Politischen Krise zwischen Frankreich und Russland 1811

Eine "diplomatische Revolution" war mit N. an der Spitze Frankreichs und im sozioökonomischen Ergebnis der französischen Revolution nicht denkbar.

Doch genau das war das "Neue" an den napoleonischen Kriegen. Es war der Weg zum "totalen Krieg" unter Nutzung der Ressourcen der "mobilisierten Nation", als Ergebnis der Französischen Revolution. Es war somit eine verlängerte bzw. erweiterte "Revolution" für die Art der Begründung von internationalen Beziehungen und natürlich auch für die Kriegführung.

http://books.google.de/books?id=AQhfQPUYux4C&printsec=frontcover&dq=legitimacy+and+power+politics&hl=de&sa=X&ei=IVmgUrncCoLmywPfiIDwDA&ved=0CDUQ6AEwAA#v=onepage&q=legitimacy%20and%20power%20politics&f=false

Zu Rechtfertigen waren diese Anstrengungen, die ein Ludwig XIV als absolutistischer Herrscher mit einem stehenden Heer hätte nicht leisten können (obwohl er es wohl gerne gekonnt hätte) nur in Erwartung der Erfolge.

Und das Ziel bzw. der Erfolg war nicht weniger und nicht mehr wie die strukturelle politische und ökonomische Umgestaltung von Kontinentaleuropa unter französicher Hegemonie. Natürlich zum primären Nutzen von Frankreich.

Und an diesem Punkt ergaben sich die zentralen Konfliktlinien zwischen Alexander und Napoleon. Aus der Sicht von Alexander ging es um die Herstellung eines Gleichgewichts auf dem Kontinent, das er zusammen mit Österreich gegen Frankreich bilden wollte. GB spielte da eigentlich eine untergeordnete Rolle als Verbündeter.

Zentrale "Verteilungsmasse" war dabei das Osmanische Reich. Alle verbliebenen vier Großmächte (GB, F, R, Ö-U) hatten ein separates und einzigartiges Interesse an dem Osmanischen Reich. Und das hatte wiederum sehr selektive Interessen an einer Kooperation mit den vier europäischen Mächten.

Der Friedensschluss zwischen R und F trübte das gute Verhältnis von F zu OsR sehr deutlich ein und es wandte sich GB zu. Obwohl N versuchte sowohl mit R als auch mit dem OsR in einer vordergründigen Harmonie zu agieren. Was allerdings misslang und sowohl von R als auch vom OsR skeptisch betrachtet wurde und N sich plötzlich zwischen den diplomatischen Stühlen wiederfand.

Dabei war für F in Kooperation mit R das langfristige Ziel, der Marsch nach Indien, das kurz zuvor von GB als Kolonie erobert worden war. Und an diesem Punkt lagen die gemeinsamen Interessen von F und R und es ergab sich der gemeinsame Feind. Und dieser war vor allem GB.

Diese Sichtweise rückt ein wenig den "Gigantomanismus" der politischen Ziele der damals beteiligten Herrscher / Regierungen in das entsprechende Licht. Es war nicht nur N, der "Ländererobern" spielte, sondern es war das "vornehme Spiel" der Herrscher /Regierungen, Länder aufgrund militärischer Eroberung unter sich aufzuteilen.

N hatte allerdings, wie oben bereits beschrieben, den strategischen Vorteil, die mobilisierten Ressourcen der "erwachten Nation" für seinen neuartigen "totalen Krieg" nutzen zu können.

The Cult of the Nation in France: inventing nationalism, 1680-1800 - David Avrom. BELL, David Avrom Bell - Google Books
 
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Wenn man sich aber Napoleons Lage 1807 anschaut:

- Østerreich und Russland mehrfach besiegt, Preussen ebenso
- das HRR aufgeløst und durch den Rheinbund ersetzt
- mit Russland verbuendet
- einzig England als Gegner noch uebrig

wie will man da erwarten, dass Napoleon jetzt einen Frieden mit England schliesst, bei dem er mit grosser Wahrscheinlichkeit auch hætte "geben" muessen?

Und wie hætte so ein Frieden, hætte die Karte Europas dann aussehen sollen?
Im Jahre 1806 gab es Friedensverhandlungen zwischen Engl. und Frankreich. Angeregt durch Minister Fox, von Talleyrand willig aufgenommen. Grundlage sollte nach Fox der Stand von Amiens!! sein ...
Ohne ins Detail zu gehen, kamen die Verhandlungen zunächst voran, es wurden Kompromisse sichtbar, selbst eine Entschädigung Preußens an anderer Stelle für den Verlust Hannovers wurde diskutiert, Sizilien blieb hingegen Streitobjekt.

Anzumerken ist, dass England den parallel geschaffenen Rheinbund der süddeutschen Staaten als Beeinträchtigung der balance of power betrachtete und damit wird deutlich, dass die Engl. immer auch das int. Gleichgewicht fokussierten.

Die Nichtratifizierung des Oubril-Vertrages durch den Zaren, der Tod von Fox und die gesamte Entwicklung in 1806 verhinderten dann auch eine Einigung mit England.

Der kleine Exkurs aus 1806 macht deutlich, dass nach Tilsit kein Frieden mit England möglich war. Niemals hätte sich England auf Bedingungen wie das Kontinentalsystem oder eine Hegemonie Frankreichs über den Kontinent eingelassen.

Zudem hätte ein Frieden mit England eine Rolle rückwärts für Napoleon bedeutet. Also auch von franz. Seite war der Frieden ausgeschlossen; Talleyrand ist nicht umsonst nach Tilsit zurückgetreten.

Grüße
excideuil
 
Der kleine Exkurs aus 1806 macht deutlich, dass nach Tilsit kein Frieden mit England möglich war. Niemals hätte sich England auf Bedingungen wie das Kontinentalsystem oder eine Hegemonie Frankreichs über den Kontinent eingelassen.

"Never say never again", galt schon für "007". Aber es ist sicherlich richtig, dass bestimmt politische Konstellationen auf dem Kontinent für GB schwer akzeptabel gewesen wären. Auch, weil damit eine Veränderung der Handelsströme hätte verbunden sein können, im Sinne eines aufkommenden Protektionismus.

Ein sehr gute Darstellung der militärischen und politischen Situation für GB während der Phase bietet folgendes Buch von Hall.

Auch die Anhänge sind interessant, wie beispielsweise die Verteilung der RN Anfang 1807 oder die Armee-Dislozierung in 1813.

http://books.google.de/books?id=9Ue8AAAAIAAJ&printsec=frontcover&dq=British+Strategy+in+the+Napoleonic+War,+1803-15&hl=de&sa=X&ei=aaCgUvHdE8HnywO9voGICg&ved=0CEQQ6wEwAA#v=onepage&q=British%20Strategy%20in%20the%20Napoleonic%20War%2C%201803-15&f=false
 
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Und, gab es nicht doch die Option, sich an die Kontinentalsperre zu halten? Wie war die Einschætzung aus damaliger Sicht, war man der Meinung, England kønnte sich bis zum "Sanktnimmerleinstag" halten, oder vermutete man den baldigen Zusammenbruch Englands (so denn Russland im Kontinentalsystem geblieben wære)?
Die Frage ist doch, was Russlands eigenes Interesse an der Sperre gewesen sein soll. Nur dadurch die eigenen mit fremden Interessen zu verknüpfen, gewinnt letztlich einen Vertragspartner für die eigene Position, indem man ihm suggeriert, dass es die eigene wäre. Und hier fehlen mir auf Seiten Frankreichs die Ideen. Was sollte es Russland für die Schäden durch den mangelnden Handel mit England anbieten? Warum sollte Russland einwilligen?
 
Die Frage ist doch, was Russlands eigenes Interesse an der Sperre gewesen sein soll. Nur dadurch die eigenen mit fremden Interessen zu verknüpfen, gewinnt letztlich einen Vertragspartner für die eigene Position, indem man ihm suggeriert, dass es die eigene wäre. Und hier fehlen mir auf Seiten Frankreichs die Ideen. Was sollte es Russland für die Schäden durch den mangelnden Handel mit England anbieten? Warum sollte Russland einwilligen?

Und die Antwort lautet wie folgt und ist auch bereits geschrieben worden:

Zentrale "Verteilungsmasse" war dabei das Osmanische Reich. Alle verbliebenen vier Großmächte (GB, F, R, Ö-U) hatten ein separates und einzigartiges Interesse an dem Osmanischen Reich. Und das hatte wiederum sehr selektive Interessen an einer Kooperation mit den vier europäischen Mächten.

Der Friedensschluss zwischen R und F trübte das gute Verhältnis von F zu OsR sehr deutlich ein und es wandte sich GB zu. Obwohl N versuchte sowohl mit R als auch mit dem OsR in einer vordergründigen Harmonie zu agieren. Was allerdings misslang und sowohl von R als auch vom OsR skeptisch betrachtet wurde und N sich plötzlich zwischen den diplomatischen Stühlen wiederfand.

Dabei war für F in Kooperation mit R das langfristige Ziel, der Marsch nach Indien, das kurz zuvor von GB als Kolonie erobert worden war. Und an diesem Punkt lagen die gemeinsamen Interessen von F und R und es ergab sich der gemeinsame Feind. Und dieser war vor allem GB.

Im Prinzip liegt dieser Argumentation eine gewisse Kontinuität zugrunde, die über die erste große Ausbreitung des muskovitischen Herrschaftsbereichs unter Ivan IV.,
Iwan IV. (Russland) ? Wikipedia

über die deutliche westliche Modernisierung Russlands und seinen territorialen Gewinnen vor allem im Baltikum, im Fernen Osten und bereits im Süden in Richtung Krim,
Petrinische Reformen ? Wikipedia

über Katarina die Große
Katharina II. (Russland) ? Wikipedia

zu der Rolle von Alexander I. führt. In seiner Zeit erfolgte die stärkste Ausdehnung des zaristischen Russlands und erzeugte bei den Zeitgenossen massive anti-russische Einstellungen.

Die Darstellung dieser Sicht findet sich beispüielsweise bei Dixon.
The Modernisation of Russia, 1676-1825 - Simon Dixon - Google Books

Und setzt sich in der Kontinuität der zaristischen Herrscher fort wie bei Geyer beschrieben. Und in dieser Kontinuität bewegte sich - nebenbei - auch die Außenpolitik eines Stalins.

Der russische Imperialismus: Studien über den Zusammenhang von innerer und ... - Dietrich Geyer - Google Books

Es war somit der Expansionsdrang eines aufsteigenden Imperiums, das auch den außenpolitsichen und militärischen Gesetzen imperialer Größe unterlag. Imperien wachsen auch deshalb, so die gängige theoretische Erklärung, weil sie sich mit wachsender Größe zunehmend verwundbar fühlen (vgl. beispielsweise Rom und das Problem der Überdehnung). Und sie dehnen sich aus, um die Konflikte an der Peripherie in einer möglicht großen Entfernung zum Zentrum zu haten.

Diese Expansion speiste sich somit insgesamt aus einer Mischung aus Sicherheitsdenken, einer ideologisch, religiös motivierten Haltung und dem Zwang, als Großmacht im Rahmen eines "Nullsummenspiels" agieren zu müssen.

Im Norden hatte Russland vor allem das Interesse den Zugang zu St. Petersburg / Leningrad zu sichern. Das gelang vor allem Peter, der die baltischen Gebiete unter seine Kontrolle brachte (Stichwort: Poltawa). Und an diesem Punkt ergaben sich gemeinsame Interessen zwischen Napoleon und Alexander.

Im Süden erfolgte vor allem eine offensive Konsolidierung in Richtung Persien und Türkei und eine aggressive Ausdehnung in Richtung auf den Balkan und die Dardanellen / Konstantinopel. Und an disem Punkt ergab sich der zweite gemiensame Bereich, da Alexander hoffte, er würde von Napoleon freie Hand in Bezug auf das Osmanische Reich erhalten.

Konstantinopel war dabei nicht nur ein wichtiger strategischer Eckpfeiler russischer Expansion, sondern auch über den orthodoxen Glauben ein Ort der einen hohen religiösen Stellenwert besaß (Stichwort: Moskau aus 2. Rom / Konstantinopel).

Dieses Expansion führte in 1829 die russischen Armee bis in die Nähe von Konstantinopel (vgl. Atlas S. 46).

The Routledge Atlas of Russian History - Martin Gilbert - Google Books

Diese Entwicklung mündete in den Krimkrieg ein und war der kollektive Versuch der Westmächte, das zaristische Russland einzudämmen. Und in dise Phase fällt dann auch die Entwicklung von der russischen Übermacht, die durchaus keine spezifisch deutsche Empfindung war.
 
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