Ost-West Gegensatz. Immer noch aktuell?

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Hallo.
ich habe eine Frage zur deutschen Wiedervereinigung. Wenn sich doch alle (oder zumindest viele) so wahnsinnig über die deutsche Wiedervereinigung gefreut haben.. und das ist ja immrhin schon fast zwanzig Jahre her. Warum gibt es dann immernoch so viele "Unterschiede"?

Warum gibt es immer wieder Deutsche, die auf die Ossis oder die Wessis schimpfen? Warum freut man sich nicht weiterhin so? Für die meisten Schüler ist die DDR nur aus dem Geschichtsbuch ein Begriff. Trotzdem erzählen manche von ihren Eltern, wie sie auf die Ossis schimpfen? Das kann ich nicht ganz nachvollziehen? :confused: Auch wollen viele Leute nicht nach Osteuropa reisen obwohl sie noch nie da waren. Wie jedes jahr lieber nach Spanien oder Italien.

Hätte die Wiedervereinigung anders verlaufen sollen?
Auch wenn dieser Pfad schon etwas älter ist, aber zur Zeit werden ja viele Dokus im Fernsehen gebracht - weil das ja nun alles genau 20 Jahre her ist und da höre ich gelegentlich noch sehr interessante Zusatzinfos zur Wendezeit.
Gestern habe ich eine sehr interessante Doku über das Thema gesehen, in der sich auch ein Psychologe zu genau dieser Frage geäußert hat.
Einer der Gründe für die derzeitigen Unzufriedenheit vor allem der Bürger der östlichen Bundesländer und der daraus resultierenden Wahlerfolge der (inzwischen mehrfach umbenannten) SED/PDS/Linke ist natürlich die immer noch hohe Arbeitslosigkeit in den östlichen Bundesländern. Daß es hier besonders schwierig ist, nach der Entlassung aus einem Arbeitsverhältnis wieder eine Arbeitsstelle zu finden, ist unbestritten - auch von mir und zwar auch aus eigener Erfahrung. Dieses Problem, welches nach der Wende entstand, konnten auch inzwischen 3 Bundesregierungen in den vergangenen 20 Jahren nicht beheben.
Die Äußerung, die man von den Anhängern/Wählern der "Linken" immer wieder hört, ist daß "das Soziale" an der "DDR" noch heute sehr geschätzt wird und sich deshalb ehemalige "DDR-Bürger" in zunehmender Zahl zumindest ähnliche Verhältnisse wie damals zurück wünschen.

Der Psycholge erklärte dieses Phänomen nun folgendermaßen:
Die DDR war von seiner Struktur her gleichzeitig der "strafende Vater" aber auch die "fürsorgende Mutter". Als man in der Wende nun den "strafenden Vater" loswerden wollte (mit der Stasi und den fehlenden Freiheiten), wunderten sich viele, daß damit aber gleichzeitig auch die "fürsorgende Mutter" abhanden kam. Und damit kommen heute viele Leute nicht klar. Solch ein Staat, der sich um alles kümmert und den Bürgern weitgehend alles abnimmt, hinterlässt bei seinem plötzlichen verschwinden "Mündel".
Eine interessante Erklärung wie ich finde, obwohl ich das selbst nie so empfunden habe und mich deshalb da auch nicht hinein denken kann. Ich habe mich in diesem neuen Wirtschaftssystem sofort sehr gut zurecht gefunden, weil ich noch nie so eine Art von "Bedürfnis" nach Leben in einer festgefügten Gruppe hatte und schon immer mein "eigenes Ding" gemacht habe.
Daher kommt wohl auch die Ratlosigkeit (auch bei mir), daß so viele Leute heute unzufrieden sind und z. B. "Die Linken" wählen, weil gerade sie es sind, die für diese "Ideale" stehen, mit denen ich nie etwas anfangen konnte.
 
Der Psycholge erklärte dieses Phänomen nun folgendermaßen:
Die DDR war von seiner Struktur her gleichzeitig der "strafende Vater" aber auch die "fürsorgende Mutter". Als man in der Wende nun den "strafenden Vater" loswerden wollte (mit der Stasi und den fehlenden Freiheiten), wunderten sich viele, daß damit aber gleichzeitig auch die "fürsorgende Mutter" abhanden kam. Und damit kommen heute viele Leute nicht klar. Solch ein Staat, der sich um alles kümmert und den Bürgern weitgehend alles abnimmt, hinterlässt bei seinem plötzlichen verschwinden "Mündel".
Eine interessante Erklärung wie ich finde, obwohl ich das selbst nie so empfunden habe und mich deshalb da auch nicht hinein denken kann. Ich habe mich in diesem neuen Wirtschaftssystem sofort sehr gut zurecht gefunden, weil ich noch nie so eine Art von "Bedürfnis" nach Leben in einer festgefügten Gruppe hatte und schon immer mein "eigenes Ding" gemacht habe.

So einen Wunsch nach Kollektivzugehörigkeit hatte ich noch nie, aber den Wunsch, meinen Lebensunterhalt selbst verdienen zu können, schon. Sobald man unter die Zuständigkeit gewisser Behörden fällt, greifen diese dermaßen reglementierend ins Leben ein, dass es mit Freiheit und Selbstbestimmung kaum noch vereinbar ist.

Und vor den hehren Idealen kommen im Regelfall erst mal ein paar Grundbedürfnisse. Sind diese erfüllt, sieht der Einzelne gute Chancen, sich ein Leben nach seinen Vorstellungen aufzubauen und am Wohlstand der Gesellschaft teilzuhaben, fühlt er sich zugehörig und übernimmt auch im Großen und Ganzen den herrschenden Wertekanon. Darüber, dass heute und erst recht künftig ganze Bevölkerungsschichten vom Wohlstand (auf den das Wörtchen allgemein auch nicht mehr zutrifft) abgeschnitten sind, brauchen wir uns wohl keine Illusionen mehr machen. Das Eingreifen des Staates (und die Forderungen danach) nimmt allgemein zu, nicht nur im Osten, ebenso die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Geborgenheit, was nicht verwundert, da es in der heutigen Welt kaum noch Konstanten gibt.
 
@Barbarossa: Schöner Erklärungsversuch, er greift meiner Meinung nach aber zu kurz.

Ein Staat tritt in vielen Rollen seinem Bürger gegenüber. Vieles in der DDR war offen diktatorisch (Wahlbetrug, Verweigerung von Reiserechten usw.), vieles vordergründig unpolitisch (Kinderbetreuung usw.).
Dazu kommen die verschiedenen Ebenen: Wie weit waren die Kombinate "der Staat" und wie weit waren sie Teile des Staates mit durchaus einer eigenen Meinung?

Die Berichterstattung der letzten Wochen hat bei mir den Eindruck einer DDR hinterlassen, die nur durch die Kraft der Bürokratie noch stand. Auf der einen Seite haben Kombinate wie Robotron den Megabitchip entwickelt (unabhängig von der finanziellen Fehlentscheidung - der Chip war von Anfang an zu teuer - eine beträchtliche Leistung für ein kleines Land), auf der anderen Seite gärte der Widerstand auf vielen Ebenen vor allem seit der gefälschten Kommunalwahl. Die Bürger gingen also noch fünf Monate lang ihrer Arbeit nach und der Staat war politisch KO. Man sieht ja, welche Überlegungen noch im Oktober angestellt wurden. Da gab es Leute wie Schabowski, die durchaus von den Leuten erreicht wurden, die also wenigstens um den Zustand wussten und Träumern wie Mielke und Honecker, denen keiner was sagte oder die es nicht hören wollten.

So eine Führung muss über kurz oder lang stürzen. Bis zum Oktober 1990 aber konnte jeder DDR-Bürger noch von einer funktionieren Verwaltung profitieren (zumindest da, wo nicht Mangel verwaltet wurde ;)). Und diese Bürokratie, gerade auf Kombinatsebene, fiel eben dann weg und konnte für die dann Arbeitslosen durch Arbeitsamt und Sozialamt nicht ersetzt werden.

(...)

Solwac
 
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