Plagiate?

Reinecke

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Ist vielleicht eine komische Fragestellung, aber gab es i-wann in der Altertums-Geschichte Probleme, ein künstlerisches Werk, eine Geschichte, ein Theaterstück zu "klauen"? Bzw gibt es Überlieferungen, schriftliche Quellen etc, dass sich darüber beschwert wurde? Gesetze gar?

Was ich meine: Homers Geschichten bspw spielen vor dem Hintergrund des Trojanischen Kriegs, und das war sicherlich "Allgemeingut". Aber es wird ja konkrete Geschichten, Details, Handlungselemente gegeben haben, die variierten, die verschiedene Rhapsoden unterschiedlich darstellten. Konnte ein solcher Rhapsode solche Dinge problemlos übernehmen, wenn er sie von einem Kollegen hörte, oder war das zumindest "schlechter Stil"? Bzw wissen wir das?

Hat sich mal ein attischer Tragödien- oder Komödiendichter beschwert, ein Konkurrent habe ihm eine Idee für ein Stück geklaut? Oder das in einem Jahr zwei allzu ähnliche Stücke zu Aufführung kamen? Oder ein Stück einem anderen von vor ein paar Jahren zum Verwechseln ähnlich war?

P.S.: Ich habs mal in den Bereich "Antikes Griechenland" gestellt, weil ich davon noch am meisten verstehe, aber andere Beispiele aus dem Altertum sind mir auch recht. Also wenn sich mal i-ein Sumerer aufgeregt hat, man hätte ihm "seinen" Gilgamesch geklaut... ;)
 
Aristophanes warf in seinen "Wolken" seinen Rivalen Eupolis und Hermippos vor, eine Passage aus seinen "Rittern" plagiiert zu haben. Eupolis habe sich außerdem auch bei Phrynichos bedient. Generell gab es unter den attischen Komödiendichtern immer wieder gegenseitige Plagiatsvorwürfe, kombiniert mit dem Vorwurf, der Plagiator habe sein Plagiat schlechter hinbekommen als das Original.

Im 5. Buch von Macrobius' "Saturnalia" wird aufgezeigt, wie viel Vergil in seiner "Aeneis" von Homer abgekupfert hat. Ein direkter Plagiatsvorwurf ist das aber nicht.
 
Irgendwann gehörte es aber zum guten Ton Zitate anderer ungekennzeichnet einzuflechten. Man ging wohl davon aus, dass der gebildete Leser diese erkennt. Weiß jemand, ab wann das üblich wurde?
 
Die Wolken müssten hier sogar noch i-wo rumfliegen. Mal gucken, ob ich was finde, in den anmerkungen.

Thx.
 
Den angeblich ersten Urheberrechtsstreit in der Geschichte soll der hl. Columban als junger Mönch ausgelöst haben, als er das Buch eines seiner „Lehrer“ abschrieb. Der beanspruchte die Abschrift für sich und der zum Richter bestimmte Regionalkönig erklärte, dass die Kopie zum Buch gehöre, wie das Kalb zur Kuh. Columban verfluchte den König daraufhin und es kam zu einer Schlacht, bei der es zu vielen Toten kam. Columban verpflichtete sich daraufhin, mehr Heiden zu Christen zu machen, als in der Schlacht gefallen waren und ging ins schottisches Exil...
 
Den angeblich ersten Urheberrechtsstreit in der Geschichte soll der hl. Columban als junger Mönch ausgelöst haben, als er das Buch eines seiner „Lehrer“ abschrieb.

Falls es sich hier um den mit dieser Legende verbundenen Psalter oder sonst eine biblische Schrift handeln sollte, ging es nicht um das Urheberrecht.
Ich hatte mal diese Version verlinkt:
Betha Colaim Chille : Life of Columcille : O'Donnell, Manus, d. 1564 : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive
Hier argumentiert Columban u. a. "... it is not right that the divine words in that book should perish..."
 
Irgendwann gehörte es aber zum guten Ton Zitate anderer ungekennzeichnet einzuflechten. Man ging wohl davon aus, dass der gebildete Leser diese erkennt.
War dem so?
In Hinblick auf die beschränkte Zugänglichkeit zu Büchern habe ich so meine Zweifel, ob Autoren wirklich mit entsprechender Belesenheit ihrer Leser (wenn es nicht gerade um Homer ging) rechnen konnten.
 
Das lag am Schulunterricht, der sich ja am verschiedenen Stil bestimmter Autoren ausrichtete und auch Auswendiglernen umfasste. Bekanntlich wurde nur der von der Oberschicht akzeptiert, der nicht nur das Latein nach der jeweils geltenden Norm aussprach, sondern auch die gängigen Stile beherrschte und zumindest einige Autoren zitieren konnte. (Vgl. z.B. in Peter Heather, Der Untergang des römischen Weltreichs) Jedenfalls gibt es das Phänomen im Schrifttum mindestens seit der Spätantike, dass ein Autor ungekennzeichnete Zitate bringt und dies anscheinend Qualitätsmerkmal ist. Martianus Capella wäre ein Beispiel und im Frühmittelalter wurde vorzugsweise Christliches dazu benutzt. In jener Zeit wäre das Paderborner/Aachener Epos ein Beispiel.

Ich nehme an, dass es ein schleichender Prozess war, dass dies in die Literatur eindrang und vielleicht Homer und dessen Zitate bei Vergil den Anfang hergaben, allerdings ist mir unklar, in welchem zeitlichen Rahmen dieser Prozess verlief.
 
War dem so?
In Hinblick auf die beschränkte Zugänglichkeit zu Büchern habe ich so meine Zweifel, ob Autoren wirklich mit entsprechender Belesenheit ihrer Leser (wenn es nicht gerade um Homer ging) rechnen konnten.
Vielleicht haben wir da auch eine falsche Vorstellung, wie populär die klassische Literatur bei der damaligen Bevölkerung war. Irgendwie mussten sich die Menschen rund ums Mittelmeer auch den Feierabend gestalten. Einen spannenden Einblick gibt uns hierzu das durch den Vulkanausbruch 79 uZ untergegangene Pompeji. Vincent Hunink hat in seinem Buch "Glücklich ist dieser Ort" eine spannende Aufstellung gemacht, welche klassische Autoren in Graffiti zitiert worden sind. Ganz oben stand hier Vergil.

Zitat von Hunink:
So gibt es es eine große Menge vollständig, unvollständig oder schlecht zitierte Verse, teilweise von so berühmten Autoren wie Lukrez, Vergil und Ovid - kein Vergleich zu dem, was heutzutage auf den Häuserwänden einer europäischen Stadt prangt.


Was seit dem Humanismus auf ein Podest hoher Bildung gestellt wurde, war in der Antike so etwas wie Dieter Nuhr oder Jonathan Franzen heutzutage. Gegenwarts-/Alltagsliteratur in großer Spannweite von tiefgeistig über humorvoll bis frivol. Und wenn man sich die Graffiti in Pompeji anschaut, waren diese klassischen Autoren weit mehr verbreitet als heutzutage. Hunink listet auf:

  • Ennius
  • Horaz
  • Lukrez
  • Ovid
  • Properz
  • Publilius Syrus
  • Seneca
  • Vergil
Besonders Vergils Aeneis wird wiederholt zitiert. Es ist daher zu vermuten, dass man mit diesem Werk gerne Schüler beglückt hat.
 
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