Porträts im 18. Jahrhundert?

Hannibal

Neues Mitglied
Hey,

ich habe da mal eine Frage!
Worum werden Kinder im 18. Jahrhundert als kleine Erwachsene und ohne jeglichen typisch kindlichen Züge dargestellt??
Ich hoffe mal ihr kennt solche Proträts die ich aus dieser Zeit meine und wisst auch ein paar Antworten und Situationsbeschreibungen, warum Kinder so dargestelllt wurden. Gerne auch links :)
Also vielen dank schon mal...


mfg Hannibal
 
Also ich kenne mich jetzt nicht sonderlich mit Kunst und Portraitmalerei aus (warte mal noch ein bisschen auf Arcimboldo :)), aber ich habe grade hier einen grossen Waelze "L'art du portrait" vor mir und habe mal die Seiten zum 18. Jahrhundert durchgeblaettert und immer wenn Kinder abgebildet waren, habe ich eindeutig erkannt, dass es sich um Kinder handelte- nicht nur an der Koerpergroesse, sondern wirklich am Gesicht.
Ich halte es aber auch unwahrscheinlich, dass ein Maler des 18. Jahrhunderts ein Kind als Erwachsenen im Kleinformat darstellt, schliesslich malte man ja realistisch.
Vielleicht koenntest du mal ein Beispiel bringen, damit wir wissen, was du meinst.
 
Hey,

Bitte stell doch mal ein paar Bilder, die du meinst hier rein :winke:
linktipps zB: (du musst aber die jew. Maler kennen)

http://www.wga.hu/index1.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Kunst
http://wwar.com/masters/

Das 18. Jhdt war recht lange...

Du hast ganz recht damit, dass die Aristokratie damals -weil absolutistisch denkend und in aller Fülle ihrer Macht und ihres Reichtums, dies auch in ihrer Selbstdarstellung hervorkehren wollte: Arroganz bis zur Blasiertheit. Und so hatten auch die künftigen nachfolger in diese Ränge dargestellt zu werden: stolz, reich, selbstherrlich.

Gainsborough ist von seinen Anfängen bis zum Ende sehr interessant:
Erst in der (späteren) Hochrokokophase werden seine Portraits menschlicher, gemütlicher, anmutiger. Mode und auch das spürbare Aufbegehren des Bürgertums - und: eine englische , protestantisch-aufgeklärte Eigenart. (Portraits aus kathol. Ländern sehen vergleichsweise viel gezwungener aus.)

Ein Jhdt. zurück: die Maler des 17. jhdts. allen voran Rubens (und viel Holländer, Franz Hals fällt mir da auch ein), malten sehr wohl feine und authentische, liebe Kindergestalten und Gesichter,
Nicht so wieder die Spanier (Velazquez): die stellten auch die Kleinen so dar, wie ein stolzer Spanier dazustehen hat und zu schauen hat: unnahbar, verschlossen. (sic: katholisch)
Die ebnso kathol. Italiener wieder: "Kinderliebe" Portraits.

Große Maler haben im 18. Jhdt. sehr wohl kindliche Züge in die dargestellten kleinen Fratzen gepinselt. Boucher hat sogar Kinderzüge in junge Frauen gemalt, Grübchen dort und da ;)

Aber du hast recht, das war eher die Ausnahme.
Grundsätzlich:
Die Dargestellten waren aus besserem Hause. Da gehts nicht nur um gesichter, sondern um den ganzen gestus, die Haltung, die Spannung, die der starr stehende Körper bis in die Mimik des Gesichts wiederspiegelt.

(Wenn nicht zur Aristokratie gehörig: ein Bauer konnte sich keine hochwertigen Maler leiste. Falls du kleinbürgerliche portraits meist, die starren haltungen und Gesichter waren oft auch aus Mangel künstler. Talents entstanden. Und by the way, bitte glaube mir, aus eigener erfahrung weiß ich zu gut, dass kindergesichter das schwerste sind, was man portraitieren kann. nicht nur, dass sie sich ständig bewegen, sie sind hochempfindlich, und reagieren auf jede -willkommene-Abwechslung bei einer Portraitsitzung. Zudem sind Kindergesichter halt noch unausgereift, wenig markant...)

Die herrschende Gesellschaft (also der Adel und das reichgewordenen großbürgertum) hatten eine hohe Stellung künftig einzunehmen, folglich wurden sie als stolze kleine Erwachsene abgebildet.
Erst mit der Romantik ändert sich dieses Bild endlich, eigentlich begann dieser Hang zu mehr Authentizität und Lebensnähe vor der französ. Revolution, im Rokoko (man denke nun weiter zurück, also an Rousseau).
Mit der Napoleonischen Ära und seiner Förderung der Klassizisten (J.L. David etc.) dann ein Rückschritt, wieder starrere Haltungen und Gesichter...

Ich hoffe, ich hab dir ein paar Ansätze liefern können und ich behaupte nicht, dass ich völlig recht habe... Byebye
 
Zuletzt bearbeitet:
Soo hier nun zwei links zu Porträts welche diese spezielle Darstellung der Kinder verdeutlicht!
http://portraet-der-familie-sagredo-3356.gemaelde-webkatalog.de/
http://www.wooop.de/app?service=external/Painting&sp=l3369

@ning erst einmal vielen dank für deine Antwort.
Zitat:
Die herrschende Gesellschaft (also der Adel und das reichgewordenen großbürgertum) hatten eine hohe Stellung künftig einzunehmen, folglich wurden sie als stolze kleine Erwachsene abgebildet.
Erst mit der Romantik ändert sich dieses Bild endlich, eigentlich begann dieser Hang zu mehr Authentizität und Lebensnähe vor der französ. Revolution, im Rokoko (man denke nun weiter zurück, also an Rousseau).
Mit der Napoleonischen Ära und seiner Förderung der Klassizisten (J.L. David etc.) dann ein Rückschritt, wieder starrere Haltungen und Gesichter...

Genau zu diesem Zeitpunkt bin ich auf der suche nach Porträts und Wandlungen nicht nur in der Kunst sondern die sich vielmehr auch in der Gesellschaft wiederspiegeln.
Wenn du dazu bereit wärest würde ich mich sehr freuen, wenn du etwas genauer auf diesen Aspekt der Veränderung im Großbürgertum eingehen könntest.
Ganz einfach aus dem Grund, dass ich eine Facharbeit über Emilia Galotti schreiben muss, die sich insbesondere mit der Erziehung von Töchtern im 18. Jahrhundert befasst und den in dem Jahrhundert verbundenen Änderungen sowohl in der Gesellschaft als auch in der Erziehungspraxis.

Wäre nett wenn du darauf ein wenig eingehen könntest, dass wäre eine riesen Hilfe für mich!

mfg Hannibal
 
;-)
(ich hoffe, nicht nur ich kann dir hier hilfreich sein! Rundum-:winke:
Dein Thema ist wirklich interessant!)

Die zwei Links sind sehr gut! Bleib bei dieser Richtung. Und nimm derlei "scharfe Gegensätze" ;-)
Gedanken: Longhis Kinder sind Präsentations-Puppen, Hoggarths Kinder "leben".
Also: hier reagieren zwei Gesellschaftsgruppen aufeinander.
= Staffage contra Lebendigkeit... oder: "festgefügte Ordnung und demgemäße Zukunftsaussichten ("Ich habe, ich bin.") contra "Ich werde." bzw. schärfer: "Ich bin WIRKLICH" und "Ich werde es euch zeigen" (vielleicht etwas gewagt, hoffe, du kannst mir folgen)


1. aristokratisch<->bürgerlich.
...Aristokratie und aufstrebendes Bürgertum "als Motoren der versch. Darstellung": Welcher (hier bei Hoggarth eindeutig erfolgreiche) selbstbewusste Bürger dachte sich denn nicht, wenn er das Longhi-Bild sah: "So eine blasierte Gesellschaft -tztz- und nichts dahinter..." und ließ folglich seine Kinder in all ihrer pausbäckigen Lebensfreude malen.. ;) Die Kindesdarstellung (bei Hoggarth) könnte man also als Protest gegen das starre, ja "lieblose" Bild der Kinder der neoabsolutistioschen Aristokratie sehen. Das passt also sehr gut zur gesellschaftsrevolutionären Zeitstimmung... :grübel:
Es ist also durchaus ein polit. Statement
(Herrje... und somit: Kindesmissbrauch)

Nebenstrang/Hintergrund: 2.
Longhi-Umfeld -reaktionäres (habsburgisch beeinflusstes) Italien- contra Hoggarth- protestantisch-frühkapitalistisches England =
"protestantisch-aufgeklärt" contra "katholisch-konservativ (bis reaktionär)" als Gegensatz bzw. Fortschritt/Rückschritt-Input - in Bezug auf die Darstellung "kleiner Erwachsener"... ;-)

Man müsste auch noch in diese Richtung forschen: Welche "erhebende Literatur", also moralische Hefte, Schriften las das protestantische, welche das katholische Großbürgertum...

Ich weiß nicht, wie lange du Zeit hast. Ich bin vor kurzem über ein paar Sätze zur "Kindeserziehung anno 1800" gestoßen, muss ich aber erst wieder suchen.
Zum Longhi-Bild als weiteres Bildzitat macht sich sicher auch gut jenes Gruppenportrait der Familie von Kaiserin Maria Theresia. Ich versuche es zu finden.
 
"Die Autorin (s.Link) bricht mit dem Klischee, mütterliche Liebe sei das movens der vielen Familienbilder Maria Theresias gewesen. Nicht das bürgerliche Bild der Familie dringt "von unten" in den Palast ein. Vielmehr erwächst die Propagierung der Familie aus einer politischen Notwendigkeit und paart sich ab den 60er-Jahren des 18. Jahrhunderts mit einem sich ändernden, aufklärerischen, individuellen Emotionsanspruch, der für Maria Theresia aber zu keinem Zeitpunkt die Staaträson abzulösen vermag."

Rezension zum "Bild" bzw. zu den vielen Gemälden, die Maria Theresia von sich und ihrer Familie anfertigen ließ. = "Erstarrung" als ->"Reaktion der von Gott eingesetzen Herrscher" auf die "schnöde" bürgerliche Lebensnähe (in ihren Kindesdarstellungen) und somit auf den Anspruch der "geliebten Untertanen" auf Gleichstellung...

Vorerst zwei Links zu Maria Theresias Familienbilder (Die Bildqualitäten sind nicht so doll, sorry):
http://www.kunstform.historicum.net/2002/07/3186.html
http://www.weltchronik.de/dch/dch_1524.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Karolina_von_Österreich

Auch ein schöner Vergleich: Maria Theresias Tochter Maria Karolina als Teen (Darstellung a la "Staats- und Familienraison" ihrer Mutter Maria Theresia) und später als reife Frau.
Ich sehe darin eine große (große!) zeitgeschichtliche Zäsur. Ihr Jugendbild steht in der Tradition, die zurück bis ins 15. Jhdt. geht.
Das Erwachsenenbild ist eigentlich die Kapitulation, dass man mit derlei Selbstdarstellung auf verlorenem Posten stand, während das selbstbewusste Bürgertum längst "Menschenbilder" von sich machen ließ...

Ach ja: und schau doch mal ins Gemäldeforum:
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=138986&postcount=708
Seite:
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8190&page=36
Mozarts Kinder (um 1800-1805) Carl (links) und Franz
 
also ich bin leider hisotorisch net soo doll bewandert wie du deshalb würde ich dich bitten mir das etwas genauer zu erläutern! Also welche Gründe gab es konkret für die aus unserer Sicht untypische Kindesdarstellung. Welche Erziehungspraxis wurde verfolgt (insbesondere Bezug zu Emilia Galotti)

mfg Hannibal
 
Puh.

Das 18. Jhdt.

Salopp zusammengefasst:

Man kann sagen, dass das 17. Jhdt aus sehr sehr hässlichem Krieg bestand (Stichwort 30-jähriger Krieg etc.)

Das 18. jhdt war zwar auch mit Kriegen gespickt, nur (!!): das war NUN eine andere Form des Krieges als es das 17. jhdt. zugelassen hat und wie man es noch zu deutlich in Erinnerung hatte.
Das 18. Jhdt. war schockiert von den Gräueln, die die Soldateska des 30jährigen Krieges über alle Lande und jedes Haus gezogen hatte.*

Das 18. jhdt. führte aus Reaktion darauf so zu sagen "saubere Kriege": schmucke einheitliche Uniformen, disziplinierte Soldaten, Kampf Uniform gegen Uniform bzw. saubere Reihen marschieren dahin und werden mit einer Kanonekugel niedergemäht. Das geht bis zu den napoleon. Kriegen so. Auch Irrwitz. ABER, WICHTIG: mit dem Anspruch "nicht zu Lasten der Zivilbevölkerung!"
(Das ändert erst Monsieur Napoleon: er requiriert wieder, er laugt ganze Landstriche aus, indem er seine Heere vor Ort aus dem jew. Krieggebiet ernährt, verproviantiert....)

So. wir haben um 1700 also ein ausgelaugtes Europa.*
Ausnahme: Großbritannien. Das hat inzwischen das zweite wichtige "Ding" in die Hand genommen: die WELTWIRTSCHAFT = DEN KLASS. MERKANTILISMUS.
Hier hat nicht mehr die Aristokratie das Sagen (natürlich auch), sondern beim handel ist der Bürger, ohne die Schranken einer apostolischen katholischen Oberherrschaft, frei und hochaktiv.

Dieser Merkantilismus (hier wird sicher noch jemand einhaken) ist für mich ganz ganz einfach: plumper Kapitalismus (= Frühkapitalismus).
Es gibt dazu dieses Bild: Schiff fährt nach Afrika, kauft um 3 Pullen Schnapps einen Negersklaven. Schiff nimmt Negersklaven mit nach Südamerika, dort hackelt der Sklave auf dem Baumwollfeld. Baumwolle fährt mit Schiff nach Holland, dort ist Börse, Börse verkauft Baumwolle dem Händler, der es dem Manufakteur (Fabrikanten) in Frankreich, Venedig, Brabant, Preussen oder Österreich verschachert. Dort wird Stoff gewoben.
Basis des kreislaufs ist 1. Sklavenarbeit, 2. geraubtes Land (Südamerika)

So. Und der stolze Händler (Bürger) geht dann zu Herrn William Hoggarth und lässt seine gesunden Kinderchen malen.

Während die Aristokratie (denke nun an die Habsburgerfamilie in Wien) sich so malen lässt, als wären wir noch im jahre 1490.
Ihre Herrschaftsverhältnisse um 1700 waren einzementiert bzw. trachteten sie danach, sie weiter einzuzemmentieren. (Deshalb auch das Verschonen der landbevölkerung mit den "gräueln des Kriegs")
Kontinental-Europa hatte zu Beginn des 18. jhdts. einfach zu wenige Untertanen (nach dem Blutzoll des 17. Jhdts.) um gegen diesen slebstverständlichen und selbstherrlichen Herrschaftsanspruch (Absolutismus) entsprechend aufbegehren zu können. Aber nur anfangs! Das 18. jhdt. war dann das zunehmende gesellschaftliche Gären (Wieder ein Stichwort: Aufklärung), dass sich 1789 beim Sturm auf die Bastille endlich entladen konnte.


* Auch das ist wichtig für das 17. Jhdt, auf das ja das 18. Jhdt reagierte: das Klima war ab etwa 1570/80 katastrophal. Dauerkriegszustände kommen nicht von ungefähr. Der 30-jährige krieg geschah zu einer Zeit, als Europa sich deutlich abkühlte, bitterkalte Winter, Ernteausfälle, Verarmung. 1680, also 30 Jahre nach Ende des 30jährigen Krieges wurden zB. ganze Landstriche durch andauernde Fröste um riesige Flächen uralter Obst- und Weinbestände gebracht.
Du musst dir vorstellen: ab da, ab Ende des 17. jhdts und das ganze 18. jhdt hindurch war Aufbauzeit, Neubeginn, so ähnlich wie Deutschland nach 1945 ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu dieser Eingangsfrage könnte man ein ganzes Buch schreiben und trotzdem auf keinen grünen Zweig kommen. Ich hab mich bis jetzt zwar nicht zu Wort gemeldet, hab aber drüber nachgedacht. Und mir fällt eigentlich zu allen Kunstepochen bis hinauf zur Mitte des 18. Jhdts das nebeneinander von der Darstellung von Kindern als Kinder bzw. der von Kindern als kleine Erwachsene.
Kollege Ning hat sehr viel kluges und wahres hier schon geschrieben, obwohl ich in einigen Punkten seine Meinung nicht teile (wie kann Standesbewusstsein als blosse Blasiertheit bezeichnet werden? Ein Nobile des 18. Jhdts ist ja kein Neureicher unserer Tage, da muss man schon die Zeitumstände mitbetrachten:cool: )

Ad Kinderdarstellungen als Kinder:
Man findet die eigentlich von Anfang an - man denke nur an die Unmengen von Putten, Amoretten usw. die sich durch die ganze Kunstgeschichte tummeln. Hier gehts aber um Portraits und auch da findet man schon ab dem Beginn der Portraitkunst Kinderbilder. Portraits in unserem Verständnis als "getreue" Darstellung gibts ja erst ab ca. 1350/1400. Ein sehr schönes Beispiel eines dieser frühen Kinderportraits ist diese Darstellung der Kinder Lorenzo des Medicis und ihres Lehrer Poliziano.

Noch deutlicher sind die Kinderportraits Karls V. und seiner Schwestern Eleonore und Isabella des Meisters der St. Georgsgilde vom Beginn des 16. Jhdts. Die Kinder tragen zwar die höfische Tracht, sind aber Kinder geblieben, Isabella spielt sogar mit ihrer Puppe.

Ad Gegenteil - Kinder als kleine Erwachsene
Hier gibts meist Gründe dafür - manchmal ist das ganze Gemälde eine einzige Allegorie wie die berühmten "Kinderspiele" von Breughel. Hier findet man nur kleine Erwachsene die wie Kinder spielen und deren scheinbar nutzloses Treiben als Gleichnis für die Sinnlosigkeit und Torheit menschlichen Handelns.

Wie Ning auch schon angeführt hat werden Kinder aber auch als künftige Herrscher in reiner Pose dargestellt. ME am typischsten bei diesem Portrait Erzherzog Karl Josephs von Sustermann. Da ist kein Kind mehr zu sehen, nur mehr eine Repräsentationspuppe. Man muss aber dazu sagen, dass von ca. 1550 bis 1650 fast alle Portraits derartig stilisiert waren. Starre Haltung, prunkvolle Kleidung - wie Puppen stehen die "Grossen der Welt" in ihren Bilderrahmen und langweilen den Betrachter sogar noch heute.

Nur wenig grosse Maler haben das damals durchbrochen - Rubens, van Dyck und vor allem Velazquez. Gerade bei letzterem wird deutlich dass hinter der prunkenden Staffage ein kleines, meist sogar kränkelndes Kind steckt wie zB. beim Infanten Philipp Prosper.

Ab Mitte des 17. Jhdts beginnen die Portraits sich wieder zu individualiseren, dies gilt für die Erwachsenen-Darstellungen wie auch für Kinderbilder. Nur darf man aber zwei Faktoren dabei nicht unberücksichtigt lassen:
Zum einen gabs halt viele "schlechte" Maler die es einfach nicht schafften, den Zügen der von ihnen Dargestellten Leben einzuhauchen. Sogar (oder gerade) unter den Hofmalern findet man diese Stümper, berüchtigt ist Martin van Meytens, Hofmaler Maria Theresias. Der war der beste "Spitzen"-Maler (Spitzen im Sinne von Stoff a la Brüssler Spitzen) seiner Zeit, aber Gsichter konnt er halt überhaupt nicht, das sieht man seinen Bildern ja auch an. Die schauen alle gleich aus, Kinder wie Erwachsene.

Zum anderen wurden gerade die höfischen Portraits einfach husch-pfusch runterkopiert und in der Qualität dadurch gemildert, der Effekt ist der gleiche.

Maria Theresia hat ihre Kinder auch von Liotard darstellen lassen, einem der besten Portraitisten ihrer Zeit. Und hier findet man sowohl die Kindlichkeit als auch die Individualität der Dargestellten. Die Kinder wurden sogar gefragt, bei welcher Beschäftigung sie gemalt werden wollten (weiss man aus den Tagebücher der Erzherzogin Johanna Gabriella).

Naja, zu diesem Thema könnte man noch Seiten schreiben. Zusammenfassen möchte ich sagen dass man im 18. Jhdt. Kinder eigentlich als Kinder malt, wenns anders ausschaut war der Maler ein Pfuscher.
 
Noch was:
Die representativen Familienportraits die Ning anführt haben natürlich alle was Steifes, Theatralisches, das ist klar. Eine Tradition die sich aber bis heute fortsetzt, man betrachte nur welche Arrangements die berüchtigten Familienfotos in den Wohnzimmer zeigen:D
 
Wir sind eh einer Meinung: es gab "immer schon" und lassen wir dieses "immer schon" mit der Frührenaissance beginnen, Portraits, die Kinder als Kinder darstellten.
Nur: Portrait tatsächlicher Menschnenkinder verglichen mit religiösem Zierrat von Puttis bzw. die Darstellung des Jesuskindes in der Krippe machen doch gerade deutlich, dass die Engerln od. Jesus süße Babies waren, während Portraits damals lebender Menschenkinder doch durchwegs zu einer "starren Probe einer Erwachsenenhaltung" ins Bild gezwungen wurden.

Rovere schrieb:
Noch deutlicher sind die Kinderportraits Karls V. und seiner Schwestern Eleonore und Isabella des Meisters der St. Georgsgilde vom Beginn des 16. Jhdts. Die Kinder tragen zwar die höfische Tracht, sind aber Kinder geblieben, Isabella spielt sogar mit ihrer Puppe.

Ganz richtig. Wenn wir vom frühen 16. Jhdt. sprechen (ich stell unten das Bild dazu): Die Familie von Maximilian I zB. spricht durchaus ein zärtliches, lebensnahes Kindesbild und keineswegs eine leblose Ansammlung künftiger Kaiser und Könige.
Und:
Rovere schrieb:
Man muss aber dazu sagen, dass von ca. 1550 bis 1650 fast alle Portraits derartig stilisiert waren. Starre Haltung, prunkvolle Kleidung - wie Puppen stehen die "Grossen der Welt" in ihren Bilderrahmen und langweilen den Betrachter sogar noch heute.
Richtig. Die Einstellung Maximians, als prägende persönlichkeit ("mon bon pere Maxi", wie seine Tochter Margarete liebevoll schreibt, war eher die Ausnahme.
Aber das leitet hier gleich dazu über:

Rovere schrieb:
Nur wenig grosse Maler haben das damals durchbrochen - Rubens, van Dyck und vor allem Velazquez.

Die Niederländer, wie ich auch schon andeutete, malten durchaus Kinderportraits und doch war schon ihre künftige Erwachsenenaufgabe implantiert. (Ich denke da zB. an dieses Bild eines Händlers(?) mit seinem Sohn - habs leider vergessen, von wem)
Rubens (mehr noch als Van Dyck) war ein wunderbaerer Kindermaler. Seine Söhne (ein nettes Bsp. unten) oder die zärtliche Rötelzeichnung des berühmten Mädchenkopfes (Albertina Wien). Lebensnähe: Das ist flandrische Tradition, würd ich behaupten. Aber in diesen bitteren Kriegszeiten v.a. Ausdruck einer Sehnsucht nach Wärme u. freude.
Und die Flamen und Holländer brachten diese lebensnahe Tradition mit nach England.

Bei Velazquez seh ich das differenzierter: in ihm zeichnet sich schon Goya ab: spanischer Realismus, würd ich das nennen. Er (und viel mehr noch Goya) erlaubte sich einen kritischen Blick auf dieses portaitierte Dasein. Man könnte also leisen Sarkasmus eine span. Tradition nennen... der dennoch recht schwer das starre mediterrane katholische Sinnesverbot durchdrang.. ;-) ;)

Zu den Jahren 1700 bis zum (wie Hannibal andeutete) Wiener Kongress behaupte ich weiterhin: Auch im Kindesportrait hat sich der Absolutismus ERST in diesem 18. Jhdt. von 300 und mehr Jahren Darstellungstradition verabschieden müssen, sich langsam an eine lebensnähere Aufgeklärtheit gewöhnen müssen! Denn das aufstrebende Bürgertum "schiss" auf diese Steifheit und die Aristokratie geriet geradezu in Zugzwang , vom Repräsentationsbild hin zur lebendigen, gelockerteren, ja "volksnahen" Darstellung zu gelangen.
Der Erzreaktionär Franz I schaffte es m.E. nicht mehr, von starren, repräsentativen Selbst-Darstellungen abzukommen ;-)

(lb. Hannibal, zu Emila Galotti musst du andere befragen. Bzgl. Kindeserziehung um 1750-1800 find ich viell. noch etwas. Nur kurz: sie war streng, mein Lieber. Sie zielte ab auf "Abrichtung eines ungebärdigen, ursprünglicheren Wesens, auf Disziplin und Gehorchen". Und ja, erst mit Lessing wird vorsichtig von "Liebe" (Nathan) oder "Emanzipation" (Emilia) gesprochen..
 

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ning schrieb:
Zu den Jahren 1700 bis zum (wie Hannibal andeutete) Wiener Kongress behaupte ich weiterhin: Auch im Kindesportrait hat sich der Absolutismus ERST in diesem 18. Jhdt. von 300 und mehr Jahren Darstellungstradition verabschieden müssen, sich langsam an eine lebensnähere Aufgeklärtheit gewöhnen müssen! Denn das aufstrebende Bürgertum "schiss" auf diese Steifheit und die Aristokratie geriet geradezu in Zugzwang , vom Repräsentationsbild hin zur lebendigen, gelockerteren, ja "volksnahen" Darstellung zu gelangen.

Nein, nein und nochmals nein. Du ignorierst meiner Meinung den Typus des Herrscher-/Machthaber-Portraits als bis heute noch verwendetes Genre und weisst diesen einer Epoche zu. Ich bin durchaus bereit dir recht zu geben dass es Epochen gab - vor allem die Zeit des beginnenden Absolutismus ab der Mitte des 16. Jhdts - wo dieser Typus des reinen Representationsportraits beinahe eine Monopolstellung hatte (über die Standesgrenzen hinweg, was ich betonen möchte!!), ab Mitte des 17. Jhdts aber wieder zurücktritt. Ohne Frage besteht das offizielle Portrait weiter - bis heute (siehe beigefügtes Foto). Aber eine Ausschliesslichkeit der reinen Staffage-Portraitkunst im höfischen Portrait sehe ich ganz und gar nicht.

(Und übrigens - machen wir das doch mit den Fäusten aus:D )
 

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Ich erlaube mir, frei nach Rostand zu antworten:

(Fäuste?)
"Ah! Vous voulez la biere, alors ..

UND PRESSION, GARçON!" :hoch: " pardon.. DEUX!" :hoch: :hoch:

-
PS: Nein, nein, nein: klar ist das Repräsentationsbild zeitlos! Aber ich glaube, Hannibal hat genau diese Bilder gemeint: Bilder, die ich auch nicht alleine der Aristokratie zuweise, sondern jedem Stand, der seine Kinder für eine Eheschließung, für eine Geschäfts- od. Besitznachfolge usw. darstellen ließ!! Na klår! Dennoch war das lebensnahe Familienbild keine Sache der Herrschaften! (alles für die bespr. zeit bis 1800)

Wir sollten den armen hannibal aber nicht zu sehr verwirren und ihm nun Zeit zum Zusammenreimen geben. Wie Kinderportraits aussehen konnten, haben wir ja nun recht breit ausgeführt, was Emilia Galotti damit anfangen soll? Nun ... :grübel:.. ich bin neugierig ;-))
 
Zuletzt bearbeitet:
hey,
erstmal vielen Dank für eure zahlreichen Antworten! Das hat mir schon mal einen gewissen Eindruck vermittelt.
Ich beschäftige mich mit Porträts die wirklich nur die Kinder als kleine Erwachsene darstellen. Und hiernach bin ich auf der suche nach Gründen. Also einige sind mir nun ja mittlerweile bekannt: gesellschaftliche Steifheit, Tradition, formell durch Kriegsschrecken, Kindheit wird nicht als Entwicklungsprozess angesehen!! usw. wenn jemand noch weitere Gründe kennt.... bitte nennen! :)
Ich habe mich nun zunächst einmal für das Gemälde entschieden.
http://portraet-der-familie-sagredo-3356.gemaelde-webkatalog.de/
Nun frage ich mich jedoch noch woran es liegen kann, dass auf vielen Porträts wie auch diesem ^^ hier der Vater nicht abgebildet ist. Damals also im 18. Jhdt. galt der Vater doch als Patriarch und somit als uneingeschränktes Familienoberhaupt...

mfg
Hannnibal

thx nochmal an ning und Rovere für ihren äußerst kompetenten Antworten!
 
Hi Hannibal,
ich würde mal davon ausgehen dass es zu diesem Familienbild ein Gegenstück mit dem Vater alleine oder dem Vater mit den Söhnen gab.
Dies ist durchaus üblich bei Aristokraten im die Familien nach Geschlechtern getrennt darzustellen, also entweder Väter & Söhne, Mütter & Töchter bzw. Mütter und alle Kinder.

Bei dem von dir reingestellten Bild hast du ja 3 Generationen abgebildet, links wahrscheinlich die Großmutter, sitzend die Mutter, stehend eine Gouvernante oder Verwandte der Mutter. (Der Diener im Hintergrund ist ausschliesslich dekorativ).
Interessant ist auch die Anordnung der Kinder. Der kleine Bub zu Füssen der Mutter, wahrscheinlich der Erbe, bildet den Mittelpunkt der Gruppe, sowohl die Mutter als auch die kleinen Mädchen weisen auf ihn hin.
 
ooh danke... wenn jemand noch mehr weiß ... dann bitte her damit ich wollte das bild nämlich detailiert soo beschreiben und deuten! Noch was bist du sicher das es sich um eine Aristokratische Familie handelt?! In der Bildbeschreibung habe ich nichts gefunden! Könnte es nicht auch Angehörige des Großbürgertums sein?!

mfg
Hannibal
 
Die Familie Sagredo waren venzianische Adelige. Sie hatten irgendwo an der Brenta, eher in Küstennähe, soweit ich mich erinnere eine Sommervilla (wie alle venezian. Aristokratie), die sehr fesch ist, ich glaube, sie heißt eben "Villa Sagredo", GOOGLE mal ;-)
 
sorry aba wenn ich google finde ich net soo richtig gute Infos über die Familie!!^^ die wollen mir immer nur Porträts zeigen oder irgendwelche Hotels!! :( Könntet ihr mir vlt noch nen paar infos über die Familie „Sagredo“ geben!?

mfg
Hannibal
 
Such dir sonst ein anderes Bild, wird besser sein -mit prominterem Familienhintergrund, den du als Füllmaterial ;) für deine Arbeit verwenden kannst (s.o. Habsburger etc.), falls du ein aristokrat. Präsentationsbild nehmen willst.
Ohne Gegenüberstellung zu einer "lebensnahen" Kindessdarstellung wirst du aber nicht viel argumentieren können.

Tipp: Die Familie Ludwig XVI und Marie Antoinettes: hier ist genau der Wandel, den Aufklärung und zunehmendes Bürgeraufbegehren von den Herrschern forderte vom statischen Präsentationsbild hin zur rührenden Familienszene zu finden. Suchen musst du selber ;-)

--
Villa Sagredo, da gibts Geschichte:

Seicentesca villa di campagna nella Riviera del Brenta, già proprietà della nobile famiglia veneziana Sagredo, che nella seconda metà del 1500 l'edificarono trasformando il preesistente antico castello romano dei Dalesmanini, e la dotarono poi di meravigliosi giardini all'italiana oggi riscopribili solo dalle stampe dell'ingegnere Giorgio Tramarini (1713). Rientra nell'impianto edilizio anche l'oratorio, nel quale trova sepoltura Agostino Sagredo, ultima della gloriosa progenie: una lapide con lo stemma della famiglia, lo commemora.
Qui soggiornò, fra gli altri personaggi celebri: Papa Clemente VIII, San Gregorio Barbarigo e il poeta Giacomo Zanella, Galileo Galilei amico fraterno di Giovan Francesco Sagredo, personaggio celeberrimo del "Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo". Dalla fine dei Sagredo (1871) la Villa cadde in decadenza e divenne un enorme rustico posto a servizio dei terreni, che divennero semplici vivai, seminativi e vigneti. Negli anni '70 iniziarono i lavori di ripristino del complesso monumentale.

Prominete Sagredos:

Giovan Francesco Sagredo (1571-1620)
Er gehörte zu einer der reichsten und mächtigsten Familien Venedigs und hatte sehr enge Beziehungen zu Galilei, als dieser eine Zeit lang im Hoheitsgebiet der Serenissima lebte. Die Person Sagredo (...) lässt die lebhafte und brillante Persönlichkeit dieses Menschen noch einmal auferstehen, indem viele im Dialog erwähnte Anspielungen und Episoden aus der wirklichen Biographie dieses Edelmannes stammen. Galilei lässt seinen frei erfundenen, vier Tage dauernden Dialog im venezianischen Palast dieser noblen Familie stattfinden.

Gerhard Segredo (um 900) Märthyrer
http://www.heiligenlexikon.de/start.html?BiographienG/Gerhard_Sagredo.html

Niccolò Sagredo, 1675-1676 Doge von Venedig
Niccolo Sagredo 1786-1792 Erzbischof von Udine
Giovanni Segredo (gesandter 1655)
http://venus.unive.it/riccdst/sdv/strumenti/testi/relazioni/sagredo.htm

Zum Bild:
http://www.provincia.venezia.it/querini/gallery/Pages/XVIII/longhi/altri/sagredo.htm
Wie Longhi Kinder darstellt (darunter alle Segredo-Bilder)
http://www.provincia.venezia.it/gcesare/ragazzi/moda/longhi.htm#LA FAMIGLIA SAGREDO

Tja, italienisch, was klar ist, du wirst auch nur unter "La famiglia Sagredo" bei Google fündig
 
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