Pest=Krise?

Jacobus

Mitglied
Hey ihr lieben,
In Geschichte behandeln wir gerade das Thema Pest...
Was meint ihr, war die Pest eine Krise, oder kann man sagen, dass die Pest eine Folge einer Krise war?
 
Sicherheitshalber hier der zweite Versuch:

Die Pest löste letztendlich einige Krisen aus. Mal abgesehen von den Qualen welche die Opfer durchleiden mußten, hat sie für uns allerdings auch sehr viele positive Dinge hervorgebracht. Mal ein paar Beispiele:

  • Weil viele Lateinlehrer starben, erhält die Landessprache immer größeres Gewicht Informationen und Kenntnisse die früher in Latein vermittelt wurden, werden nun mehr und mehr auch den "einfachen Leuten" zugänglich.:hoch:
  • Frauen werden als Ärztinnen zugelassen und dürfen vor Gericht aussagen.:hoch:
  • Die Personalknappheit stärkt die Zünfte. Der Mittelstand – und damit das Bürgertum – gewinnt an Macht.:hoch:
  • Die Kirche verliert an Einfluss.:hoch:
  • Nicht nur im sozialen, sondern auch im medizinischen Bereich war die Pest ein Motor des Umbruches. Dass wir heute in der Lage sind, viele Infektionskrankheiten wirkungsvoll zu bekämpfen, mag paradoxerweise ein Verdienst der Pest sein und auch das Entstehen einer Lehre von den Volkskrankheiten, der Epidemiologie, war nur möglich, weil die Menschen eine weitere Zeit des Schreckens und des Todes verhindern wollten.
    Nach dem Abflauen der Pestepidemien wurde deutlich, dass die Mediziner auf ganzer Linie versagt hatten. Viele waren selbst an der Pest erkrankt und gestorben, so dass an den Universitäten viele Lehrstühle frei wurden. Das schaffte Freiräume für neue Ideen und ungewöhnliche medizinische Ansätze. Es erschienen immer mehr Fachtexte in der jeweiligen Landessprache, anstatt in Latein. Die gesamte medizinische Wissenschaft veränderte sich grundlegend. Man versuchte z.B. bessere hygienische Bedingungen zu schaffen und langsam entwickelte sich daraus der Begriff der Quarantäne. Die gesundheitspolitischen Maßnahmen zielten zunächst auf eine möglichst schnelle Leichenbestattung und Kadaverbeseitigung. Man versuchte die Kranken so gut es ging zu isolieren. Es wurden Pestlazarette errichtet. In Venedig wurde nach einem Pestausbruch sogar ein magistrato della sanita ernannt, dessen Tätigkeitsfelder sich von der Lebensmittelüberwachung bis zur Armenfürsorge und zur Kontrolle über die Prostituierten erstreckte.:hoch:

    Auch wirtschaftliche Veränderungen waren zu verzeichnen.
    Das Feudale System hatte seinen Höhepunkt erreicht, die Wirtschaft boomte, und die Bevölkerung auf dem Kontinent war sprunghaft angestiegen. In der Toskana lebten Anfang des 14.Jahrhundert etwa zwei Mio. Menschen – so viele wie im 19.Jahrhundert. In einigen Gegenden Frankreichs drängten sich ebenso viele Menschen wie am Anfang des 20.Jahrhundert. Wegen des Entwicklungsstandes der Landwirtschaft reichte das Ackerland nicht aus, um alle Menschen ausreichend zu ernähren. Felder lagen nur selten brach, der Fruchtwechsel wurde kaum ausgeführt, wodurch der Boden ausgelaugt wurde. Die Folge waren Hungersnöte. Diese waren besonders in den Jahren 1315 bis 19 heftig. Die Seuche fand also ausreichend Nährboden. Sie kam plötzlich und war unberechenbar. Wer übers Land reiste fand viele Gehöfte, ganze Dörfer ausgestorben. Das Vieh wurde nicht mehr gefüttert oder beaufsichtigt. Das war auch das Ende der streng feudalistischen Ordnung.
    Plötzlich fehlten überall Arbeitskräfte. Wenn man überhaupt Arbeiter fand, dann verlangten sie das Zwei- bis Dreifache der früheren Löhne. Mateo Villani, ein Adliger aus Florenz, ärgerte sich, weil die Armen seiner Meinung nach zu gut genährt waren.:hoch:
    Nur auf einem Gebiet blieben Teuerungen aus: Grundstücke und Häuser gab es zu Spottpreisen.:yes:
 
Oh vielen dank..scheint wohl wirklich verschütt gegangen zu sein, aber jetzt ist es ja angekommen und hilft mir auch sehr gut weiter! Vieln dank!
 
Aber warum ist es denn positiv, wenn die Kirche an Einfluss verliert und was haben Lateinlehrer damit zu tun?
 
Wenn ich Marc Aurel richtig verstanden habe, sind die Lateinlehrer nur Mittel zum Zweck. Denn die frei gewordene "ökologische Nische" kann nun von der Landessprache besetzt werden. Dies passiert auch in der Literatur, wodurch der Zugang dazu für einfache Leute leichter wird.
Ob ein Bedeutungsverlust der Kirche etwas positives oder negatives darstellt ist eine subjektive Meinung
 
Wie ich sehe, bin nicht der einzige der die PM als "Wissensquelle" nutzt.:D
Wie lautet das Sprichwort? Man muß nicht alles wissen. Aber wissen wo es geschrieben steht!
 
Der Hinweis auf den Bedeutungsverlußt der Kirche bezieht sich in diesem Fall wohl mehr auf den Umstand das aufgestellt Dogmen und Hindernissgründe für neue Erkenntnisse - nicht nur in der Medizien - problemloser beseitigt werden konnten als das bis Dato der Fall war. Und das die Kirche im weiteren Verlauf (teilweise) ihre "Macht" zurückgewinnen konnte ist auch kein Geheimnis. Obwohl das jetzt weit vom Thema "Pest" abweicht, sei mir die Kritik erlaubt, dass die Kirche nicht immer ein Interesse an neuen Entdeckungen und Ideen hatte. Die Mittel die ihr zur Verfügung standen um gegen Neuerungen vorzugehen oder Druck auszuüben, hat sie oft genug rigeros (teilweise skrupellos) eingesetzt um ihre Position zu behaupten. Stichwort Gallileo
 
Weil wir gerade bei vergessenen Quellenangaben waren;) . Hier mal noch eine gute zum Thema "Pest"
Klaus Bergdolt "Der Schwarze Tod In Europa" Die große Pest und das Ende des Mittelalters
Verlag C.H.Beck München
 
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