monarchen war ihm auch selbst bewußt.
Danke für die Äußerung.:)

Wie sah es denn mit der Legitimation von Napoleons Kaisertum aus? Auch wenn er an die Tradition Karl des Großen oder ähnlicher Herrscher anknüpfen wollte, waren doch diese Traditionen meines Wissens schon durch die Bourbonen sozusagen reserviert (man denke an das Schwert Karl des Großen während der Krönungszeremonie der franz. Könige oder die Tradition bis hin zu Chlodwig, der nach der Vorstellung des Ancien Régime schon mit dem selben Öl gesalbt worden war).
 
Die Herrschaftsmethoden können m.E. manchmal identisch sein, nur hat die Monarchie eine legitimatorische Grundlage.

Die Darstellung Melchiors zum Diktaturbegriff bedarf m.E. einer Korrektur bzw. einer Differenzierung und ist auch eine Anpassung meiner Darstellung #4 und der berechtigten Kritik durch excideuil#5.

Folgt man beispielsweise Stammer/Weingart (Politische Soziologie, S.116) dann ist eine Diktatur - vor dem Auftreten der totalitären Herrschaftsysteme des 20. Jahhunderts - formal an 5 Kriterien gebunden und als solche problemlos auf absolutistiche Herrscher und auch die politische Herrschaft Napoleon anzuwenden.

1. die Ausschließlichkeit der Machtausübung und das Fehlen einer Gewaltenteilung.
2. die Aufhebung der Bindung der politischen Macht an eine verbindliche rechtliche Fundierung
3. die Einschränkung wesentlicher Freiheitsrechte der Bürger
4. der Dezisionismus einer vom Diktator zu verantwortenden inneren und äußeren Politik
5. die Anwendung despotischer Methoden zur politischen und sozialen Kontrolle und der Sanktionierung von willkürlichen Normen

Bei den Ausprägungen der Diktatur werden noch unterschiedliche Phänotypen unterschieden, nach verfassungsmäßiger / konstitutioneller und verfassungswidriger / uneingeschränkter Diktatur (C.J. Friedrich).

Ähnlich differenziert Neumann beispielsweise eine einfache Diktatur oder auch als Diktatur der konstitutionellen Herrschaft bezeichnet, caesaristische Diktatur und eine totale Diktatur moderner Prägung (20. Jahrhundert.) Und lehntsich dabei sehr eng an die Begrifflichkeit von M. Weber an.

Wobei die absolutistischen Herrscher, auch die aufgeklärten, zur einfachen und Napoleon einer caesaristischen Diktatur zuzuordnen sind.

Hinsichtlich der Formen der Legitimation ist anzumerken, dass beide Herrschaftsformen einen völlig unterschiedlichen Machtcode (Münch: Soziologie der Politik, S. 93ff) beanspruchen müssen, um im politischen und im sozialen Raum eine Geltung zu erlangen. Der zudem noch stark durch die historischen Gegebenheiten geprägt ist.

Obwohl es Ähnlichkeiten bei der Erlangung der Kaiserwürde zwischen Augustus und Napoleon und auch der Legitimation gibt, sind die historischen politischen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen völlig unterschiedlich. Und diese beeinflussen in starkem Maße den Machtcode, der die Legitimation von Cäsaren definiert.

In diesem Sinne verleiht die Akklamation eines Cäesaren / Diktators durch einen "spontanen Demos" oder die Träger von vielen Bajonetten, unter politikwissenschaftlichen Kriterien, ebensoviel Legitimation wie das Berufen auf zweifelhafte Traditionen und deren göttliche Fundierung. Wobei mir durchaus bewußt ist, das Royalisten dieses anders sehen.
 
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Danke für die Antworten!
Es wurde mehr darüber diskutiert,ob es eine Diktatur war,oder ob es keine war.
Sehe ich das richtig,dass das Volk auf jeden Fall Napoleon zu Anfang seiner Regierungszeit als Herrscher anerkannt hat? Es war ihnen schließlich nicht bewusst,dass Napoleon nicht den Frieden bringen wird.
 
Wobei die absolutistischen Herrscher, auch die aufgeklärten, zur einfachen und Napoleon einer caesaristischen Diktatur zuzuordnen sind.
Wobei für mich doch auffällig ist, dass in keiner Biographie über Louis XV oder Louis XVI, die ich bis jetzt gelesen habe, mir der Begriff Diktator untergekommen wäre.
Auf der anderen Seite wird aber bei Napoléon schon desöfteren vom Diktator und Usurpator gesprochen. Kann es sein, dass dies bei Napoléon von seiner "Herkunft" als Kind der Revolution herrührt? Bisweilen wird ja Robespierre als einer der ersten modernen Diktatoren dargestellt.

"Deine" Kriterien
1. die Ausschließlichkeit der Machtausübung und das Fehlen einer Gewaltenteilung.
2. die Aufhebung der Bindung der politischen Macht an eine verbindliche rechtliche Fundierung
3. die Einschränkung wesentlicher Freiheitsrechte der Bürger
4. der Dezisionismus einer vom Diktator zu verantwortenden inneren und äußeren Politik
5. die Anwendung despotischer Methoden zur politischen und sozialen Kontrolle und der Sanktionierung von willkürlichen Normen
träfen zumindest durchweg auf Robespierre zu.

Das mit der rechtlichen Fundierung ist natürlich immer schwierig.

Im Grunde genommen liegt die rechtliche Fundierung des französischen Königtums in der Verfassung Frankreichs begründet.
Wenn man dies aber als hinlänglich vorraussetzen würde, hätte Napoléon für sich die Konsulatsverfassung und sogar das Plebiszit darüber.
 
Danke für die Antworten!
Es wurde mehr darüber diskutiert,ob es eine Diktatur war,oder ob es keine war.
Sehe ich das richtig,dass das Volk auf jeden Fall Napoleon zu Anfang seiner Regierungszeit als Herrscher anerkannt hat? Es war ihnen schließlich nicht bewusst,dass Napoleon nicht den Frieden bringen wird.
Zumindest diejenigen, die befragt wurden - es gab ja mehr als 7 Mio. Franzosen, scheinen überwiegend nicht mit "Nein" zur Konsulatsverfassung gestimmt zu haben.

Das Problem ist, dass außer dieser Befragungen, wozu es noch weitere gab, kaum messbare Meinungsbilder aus der Zeit gibt.

Wir kennen natürlich die Namen von Gegenspielern von Napoléon oder zumindest von Leuten, welchen er von sich aus misstraute. So wurden im späteren Militär die Generäle der Italienarmee mit Ausnahme von Michel Ney bspw. begünstigt.
Der befehlshabende General der Deutschlandarmee von 1800 Jean-Victor Moreau wurde, obwohl er vor einem Gericht für unschuldig befunden wurde, in die Verbannung geschickt, weil er nicht nur als Kritiker des 1. Konsuls sondern auch als geschickter Feldherr und potenzieller Rivale galt.
Solche Beispiele aus dem damaligen Frankreich gibt es ein paar. So galt die berühmte Madame Récamier als Führerin eines oppositionellen Salons und wurde deswegen 1811 aus Paris verbannt. Juliette Récamier - Wikipédia
 
Die Französiche Revolution bedeutete für die Bürger Frankreichs zunächst auch alle Formen von Bedrohung. Bedrohung durch den Bürgerkrieg in der Vendee und die äußere Bedrohung durch die Armeen der Monarchien, wie dieser Zusammenhang bei Walt dargestellt wird.

Revolution and war - Stephen M. Walt - Google Bücher

Politisch konnte sich in Paris keine leistungsfähige Regierung (Direktorium) etablieren, die die Bedrohungen und die Wohlfahrt der Bürger Frankreichs überzeugend sicher stellen konnte.

Direktorium (Frankreich) ? Wikipedia

Unter dieser Voraussetzung ist es nicht selten so, dass aus dem Volk ein gewisser Druck zu "starken Führungspersönlichkeiten" entsteht, die eine vermeintliche oder reale Lösung der Probleme des Volkes versprechen.

Französisches Konsulat ? Wikipedia

In diesem Sinne konnte Napoleon einen Teil seines militärischen Ruhmes als Vorschuss auf seine politische Kompetenz "einzahlen" lassen und erhielt somit eine gewisse Zustimmung und somit rückwirkende Rechtfertigung für seinen Staatsstreich, wie die Volksabstimmung es nahe legt.

Der Machtcode Napoleons definiert sich somit zum einen durch die innere und äußere Bedrohung, durch die Unfähigkeit seiner politischen Gegner und seine eigene militärisch/politische Kompetenz. Und stellt die Bais für seine Legitimation dar als caesaristischer Diktator.
 
Zuletzt bearbeitet:
Politisch konnte sich in Paris keine leistungsfähige Regierung etablieren, die die Bedrohungen und die Wohlfahrt der Bürger Frankreichs überzeugend sicher stellen konnte.

Eine Leistung, die das Direktorium nicht überzeugend bereitstellen konnte.

Direktorium (Frankreich) ? Wikipedia
Ich denke, dass die Hauptleistung des Direktoriums vorerst war, dass es nicht Robespierre war. Wenn man sich die Streitereien 1795 im Nationalkonvent anschaut, dann ging es doch darum, dass man sich gegenseitig verleumdete, wer denn mehr oder weniger an der verteufelten robespierristischen Diktatur schuld war, also wer "mehr Dreck am Stecken" hatte. Der Kampf gegen die Robespierristen (auch wenn Barras als einziger dauerhafter Direktor ja selber einer der Hauptakteure des Terreur war) scheint mir eines der Haupterrungenschaften gewesen zu sein, die sich die neue Regierung auf die Fahnen schrieb. Entsprechend wurde dies ebenso wie die Verdächtigung einer Anhängerschaft zu einer royalistischen Clique innerhalb der Debatten als Hauptargumente verwendet.

Das soll kein Widerspruch sein, sondern eher eine kleine Parallele aufzeigen.

Vielleicht kann man noch hinzufügen, dass die Siege von Napoléon dem gesteigerten Nationalgefühl der Franzosen entsprachen, welches während der Revolution aufgebaut worden waren.
Man muss wissen, dass die Jahre des Ancien Régime seit dem Österreichischen Erbfolgekrieg v.a. durch die Niederlagen des Siebenjährigen Krieges durch Misserfolge und finanzielle Bedrängnis geprägt waren. Der Sieg bei Jena und Auerstedt wetzte doch, wenn ich mich recht entsinne, im damaligen französischen Verständnis die Niederlage von Rossbach bspw. aus.
 
Das Direktorium war bei dem Volk gegen Ende unbeliebt,aufgrund Korruption etc,wenn ich das richtig verstehe.Napoleon hat es daraufhin nur durch den Staatsstreich zum Konsul geschafft.Vorher war der Ältestenrat von Napoleon nicht überzeugt,richtig?
Die neue Verfassung wurde durch eine Volksabstimmung bestätigt.Napoleon war zu der Zeit sehr beliebt,aber hat er die Verfassung nur deswegen durchsetzen können? Oder wurde die Verfassung nur bestätigt,damit es ein endgültiges Ende des Direktoriums gibt?
 
Die Darstellung Melchiors zum Diktaturbegriff bedarf m.E. einer Korrektur bzw. einer Differenzierung und ist auch eine Anpassung meiner Darstellung #4 und der berechtigten Kritik durch excideuil#5.

Folgt man beispielsweise Stammer/Weingart (Politische Soziologie, S.116) dann ist eine Diktatur - vor dem Auftreten der totalitären Herrschaftsysteme des 20. Jahhunderts - formal an 5 Kriterien gebunden und als solche problemlos auf absolutistiche Herrscher und auch die politische Herrschaft Napoleon anzuwenden.

1. die Ausschließlichkeit der Machtausübung und das Fehlen einer Gewaltenteilung.
2. die Aufhebung der Bindung der politischen Macht an eine verbindliche rechtliche Fundierung
3. die Einschränkung wesentlicher Freiheitsrechte der Bürger
4. der Dezisionismus einer vom Diktator zu verantwortenden inneren und äußeren Politik
5. die Anwendung despotischer Methoden zur politischen und sozialen Kontrolle und der Sanktionierung von willkürlichen Normen...

@Thane

Du hast vollkommen recht, meine Darstellung war absolut verkürzt und insoweit ist Deine Kritik resp. Differenzierung vollkommen gerechtfertigt.

Allerdings erlaube ich mir einige Anmerkungen. Als Historiker habe ich immer Bedenken bei der Verwendung solcher philosophisch/soziologischen Kategorisierungen. Da die Abstraktionsebene hierbei notwendigerweise sehr hoch ist, die philosophischen/sozilogischen Kategorien müssen naturgemäß von historisch-konkreten Situationen/Epochen/Personen abstrahieren und auf alle historischen Epochen anwendbar sein. Ergo haben sie Unschärfen bei einer historisch-konkreten Analyse. Würde man als Historiker bei der Analyse der Herrschaftsausübung Napoleons die im Zitat angeführten fünf Kriterien in Ausschließlichkeit verwenden, käme man als Historiker "ins Schlingern" bei der Bewertung des Herrschaftsstils von N. Vllt. sollten wir das in einem gesonderten Thread im UF "Geschichtsphilosophie" diskutieren.

Meine unmaßgebliche Einschätzung von N. als Herrscher greift daher auf eine Kategorie von M. Weber zurück. Ich würde N. Herrschaft als charismatische Diktatur bezeichnen, gestützt auf das Militär, Polizei sowie eine auf seine Person zugeschnittene Staatsorganisation und seinen außen- und innenpolitischen Erfolgen. Als diese Erfolge ausblieben, stürzte seine charismatische Herrschaft zusammen. Er war nicht in der Lage seine herrschaft zu konsolidieren, sein Bestreben eine Dynastie zu etablieren blieben erfolglos.

Ein Bourbone hätte die Niederlagen von 1813/14 "überlebt", wahrscheinlich mit einem ungünstigen Frieden und innenpolitischen Zugeständnissen, aber er wäre auf dem Thron verblieben

M. :winke:
 
Napoleon war zu der Zeit sehr beliebt,aber hat er die Verfassung nur deswegen durchsetzen können? Oder wurde die Verfassung nur bestätigt,damit es ein endgültiges Ende des Direktoriums gibt?
Die große Beliebtheit Napoleons kam dann wohl nach 1801, also nach dem Frieden von Lunéville und von Amiens, 1802. Per Plebiszit wurde dann über das lebenslange Konsulat für den ersten Konsul entschieden. Ich müsste nochmal nach dem Ergebnis schauen, glaube aber dass es noch für ihn deutlich günstiger als 1800 war.

Ich denke, dass der Umsturz mit dem Plebiszit von 1800 nur im nachhinein legitimisiert werden sollte. Denn ehedem hatten ja auch etwas mehr als 4 Jahre zuvor die Bürger über die Direktorialfassung befunden (und dafür gestimmt (!)).
 
Folgt man beispielsweise Stammer/Weingart (Politische Soziologie, S.116) dann ist eine Diktatur - vor dem Auftreten der totalitären Herrschaftsysteme des 20. Jahhunderts - formal an 5 Kriterien gebunden und als solche problemlos auf absolutistiche Herrscher und auch die politische Herrschaft Napoleon anzuwenden.

1. die Ausschließlichkeit der Machtausübung und das Fehlen einer Gewaltenteilung.
2. die Aufhebung der Bindung der politischen Macht an eine verbindliche rechtliche Fundierung
3. die Einschränkung wesentlicher Freiheitsrechte der Bürger
4. der Dezisionismus einer vom Diktator zu verantwortenden inneren und äußeren Politik
5. die Anwendung despotischer Methoden zur politischen und sozialen Kontrolle und der Sanktionierung von willkürlichen Normen

Wobei die absolutistischen Herrscher, auch die aufgeklärten, zur einfachen und Napoleon einer caesaristischen Diktatur zuzuordnen sind.

In diesem Sinne verleiht die Akklamation eines Cäesaren / Diktators durch einen "spontanen Demos" oder die Träger von vielen Bajonetten, unter politikwissenschaftlichen Kriterien, ebensoviel Legitimation wie das Berufen auf zweifelhafte Traditionen und deren göttliche Fundierung. Wobei mir durchaus bewußt ist, das Royalisten dieses anders sehen.

Vielen Dank für deinen wissenschaftlichen Beitrag. Allerdings kann ich nicht verhehlen, dass ich dennoch Bauchschmerzen habe.

Brissotin spricht das Problem an:
Wobei für mich doch auffällig ist, dass in keiner Biographie über Louis XV oder Louis XVI, die ich bis jetzt gelesen habe, mir der Begriff Diktator untergekommen wäre.
Mir auch nicht. Und das hat mehrere Gründe:
Der sogenannte Absolutismus ist als Begriff umstritten. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Macht des Königs gar nicht unbeschränkt bestand. Nehmen wir nur die Parlamente oder auch den Klerus als sicherlich staatstragende Institutionen, die aber auch ureigenste Interessen vertraten. Wäre L. XVI. absolut herrschend gewesen, hätte er wohl nie die Generalstände einberufen müssen.

Oberflächlich betrachtet mag eine Legitimation auf Bajonetten oder die Berufung auf salisische "zweifelhafte Traditionen" gleichwertig sein, dienen doch beide dem Machterhalt/der Machtentfaltung. Näher betrachtet muss man wohl konstatieren, dass das Stützen auf die Bajonette einen unverhohlenen Gewaltfaktor in sich trägt, während die salisische Tradition gesammtgesellschaftlich akzeptiert war. Ein kleiner aber sehr feiner Unterschied.
Die salisische Tradition schließt nicht nur die Thronfolge eine Dynastie ein sondern auch die Verantwortung des Fürsten für sein Volk. Sehr gut beschrieben in Talleyrands Memoiren am Beispiel seiner Urgroßmutter, der Fürstin von Chalais.
Diese Verantwortung mag mit der Zeit ins Hintertreffen geraten sein, deutlich wird sie z.B. daran, dass L.XVI. eben nicht auf sein Volk schießen ließ, während ein Machtpolitiker wie Bonaparte gnadenlos Franzosen niederkartätschte.
Deutlich wird diese im Volk akzeptierte Tradition während der Revoltion und noch während der 100 Tage, da es immer wieder royalistische Aufstände gab.
Und nicht zuletzt wird diese Akzeptanz des Königtums in der Tatsache deutlich, dass sich zu Beginn der Revolution kaum jemand Frankreich ohne Monarchie vorstellen konnte oder wollte.

Bekanntlich war Napoleon die Bourbonenkrone zuwenig - übrigens sehr zum Leidwesen seines Außenministers - sein Anspruch war der eines Kaisers. Aber auch er war sich der Wirkmächtigkeit der Traditionen bewußt, nicht umsonst wurde dem Titel Kaiser der Franzosen die Formel "von Gottes Gnaden" hinzugefügt.

Grüße
excideuil
 
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