Operation Entebbe - Warum keine deutsche Beteiligung?

Dieses Thema im Forum "BRD | DDR" wurde erstellt von Griffel, 15. April 2021.

  1. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied

    Die Nato ist ein Militärbündnis, und es wurde die Bundesrepublik nicht angegriffen. Es bestand keine Veranlassung, die Nato anzurufen, und es war im Grunde auch nie der Ausgang fraglich, es handelte sich um eine simple Polizeiaufgabe. Sich an die Nato zu wenden, hätte eine Bankrotterklärung bedeutet, ein Eingeständnis, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht mit einer Stadtguerilla fertig werden kann und unfähig ist, ihrer staatlichen Souveränität gerecht werden zu können.
     
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  2. Griffel

    Griffel Mitglied

    So gesehen stimmt das natürlich. Aber! Die Nato, war ja nicht nur für die äußere Sicherheit verantwortlich.
    Artikel 4 hätte durchaus die Möglichkeit geboten, sich auch mit diesen Fragen zu befassen. Somit hätte die Bundesregierung auch die Chance gehabt, die Meinungen der anderen Alliierten einzuholen.:rolleyes: Auch wenn, dass heute keiner hören möchte, bei allen Fragen der Sicherheit, egal ob im Inneren oder im Äußeren, war die Bundesrepublik einer engmaschigen Kontroller unterworfen.

    Natürlich, wäre es auf der einen Seite peinlich gewesen, hätte man vonseiten Deutschlands diesen Weg beschritten. Allerdings hätte man diesem Schritt auch jeden Verdacht ausgeräumt, man wolle etwas tun, was den gemeinsamen Interessen schadet. Außerdem, ist ja keineswegs so, dass die Nato nicht auch betroffen gewesen wäre.:(

    Im Jahre 1972 wurden ja auch amerikanische Militärstützpunkte durch Attentate angegriffen. Und die USA sind und waren die Führungsmacht in der Nato. Allerdings sah man den Terrorismus damals noch nicht als wirkliche Gefährdung. Das hat sich dann erst mit der Besetzung der eigenen Botschaft in Teheran geändert.

    Nun ja! Da kann man nichts machen. Getan ist getan und vertan ist vertan. Fest steht jedenfalls für mich, dass die deutsche Regierung damals völlig falsch reagiert hat und es Israel zu verdanken hat, dass der deutsche Staat sich aus der Affäre ziehen konnte, ohne Farbe zu bekennen. Das man ein Jahr später richtig reagiert hat, ist zwar löblich aber leider bis heute ein Einzelfall.
     
  3. Pardela_cenicienta

    Pardela_cenicienta Aktives Mitglied

    Da ist nichts vertan. Die deutsche Regierung hat auch nach internationalem Recht völlig korrekt gehandelt.
    Kritik daran ist verletzte Eitelkeit und ein Spielen mit Zinnsoldaten.
     
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  4. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied


    Nach Lage der Dinge hat Bundeskanzler Schmidt besonnen und korrekt gehandelt. Auch konnte man ihm kaum parteipolitisches Taktieren vorwerfen. Im Gegenteil hat sich Schmidt um eine überparteiliche Zusammenarbeit gegen den Terrorismus engagiert und einen Mitarbeiterstab gegründet, dem auch der damalige Oppositionsführer Kohl angehörte.

    Völlig unsinnig ist auch die Einschätzung, die BR habe so agiert, dass jeder Terrorist davon überzeugt sein musste, das der Staat Erpressungen nachgibt. Das Gegenteil war der Fall, Schmidt hatte knallhart gezeigt, dass die BRD sich nicht erpressen lässt, und man hatte aus den Erfahrungen von München doch einiges gelernt.
    Ohne das Vorbild Entebbe hätte man vermutlich 1977 nicht riskiert, die Landshut in Mogadischu zu befreien.

    Korrekt würde ich allerdings deine Einschätzung bewerten, dass Israels Vorgehen der BRD erlaubte, ihr Gesicht zu wahren.

    Zu den Forderungen der Geiselnehmer gehörte auch die Forderung der Freilassung von RAF-Gefangenen. Helmut Schmidt hatte sich, noch vor der Entführung, sehr stark über Lorenz und seine Panik vor der RAF lustig gemacht. Schmidt war ein Gegner von Nachgebigkeit, und er bestimmte, dass wenn er selbst oder seine Frau entführt würden, man keinesfalls nachgeben sollte.

    Nun hatten die Geiselnehmer aber einen ganzen Flieger jüdischer Geiseln. Zum ersten Mal nach 1945 waren Juden selektiert worden-

    Auch wenn Helmut Schmidt eine knallharte Linie gegen Terrorismus fuhr und ein Nachgeben gegenüber Terroristen strikt ablehnte, die BRD hätte es sich bei ihrer Vergangenheit kaum leisten können, das Leben jüdischer Geiseln zu opfern wie man es später mit Arbeitgeberpräsident Schleyer tat.

    Israel hat durch das Gelingen der Operation Entebbe die Bundesrepublik davor bewahrt, eine ganz eklige Kröte schlucken zu müssen. Hätte das nicht geklappt, blieb der BRD nur die Alternative, entweder RAF-Terroristen freizulassen oder aber jüdische Geiseln opfern zu müssen, hinzunehmen, dass diese selektiert und ermordet wurden.

    Relativ wenig bekannt war, dass auch eine Holocaust-Überlebende, Dora Bloch geborene Feinberg gehörte zu den vier Geiseln, die von den Entführern getötet wurde. Es waren Geiseln nur wegen jüdisch klingender Namen selektiert worden. Ein anderer Holocaustüberlebender machte einen den Entführer, Böse, auf seine Tätowierungen aus dem KZ aufmerksam, worauf dieser ihn verschonte. Dora Bloch war auf dem Weg zur Hochzeit ihres Sohnes in New York, als sie entführt wurde. Weil ihr einj Bissen im Hals steckte, war sie in ein Krankenhaus verlegt worden. Anscheinend wurde Bloch kurz nach der Geiselbefreiung von ugandischen Geheimdienstleuten erschossen.

    Insgesamt hat Operation Entebbe indirekt das deutsch-israelische Verhältnis sogar verbessert! Die Aktion des Mossad stieß auf Erleichterung und Bewunderung. In der BRD kam es zu spontanen pro-israelischen Demonstrationen.

    Wegen der Palästinenser-Politik gab es in linken Kreisen große Vorbehalte und Kritik gegen Israel, und Israel war das Lieblingskind der Springer-Presse, die wiederum- nicht ganz zu Unrecht- Hassobjekt der politischen Linken war. Es gab durchaus in der BRD so etwas wie einen linken Antisemitismus. Israel wurde daher durchaus kritisch gesehen.

    Die Erfahrung, dass wie in der NS-Zeit Juden selektiert und umgebracht wurden, sorgte aber allgemein auch in der linken Szene für Entsetzen. Einige Zeitgenossen und Beteiligte änderten daraufhin ihre Einstellung zu Israel.

    Der spätere Bundesaußenminister Joschka Fischer, der damals der Sponti-Szene angehörte, sagte später, dass die Eindrücke der Entebbe Aktion dazu geführt hätten, dass er sich von seiner Militanz verabschiedete. Auch ehemalige Terroristen wie Hans Joachim Klein und Peter Book distanzierten sich unter dem Eindruck von Entebbe 1973 vom Terrorismus. Klein warnte 1977 vor Anschlägen der Revolutionären Zellen gegen Heinz Galinski den späteren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden.

    Die Operation Entebbe führte in Israel dazu, dass die Bedeutung des Holocaust für Israel stärker betont wurde. Die Aktion führte vielerorts zu spontanen pro-israelischen Demonstrationen. Die Ausstrahlung der US-Serie Holocaust 1978 wurde auch in Deutschland positiv aufgenommen.

    Insgesamt würde ich eher dazu tendieren, dass die Operation Entebbe die deutsch-israelischen Beziehungen eher verbessert, als verschlechtert hat.
     
  5. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Ich hab mal die effektheischende "empörte" ÜS den historischen Fakten angemessener formuliert - ohne dabei die Zielrichtung des Fragestellers außer Acht zu lassen.
     
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  6. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied

    Das ehrt dich. Die reißerischen Überschriften
    hatte die Userin/ Moderatorin @Ingeborg mal in anderem Zusammenhang geschrieben.
     
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  7. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied

    Nicht nur das! Der Hammer war dass der ugandische Geheimdienst die Holocaust-Überlebende Dora Bloch erschoss.

    Bloch hatte die Hölle von Auschwitz überlebt und war auf dem Weg zur Hochzeit ihres Sohnes in New York. Sie lebte in Tel Aviv. Um nach NY zu kommen, musste sie erst nach Paris fliegen , und so geriet Bloch in die Fänge der Entführer.

    Beim Flug war ihr, vielleicht auch durch den Schreck ein Bissen im Hals steckengeblieben, Ärzte hatten empfohlen sie sofort in ein Krankenhaus zu bringen, und die Geiselnehmer hatten zugestimmt, dass sie ins Hospital nach Kampala kam. Ihrem Sohn erlaubte man nicht, sie zu begleiten. Dort wurde sie operiert, der Fremdkörper entfernt und sie blieb zur Beobachtung. Am Abend nach dem Sturm der Israelis wurde Dora Bloch aus dem Krankenhaus in Kampala von ugandischen Offizieren gegen ihren Widerstand entführt und kurz danach auf Befehl von Idi Amin von zwei Offizieren erschossen.
     
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