Ostalgie in den Ländern des Ostblocks?

Morifea

Mitglied
Was mich immer mehr frage ist, ob es in den anderen Ländern des ehemaligen Ostblockes auch so etwas wie unsere "Ostalgie" gibt? Von Russland mal abgesehen...

Habe die DDR zwar knapp verpasst, als gebürtiger Osthesse hatte ich aber auch nach 1990 genug Berührungspunkte... wenn man mal bedenkt das die Grenze nur einen Vormittagsspaziergang entfernt war....
 
Was mich immer mehr frage ist, ob es in den anderen Ländern des ehemaligen Ostblockes auch so etwas wie unsere "Ostalgie" gibt? Von Russland mal abgesehen...

Habe die DDR zwar knapp verpasst, als gebürtiger Osthesse hatte ich aber auch nach 1990 genug Berührungspunkte... wenn man mal bedenkt das die Grenze nur einen Vormittagsspaziergang entfernt war....


Ostalgie...
Pauschal den Menschen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Ostalgie zu unterstellen, ist falsch.
Meine Wahrnehmungen, in meinem Bekanntenkreis spüre ich davon wenig und dies nicht erst den Zeitfortschritt geschuldet, sondern von Anbeginn an.

Sicher, man unterhält sich auch oft über die Zeit vor 1990, man hat sie ja unmittelbar und recht lange erlebt, aber nicht in den Tenor, wir wollen „unseren alten Kaiser Erich“ wiederhaben. Das man sich über sein Leben (Familie, Beruf usw.) bis 1990 unterhält ist wohl Normal. Hat aber absolut nichts mit Ostalgie zu tun.

Zur Frage Ostalgie im ehemaligen RGW.

Etwas könnte ich zu Litauen und Estland sagen, allerdings nur erlebtes.
Hat aber keinen Anspruch auf Umfassend.
Die Menschen mit denen ich es da zu tun hatte waren froh. Sie waren auf friedlichen Weg von den Russen weggekommen.
Bei allen Problemen (vor allem wirtschaftliche) die sich für sie nach 90ig auftaten, sie fühlen sich nach Europa hingezogen.
Z.B. in Šiauliai erzählte man mir von den Zusammenbruch eines recht großen Fernsehwerkes und der damit einhergehenden Arbeitslosigkeit, sowie von den Problemen der Belieferung von Energie für die Stadt (Heizung der Wohnungen usw.).
Ich hatte bei den Gesprächen nicht den Eindruck man jammert nun weil man keine Fernseher in den nördlichen russischen Raum mehr liefern kann. Und die Probleme der Fernwärme bestärkte sie nur den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

In Estland habe ich es ähnlich erlebt. Man war froh von den Russen weggekommen zu sein. Mein Eindruck war seinerzeit, in Estland haben sich die skandinavischen Länder sehr stark etabliert.
 
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Zu Ostalgie und Litauen fällt mir noch ein:
Litauen ist m.W. wohl das einzige Land welches die Vielzahl an Skulpturen in ihrem Land aus der sozialistischen Zeit in einen riesigen Park aufgestellt hat.

Wer mal nach Litauen kommt, ein Besuch dieses Parks könnte ich empfehlen, an manchen Stellen ist es aber bedrückend.

Grūtas Park, ca. 122 km in südwestlicher Richtung von Vilnius kommend an der weißrussischen Grenze. Mit den PKW etwas mehr als eine 1 Stunde.
Zum Grūtas Park findet man einiges im Netz.
 
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Was mich immer mehr frage ist, ob es in den anderen Ländern des ehemaligen Ostblockes auch so etwas wie unsere "Ostalgie" gibt? Von Russland mal abgesehen...

Im Unterschied zum Balkan und dem Kaukasus waren ja die zentralasiatischen Sowjetrepubliken gar nicht wild darauf, aus der Sowjetunion auszutreten. Es gab sogar Volksabstimmungen, in denen jeweils die Mehrheit der Bevölkerung für ein Bleiben in der SU stimmte. Die Obersten haben dann trotzdem die Abspaltung vorangetrieben und am Ende gab es ja sowieso keine Sowjetunion mehr, an die man sich klammern konnte.
Deshalb kann ich in Zentralasien durchaus einen Hang zur Ostalgie feststellen. Allerdings wird das in den letzten Jahren doch etwas schwächer. Besonders in den desaströsen 90er Jahren sehnten sich dort viele Leute in die alten Zeiten zurück.
Interessanterweise erinnern sich viele zentralasiatischen Männer sehr gern an ihre Armeezeit in der DDR zurück, obwohl das ganz bestimmt kein Zuckerschlecken war. Anscheinend aber immer noch besser als Zuhause...
 
Ostalgie...
Pauschal den Menschen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Ostalgie zu unterstellen, ist falsch.
Meine Wahrnehmungen, in meinem Bekanntenkreis spüre ich davon wenig und dies nicht erst den Zeitfortschritt geschuldet, sondern von Anbeginn an.

Ich bin kein Freund pauschaler Unterstellungen, ich fürchte da wurde ich Missverstanden.

Vielen Dank für die Darstellung deiner Erfahrungen mit den baltischen Staaten, genau so etwas hat mich interessiert!

@Turandokht: Die Zentralasiatischen Sowjetrepubliken hatte ich garnicht auf dem Schirm, sehr freundlich von dir mich über den Tellerrand zu schupsen :)
Bezüglich der Militärzeit in der DDR hatte ich den Eindruck das die Soldaten die Zeit dort insgesamt eher gut fanden (egal aus welchem Teil der SU sie kamen)... wobei die Wehrpflicht Zeit im Sowjetmilitär ja scheinbar kein Zuckerschlecken war....
 
Etwas zum Thema "Ostalgie" aus der Sicht der Politischen Soziologie von K. Neller.

https://books.google.de/books?id=Xb9hYADEmbAC&printsec=frontcover&dq=neller,+DDR-Nostalgie?&hl=de&sa=X&ved=0CCoQ6AEwAGoVChMIoL235N7XxwIVy_1yCh2VcwcS#v=onepage&q=neller%2C%20DDR-Nostalgie%3F&f=false

Pauschal den Menschen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Ostalgie zu unterstellen, ist falsch

Das ist sicherlich richtig, aber es ist auch richtig, einem großen Teil der ehemaligen DDR-Bürger zu konzidieren, dass die Reduzierung der DDR auf ein "Terrorregime" bzw. auf einen Polizei-Staat nicht vollständig mit den eigenen Wahrnehmungen übereinstimmte, wie Fullbrook deutlich zeigt.

Und Neller weist darauf hin, wie stark die Erfahrungen aus der DDR noch heute das politische Denken und Handeln (Wahlen etc.) der Bevölkerung in den Neuen Bundesländern prägt.

Und in diesem Sinne ist die real vorhandenen "Ostalgie" - wie Neller zeigt - ein Indikator dafür, dass die Grautöne wesentlich dominanter waren für die Realität des Lebens in der DDR, als die "schwarz-weiss-Bilder" der medial vermittelten "Kalten Kriegs-Ideologie" vor Perestroika und dem Mauerfall. Die mediale Repräsentation der DDR in den West-Medien war durchaus kein objektives Abbild der komplexen Realität in der DDR. Ein Umstand, den die zeitgenössische Forschung zur DDR zunehmend anerkennt und als Herausforderung zur Bewältigung der sehr umfangreichen Quellenlage zur DDR begreift.

Und diese ambivalenten Erinnerungen der früheren DDR-Bürger bilden dann den Nährboden für eine Mischung aus realen Erinnerungen und projizierten Hoffnungen, Wünschen und Erwartungen an die Zukunft in einer Post-DDR in Gesamt-Deutschland.

Und bei anderen bilden diese Erfahrungen natürlich den Hintergrund für eine sehr deutliche Ablehnung der DDR, als "Anti-Ostalgie".
 
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Ich habe beruflich sehr viel mit Leuten aus dem Raum DD zu tun und ich merke immer wieder, dass zumindest die Leute aus dem Raum DD völlig anders denken, als man es im Westen gewohnt ist/als ich es aus dem Westen und meinen heterogenen Umfeldern gewohnt bin . Zum einen ist der Antiamerikanismus quer durch alle politischen Lager viel ausgeprägter, Ausländerfeindlichkeit wird mindestens offener artikuliert, das Verständnis wie unsere Presse funktioniert ist weniger gegeben. Ich erlebe es gerade bei Sachsen immer wieder, dass die meinen, die Presse sei ein Arm des Staates, als lebten sie noch in der DDR.
 
Ich habe Verwandte in der Nähe von Dresden, mir ist dort insbesondere aufgefallen, dass immer ein gewisser Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Westen bzw. den westlichen Bundesländern vorherrscht. Man fühlt sich benachteiligt und nicht angemessen behandelt, aber auch oft Neid.
 
Zum einen ist der Antiamerikanismus quer durch alle politischen Lager viel ausgeprägter
,
Im Westen hatten die Menschen nach dem Krieg einen Marshallplan und auch sonst keine besonders schlechten Erfahrungen mit ihren amerikanischen Besatzern . Die Ostdeutschen hatten überhaupt nichts von den Amerikanern, sondern wären ,im Gegenteil, im Kriegsfalle der beiden Supermächte von diesen platt gemacht worden. Die Politikerreden von der "Wertegeinschaft" sind auch nicht besonders plausibel. Worin liegen denn die gemeinsamen Werte, in der Todesstrafe, Gefangenenlagern, Waterboarding um Aussagen zu erpressen, völkerrechtswidrige Kriege beginnen, internationasle Gerichtshöfe für sich selbst nicht anerkennen etc. Wenn die Demokratie der einzige gemeinsame Nenner ist ,dann ist das schon etwas dürftig.
Ausländerfeindlichkeit wird mindestens offener artikuliert, das Verständnis wie unsere Presse funktioniert ist weniger gegeben. Ich erlebe es gerade bei Sachsen immer wieder, dass die meinen, die Presse sei ein Arm des Staates, als lebten sie noch in der DDR.
Ausländerfeindlichkeit, einer großen Mehrheit stimmt auf alle Fälle und ich finde sie absolut beschämend. Die war auch schon zu DDR-Zeiten ausgeprägt. Damals betraf sie aber besonders unsere aufgezwungenen Freunde aus dem sogenannten "sozialistischen Lager". Die Vietnamesen dagegen waren, durch ihre bescheidene Art nie derart unbeliebt und waren zumindest toleriert. Außerdem beherrschten sie hervorragend das Nähen von Jeans , die es in der DDR nicht zu kaufen gab.
Die Meinung über die sog. "Lügenpresse" dürfte auf Zeitung mit dem roten Logo zurückgehen, die häufig die konservativen Politiker, besonders die Kanzlerin hofieren. Ich selbst kenne aber bei uns Niemanden (womit ich aber nicht behaupten will, dass es das nicht gibt), der behauptet, dass wir eine Staatspresse hätten. Scheint eine dresdner Eigenheit zu sein.
 
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