Neues Buch zur Völkerwanderung

Den Radiobeitrag von Matthias Hennies mit den O-Tönen von Urich Himelmann habe ich gestern gelesen. In Teilen rennen die beiden ja offene Türen ein. Allerdings gleich die ganze Völkerwanderungszeit in die Mottenkisten zu packen, weil nicht jede Stadt und jedes Gehöft zerstört wurde, halte ich für ein wenig zuviel. Wir wissen doch längst, dass die "Vandalen hausten wie die Römer". Dieses Wortspiel mit "hausen wie die Vandalen" war vor einigen Jahren mal die Schlagzeile eines Zeitungsbeitrages, ich glaube in der Die Zeit anlässlich einer Vandalen-Ausstellung. Es bezog sich darauf, dass im archäologischen Befund von Karthago und anderen africanischen Städten von der Römer- zur Vandalenzeit kein archäologisch erkennbarer Bruch - also z.B. massive Zerstörungshorizonte oder radikale Änderung der Materialkultur - zu bemerken war. Selbst die völkerwanderungszeitlichen literarischen Quellen geben uns ein anderes Bild als nur Zerstörung etc. Z.B. berichten sie von Theoderich dem Großen, dass er die Infrastruktur ausbauen (was wohl mit wiederinstandsetzen zu übersetzen ist) ließ. Wir wissen auch, dass es den Völkerwandernden nicht gelang, jede Stadt zu erobern.
Aber niemand würde doch die Existenz der Königreiche der Vandalen und Alanen, der West- und Ostgoten, der Langobarden, der Franken oder der Sueben deswegen in Abrede stellen.

Daraus entstand das Bild der „Völkerwanderung“, das bis vor kurzem in den Geschichtsbüchern stand: Demnach zogen angeblich Männer mit Helm und Schwert, dahinter Planwagen voll mit blonden Kindern und bezopften Frauen, gen Süden, zerschlugen das Römische Reich – und danach begann das Mittelalter.
Aber so war es offensichtlich nicht. Die Darstellung, die lange auch der nationalistischen Propaganda diente,....
Jein. Wir haben ja gerade vorige Tage über ein Zitat aus Mein Kampf ("Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten.") diskutiert. Die Nazis behaupteten zwar z.B. gerne, dass die Reconquista in Spanien von dem germanischen Elemente getragen wurde (eben Resten der Westgoten und der Sueben), aber mit ihrer Ostfixierung sahen Leute wie H. die Völkerwanderung die in den Süden und Westen des römischen Reiches führte bzw. die Kreuzzüge als Irrtümer an, da sie eine schicksalhafte Bestimmung der "Germanen" im Osten ausmachten. Klar, es gab auch Nationalisten vor und nach Hitler, ohne diese Ostfixierung, die haben das sicher anders gesehen.
 
Ich kenne das Buch von Mischa Meier leider nur von außen von der Buchhandlung, aber ich habe Prokops bella gelesen (auf Deutsch, nicht auf Griechisch), und denke, dass da ziemlich sachlich eine Zeit schrecklicher Gewalt beschrieben wird. Daran ändert auch nichts, dass auch bei Prokop die Herrschaft Theoderichs gut wegkommt.

Es gibt auch Kunsthistoriker, die argumentieren, dass man in der Spätantike einfach kein Interesse mehr an naturalistischen Darstellungen hatte und deshalb die griechisch-römische Kunst zugunsten expressiverer Ausdrucksformen aufgab. Vielleicht fand man ja auch den römischen Inschriftenstil abgedroschen und krakelte deshalb ab dem 5. Jahrhundert nur noch in den Stein.

Etwas Polemik darf vielleicht auch mal sein.
 
Zurück
Oben