"Polizei" im Rom der Spätantike?

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Hallo,

ich recherchiere gerade für ein historisches Jugendbuch, das zur Zeit der Plünderung Roms durch die Vandalen spielt, und auch geographisch in Italien angesiedelt ist.
Während ich für die "großen" historischen Ereignisse natürlich einiges an Quellen finde, fehlt es mir doch häufig an alltäglichen Begriffen und an anschaulichem Material über das tägliche Leben zu dieser Zeit. Wenn sich da ein Buchtipp findet, bin ich ganz glücklich, aber ich habe auch eine konkrete Frage: ich suche nach einem Begriff für die "Polizei", falls es so etwas zu dieser Zeit in Rom gab.
Wenn ich das richtig sehe, sind die Prätorianer und die Ädilen 455 n. Chr. schon Geschichte, aber ich nehme an, dass es irgendeine Art von Polizei gegeben haben muss.

Wäre dankbar, wenn mir da jemand weiterhelfen könnte.

Freundliche Grüße,

Veronika
 
Hallo,

ich recherchiere gerade für ein historisches Jugendbuch, das zur Zeit der Plünderung Roms durch die Vandalen spielt, und auch geographisch in Italien angesiedelt ist.
Während ich für die "großen" historischen Ereignisse natürlich einiges an Quellen finde, fehlt es mir doch häufig an alltäglichen Begriffen und an anschaulichem Material über das tägliche Leben zu dieser Zeit. Wenn sich da ein Buchtipp findet, bin ich ganz glücklich, aber ich habe auch eine konkrete Frage: ich suche nach einem Begriff für die "Polizei", falls es so etwas zu dieser Zeit in Rom gab.
Wenn ich das richtig sehe, sind die Prätorianer und die Ädilen 455 n. Chr. schon Geschichte, aber ich nehme an, dass es irgendeine Art von Polizei gegeben haben muss.

Wäre dankbar, wenn mir da jemand weiterhelfen könnte.

Freundliche Grüße,

Veronika

Die Vigiles Urbani waren sowohl Polizei wie Feuerwehr. Dazu gab es noch die von Augustus geschaffenen Cohortes Urbanae.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Bdaian: Die Vigiles Urbani waren sowohl Polizei wie Feuerwehr. Dazu gab es noch die von Augustus geschaffenen Cohortes Urbanae.

Ja, aber bestanden diese Strukturen noch im 5. Jahrhundert? 410 haben sich die Westgoten schon in der Stadt bedient, bevor die Vandalen den Rest besorgten.
 
Ja, aber bestanden diese Strukturen noch im 5. Jahrhundert? 410 haben sich die Westgoten schon in der Stadt bedient, bevor die Vandalen den Rest besorgten.

Ehrlich gesagt, weiss ich das nicht. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass die Vigiles weiter existiert haben könnten, da so etwas einfach zum funktionieren der Stadt gehörte.

Wenn ich mich nicht irre, meine ich gelesen zu haben, dass es im Spätantiken Rom auch noch Senatoren gab, auch wenn diese nur noch wenig zu sagen hatten. Das beinhaltet eine gewisse städtische Organisation.
 
Ja, aber bestanden diese Strukturen noch im 5. Jahrhundert? 410 haben sich die Westgoten schon in der Stadt bedient, bevor die Vandalen den Rest besorgten.

Ich habe im Moment meine Bibliothek nicht zur Hand, meine aber, dass sich Frank Ausbüttel in seinem Buch über die Verwaltung des römischen Kaiserreichs auch auf die Zeit bis ins 5. Jahrhundert bezieht und die meisten Ämter bis zum Ende des weströmischen Reichs und darüber hinaus fortbestanden.

Bis zum Gotenkrieg Justinians handelte es sich bei Rom noch immer um eine Metropole mit 100.000 Einwohnern, mehr, als die meisten europäischen Metropolen bis ins 16. Jahrhundert vorzuweisen hatten, und eine solche Metropole benötigte einfach eine Polizeitruppe, zumal bereits eine solche bestand und die administrativen Institutionen im wesentlichen erhalten blieben.
 
@Scorpio:...eine solche Metropole benötigte einfach eine Polizeitruppe
Natürlich.
@bdaian: Die Vigiles Urbani waren sowohl Polizei wie Feuerwehr. Dazu gab es noch die von Augustus geschaffenen Cohortes Urbanae.
Nur frage ich mich,ob sie noch unter diesen Bezeichnungen wirkten. Heute heißt es ja auch nicht mehr Landjäger oder Gendarm. Ich denke, genau das ist Inhalt der Ausgangsfrage.
 
Natürlich.
Nur frage ich mich,ob sie noch unter diesen Bezeichnungen wirkten. Heute heißt es ja auch nicht mehr Landjäger oder Gendarm. Ich denke, genau das ist Inhalt der Ausgangsfrage.

Die heutige Stadtpolizei in Rom nennt sich auch "Vigile Urbani".

Gut, es ist möglich, dass sie nicht die ganzen letzten 2000 Jahre lang so hiessen...
 
Noch unter dem Ostgotenkönig Theoderich d. Gr. gab es die ursprünglichen Ämter.

Im Rang nach dem Prätorianerpräfekten kam der Praefectus urbis, der Stadtpräfekt von Rom, dessen Gewalt und Gerichtsbarkeit die Stadt und Umgebung bis zum hundersten Meilenstein unterstand. Eine Aufgabe, die sich nicht ohne Polizeitruppe lösen lässt. Und diese kommandierte der praefectus vigilum, der Präfekt der Wächter.

Wer Latein kann, kann ja mal in den Variae (VII 7) des Cassiodor nachschauen: dort gibt es ein "formula praefecturae vigilum ubis Romae."
 
Im republikanischen Rom waren Bewaffnete innerhalb der Stadt nicht gern gesehen. Augustus begründete eine Einteilung, die sich offensichtlich bis in die Spätantike weiter verfolgen lässt. Zum Schutz des KAISERS selbst wurden die berüchtigten Prätorianer stationiert. Diese wurden durch Kaiser Konstantin aufgelöst, da sie im Bürgerkrieg gegen ihn Partei ergriffen hatten. Welche Einheiten ihre Funktionen übernahm ist nicht relevant, aber die Benennungen einiger Posten (etwa Prätorianerpräfekt) blieben erhalten, büßten aber zumeist ihre militärische Funktion ein. Bereits unter Kaiser Nero hatte der Präfekt der Prätorianer der Stadt Rom derart weitreichende Vollmachten, dass Le Bohec schon einmal die Ausdrücke "Ministerpräsident" oder "Kriegsminister" verwendet hatte. Das nur für jene, die sich über den Namen wundern, wenn doch die Prätorianer verschwunden sind.

Für die Sicherheit der STADT selbst waren die bereits genannten Stadtkohorten (Cohortes Urbane) aufgestellt worden, die ursprünglich 3 Kohorten ( X bis XIII) umfassten. Später wurden sie verstärkt und es gab sie auch in den Metropolen Lyon und Karthago. Es gibt Stimmen, die unterstellen, dass sie zeitweilig ihren militärischen Charakter verloren hätten bei ihren Aufgaben, die teilweise an Soldaten und auch an Polizei erinnern. Doch später wurden sie laut Le Bohec sicher wieder vollwertiges Militär. Ob sie noch zu Zeiten Geiserichs in dieser Form existierten, kann ich nicht beantworten. Jedenfalls waren sie zeitweilig so etwas wie die Stadtgarde und gehobene Stadtpolizei. Aus ihren Reihen wurden Truppen während der Reichskrise im 3. Jht. an die „Front“ verlegt.

Die ebenfalls unter Augustus ins Leben gerufenen Vigiles Urbani entstammten ursprünglich eher dem Plebs und genossen weit weniger Ansehen als Stadtkohorten oder gar Prätorianer. Sie dienten als eine Art von Polizei und Feuerwehr zugleich. Je eine Kohorte war für zwei Stadtbezirke zuständig. Aus diversen literarischen und archäologischen Quellen hat man abgeleitet, dass sie etwa auch als Nachtwächter eingesetzt wurden (Kammern für Fackeln/Lampen e.t.c.) und überhaupt in der Stadt patrouillierten. Man erinnere sich, dass in der späten Republik ein recht skrupelloser Senator (Rufus) mit seinen Sklaven eine private Feuerwehr gegründet hatte und damit mächtig Geld verdiente. Die Aufgabe als Feuerwehr war gewiss nicht hoch angesehen, die Vigiles dürften da keine sonderliche Ausnahme gemacht haben. Während der Reichskrise (Stichwort „Soldatenkaiser“) wurden sie allerdings als Soldaten auch gegen auswärtige Gegner zum Teil abkommandiert. Sie existierten noch in der Spätantike.

Im Bezug auf Polizei sollte man aber nicht zu sehr auf heutige Vorbilder sehen, da eine derartig straffe Organisation und enge, Aufgabenbezogene Verzahnung mit der Justiz unbekannt gewesen ist. Auch hatten die Senatoren und Würdenträger der Stadt sicherlich eigene „Schutzkräfte“, die über die Aufgaben von reinen Leibwächtern hinausgingen.
Dazu kam das relative Machtvakuum, welches durch den Abzug des kaiserlichen Hofes nach Ravenna entstanden war. Schon vor Gründung von Konstantinopel war der kaiserliche Hof nicht mehr ständig in Rom verblieben und viele Würdenträger und Senatoren verschwanden mit ihm. Auch als Zentrum des Westreiches hatte Rom an Bedeutung eingebüßt, die Kaiser hatten schon seit der Tetrarchie mehr in Mailand, Arles, Trier… oder letztlich im fraglichen Zeitraum seit längerem in Ravenna residiert. Vorstellbar, dass damit den Vigiles eine größere Bedeutung zugekommen sein könnte?

Der Angriff des Geiserich auf Rom erfolgte offiziell zur „Wahrung der Ansprüche seiner Dynastie“ auf den Kaiserthron, denn die Tochter des ermordeten Kaisers Valentinian III. war mit dem Sohn und Erben Geiserichs: Hunerich verlobt, während der in Rom an die Macht gespülte Petronius Maximus keinerlei „verwandtschaftliche Legitimation“ vorweisen konnte. Petronius versuchte diese Braut nun zur eigenen Legitimation zu heiraten. Dies wollte Geiserich nicht akzeptieren und zog aus seinem Sohn die Braut – und seinem ungezeugten Enkel die Ansprüche auf den Thron des Westreiches wiederzubeschaffen. Mit dem Ende Valentinians III. war aus Sicht der Vandalen das Weströmische Reich als „völkerrechtliches Subjekt“ erledigt, alle Verträge hinfällig geworden…. Im Rahmen des Angriffs auf Rom traten in den Reihen der Vandalen auch deutlich nordafrikanische Berberscharen in Erscheinung…. Bei den direkt vorausgehenden Wirren in Rom, denen auch Petronius zum Opfer gefallen war, dürfte jede Polizeitruppe überfordert gewesen sein.

Um eine Spekulation auszuformulieren: Solange die von unserem Gast gesuchte Polizei vor den Unruhen nach dem Tode des Valentinian ihren Auftritt hat, würde ich am Stadttor und in angesehenen Bereichen die Stadtkohorten mit der Aufgabe betrauen. Geht es um Vorgänge in der Nacht oder in herunter gekommenen Vierteln, dürften die Vigiles zum Zuge kommen. Bedeutende Vorfälle (politisch brisant?) dürften Magistrate oder Amtsträger rasch durch „Sonderbeauftragte“ an sich gerissen haben und sie von Leuten ihres Vertrauens bearbeiten lassen. Dazu in Frage kommen m.E. vor allem abkommandiertes Militär aus besonders angesehenen Einheiten, eventuell auch nur ein entsprechend angesehener Mann (Offizier?) der mit Söldnern oder Bucellarii seinen Wünschen Nachdruck verleiht.
 
... Sie dienten als eine Art von Polizei und Feuerwehr zugleich. Je eine Kohorte war für zwei Stadtbezirke zuständig. Aus diversen literarischen und archäologischen Quellen hat man abgeleitet, dass sie etwa auch als Nachtwächter eingesetzt wurden (Kammern für Fackeln/Lampen e.t.c.) und überhaupt in der Stadt patrouillierten. Man erinnere sich, dass in der späten Republik ein recht skrupelloser Senator (Rufus) mit seinen Sklaven eine private Feuerwehr gegründet hatte und damit mächtig Geld verdiente...
Wenn Du nun schon in die republikanische Zeit zurück gehst, noch eine Ergänzung dazu:
Polizeiliche Funktionen nahmen die Ädilen wahr. Das reichte von der Marktaufsicht bis zu baupolizeilicher Aufsicht. Dazu gab es die tresviri capitales, die Dreimänner-Behörde. Ihnen zugeordnet waren Staatssklaven, die bei nächtlichen Patrouillen für den Brandschutz zu sorgen hatten (Dig. I 15, 1). In anderen Städten gründeten die Einwohner Bürgerwehren.
 
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