Preußen - Buch- oder Linktipps?

Ach, so tiefgründig will ich mit damit gar nicht beschäftigen. Es geht mir nur um einen groben Überblick für ein paar Randbeschreibungen. ;)
 
Hallo,

zur Zeit lese ich die Tagebücher von Sophie Marie Gräfin von Voss, die am preußischen Hof Oberhofmeisterin war. Kennt einer das Buch? Also mal abgesehen davon, dass sie nur kurze Notizen schreibt, ist mir eins aufgefallen: Es gab offenbar in ihrem Leben (und dem der anderen Adligen) kaum wirklich was zu tun. Sie schreibt immer wieder das gleiche: Bei wem gegessen wurde, neben wem sie gesessen hat, dass gespielt wurde, dass spazieren gegangen wurde, dass es mal eine Oper oder einen Ball gab und dass man sich ständig besuchte und unterhielt. Also wenn das tagein und tagaus so ging, ist das, in meinen Augen, ein super langweiliges Leben. Oder kommt das nur so rüber durch die knappen Notizen? Neben Geschäften, Haushalt und zusammen essen muss man doch noch was anderes getan haben. Oder?
 
Also wenn das tagein und tagaus so ging, ist das, in meinen Augen, ein super langweiliges Leben. Oder kommt das nur so rüber durch die knappen Notizen? Neben Geschäften, Haushalt und zusammen essen muss man doch noch was anderes getan haben. Oder?
Nein das ist schon eine sehr stimmige Darstellung des damaligen Alltags an einem Hof. Abwechslung gab es am ehesten, wenn sich Besonderes wie Geburt, Tod usw. ereigneten. Die Intention der Einführung bestimmter Hofämter, war ja den Adel von einer Mitgestaltung an der Politik also einer Mitregierung auszuschließen. Diese Hofämter füllten allerdings nicht durch wirkliche erfüllende Tätigkeit das Leben der Hofleute aus. Manchmal liest man, dass die Langeweile des Hoflebens nicht zu letzt zu den höfischen Intrigen führte, da die ehrgeizigen unter den Hofleuten, nichts anderes zu tun hatten.

Deutlich wird bei der Betrachtung des durchschnittlichen Lebens der Hofgesellschaft, dass das Leben von Abenteurern wie Pöllnitz, Casanova (der auch Abenteurerinnen trifft) und Trenck die extreme Ausnahme darstellte.
 
Tja, das stimmt wohl. Sobald sowas wie eine Geburt, Hochzeit o. ä. ins Haus steht, werden die Aufzeichnungen ausführlicher.
Aber andererseits, wenn man so drüber nachdenkt, was sollten die Leute auch sonst tun? Sie konnten weder fernsehen noch Radio hören, es gab keine Computer und keine Telefone. Um was neues zu sehen oder zu hören, musste man immer zu jemandem zu Besuch gehen oder sich jemanden einladen.
Die Langeweile der Adligen und ihres Hofstaates hat ja nicht nur zu Intrigen geführt. Die hatten ja auch jede Menge Zeit sich mit Okkultismus, Hexerei, Geisterbeschwörungen usw. zu beschäftigen.
Hm, aber irgendwie stelle ich es mir trotzdem ätzend vor. Geistige Auslastung war da wohl eher eine Seltenheit.
 
Hm, aber irgendwie stelle ich es mir trotzdem ätzend vor. Geistige Auslastung war da wohl eher eine Seltenheit.
Gut wenn man dem Hochadel angehörte, konnte man auch mit den größten Geistern seiner Zeit in Kontakt treten. Viele Damen, aber auch Herren protegierten bspw. Musiker. Ich stelle mir das schon als einen Hochgenuss am preußischen Hof zur Zeit Friedrich II. vor, alle paar Tage einige der musikalischen Genies der Zeit Quantz, Graun, Carl Philipp Emanue Bach und das auch noch live zu hören.;)
Carl Theodor von der Pfalz, Friedrich II. in Preußen, Peter III. von Russland musizierten allesamt selbst. Viele Höflinge, ich weiß zwar nicht wieviele Damen, waren ja auch schriftstellerisch tätig. Memoiren, Romane usw. kamen dabei heraus, kein Wunder denn nicht wenige hatten eine gute Erziehung hinsichtlich Sprachen, Theologie und Geschichte genossen. Die Memoiren waren ja seit je her sein probates Mittel politische Gegner postum zu verunglimpfen und eigene Handlungen zu rechtfertigen.
 
Konzerte sind ja gut und schön, aber wenn es bereits das 5. in dieser Woche ist, ist es sicher irgendwann egal wie hoch begabt der Musiker ist.
Aber vielleicht ist das für den modernen Menschen eher schwer nachzuvollziehen. Weil er andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung kennt. Manch einer bekommt ja regelrechte Entzugserscheinungen wenn er nicht abends zu Hause sofort Fernseher oder PC anschalten kann. :D
Aber wahrscheinlich ist es gerade das, was die Gemütlichkeit der guten, alten Zeit ausmacht. Andererseits scheinen die Leute dadurch sehr viel empfindlicher gewesen zu sein. Also ich hab schon an mancher Stelle gestaunt (nicht nur bei diesem Buch) wenn geschrieben wird, jemand hat sich so sehr gegrämt, dass er ein halbes Jahr lang nur noch vor sich hinvegetiert ist und dann daran gestorben ist. Also nicht mal alte Leute sondern junge und fidele Menschen. Ich stelle mir immer vor, dass die Leute Depressionen hatten. Aber daran stirbt man doch nicht. Oder wussten die Autoren es einfach nicht besser und schrieben deshalb, derjenige wäre an seinem Kummer gestorben?
 
Also nicht mal alte Leute sondern junge und fidele Menschen. Ich stelle mir immer vor, dass die Leute Depressionen hatten. Aber daran stirbt man doch nicht. Oder wussten die Autoren es einfach nicht besser und schrieben deshalb, derjenige wäre an seinem Kummer gestorben?
Es gibt dafür eine Vielzahl von Erklärungen, die ich bis jetzt gelesen habe.
Gut manche Depressionen gehen ja mit Nahrungsverweigerungen einher. Außerdem gab es damals Psychologie eher im Anfangsstadium und eine angemessene Behandlung psychischer Probleme überhaupt nicht. Heute würden Leute, welche wie Friedrich II. als Kronprinz dem Tod des Freundes (Katte) beiwohnen durften, behandelt. Damals interessierte das niemanden, bzw. die Reaktion auf psychische Ungewöhnlichkeiten oder Auffälligkeiten war eher negativ für die Betroffenen.
Ein anderes Deutungsmuster ist natürlich auch, dass viele innere Krankheiten nicht erkannt wurden bzw. einige Krankheitsbilder verwechselt wurden und man mit genau den falschen Mitteln die Patienten unter die Erde brachte. (Ziemlich gruselig liest sich zum Beispiel das große Sterben bei den Bourbonen in den ersten Jahrzehnten des 18.Jh., als angeblich der von der Maintenon protegierte Arzt Fagon die königl. Patienten durch falsche Behandlungsmethoden zu Tode pflegte.)

Natürlich darf man die Medizin nicht nur rügen, aber bis ins späte 18.Jh. bestand die Meinung, dass es das Gesündeste sei, so gut wie möglich Medikamente und Ärzte zu meiden. Dass die Heilmethoden der Zeit einfach keine Chance oftmals gegenüber den Krankheiten hatten und weniger die Ärzte daran schuld waren, bzw. diese einfach nur nach dem Stand der Forschung handelten, war nicht allgemein bekannt. Die Wissenschaftlichkeit in der Medizin etablierte sich übrigens erst. Neben gelernten, studierten Ärzten, waren noch viele unterwegs, die eher nur in Ansätzen mit den komplexen Themen der Medizin vertraut waren.


Zum Alltagsleben und Langeweile:
Die Musik hatte durchaus eine bedeutende Wirkung, die wir heute nicht mehr ermessen können, da Lärm u.a. durch Fernsehen, Radio etc. immer um uns sind. Wie großartig Musik ist, empfindet man, wenn man eine Weile relativ abseits von modernen Medien lebt. Ich denke auch, dass die Abstumpfung der Sinne viel geringer war, so wurden Theater und Konzert, aber auch Malerei und Architektur ganz anders aufgenommen. Das drückt sich auch in dem Verlagswesen aus, wenn man sich anschaut, was alles über Architektur bspw. veröffentlicht wurde. Außerdem darf man nicht vergessen, dass niveauvollere Musik und das recht häufig sogar im Jahr doch eher einem kleinen Teil der Bevölkerung, eben der Oberschicht, zugängig war, das dürfte auch zu einer bestimmten Exklusivität dieses Genusses beigetragen haben. Nicht umsonst wurde um namenhafte Künstler manches Mal heftig gestritten und nicht selten warb man sich gegenseitig Künstler ab.
 
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Bzgl. des Todes von Katte habe ich an mehreren Stellen gelesen, dass Friedrich mit Fieber im Bett gelegen hätte danach. Fieber ist doch aber eine Reaktion auf das Eindringen und Verbreiten von Viren und Bakterien im Körper. Also wenn man sowas liest, wagt man sich gar nicht, den Beschreibungen des Krankheitsbildes zu trauen. Oder es war einfach Zufall, dass er gleichzeitig eine andere Krankheit "ausgeheckt" hat.
Okay, die Ärzte handelten nach dem Stand der Forschung. Aber ihnen muss doch aufgefallen sein, dass gar keine Wirkung eintrat oder nur im seltensten Fall. Deswegen und bei Betrachtung der Behandlungsmethoden ist es kein Wunder, dass man nicht zum Arzt gehen wollte. Pillen aus Quecksilber, sich aufschlitzen lassen um zur Ader gelassen zu werden, merkwürdige Gebräue, Pulver und Salben aus ominösen Zutaten wie Erhängten, Mäusen, Fröschen etc.
 
Fieber ist doch aber eine Reaktion auf das Eindringen und Verbreiten von Viren und Bakterien im Körper. Also wenn man sowas liest, wagt man sich gar nicht, den Beschreibungen des Krankheitsbildes zu trauen. Oder es war einfach Zufall, dass er gleichzeitig eine andere Krankheit "ausgeheckt" hat.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es in einem Gefängnis nicht sehr hygenisch zuging. Das wäre für mich die einleuchtenste Erklärung.

Die Beschreibung von Wallungen (Fieber) klingen für mich manchmal so, als ob man diese weniger als Teil bzw. Merkmal einer Krankheit wie Darminfekt ansah sondern eher als Krankheit selbst. Gegen Wallungen gab es schon manches Mal die wunderlichsten "Allheilmittel".

Es geht ja nach wie vor um einen Roman./? Dann reiß das Hofleben doch einfach nur an. Ein geschilderter Tag, ein Beispiel findest Du sicherlich, kann da schon genügen, die anderen sahen dann ähnlich aus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja es geht noch um den Roman. Ich habe mir die Tagebücher der Voss vorgenommen, weil ich mal einfach einen Überblick darüber haben wollte, was Adlige so den ganzen Tag trieben. :) Es spielt ja nicht direkt am königlichen Hof.

Friedrich saß ja aber nicht in einer Gefängniszelle sondern in einem Turmzimmer.
Aber okay, dass Fieber als eigenständige Krankheit betrachtet wurde, kann ich mir auch schon vorstellen. Man wusste ja noch nicht wirklich was von Bakterien bzw. sah keinen kausalen Zusammenhang, obwohl es ja in dieser Zeit damit losging, dass jegliche Art von "Material" unter dem Mikroskop betrachtet wurde.
 
Friedrich saß ja aber nicht in einer Gefängniszelle sondern in einem Turmzimmer.
Aber okay, dass Fieber als eigenständige Krankheit betrachtet wurde, kann ich mir auch schon vorstellen. Man wusste ja noch nicht wirklich was von Bakterien bzw. sah keinen kausalen Zusammenhang, obwohl es ja in dieser Zeit damit losging, dass jegliche Art von "Material" unter dem Mikroskop betrachtet wurde.
Stimmt natürlich, Gefängnis war sehr vereinfacht ausgedrückt. Prominente "Gäste" einer Festung wurden oft entsprechend behandelt.

Die Fortschritte im Mikroskop- bzw. jeglichem Bau von Instrumenten sind da sicherlich "schuld". Es mag dazu beigetragen haben, dass eine Beschäftigung mit wissenschaftlichen Themen durch Diletanten überaus in Mode kam, in einem Jahrhundert, in welchem die Experimente noch ganz wichtig in der Entwicklung der Wissenschaften waren, während die Formeln erst allmählich zu untersuchten Gebieten entwickelt wurden. Dafür war man aber wirklich ganz versessen auf Experimente, wobei sicherlich die mit der Elektizität eine ganz besondere Beachtung auch in den Salons gewannen, wo sich die Herrschaften gerne mal elektrisieren ließen.

Ganz drollig zum anschauen und auch ein bisschen lesen, wenn man sich über den Zeitgeschmack des 18.Jh. informieren und zugleich ergötzen möchte: "Gefährliche Liebschaften - Frankreich zu Zeiten der Libertins" Knesebeck Verlag antik-guide.de - das Informationsportal rund um Antiquitäten und Garten-Antiquitäten, Events und mehr - Gefährliche Liebschaften
 
Hab übrigens was sehr nützliches gefunden: Den original Text des Knigge-Buches aus der 3. Auflage von 1790, bequem zum Ausdrucken und zu Hause lesen. Ist allerdings sehr viel Geschwafel.
Naja es ist eben die Sprache der Moralisten in Deutschland zu dieser Zeit. Ich schlief bei der Lektüre auch bisweilen ein.:gaehn:

Danke für den Link, das ist ganz nützlich, vor allem wenn manche von dem Knigge sprechen, ohne gelesen zu haben, was er denn tatsächlich schrieb.
 
Ja, ich kann auch immer nur ein paar Seiten lesen. Dann fallen mir die Äuglein zu. :D Aber irgendwie ist es doch interessant zu sehen, dass manche Knigge-Regeln sich bis heute gehalten haben.
 
Aber irgendwie ist es doch interessant zu sehen, dass manche Knigge-Regeln sich bis heute gehalten haben.
Da sie aber auch recht allgemein teilweise sind. Er war ja kein Genie, das selbst vorhatte, das Rad neu zu erfinden. Daher würde ich die Wirkung Knigges für seine Zeit nicht überbewerten.
Das klingt ganz interessant zu dem Thema: Die europäischen Moralisten zur Einführung

Mir scheint, dass der Umgang der Menschen zueinander damals einfach viel untersucht wurde. Dabei gab es allerdings auch unterhaltsamere Werke wie vom Österreicher Joseph Richter. Joseph Richter - Wikipedia
 
Ja gut. Es ist schon recht allgemein gehalten. Aber das ist ja kein Grund dafür, dass diese Dinge weiter Bestand haben. Andere, damals wesentlich wichtigere Dinge, sind ja teilweise auch völlig ins Gegenteil verkehrt, z. B. dass Paare ohne Trauschein zusammen leben können. Das war damals doch schon fast ein Skandal.
 
Vor allem in Preußen würde ich sagen. Soweit mir bekannt nahm aber dennoch die Zahl unehelicher Kinder ab 1750 ungefähr in Dtl. rapide zu, was man auch mit einem Werteverfall und abnehmender Religiösität interpretieren könnte.


Das hat wohl weniger mit Werteverfall und abnehmender Religiösität zu tun, als damit, dass viele Paare gar nicht heiraten durften, weil sie niemals das dazu erforderliche Mindestvermögen von 200 Fl aufbringen konnten. Aus Archivalien, Gaunerlisten etc. erfährt man, das viele Paare durchaus Wert darauf legten, verheiratet zu sein, einen Priester oder Mönch engagierten, der die Eheschliessung vollzog oder einfach behaupteten, verheiratet zu sein, auch wenn das nicht der Fall war.

Am chaotischsten waren Beziehungen auf der Landstrasse unter den Gaunern. Kriminalisten malten das in schwärzesten Farben aus, und ein jurist des 19. Jhds sprach ihnen jedes verständnis für die Ehe ab. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, das auch unter dem "herrenlosen Gesindel" monogame Beziehungen dominierten, die sich oft als erstaunlich stabil erwiesen.
 
Das hat wohl weniger mit Werteverfall und abnehmender Religiösität zu tun, als damit, dass viele Paare gar nicht heiraten durften, weil sie niemals das dazu erforderliche Mindestvermögen von 200 Fl aufbringen konnten. Aus Archivalien, Gaunerlisten etc. erfährt man, das viele Paare durchaus Wert darauf legten, verheiratet zu sein, einen Priester oder Mönch engagierten, der die Eheschliessung vollzog oder einfach behaupteten, verheiratet zu sein, auch wenn das nicht der Fall war.
War das mit dem Mindestvermögen etwa in der 2. Hälfte des 18.Jh. gerade eingeführt worden?
Mir wurde das bei einem Vortrag als ein Zeichen der gesellschaftlichen Umwälzung erklärt, aber mir geht das so wie Dir manchmal, natürlich habe ich keine Aufzeichnungen gemacht.:red:
 
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