Ost Iran

Sven

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Paschto ist laut der Verfassung Afghanistans aus dem Jahre 1964 eine offizielle und die nationale Sprache Afghanistans.

Außer in Afghanistan leben Paschtosprecher in den freien Stammesgebieten, der North West Frontier Provinz, Balutschistan,
Kaschmir und Nord-Indien. Abgesehen davon leben mehrere Millionen Paschtunen in Afghanistan, Nord-Indien, Bangladesch und den pakistanischen Provinzen Pandschab und Sind.

Paschto ist eine alte, indogermanische Sprache, die nach Meinung der europäischen Gelehrten tiefe Verwandtschaft zur ausgestorbenen, arischen Sprache Avesta hat. Heiler drückt diesen Sachverhalt folgendermaßen aus: "Die heutigen Bücher des Zarathustrismus sind in einem altiranischen Dialekt niedergeschrieben, dem Avestischen, das dem Altindischen verwandt ist und unter den heutigen iranischen Dialekten dem Afghanischen (Paschtu) am nächsten steht"

Laut Prof. Sarif wird das Avesta auch als Ghat Postak bezeichnet:

Ghat bedeutet groß und Postak oder Potak heißt Haut oder Rinde. Wie man im Deutschen Buch von Buche ableitet, aus deren Rinde (Holz) man einst die Einbände für Bücher, insbesondere für die Bibel, herstellte, so wird Avesta auch auf Postak oder Potak (Haut oder Rinde), worauf die heiligen Texte geschrieben wurden, zurückgeführt. Es gibt Quellen, wonach Avesta bwz. Das heilige Buch der Mazdaisten auf 12000 Rinderhäute geschrieben war.

Wie man sieht, wird Paschto von einigen Wissenschaftlern zum nordöstlichen Zweig der iranischen Sprachfamilie gezählt. Der Begriff "Iran" hingegen ist selbst von "Ariana" (Land der Arier) abgeleitet, eine alte geographische Bezeichnung für die Region, die heute unter dem Namen Afghanistan bekannt ist. Ursprünglich wurden in Asien durch die Verwendung der Begriffe "Iran" und "Turan" die Völker indogermanischer Herkunft von jenen mongolisch-türkischer Herkunft unterschieden, bis schließlich das bis zu den 20er Jahren des 20. Jhdts. unter dem Eigennamen "Persien" bekannte Nachbarland Afghanistans, den Namen Iran übernahm und somit aus einer ethnologisch-linguistischen Definition, ein offizieller, politischer Staatsname entstand.

Unter den heutigen Sprachen ähnelt Paschto den im Pamir gesprochenen Sprachen, die als Pamiri bekannt sind und einer kaukasischen Sprache namens Ossetisch.

Die genaue Aufteilung der östlichen arischen Sprachen gestaltet sich als äußerst schwierig, eine der Wahrheit nahe kommende Aufstellung wird hier im folgenden zitiert (nach M.S. Khoishaki - Uni Kabul)

Paschto zeigt eine gewisse Verwandtschaft zum Persischen (Farsi), das westlich und nördlich von ihr gesprochen wird, sowie zu den indischen Sprachen, die südlicher gesprochen werden, z.B. Hindi, Urdu oder Sindhi, aber auch zu anderen indogermanischen Sprachen, wie z.B. Deutsch, Französisch oder Russisch.

Zahlreiche Worte des Paschto finden sich in alten Bezeichnungen, vor allem in der Region in und um Afghanistan. In der mittlerweile ausgestorbenen baktrischen Sprache hieß Berg "Gar", auf Paschto "Ghar", aus diesem Begriff gingen die Namen der Provinz Ghor, Gharjistan (nach Bernd Glatzer),Ghorband, Ghoriakhel etc. hervor
Sonne hieß "Mar" auf baktrisch, auf Paschto noch heute "Mar, Lmar, Nmar".

Die vermutlich ältesten Spuren des Paschto Sprache wollen Linguisten in den Keilschrift-Steininschriften von Behistun (heutiger Ostiran) aus der Zeit von Darius dem Grossen (522-486 v.Chr.) entdeckt haben (Prof. Sarif, Uni Frankfurt a.M.); dabei stechen vor allem drei Sätze ins Auge:

Na iy arrik ahm -- ich nicht ungläubig gewesen bin
Na iy droghjen ahm -- nicht lügnerisch gewesen bin
Na iy zorkar ahm, na aze na miy tomna -- nicht gewalttätig (despotisch) gewesen bin, nicht ich noch meine Familie.


Im 2. Jhdt. v. Chr. lebte ein baktrischer König namens Menander, der im Gegensatz zu anderen baktrischen Königen von indischer Spiritualität und dem Buddhismus angetan war; er wird von den Indern Melanda genannt. Dieser König unterhielt sich gerne mit den Gelehrten über Wissenschaft und Religion. Jene Diskussionen, die er mit dem buddhistischen Gelehrten Nagasina geführt hat, heißen Melanda Pannu und sind ein wichtiges religiöses Buch des Buddhismus. Man vermutet und so wird in dem Buch selber erwähnt, dass der Originaltext in altem Paschto verfasst war. Doch ist dieser Text nicht überliefert oder aufgefunden worden, es existieren lediglich übersetzte Versionen auf Pali.

Ein weiteres versprengtes Puzzleteil taucht zur Zeit der Islamisierung Afghanistans (ab 642 durch die Araber) in einem Buch von Sultan Sakhi Sarwar auf (nach Habibi):

Pe zemi Ghazna chakhed Luik loyano baila Loya
Kacha tur ba baraghlom, me mala tazio pe mla


in heutigem Paschto:
Luik de Ghazni pe zemeka chakh scho Loya kho khpela loyi bailoda,
ze ba lashkar darwastawom, te de tazio malgeri me kawa


Luik wurde im Boden von Ghazni begraben, Loya verlor seine Größe
Ich werde dir Soldaten schicken, schließe du keine Freundschaft mit den Arabern.

"Es wäre aber unrecht, wenn man einen der interessantesten Zweige der Paschto Literatur vernachlässigte: die Volksdichtung. Die Form des tappa oder landey ist hier besonders zu erwähnen. Das sind Verse von 9 plus 13 Silben, die man in ihrer Knappheit mit dem japanischen haiku vergleichen kann. In diesen Versen haben Männer und Frauen ihre Gefühle ausgedrückt oder besser gesagt, angedeutet, und ein Studium der tappa sagt uns viel über die Mentalität der Afghanen. Wie oft haben ich in den letzten Monaten den Vers eines Mädchens zitiert:

Mein Geliebter ist im Kampf geflohen-
jetzt bereue ich den Kuss, den ich ihm gestern gab!"

Eine Landey besteht also aus zwei Versen, wobei der erste Vers 9 Silben und der zweite Vers 13 Silben besitzen muss. Zusätzlich muss jede 4. Silbe betont sein.
Als Beispiel nehmen wir eine der wenigen Landey, deren Dichterin bekannt ist (Malaley, Schlacht von Maiwand, 1880):
Ke pe Mai wand ke scha hid ne schoé
wenn du dich nicht in Mai wand opferst

Ze ma la li ya bé nan gei ta dé sa ti na
mein Liebling bist du der Ehrlosigkeit ausgesetzt

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass einige Gattungen, wie die Kindergesänge oder die Landey des Paschto genaue Übereinstimmungen in Struktur, Betonung und Silbenzahl zu den Hymnen (Gaze) der alten Arier aufweisen, die auf der Sprache Zend im Avesta verfasst sind.
Dazu der afghanische Literaturkritiker Habibullah Rafi:

"Wenn man die Landey und einige andere volkstümliche Gesänge analysiert, erscheinen darin manchmal sehr alte Traditionen, die in Anpassung an die jeweilige Zeit überlebt haben, ihre Worte und Zusammensetzung haben sich im Laufe der Zeit verändert, aber ihre Bedeutung und Deutung haben sie beibehalten und nach einigem Überlegen und Forschen erscheinen jene alten Falten in neuem Gewande und im Lichte alter Traditionen und Überlieferungen wird einem bewusst, dass diese oder jene Volksdichtung ein sehr hohes Alter aufweist und über eine alte historische Epoche berichtet, aus der sie stammt. Beispielsweise führen wir hier zwei Landey auf:
Spog me ya sar wa ha ra khe ga Oh Mond geh auf so er he be dich
Yar mé de bu to lau ka wi go té re bi na mein Freund sam melt Pflan zen er ern tet sei ne Fin ger

Dies ist eine Landey, die den meisten Paschtunen auf der Zunge liegt, aber über ihr Alter wurde nur wenig nachgedacht. Als diese Landey an die Ohren eines guten Paschto-kenners Jones Arnolds drang, erinnerte er sich an jene Gepflogenheit der Arier, die im Mondesschein die Soma (Homa, Aoma, Nama)-Pflanze ernteten und dann das Somagetränk daraus anfertigten, denn bei Tageslicht wurde die Milch dieser Pflanze inaktiv; andererseits untersuchte er, dass es keine anderen Pflanzen gibt, die nachts geerntet werden müssen und so wurde ihm bewusst, dass diese Landey sehr alt ist und mit jener alten Zeit zusammenhängt. Vielleicht können wir aus diesen Bemerkungen ableiten, dass diese Landey ein Alter von einigen tausend Jahren hat und zu jener Zeit aufgesagt wurde, als die Paschtunen, ihrer arischen Tradition entsprechend Soma ernteten und ihn in der gleichen Nacht heimbrachten, ein Bier daraus brauten und es tranken. Deshalb ist diese Landey außer der Tatsache, dass sich ihre Worte veränderten, tausende Jahre alt. Ebenso:

Maz di gar ai dä khe re me krra -- es ist Abend däm me rung flu che nicht
Te ba de naz khe re ka wé risch tia ba schi -- na du fluchst nur zum Spaß, aber sie wer den ein treten.

Diese Landey hängt mit der Sonnenverehrung in Ariana zusammen, und wurde zu jener Zeit aufgesagt, als die Menschen von Kabul bis Zabul, Gomal bis Sagaund an die Sonne glaubten und ihr zu Ehren Sonnentempel errichtet hatten. Sie beteten zur Zeit des Sonnenuntergangs und betrachteten diese Zeit als Zeipunkt der Erhörung ihrer Gebete. Auch diese Landey hat ihren Weg für die Ewigkeit unter Veränderung ihrer Wortstruktur erstritten und ist zu uns bis heute von Mund zu Mund angekommen."

Unter den Naré ist unser besonderes Interesse auf die Atan Naré gerichtet, da der Atan ein sehr beliebter Tanz (sogar Nationaltanz) ist und die der Gattung Naré angehörigen Texte (Gesänge) einen integrativen und neben den typischen und unverwechselbaren Melodien wichtigsten Bestandteil dieser Musik darstellen, müssen diese Gesänge mindestens so alt sein wie der Tanz selbst.
Alfred Janata schreibt:

"Der Tanz der Männer (atan), am häufigsten zur Begleitung von Trommeln, hat seine Wurzeln vermutlich in einem vorislamischen Kriegstanz. Er ist Bestandteil der paschtunischen Kultur und wird auch von der Geistlichkeit als solcher nicht verurteilt. Frauen tanzen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und sogar der eigenen Männer in ihren Räumen für sich allein. Diese Tatsache wird ignoriert. Tanz von Frauen vor Männern ist geradezu undenkbar. "

Auch beim Atan kann man sicherlich nach vorislamischen Wurzeln suchen und wird auch bestimmt schnell fündig. Dazu müsste man sich nur ein Feuer in der Mitte des Kreises vorstellen, um das herum getanzt wird, schon landete man wieder bei den alten Ariern, Zarathustriern und Feueranbetern.
Somit ist der Atan sicherlich kein reiner Kriegstanz, sondern entwickelte sich eher im Laufe der Zeit dazu aufgrund immerwährender Eroberungs- und Einwanderungsbewegungen aus allen Himmelsrichtungen.
Des weiteren passt das Image des Kriegstanzes nicht mehr so sehr, da er wohl häufiger auf Hochzeiten, Feiern und offiziellen Ereignissen getanzt wird als tatsächlich im Krieg. Eine gewisse Ekstase- und Ertüchtigungswirkung des Atan kann sicher nicht bestritten werden, weshalb auch das afghanische Militär und die Stammeskrieger nicht auf den Atan verzichten möchten.
Vor einigen Jahren haben sich die Taliban gegen den Atan ausgesprochen, ihn als unislamisch deklariert und verboten. Diese Tatsache kann man sicherlich auf die Unkenntnis, Ignoranz, Weltfremde und den Radikalismus dieser Bewegung zurückführen. Auch ist er ein Beleg dafür, dass diese Bewegung ihrer eigenen Kultur, die einen toleranten und spirituellen Islam preist, entfremdet und durch ausländische Mächte indoktriniert worden ist. Deshalb ist es gefährlich, die Paschtunen mit den Taliban gleichzusetzen, und zu behaupten, sie hätten sich für das Paschtunwali und den Islam eingesetzt, beide Interpretationen waren fehlgeleitet.
Durch die Erhebung auf eine nationale Ebene und seit dem Anfang der Modernisierungsbestrebungen in Afghanistan tanzen Frauen auch in der Öffentlichkeit Atan, wie zahlreiche private Videoaufnahmen aber auch Sendungen des afghanischen Fernsehens beweisen könnten

Außerdem spielen die Frauen doch in der Volksdichtung eine so große Rolle, da große Teile von Frauen verfasst sind, und Frauen sie an die nächsten Generationen weitergeben. Mütterlicher Gesang (Einschlaf-, Beruhigungs-, Spiel-, Freude- und Trauerlieder) werden von ihren Kindern imitiert und so seit Jahrhunderten weitergegeben. Daher trifft dieses Paschtosprichwort aus dem afghanischen Volksmund besonders gut diesen Kontext:

chedza pe yau las sango, pe bel las jahan sangawi -
Frauen schaukeln mit einer Hand die Wiege mit der anderen Hand die Welt.

Aber auch die schriftlich fixierte Literatur ist weit gefächert und vielseitig, sowohl in Lyrik als auch in Prosa.

In der frühen Dichtung haben vor allem, den Zeitumständen entsprechend, kriegerische Ereignisse ihre Form gefunden, so z.B. der Mongolensturm in der Zeit von 7.- 13. Jhdt. n.Chr., siehe das Gedicht von Hotak Baba: Per Keli kor bande Moghul raghei ham pe Ghazni ham pe Kabul raghei.

Quellen:
1. Pashto - Phonology - Morphology;Uni Frankfurt, 2001
2.Dr. Ernest Trumpp (1873), Reprint 1969 Osnabrück
3.Bedeutungsdimension der Keilinschriften dargestellt an Paschtu-Keilinschriften aus der Zeit vor 2500, Prof. Dr. G.J. Richter, 1996
4. Grundzüge des Mazdaismus mit historischen Anhängen, Prof. Dr. Sarif, Frankfurt a.M. 2003
5.Völkerkundliche Aspekte zur Vermeidung von Beratungsfehlern und zur Überwindung von Kommunikationsschwierigkeiten in einem Projekt der Technischen Hilfe am Beispiel Paktia-Afghanistan,
Alfred Janata, Museum für Völkerkunde Wien, Januar 1973
6. Hillah Cultural Magazine, Issue 6 2001
7. Heiler F., Die Religionen der Menschheit, 4. Aufl. Stuttgart 1982, S. 265
8. Bernd Glatzer, Nomaden von Gharjistan
9. Michael becker, Religion und Mythologie, Hamburg 2001

Bonn, August 2003
 
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