Neues aus der Paläogenetik

flavius-sterius

Aktives Mitglied
Wir haben einen Faden Neue archäologische Entdeckungen als Sammelort für neues aus der Archäologie. Das ist erfreulicherweise ein belebter Faden.

Früher war die Archäologie sehr durch bestimmte Fundarten dominiert. Hier kann man insbesondere die Keramik nennen, welche als Namensgeber für ganze Kulturen (LBK, SBK, TBK, etc.) dient. Aber auch Fibeln sind als Unterscheidungsmerkmal für Kulturen und Zeitstellungen wichtig.

Nun nimmt jedoch immer mehr die Paläogenetik Raum im naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ein. Die Paläogenetik ermöglicht uns ganz neue Erkenntnisse. Woher stammen vorgeschichtliche Herrscherschichten? Wer war mit wem verwandt? Wer blieb vor Ort und wer zog weg (häufig wurden die Töchter ortsfremd verheiratet, aber in manchen Fällen blieben die Töchter vor Ort und man hat Ehemänner für sie von anderenorts geholt. Dafür mussten/durften die Söhne den Geburtsort verlassen)?

In Geschichtsforum fehlt mir ein Faden, in welchem man neue Erkenntnisse der Paläogenetik teilen kann. Es wäre schön, wenn wir diesen Faden dafür nutzen würden.

Eine Bitte, als Geschichtsforum sind paläogenetische Kenntnisse zu Menschen und deren Nutztiere hilfreich. Das Geschichtsforum ist keine zoologische Veranstaltung. Genetische Erkenntnisse zu Pinguinen oder Finken passen nicht in diesen Faden. Da wäre der SMALLTALK der bessere Ort.
 
Die Genetikerin Silvia Ghirotto von der Universität Ferrara (Italien) hat Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit zu dem Aussehen von Menschen in prähistorischen Zeiten vorgestellt.

Sie hat mit probabilistische Phänotyp-Inferenz und HIrisPlex-S-System folgendes festgestellt:

Bei der Beprobung von DNA aus der Zeit von 45.000 vuZ bis in die frühe Eisenzeit wurde die älteste DNA mit der Anlage von blauen Augen für die Zeit um 17.000 vuZ festgestellt. Jedoch wies diese Probe auch eine dunkle Hautfarbe auf. Dabei war dies jedoch eine sehr seltene Erscheinung. Bis in die Zeit von 3.000 vuZ war die überwiwegende Anzahl der Menschen in Europa

  • mit dunklerer Haut
  • dunklen Haaren
  • dunklen Augen
ausgestattet. In einem Zeitabschnitt zwischen 14.000 vuZ und 4.000 vuZ nahm dann die Anzahl der Individuen mit

  • heller Haut
  • blauen Augen
immer mehr zu, blieb aber eine deutliche Minderheit. Besonders in Schweden lässt sich diese Kombination früh finden. Die Verteilung im Aussehen änderte sich erst ab den letzten 3.000 Jahren.

Warum änderte sich das äußerliche Erscheinen von vielen Europäern im Laufe der Zeit?

Helle Haut hat den Vorteil, dass ein Mensch damit besser Vitamin D aufnehmen/bilden kann. Dies bietet in Europa - insbesondere in seinen nördlichen Regionen - ein Überlebensvorteil. Anders als in Afrika ist hier Sonnenstrahlung eher weniger vorhanden.

Dagegen bieten blaue oder grüne Augen keinen offensichtlichen medizinischen Vorteil. Hier geht die Forscherin entweder von einem Vorteil bei der sexuellen Partnerwahl oder durch eine zufällige genetische Veränderung aus. Bei ersterem hätte man eher Sexpartner mit blauen oder grünen Augen als attraktiv empfunden.

Umfang der Studienprobe waren 348 Individuen

Das Geheimnis von blauen Augen: Seltene DNA-Muster entdeckt
 
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Frauen an die Macht? War dies in China mancherorts schon vor 4.500 Jahren der Fall?

Im Ort Fujia im Osten Chinas wurden zwei Friedhöfe aus der Zeit zwischen 2.750 vuZ und 2.500 vuZ im Hinblick auf die mtDNA untersucht. Über einen Zeitraum von zehn Generationen ließ sich eine enge Verwandtschaft der Frauen feststellen. Die mitochondriale DNA wird ausschließlich von der Mutter an die Kinder weitergegeben. Daher kann man mit der mtDNA die Abstammung auf der weiblichen Linie über Generationen hinweg feststellen.

Auf einem Friedhof waren die Frauen alle eng verwandt. Dies bedeutet, dass die Töchter vor Ort blieben. Die männlichen Skelette wiesen eine große Bandbreite an Y-Chromosomen auf. Demnach stammten die Männer von verschiedenen fremden Gemeinschaften ab. Die Autoren leiten davon eine matrilineare Gesellschaftsform ab.

Auf einen weiteren Friedhof - gerade mal 100 Meter entfernt - waren die Frauen ebenfalls nahe miteinander verwandt, gehörten jedoch zu einer anderen mtDNA-Linie.

Es gab jedoch auch Männer, die zu den Frauen Cousins 2. Grades oder 3. Grades, seltener (vier Fälle) des 1. Grades waren.

Umfang der Studienprobe waren 60 Individuen.


https://www.focus.de/wissen/neue-dn...ans_cebca442-4684-4f06-973e-80e1286945ab.html

Ancient DNA reveals a two-clanned matrilineal community in Neolithic China - Nature
 
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Hier wird wieder Matrilokalität (der Mann zieht zur Familie der Frau) mit Matriarchat verwechselt. Beides sind unterschiedliche Dinge.
Gleichwohl gibt es in China die Hakka, die sowohl matrilokal organisiert sind (allerdings bleiben die Männer in ihrer Herkunftsfamilie, treffen sich dann und wann mit ihren Partnerinnen) als auch matriarchal.
Dennoch: die einfache Gleichung matrilokal = matriarchal ist ein Fehlschluss.
 
DNA und Sprache sind zwei paar Schuh. Nur ein sehr geringer Teil der Mexikaner oder Peruaner dürfte italische Vorfahren haben, aber sie sprechen Spanisch, eine romanische Sprache, die ja vom Lateinischen abstammen, was wiederum eine italische Sprache ist. Wäre die Gleichung so einfach, müssten Lateinamerikaner, die Spanisch und Portugiesisch sprechen, auf eine italischen Urbevölkerung zurückgehen.
 
Nun zu den mesolithischen Jäger und Sammler die seit 40k – 35k ansässig sind, kommen ja die helleren Bandkeramiker aus dem Südosten und die dürften ja eine eigene Sprache mitgebracht haben. Dazu kommt noch die La-Hoguette-Gruppe aus dem Westen, die sich aus der Cardial- oder Impresso-Kultur ableiten, also entlang der westlichen Mittelmeerküste.

Später folgt aus den östlichen Steppen das Blonde und der nochmals hellere Phänotyp und mit diesen Menschen wohl auch das Indoeuropäische.
 
Umfang der Studienprobe waren 180 Individuen.

„Eine Sprache lässt sich nicht direkt aus Genomen ablesen, aber wenn genetische Abstammung, archäologischer Kontext und Sprachgeografie zusammenkommen, sind fundierte Rückschlüsse möglich“, wird Vyazov in einer Aussendung der Uni Wien zitiert.

Im Zeitungsartikel ist diese Verbindung zwischen Genomen und Sprache jetzt für mich nicht überzeugend belegt.

Jedoch gibt es eine Methode, Abstammungen über Generationen zu belegen. Das funktioniert ohne mDNA und daher auch auf der männlichen Linie. Es werden DNA nach bestimmten Abschnitten durchforstet. Findet man nach vielen Generationen später, diesen Abschnitt wieder, ist eine Verwandtschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben. Die Idee dahinter ist, dass die Natur bestimmte DNA-Reihen weiterreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Natur zweimal oder gar mehrmals die identische Reihe erfindet, ist dagegen sehr gering.

Fiktives Beispiel:
Wenn man in Gotland auf einem Friedhof der späten Kaiserzeit sowie auch in einem Friedhof bei Ravenna aus der Völkerwanderungszeit übereinstimmende Abschnitte in der DNA findet, dann ist hier keine bestimmte Verwandtschaftsverhältnis gesichert. Aber man darf die These stellen, dass die beiden Gruppen verwandtschaftliche Beziehungen haben. Ob nun die beprobten Gotländer die selbe Sprache gesprochen haben, wie die beprobten Ravennati sei mal dahin gestellt.

Im Umkehrschluss werde ich bei Nachfahren der Mayas in Yukatan nicht unbedingt eine genetische Übereinstimmung mit den Einwohnern von Valencia machen. Falls doch, hat wohl irgend ein Konquistador sein Erbmaterial hinterlassen. Oder vielleicht war es nun ein Flüchtling vor der Herrschaft Francos, der sich da sexuell betätigt hat.
Finde ich keine genetische Übereinstimmung, leite ich auch nichts zum Thema Sprache ab.
 
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