Um das Thema Stalinismus nicht zu überfrachten, habe ich diesen Teilaspekt einmal ausgegliedert.
Beiträge mit Bezug darauf:
http://www.geschichtsforum.de/263537-post97.html
Dazu einige Daten bzw. Feststellungen:
1. Im zaristischen Rußland betrug 1913 der Anteil der Investitionsgüter an der Gesamtproduktion 1/3, von Konsumgüter 2/3. Die Verteilung für die UdSSR von 1940 weist 61,2 % Investionsgüterproduktion an der gesamten industriellen Bruttoproduktion aus.
Die Ursachen hierfür:
- der Zusammenbruch bzw. die staatlich angeordnete Vernachlässigung weiter Bereiche der Konsumgüterproduktion, Hurvinek hatte bereits die Nahrungsmittelproduktion angesprochen.
- die Aufrüstung der UdSSR, über die Hälfte der Industrieproduktion 1940 wurde dem militärischen oder wehrwichtigen Bereichen zugeordnet.
Die russischen Nahrungsmittelreserven für 1.1941 werden mit 6,2 Mio. Tonnen angegeben, vermutlich die landesweite Produktion 1940. Die Versorgungsreichweite hieraus wird allerdings nur mit 6 Monate berechnet, reichte also etwa bis zur nächsten Ernte.
Anbauflächen (entscheidend abhängig vom Grad der Industrialisierung bei der Weite des Landes!): 1913 insgesamt 118,2 Mio. ha, 1940 insgesamt 150,4 Mio. ha, dass entspricht ca. plus 28% und ist eher dürftig zu sehen. Die Getreideflächen stiegen lediglich um ganze 6% von 1913/1940. 1941 waren die Rinderbestände (hier ist die Massenhaltung entscheidend, die wiederum Investitionsgüterbedarf aufweist) unter dem Stand von 1916 (!), etwa 58 Mio. Stück, im Osten davon 28 Mio. Stück. Die gesamte Nahrungsmittelproduktion bezog sich indexiert auf 1913 auf etwa 140 %. Stoffe und Textilien: 1913 insgesamt 2.848 Mio. Meter, 1940: 4.436 Mio. Meter.
2. Diese "Leistungen" sind zu relativieren, hinsichtlich des Produktionszuwachses. Teile der Investitionsleistungen sind lediglich darauf zurückzuführen, die Betriebe in der UdSSR an die Rohstoffbasen zu legen, weil die logistischen Probleme zuvor nie gelöst werden konnten bzw. die Mittel und die Technik für Infrastrukturmaßnahmen fehlten. Beispiele: die Hüttenkombinate von Magnitogorsk, Kusnezk, Karaganda.
3. Wo sich diese Industrialisierungen zeigen, kann deutlich gemacht werden. Zugleich erhellt diese Darstellung die Einseitigkeit und mangelnde Tiefe, worauf sich die Industrialisierung partiell bezog. Dennoch sind die Investitionsleistungen in Summe beachtlich, wenn auch in erheblichem Umfang nur durch Investionsgüterimporte darstellbar gewesen: 1940 wurden in der UdSSR in Betrieb genommen:
4 Hochöfen mit 1.315.000 t/a , davon 3 mit 925.000 t/a im Osten,
7 Martinöfen, alle im Osten
4 Koksbatterien mit 1.635.000 t/a, davon 2 im Osten
neue Kohlengruben mit 14.930.000 t/a, die Hälfte in den östlichen/nördlichen Gebieten, zB Petschora
Die Erdölförderung der UdSSR stieg von 1932 bis 1940 um rund 45 %, angesichts der Potentiale sehr bescheiden.
Einiges zu Industrieentwicklung 1918/1940:
Roheisen: 0,0 Mio. t/a, 1940: 7,3 Mio. t/a
Stahl: 0,4 Mio. t/a, 1940: 7,6 Mio. t/a
Walzeisen: 0,3 Mio. t/a, 1940: 7,9 Mio. t/a
Kohle: 5,6 Mio. t/a, 1928: 57,0 Mio. t/a (etwa Vorkriegsproduktion) 1940: 78,4 Mio. t/a
Elektroenergie: 0,7 Mio. kwh, 1940: 3,6 Mio. kwh
4. Die Rohstoffproduktion außer Kohle, Öl und Erz war ebenfalls reichhaltig entwickelt, um jeden Bedarf zu decken.
5. Der Maschinenbau wurde als entscheidende Kategorie der Industrialisierung, insbesondere als rüstungsrelevant angesehen. Die Ausrüstung für 1913 wurde wie folgt angesehen USA-SU 10:1, GB-SU 4:1, D-SU 5:1. Für 1940 wird in eigener Statistik der Maschinenbau auf Platz 2 hinter den USA und als Nr. 1 in Europa angesehen.
1913: Herstellung 1.500 "Werkbänke", 1940: 58.400 "Werkbänke". Die Zahlen täuschen darüber hinweg, dass es sich durchweg um primitive Massenfertigungen und einfache "Werkbänke" handelte. Die UdSSR war noch 1940 nicht in der Lage, Werkzeugmaschinen (Dreh-, Fräs-, Schneid-, Loch-Werkzeugmaschinen oder Umformtechnik, insbesondere Automaten und Halbautomaten) herzustellen, die für komplexe Aufgaben oder für Massenfertigung geeignet waren. Die entsprechenden Geräte wurden zu beliebigen Preisen bzw. gegen Rohstofflieferungen seit den Dreißiger Jahren importiert, da es sich hier um den entscheidenen Engpass der Industriegüterproduktion handelte.
6. Die Motorisierung der UdSSR war dürftig. Selbst unter Einbeziehung der totalen Mobilisierung gelang es der Roten Armee ab Juni 1941 nicht, über mehr als 272.600 Fahrzeuge (ungepanzert, alle Typen, inkl. Traktoren) zu verfügen. Dazu kamen, auch aus den östlichen Landesteilen, im Verlauf II/1941 ca. 204.900 Stück. Ab 1942 ergänzten alliierte Lieferungen die Bestände. Zum Vergleich: Die Wehrmacht begann den Feldzug mit etwa 600.000 Fahrzeugen.
1913: 8.800 Kfz, für 1940 werden 800.000 Fahrzeuge angegeben, was bei einer Mobilisierung von rd. 200.000 Fahrzeugen zu hoch erscheint. Außerdem wird die Traktorenzahl mit 684.000 ("Zahl umgerechnet auf 15 PS")angegeben, weswegen die Masse dieser sogenannten "Fahrzeuge" landwirtschaftliche Geräte gewesen sein dürften. Was als Traktor zählt, ist dehnungsfähig, das beginnt bei kleinen Einachsern mit Lenker und Kleinmotor (landwirtschaftliche Schleppgeräte). Vermutlich gab es also ca. 200.000 LKW, davon die Masse in der Roten Armee als Minimalausstattung für knapp 5.000.000 Mann.
Beachtlich ist die Eisenbahnproduktion: Herstellung von 11.900 Loks von 1928-1940, dazu 284.100 Waggons.
Logistik: 1913 insgesamt 58.500 Bahn-km, 1940 106.100 Bahn-km, Schifffahrtswege: 59.400/107.300 km
7. Knappheit an ausgebildetem Personal: als Beispiel dafür mag die "Bewegung zur Bedienung mehrerer Maschinen" dienen, die 1939 in der Ukraine und im Ural entstand und die etwa. 15.000 Mann umfaßte, die Mehrfachausbildungen erhielten.
Die Daten könnten auch ein Anhaltspunkt dafür, den Grad der Industrialisierung, der klar auf dem Primären Sektor und Basisindustrien des sekundären Sektors liegt, mit anderen Ländern zu vergleichen.
Zusammenfassend: sicher beachtliche Leistungen, gekennzeichnet andererseits durch eine sehr einseitige Entwicklung in der Rohstoff- und Schwerindustrie. Der Aufbau mit Ausrüstungsinvestitionen war allerdings von Beginn an damit einhergehend, das Gerät für Unterhaltungsinvestitionen (Ersatzteile etc.) chronisch fehlten, ein Musterbeispiel dafür, dass mit einem industriellen Kraftakt eine Erstausstattung (auch mit Hilfe von Importen, siehe Werkzeugmaschinen, Martinöfen etc.) hingesetzt wird, für deren perspektivische Unterhaltung die notwendigen Kapazitäten fehlen und die auf diese Weise regelrecht und ökonomisch in der Gesamtrechnung aufwendig verschlissen werden.
EDIT: Quellen vergessen.
diverse, u.a. Krivosheev (Soviet Casualties in the 20th Century) sowie Pospelow, Boltin et al, Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges Band 1, 9. Kapitel. (Anm.: die deutschen/feindlichen Zahlenangaben in diesem Werk sind durchweg als unrichtig anzusehen, die sowjetischen Statistiken haben durchweg eine hohe, heute prüfbare Genauigkeit. Deswegen sehe ich die sowjetischen Vorkriegsstatiskiken als ungefähr zutreffend an, man wird sich hier aber nicht auf Nachkommastellen beziehen können. Außerdem gelten die üblichen Einschränkungen und Interpretationsmöglichkeiten jeder Statistik)
Beiträge mit Bezug darauf:
http://www.geschichtsforum.de/263537-post97.html
Dazu einige Daten bzw. Feststellungen:
1. Im zaristischen Rußland betrug 1913 der Anteil der Investitionsgüter an der Gesamtproduktion 1/3, von Konsumgüter 2/3. Die Verteilung für die UdSSR von 1940 weist 61,2 % Investionsgüterproduktion an der gesamten industriellen Bruttoproduktion aus.
Die Ursachen hierfür:
- der Zusammenbruch bzw. die staatlich angeordnete Vernachlässigung weiter Bereiche der Konsumgüterproduktion, Hurvinek hatte bereits die Nahrungsmittelproduktion angesprochen.
- die Aufrüstung der UdSSR, über die Hälfte der Industrieproduktion 1940 wurde dem militärischen oder wehrwichtigen Bereichen zugeordnet.
Die russischen Nahrungsmittelreserven für 1.1941 werden mit 6,2 Mio. Tonnen angegeben, vermutlich die landesweite Produktion 1940. Die Versorgungsreichweite hieraus wird allerdings nur mit 6 Monate berechnet, reichte also etwa bis zur nächsten Ernte.
Anbauflächen (entscheidend abhängig vom Grad der Industrialisierung bei der Weite des Landes!): 1913 insgesamt 118,2 Mio. ha, 1940 insgesamt 150,4 Mio. ha, dass entspricht ca. plus 28% und ist eher dürftig zu sehen. Die Getreideflächen stiegen lediglich um ganze 6% von 1913/1940. 1941 waren die Rinderbestände (hier ist die Massenhaltung entscheidend, die wiederum Investitionsgüterbedarf aufweist) unter dem Stand von 1916 (!), etwa 58 Mio. Stück, im Osten davon 28 Mio. Stück. Die gesamte Nahrungsmittelproduktion bezog sich indexiert auf 1913 auf etwa 140 %. Stoffe und Textilien: 1913 insgesamt 2.848 Mio. Meter, 1940: 4.436 Mio. Meter.
2. Diese "Leistungen" sind zu relativieren, hinsichtlich des Produktionszuwachses. Teile der Investitionsleistungen sind lediglich darauf zurückzuführen, die Betriebe in der UdSSR an die Rohstoffbasen zu legen, weil die logistischen Probleme zuvor nie gelöst werden konnten bzw. die Mittel und die Technik für Infrastrukturmaßnahmen fehlten. Beispiele: die Hüttenkombinate von Magnitogorsk, Kusnezk, Karaganda.
3. Wo sich diese Industrialisierungen zeigen, kann deutlich gemacht werden. Zugleich erhellt diese Darstellung die Einseitigkeit und mangelnde Tiefe, worauf sich die Industrialisierung partiell bezog. Dennoch sind die Investitionsleistungen in Summe beachtlich, wenn auch in erheblichem Umfang nur durch Investionsgüterimporte darstellbar gewesen: 1940 wurden in der UdSSR in Betrieb genommen:
4 Hochöfen mit 1.315.000 t/a , davon 3 mit 925.000 t/a im Osten,
7 Martinöfen, alle im Osten
4 Koksbatterien mit 1.635.000 t/a, davon 2 im Osten
neue Kohlengruben mit 14.930.000 t/a, die Hälfte in den östlichen/nördlichen Gebieten, zB Petschora
Die Erdölförderung der UdSSR stieg von 1932 bis 1940 um rund 45 %, angesichts der Potentiale sehr bescheiden.
Einiges zu Industrieentwicklung 1918/1940:
Roheisen: 0,0 Mio. t/a, 1940: 7,3 Mio. t/a
Stahl: 0,4 Mio. t/a, 1940: 7,6 Mio. t/a
Walzeisen: 0,3 Mio. t/a, 1940: 7,9 Mio. t/a
Kohle: 5,6 Mio. t/a, 1928: 57,0 Mio. t/a (etwa Vorkriegsproduktion) 1940: 78,4 Mio. t/a
Elektroenergie: 0,7 Mio. kwh, 1940: 3,6 Mio. kwh
4. Die Rohstoffproduktion außer Kohle, Öl und Erz war ebenfalls reichhaltig entwickelt, um jeden Bedarf zu decken.
5. Der Maschinenbau wurde als entscheidende Kategorie der Industrialisierung, insbesondere als rüstungsrelevant angesehen. Die Ausrüstung für 1913 wurde wie folgt angesehen USA-SU 10:1, GB-SU 4:1, D-SU 5:1. Für 1940 wird in eigener Statistik der Maschinenbau auf Platz 2 hinter den USA und als Nr. 1 in Europa angesehen.
1913: Herstellung 1.500 "Werkbänke", 1940: 58.400 "Werkbänke". Die Zahlen täuschen darüber hinweg, dass es sich durchweg um primitive Massenfertigungen und einfache "Werkbänke" handelte. Die UdSSR war noch 1940 nicht in der Lage, Werkzeugmaschinen (Dreh-, Fräs-, Schneid-, Loch-Werkzeugmaschinen oder Umformtechnik, insbesondere Automaten und Halbautomaten) herzustellen, die für komplexe Aufgaben oder für Massenfertigung geeignet waren. Die entsprechenden Geräte wurden zu beliebigen Preisen bzw. gegen Rohstofflieferungen seit den Dreißiger Jahren importiert, da es sich hier um den entscheidenen Engpass der Industriegüterproduktion handelte.
6. Die Motorisierung der UdSSR war dürftig. Selbst unter Einbeziehung der totalen Mobilisierung gelang es der Roten Armee ab Juni 1941 nicht, über mehr als 272.600 Fahrzeuge (ungepanzert, alle Typen, inkl. Traktoren) zu verfügen. Dazu kamen, auch aus den östlichen Landesteilen, im Verlauf II/1941 ca. 204.900 Stück. Ab 1942 ergänzten alliierte Lieferungen die Bestände. Zum Vergleich: Die Wehrmacht begann den Feldzug mit etwa 600.000 Fahrzeugen.
1913: 8.800 Kfz, für 1940 werden 800.000 Fahrzeuge angegeben, was bei einer Mobilisierung von rd. 200.000 Fahrzeugen zu hoch erscheint. Außerdem wird die Traktorenzahl mit 684.000 ("Zahl umgerechnet auf 15 PS")angegeben, weswegen die Masse dieser sogenannten "Fahrzeuge" landwirtschaftliche Geräte gewesen sein dürften. Was als Traktor zählt, ist dehnungsfähig, das beginnt bei kleinen Einachsern mit Lenker und Kleinmotor (landwirtschaftliche Schleppgeräte). Vermutlich gab es also ca. 200.000 LKW, davon die Masse in der Roten Armee als Minimalausstattung für knapp 5.000.000 Mann.
Beachtlich ist die Eisenbahnproduktion: Herstellung von 11.900 Loks von 1928-1940, dazu 284.100 Waggons.
Logistik: 1913 insgesamt 58.500 Bahn-km, 1940 106.100 Bahn-km, Schifffahrtswege: 59.400/107.300 km
7. Knappheit an ausgebildetem Personal: als Beispiel dafür mag die "Bewegung zur Bedienung mehrerer Maschinen" dienen, die 1939 in der Ukraine und im Ural entstand und die etwa. 15.000 Mann umfaßte, die Mehrfachausbildungen erhielten.
Die Daten könnten auch ein Anhaltspunkt dafür, den Grad der Industrialisierung, der klar auf dem Primären Sektor und Basisindustrien des sekundären Sektors liegt, mit anderen Ländern zu vergleichen.
Zusammenfassend: sicher beachtliche Leistungen, gekennzeichnet andererseits durch eine sehr einseitige Entwicklung in der Rohstoff- und Schwerindustrie. Der Aufbau mit Ausrüstungsinvestitionen war allerdings von Beginn an damit einhergehend, das Gerät für Unterhaltungsinvestitionen (Ersatzteile etc.) chronisch fehlten, ein Musterbeispiel dafür, dass mit einem industriellen Kraftakt eine Erstausstattung (auch mit Hilfe von Importen, siehe Werkzeugmaschinen, Martinöfen etc.) hingesetzt wird, für deren perspektivische Unterhaltung die notwendigen Kapazitäten fehlen und die auf diese Weise regelrecht und ökonomisch in der Gesamtrechnung aufwendig verschlissen werden.
EDIT: Quellen vergessen.
diverse, u.a. Krivosheev (Soviet Casualties in the 20th Century) sowie Pospelow, Boltin et al, Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges Band 1, 9. Kapitel. (Anm.: die deutschen/feindlichen Zahlenangaben in diesem Werk sind durchweg als unrichtig anzusehen, die sowjetischen Statistiken haben durchweg eine hohe, heute prüfbare Genauigkeit. Deswegen sehe ich die sowjetischen Vorkriegsstatiskiken als ungefähr zutreffend an, man wird sich hier aber nicht auf Nachkommastellen beziehen können. Außerdem gelten die üblichen Einschränkungen und Interpretationsmöglichkeiten jeder Statistik)
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