Niederrheinische Thüringer

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Cloiokin

Gast
Niederrheinische Thüringer

Es gibt einige Berichte über niederrheinische Thüringer die nicht unbestritten sind. Es wurde geschrieben der Rest des Thüringer Heeres siedelte sich, nach dem Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (Attila und die Hunnen), im heutigen Belgien zwischen Maas und Schelde.
Ich wohne, als Flame, im Belgischen Brabant, mitten zwischen Maas und Schelde und wollte gerne mehr über diese sogenannte niederrheinische Thüringer wissen.
Rüdiger Gebser schreibt in seine Hausarbeit "Das Thüringer Königreich" (Internet) diese "Westthüringer" werden bezeugt durch einen Brief Theoderichs des Grossen (Cassiodorus' Variae 3,3).
Der historischer Schriftsteller Gregorius von Tours (+594) hatte gestellt dass die Franken über den Rhein zogen und in das Land Thuringia kamen (Historia Francorum 2,9). Diese Stellung ist jahrhundertelang bis heute problematisch gewesen. Vielleicht konnte ein niederrheinisch-Thüringisches Kleinreich im heutigen Belgien aufklärung bieten.
Gibt's jemand der über dieses Themen besser informiert ist?
Cloiokin
 
Hallo,
die Schlacht auf den katalaunischen Feldern hat aber nichts mit der Beschreibung von Gregor zu tun. Dieser deutete nur grob die geografischen Verhältnisse an. Das Land Thuringia begann zwar nicht direkt am Rhein, Aber die Gebiete des Einzugsgebietes der Weser/Fulda zählten schon dazu.
 
Thüringen
Das geschlossene Siedlungsgebiet des thüringischen Stammes umfasste das Nordharzvorland, das Mittelelbegebiet bis zur Ohre und zum Fläming, das Südost- und Ostharzvorland, das Saale-Unstrut-Gebiet bis über Mühlhausen hinaus und das Thüringer Becken bis zum Fuß des Thüringer Waldes. Eine kleinere Gruppe saß am Obermain, eine weitere elbaufwärts um Riesa.

Thüringisch-fränkische Kontakte im 5./6. Jahrhundert
Franken und Thüringer waren während des 5. Jahrhunderts nicht direkt benachbart, es gab jedoch einen Austausch von kostbaren Gläsern aus dem Rheinfränkischen nach Mitteldeutschland und einen Export unter anderem von Kleinfibel mit Almandinrundeln aus dem Saalegebiet zu den Franken. Wegen des mehrfachen Vorkommens derartiger Funde am Niederrhein bis nach Nordfrankreich und Belgien könnte es sich bei den Trägern dieser Formen sogar um Bevölkerungsteile aus Mitteldeutschland handeln. Ähnlich wie die Franken könnten sie als Föderaten in der römischen Provinz, dem bis 486 bestehenden Reich des Syagrius, angesiedelt worden sein oder als Einheiten im römischen Heer gedient haben.

Gregor von Tours
Gregor berichtet über einen Thüringerkönig namens Bisin, zu dem der Frankenkönig Childerich geflohen sei, als die Franken ihm die Herrschaft genommen und ihm nach dem Leben getrachtet hätten. Childerich habe dort Basena, die Gemahlin Bisins kennen gelernt. Nachdem der Franke seine Königsherrschaft zurückerlangt habe, sei ihm Basena gefolgt, Childerichs Gattin und Mutter Chlodwigs geworden. Da Childerich I. 481/482 starb, müssten sich die erwähnten Ereignisse um 460 abgespielt haben. Bei dem von Gregor erwähnten Bisin und dem Thüringerkönig Bisin in der Zeit um 500 kann es sich daher nicht um dieselbe Person handeln.
Noch vor diesen Ereignissen seien die Franken (lt. Gregor) über den Rhein gegangen und nach „Thoringen“ gezogen. Es könnte sich in diesem Fall um Thüringer und Warnen handeln, die vor dem Druck der Hunnen in westliche Richtung ausgewichen waren und sich im heutigen Nordostfrankreich und Belgien niedergelassen hatten. In diesem Fall wäre der in der Verbindung mit Basena genannte Bisin der Vater oder nur ein Verwandter des schriftlich bezeugten Alleinkönigs der Thüringer Mitteldeutschlands in der Zeit um 500.

(Berthold Schmidt, Das Königreich der Franken und seine Eingliederung in das Frankenreich. In: Die Franken. Wegbereiter Europas, Mainz 1997, S.285-297.)
 
Hallo Livia und Strupanice,

Vielen Dank für die Hinweise.
Auf den Deurinck-site habe ich eine weitere Referenz gefunden: das Buch "Clovis" von der Französischen Schriftsteller Michel Rouche, ausgegeben von Fayard in 1996 und 2002. Kevin Duerinck meldet das Rouche stellte die Thüringer sind den Rhein übergegangen (nach die Schlacht gegen den Alemanen in 496) und bis zum "Coal Forest" (Kohlenwald) gezogen. Von dieses Wald besteht heute noch ein stück im südosten von Brüssel (im mitten Brabants). Also die nächtste suche wird nach das Buch von Rouche sein, in die Hoffnung interessanten Quellen zu finden.
Noch eine Frage: hat jemand eine Übersetzung von den Brief Theoderichs des Grossen an die Thüringer, Warnen und Heruler (Cassiodorus' Variae 3,3) in denen die "Westthüringer" vielleicht bezeugt werden?
Cloiokin
 
Man geht heute davon aus, daß der Harz inmitten des Einzugsgebietes der Thüringer lag. Wie bei allen Stammesverbänden handelte es sich auch bei den Thüringern um einen Verbund, der alles um sich angrenzende versuchte aufzusaugen, bis zwischen den Stammesverbänden kaum noch unabhängige Einzelstämme vorhanden waren. Auch wechselten je nach Kräfteverhältnis die einen oder anderen zwischen den Stammesverbänden. Die Ausläufer anglo-warnischer Siedlungstätigkeit reicht bis an die Unterelbe. Gleichzeitig kommt auch in zunehmendem Maße das Havelland und Nordböhmen im Elbtal in ein gewisses Abhängkeitsverhältnis. Die Gebiete südlich des Thüringer Reiches waren keineswegs kleinere Gruppen. Die Herkunft der Stämme, die zum Thüringer Königreich gehörigen, sind kaum definierbar, da sie wahrscheinlich aus dem selben ethnischen Verbund der Sueben stammen, wie es die Hermunduren auch taten. Die Achse Thüringen-Ostgoten und Langobarden muß mindestens genauso machtvoll gewesen sein, wie das Frankenreich.
Nach 531 kam es sicher von Seiten der Franken auch zu zahlreichen Umsiedlungsaktionen, um die neu gewonnen Gebiete mit eigenen Leuten zu besetzen. Somit kamen auch viele Thüringer tief ins fränkische Reich.
 
Man muss die unterschiedliche Intensität der Besiedlung berücksichtigen, die sich ziehmlich klar auch aus dem archäologischen Befund ergibt. Neben dem geschlossenen Siedlungsgebiet gab es die "Interessengebiete", die sich weit über das eigentliche Stammesgebiet zogen, ohne dass sie dauerhaft durch die Thüringer besiedelt waren. Nach Angabe der Vita Severini plünderten Thüringer um 470 Passau in der römischen Provinz Rätien und bedrohten Lorch in der Provinz Noricum. Die in die Donau mündenden Flüsse Regen und Naab flossen nach Aussage des Geographen von Ravenna durch thüringisches Gebiet. Die thüringischen Interessengebiete umfassten auch das Land zwischen Main und Donau, Böhmen, Brandenburg bis Berlin, Niedersachsen bis nach Braunschweig.
Im Norden hat Mecklenburg mit Siedlungskammern um Schwerin, Teterow und Neubrandenburg einige Verbindungen zur thüringischen Kultur aufzuweisen, ohne dass eine Zugehörigkeit zum Thüringer Reich klar erkennbar ist.
 
Hallo Livia,
bin da voll und ganz deiner Meinung. Die herminonischen (elbgermanischen) Stämme weisen eine auffallen ähnliche Kultur auf, was sich archäologisch niederschlägt. Da das Sammelgebiet der Warnen in Mecklenburg lag, ist die Verbindung zur thüringischen Kultur sehr naheliegend. Dabei darf man sich nicht von den starren Staatsgebilden der heutigen Zeit leiten lassen. Die Bildung der Stammesverbände war ein sehr dynamischer Prozess, der nie ganz abgeschlossen war. Die Interessensgebiete der Thüringer zwischen Main und Donau sind schon allein dadurch definiert, daß die Hermunduren im Gegensatz zu anderen germanischen Stämmen als relativ römerfreundlich galten und genau in dieser Kontaktzone regen Handel betrieben.

Noch einmal zum Niederrheinischen "Thüringen". Darüber gibt es eine ganze Reihe von Berichten. Die Geschichtsforschung hat da sicher noch einiges an Aufarbeitung zu leisten. Zumindest zeigt sich hier, daß man mit den starren Bildern über homogene Stammesbverbände nicht mehr weit kommt.
 
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