Grüß euch liebe Community,
ich bereite mich grade auf mein schriftliches Geschichtsabitur vor und dabei sind mir einige Fragen bezüglich des Übergangs vom Personenverbandsstaat zum Territorialstaat aufgekommen.
Eine Genaue Definition, detailliert bezüglich der genauen wechselseitigen Beziehungen zwischen König - Vasallen - Untervasallen - Städte und Stände und der rechtlichen Aspekte ist im Internet leider nicht zu finden.
Über diesen Wiki-Artikel hinaus
Personenverbandsstaat ? Wikipedia ist in der Fachliteratur wenig zum Personenverbandsstaat zu finden. Hans Boldt äußert sich in seiner
"Deutschen Verfassungsgeschichte" so:
Man hat die Besonderheit des mittelalterlichen Staates mit dem Ausdruck "Personenverbandsstaat" zu umschreiben versucht und diesem den spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen "institutionellen Flächenstaat" gegenübergestellt (Theodor Mayer). Dagegen ist eingewandt worden, dass auch mittelalterliche Staaten sich über Flächen erstreckt und Institutionen besessen haben.
Dies ist sicherlich richtig; dennoch kommt in dem kritischen Unterscheidungsversuch Wesentliches zur Sprache. Er macht zum einen deutlich, das man im Mittelalter ganz allgemein nach dem Personalitätsprinzip, d.h. nach dem Recht des Personenverbandes, in den man hineingeboren ist oder dem man standesmäßig zugehört, nicht aber nach dem Territorialprinzip lebt, also nach dem Recht, das in einem räumlich begrenzten Bereich gilt, in dem man sich aufhält. Dementsprechend wird jedermann nach seinem "persönlichen" Recht als Franke, Sachse, Vasall oder Dienstmann behandelt. Insbesondere in den vielen Abhängigkeitsverhältnissen kommt die personale Rechts- und Herrschaftsbeziehung zum Ausdruck. Ein und dieselbe Person kann von verschiedenen Herren in unterschiedlicher Weise abhängig sein, Leibeigener des einen, zinspflichtiger Bodenbewirtschafter eines anderen, gerichtspflichtig einem dritten.
Unterschiedliche Tradierungsweisen führen dazu, dass in ein und demselben räumlichen Bereich der eine Gerichtsherr ist, der andere Grundherr, es mehrere Grundherren in einem Dorfe gibt usw. Diese vor allem im Spätmittelalter zutage tretende Rechtszersplitterung zeigt, dass die Idee einer einheitlichen, raummäßig definierten Herrschaft sich bis in die Neuzeit hinein nicht durchzusetzen vermag. Ganz in diesem Sinne fasst man auch die Könige zunächst nicht als Herrscher über ein "Land" auf, sondern über eine Personeneinheit, sind die deutschen Könige reges Francorum orientalum oder Teutonicorum, wird schließlich der Aufbau einer Herrschaftsorganisation durch das Band höchstpersönlicher Treue versucht, durch eine vasallitische Bindung, die nur zwischen den beiden, die sie eingehen, gilt, nicht aber mehr, wie wir sahen, zwischen dem Lehnsherrn und dem Mann seines Vasallen. Hinzu kommt, dass diese Beziehungen auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen, beiden Seiten Pflichten und Rechte geben und kein einseitiges Befehls-Gehorsamsverhältnis kennen, wie es im modernen Staatsapperat üblich wird. [...]
(Hans Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte. Politische Strukturen und ihr Wandel, Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reiches 1806, München 1984, S. 86)
Die Publikation von Hans Boldt führt die Themen "Personenverbandsstaat" und "Territorialstaat" noch ausführlicher weiter, sodass du den Band bei Interesse in einer Bibliothek ausleihen müsstest.
Welchen Einfluss hatte der Investiturstreit auf den Übergang vom Personenverbandsstaat zum Territorialstaat.
In wie fern hatte der Staufische Reichsgedanke (welcher gescheitert ist ?) diesen Übergang ermöglicht ? Eine Erklärung des Staufischen Reichsgedanken fände ich auch noch sehr Hilfreich
Welche weitere Aspekte spielen beim Übergang eine Rolle ?
Der moderne Territorialstaat ist nicht von heute auf morgen entstanden, sondern das Produkt einer längeren Entwicklung. Nimmt man es genau, hat er sich sogar bis zum Ende des Alten Reichs nicht überall vollständig durchsetzen können, da Partikel alter Gewalten und Herrschaftsansprüche lebendig blieben. Anfänge moderner Staatsbildung gibt es im Hochmittelalter um 1200, der eine Territorialbildung im 13. Jh. folgte. Dieses Jahrhundert gilt als eigentliche Entstehungszeit. Von
domini terrae ist schon in einem Reichsweistum von 1231 die Rede, wenig später (1237) von
ministeriales terrae (anstatt von
ministeriales ducis) und allmählich werden die Zusammensetzungen mit "Land" häufig: vom "Landrecht" über "Landgrafschaften" und "Landvogteien" zum "Landesvater" zu den "Landeskindern" und "Landsknechten".
Der Übergang zur "Landes"herrschaft ist offenbar Ausdruck einer aufgrund der Bevölkerungszunahme und Bevölkerungsdifferenzierung eingetretenen Herrschaftsverdichtung. Gefördert wurde diese Territorialisierung der Herrschaft schon früh vom Reich, durch Kaiser und Könige, die sich gegen die Konkurrenz der Stammesherzöge durchzusetzen versuchten. Schon im 12. Jh. tauchen neue, nicht mehr dem Stammesprinzip folgende
terrae imperii auf. Während jedoch in Frankreich der Aufbau einer königlichen Landesherrschaft gelang, führte die Raumerfassung in Deutschland nach dem Zusammenbruch der Stauferherrschaft dazu, dass eine Fülle größerer und kleinerer Potentaten durch die Errichtung von Gebietsherrschaften zu "Landesherren" aufstieg.
Rechtsgrundlage bildeten verschiedene Elemente. So vor allem die
Grundherrschaft, die aus fränkischer Zeit überkommene
Grafschaft mit Grafschaftsrechten wie z.B. der hohen Gerichtsbarkeit, Daneben aber ließen sich alle möglichen Machtmittel und Rechtstitel benutzen, so z.B. eine mit Immunitätsrechten begabte Grundherrschaft, die eine Vogtei über Kirchen, die niedere Gerichtsbarkeit oder das Forstregal besaß, vor allem aber eine Grafschaft mit ihrem Bündel von Hoheitsrechten. Konkurrierende Herrschaften wurden aufgekauft oder durch Einheirat erworben. Gegenüber kleinen Machtträgern im Lande wurde z.B. das Lehnsrecht ausgespielt, indem man Lehnsvergaben davon abhängig machte, dass der Vasall seinen Eigenbesitz dem Herrn auftrug, um ihn anschließend zusammen mit den begehrten Herrengütern als Lehen zurückzuempfangen. Das verstärkte seine Abhängigkeit und vergrößerte den Umfang dessen, was beim Aussterben einer hochadligen Familie im Lande an den Fürsten zurückfiel.
Im Idealfall waren am Ende dieses Prozesses alle anderen Herrschaftsträger aus dem betreffenden Raum ausgeschlossen oder untergeordnet, und es bestand nur noch eine Abhängigkeit vom Reich.
Es zeigt sich, dass die Schwächung der Reichsgewalt den Aufbau von Landesherrschaften förderte, wie besonders die Doppelwahl von 1198 und der Zusammenbruch der Stauferherrschaft.