Preußische Ständegesellschaft um 1800

Soweit es meine Forschungen zu Hessen und Preussen betrifft, ergingen Verbote vom Landesherren. Auf die zivilen Behörden und Magistrate brauchte die Militärbürokratie allerdings meist nicht viel Rücksicht zu nehmen, da in Festungs- und Garnisonsstädten in der Regel der Festungskommandant das Sagen hatte. Trotz aller herrschaftlichen Beschränkungen, in Preussen mussten z. B. Kommandeure Tuch aus heimischer Fabrikation beziehen, hatten die Regimentskommandeure doch immer noch eine ganze Reihe von Befugnissen und Möglichkeiten, die noch aus der Zeit stammten, als der Oberst Eigentümer eines Regiments war. Männer vom Dienst zu beurlauben oder sie auf den eigenen Ländereien arbeiten zu lassen, waren übliche Gepflogenheiten im Militär. Dann muss natürlich auch bedacht werden, dass es nur wenige Soldaten waren, die über qualifizierte Kenntnisse verfügten. Der Soldatenberuf wurde ja häufig sehr früh angetreten und ließ vielen Soldaten gar keine Chance, die für das Hineinwachsen in einen Beruf so nötigen sozialen Kontakte zu erwerben.
 
Der Soldatenberuf wurde ja häufig sehr früh angetreten und ließ vielen Soldaten gar keine Chance, die für das Hineinwachsen in einen Beruf so nötigen sozialen Kontakte zu erwerben.
Stimmt das muss man betonen, sonst kann unsere Diskussion über die Konkurrenz für die örtlichen Handwerker etwas falsch interpretiert werden. In einigen Orten im Preußischen lagen nur einzelne Kompanien oder Schwadrone, d.h. dass Regimenter auch über Orte verteilt waren, dort waren dann sicherlich die Auswirkungen deutlich geringer, als bei großen Garnisonen, von denen wir vor allen Dingen sprechen.
 
Sehr schöne Diskussion, vorallem sehr interessant.

Mir stellt sich nur eine Frage: In wie weit von Napoleon eine Gefahr für Preußen aus ging.
Es mach den Eindruck, als würde Preußen in Napoleons Heer keine Gefahr sehen. Irre ich micht da? Gibt es dafür auch Quellen die dafür oder dagegen sprechen?

Grüße
 
Mir stellt sich nur eine Frage: In wie weit von Napoleon eine Gefahr für Preußen aus ging.
Es mach den Eindruck, als würde Preußen in Napoleons Heer keine Gefahr sehen. Irre ich micht da? Gibt es dafür auch Quellen die dafür oder dagegen sprechen?
Meines Wissens konnte 1800 noch nicht von den späteren Entwicklungen ausgegangen werden. Frankreich war über den Kriegsaustritt Russlands v.a. nach den Erfolgen der Russen in Italien unter Suworow und dem britisch-russischen Landungsunternehmen in Holland heilfroh und sicherlich nicht in der Lage 1800 einen Krieg gegen Preußen zu führen.

Die Preußen selbst hatten sich zwar am Krieg von 1792-95 beteiligt, aber ich weiß nicht ob die wenigen Erfolge der Preußen, bei ihnen Grund zur Annahme einer bedeutenden Überlegenheit gegenüber Frankreich lieferten. Sicherlich wurde allerdings von der preußischen Regierung die französische Hegemonialpolitik und schließlich die Siege Bonapartes in Italien und Moreaus in Süddeutschland mit Skepsis beobachtet.

Wenn das Interesse an den militärischen Überlegungen Preußens tiefer sein sollte, frage ich mal wen, der sich mit den Festungen der Preußen im Westen beschäftigte. Sollte dort eine Kriegsgefahr gewittert worden sein, Wesel lag ja nicht weit von der französischen Grenze entfernt, hätte man sicherlich Vorbereitungen getroffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wäre sehr interessant, weil bis jetzt habe ich in keiner Literatur richtig was zu diesem Thema gefunden. Zwar gaben einige Quellen darüber Aufschluss, wie Preußen das Geschehen beobachtet hatte, aber nicht ob und wie darauf reagiert wurde.
Auch wenn Napoleon Anfangs keine Gefahr für Preußen darstellte, müsste man im Laufe der Zeit evtl. Absichten erkennen können und Vorkehrungen treffen.

Schon mal vielen Dank für die Mühe :)

Grüße
 
Auch wenn Napoleon Anfangs keine Gefahr für Preußen darstellte, müsste man im Laufe der Zeit evtl. Absichten erkennen können und Vorkehrungen treffen.
Aus der Zeit konkret vor dem Krieg gegen Frankreich ist mir eine große Unmut im Offizierskorps bekannt, welches zu einem großen Teil der Kriegspartei anhing, für welches noch heute der Prinz Louis Ferdinand (der bei Saalfeld fiel) als prominenter Wortführer bekannt ist, welches die Abmachungen der Regierung zum Auskommen mit Frankreich rundweg ablehnte. Es gab mal 2006 in Wesel in der Festung eine Sonderausstellung zu der Thematik, wobei ich selbst als Akteur im Rahmen des museumspädagogischen Programms an einem WE mitmachte.
Aktuell
 
Die Preußen selbst hatten sich zwar am Krieg von 1792-95 beteiligt, aber ich weiß nicht ob die wenigen Erfolge der Preußen, bei ihnen Grund zur Annahme einer bedeutenden Überlegenheit gegenüber Frankreich lieferten.
Die zweifellos sehr starken Überlegenheitsgefühle der Preußen beruhten wohl fast komplett auf den Großtaten des alten Fritz - und auf der Annahme, mit ihrem geschulten Heer den zusammengewürfelten Revolutionstruppen
taktisch klar überlegen zu sein.

Da gab es letztes Jahr (wegen 200 Jahre Jena-Auerstädt) eine interessante Tagung in Magdeburg: Die Stimmung in der preußischen Armee war allgemein die, daß Preußen selbst im Alleingang Frankreich sicher schlagen würde (obwohl Napoleon kurz vorher Österreich, Rußland und Alliierte souverän besiegt hatte).

Nur die späteren Reformer unter Clausewitz und Rüchel sahen das viel realistischer.
 
Da gab es letztes Jahr (wegen 200 Jahre Jena-Auerstädt) eine interessante Tagung in Magdeburg: Die Stimmung in der preußischen Armee war allgemein die, daß Preußen selbst im Alleingang Frankreich sicher schlagen würde (obwohl Napoleon kurz vorher Österreich, Rußland und Alliierte souverän besiegt hatte).

Hast du vielleicht die passenden Quellen und Texte zu dieser Tagung, weil selbst habe ich keine relevanten gefunden.

Grüße
 
Die zweifellos sehr starken Überlegenheitsgefühle der Preußen beruhten wohl fast komplett auf den Großtaten des alten Fritz - und auf der Annahme, mit ihrem geschulten Heer den zusammengewürfelten Revolutionstruppen
taktisch klar überlegen zu sein.
Ja ich denke auch, dass vielleicht ein Teil der preußischen Kommandierenden eine etwas unrealistische Ansicht hatten, welche durch ihre Erfahrungen mit den ersten französischen Freiwilligenverbänden 1792/93, deren Standhaftigkeit und Disziplin wirklich zu wünschen übrig ließ, ja auch genährt worden war.

Tatsächlich war die preußische Armee an sich noch eine gefürchtete Waffe, welche bis 1806 ja auch seit 100 Jahren in keinem Krieg wirklich geschlagen wurde. 1795 hatte sich Preußen ja aus politischen Gründen aus dem Krieg zurück gezogen, ohne dass es militärisch bedroht worden wäre.

Sicherlich verfügte Napoleon schon 1800 über ein außerordentlich schlagkräftiges Werkzeug mit seiner Armee, welche zu einem großen Teil aus Veteranen bestand, die seit einigen Jahren nichts anderes als den Krieg kannten. Außerdem war es zu einigen Umformungen der Armee gekommen.
 
Ist auf einer Seite verständlich, das Preußen sich sehr sicher in seiner Poition gefühlt hat, es heißt ja auch nicht umsonst "never change a running system".
Desweiterm ging von Napoleon auch keine öffentliche Gefahr aus bzw. wurden keine Äußerungen laut, das Frankreich Preußen den Krieg erkläre.
Ein erfolgreiches Heer, eine gewisse Ignoranz gegenüber den damaligen Geschenissen und die fast schon übermütige Stimmung im preußischen Heer, würden die Fehleinschätzung über Napoleon und seine Absichten erklären.
Geschichtlich ist es schon oft vorgekommen, das sich Länder/Staaten, ihre Stärke gegenüber anderen Nationen überschätzt haben, wie z.B. Deutschlands Siegeszuversicht im Ersten Weltkrieg gegen England, Frankreich und Russland. Ich würde sogar die These aufstellen wollen, das zwischen dem Preußen von 1806 und dem Deutschland von 1914 einige Gemeinsamkeiten gab, in dem Bezug auf den Kriegsanfang.
Beide Staaten waren zuvor militärisch sehr erfolgreich, Preußen 1792 und Deutschland in den Einigungskriegen und es herrschte in beiden Heeren eine so gute Moral, so das die Soldaten glaubten sie können jeden zerschlagen, der sich ihnen in den Wege stelle. Dem Übermut folgten die NIederlagen, die Niederlage in der Schlacht bei Jena und Auerstädt und die NIederlage im Erstn Weltkrieg.
Das die beiden Niederlagen keineswegs im Verhältniss stehen ist mir bewusst, es geht mir allein um die Tatsache.


Grüße
 
Hast du vielleicht die passenden Quellen und Texte zu dieser Tagung, weil selbst habe ich keine relevanten gefunden.

Das war folgende Veranstaltung:
H-Soz-u-Kult / Termine / Konf: 1806: Jena, Auerstedt und die Kapitulation von Magdeburg. Schande oder Chance?

Einen Tagungsband gab es nicht, war insgesamt auch eher eine kleine Veranstaltung mit viel lokalem Bezug. Ich vermute aber, daß einige Teilnehmer (Jessen, Winter, Elsner ...) ihre Beiträge in weiteren Arbeiten verwenden werden.
 
welche durch ihre Erfahrungen mit den ersten französischen Freiwilligenverbänden 1792/93
Exakt. Durch ihr frühes Ausscheiden aus der Anti-Napoleon-Front haben die Preußen nur wenig davon mitbekommen, wie sehr sich die französische Armee verbessert hatte.

Tatsächlich war die preußische Armee an sich noch eine gefürchtete Waffe, welche bis 1806 ja auch seit 100 Jahren in keinem Krieg wirklich geschlagen wurde.
Sie war auch nicht so überkommen und morsch, wie es vielen nach der verheerenden Niederlage von 1806 vorkam.
Darüber gab es bei der Tagung in Magdeburg interessante Erkenntnisse.

Zum Einen gab es schon vorher eine Reihe von Reformen im Heer, die durchaus wirksam waren. Die große Reformzeit nach 1806 betraf ja vor allem den zivilen Bereich - die erfolgreiche Armee der Befreiungskriege war strukturell im wesentlich genau die von Jena-Auerstädt.

Zum Anderen war die gravierende Niederlage bei Jena-Auerstädt kein Beleg für schlechte Kampfkraft der Preußen. Napoleon ist hohes Risiko eingegangen und es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre er mit einer blamablen Niederlage abgezogen.

Was natürlich die Kriegschancen insgesamt nicht groß verändert hätte: Preußen hätte dann noch viel länger weiterkämpfen können, aber keine echte Siegchancen gehabt.

Entscheidend für das Ausmaß der Niederlage war auch nicht die Schlacht selber - grundsätzlich konnte die preußische Armee die Verluste aushalten und hätte weitermachen können - sondern der völlige Zusammenbruch danach, das führungslose Zurückfluten der flüchtenden Einheiten, die schnelle Kapitulation der wichtigen Festungen etc.
Und das war im wesentlichen Führungsschwäche. Friedrich Wilhelm III war ein zaudernder und inkompetenter Herrscher, weitgehend verantwortlich für den Verlust der Schlacht und das nachfolgende Desaster.

Und später in den Befreiungskriegen mußte man ihn ja zum Mitmachen drängen und Erfolge waren nur möglich, weil man ihn im weiteren Verlauf weitgehend ignorierte und aus der Kriegsführung raushielt.
 
Sie war auch nicht so überkommen und morsch, wie es vielen nach der verheerenden Niederlage von 1806 vorkam.
Darüber gab es bei der Tagung in Magdeburg interessante Erkenntnisse.
Meines Wissens wurde lange Zeit die moralische Keule gebraucht und mit der besseren Lage, was die freiheitlichen Rechte anbelangt, der französischen Soldaten wurden ihre Siege erklärt. Bei näherer Betrachtung ist allerdings in den letzten Jahren zumeist eine deutlichere Umbewertung erfolgt, da man erkannte, dass die Siege Frankreichs in den ersten beiden Koalitionskriegen eben durch die zahlenmäßige Überlegenheit und die Organisation der franz. Armeen erfochten wurden, Carnot wird nicht umsonst als Konstrukteur des franz. Sieges bisweilen bezeichnet. Bisweilen waren auch gute Befehlshaber Grund der Siege Frankreichs, aber die Armee hatte nicht die Überlegenheit, welche ihr noch in der DDR-Literatur z.B. zugebilligt wurde.

Die Reformen beim Militär wurden doch vor allem durch die Begrenzungen der Armee durch Napoleons Diktat und die Gebietsverluste nötig (Krümpersystem).

Erst wenn man die Qualität und die wie von R.A. erwähnten Reformen (Schaffung von leichten Truppen etc.) zusammen nimmt, erscheint auch begreiflich weshalb sich Preußen ungeachtet der französischen Siege von 1800, 1805 usw. nicht vor Frankreich militärisch fürchtete.

Aber ich befürchte meinerseits, dass wir damit etwas OT geraten. Das Militär ist ja nur ein Punkt in der preußischen Gesellschaft um 1800, wenngleich ein sehr bedeutender. Man denke an all die Porträts der königlichen Familie, im 18.Jh. oftmals in Uniformkleidern selbst die Damen, die Prinzen und der König eigentlich immer in Uniform. Diese mochte Friedrich Wilhelm III. auch, wenngleich er kein Feldherr war, mochte er das Militär an sich, was sich durch seine eigenen akribischen Beschäftigungen mit dem Uniformreglement nachweisen lässt.
 
Aber ich befürchte meinerseits, dass wir damit etwas OT geraten. Das Militär ist ja nur ein Punkt in der preußischen Gesellschaft um 1800, wenngleich ein sehr bedeutender. Man denke an all die Porträts der königlichen Familie, im 18.Jh. oftmals in Uniformkleidern selbst die Damen, die Prinzen und der König eigentlich immer in Uniform. Diese mochte Friedrich Wilhelm III. auch, wenngleich er kein Feldherr war, mochte er das Militär an sich, was sich durch seine eigenen akribischen Beschäftigungen mit dem Uniformreglement nachweisen lässt.

Ich glaube dies sollte man ein wenig eingrenzen, man hat sich zwar für das Militär interessiert, aber "normale" Soldaten waren zu dieser Zeit eher uninteressant, nur was mehr auf der Schulter hatte wurde interessant - jedenfalls trifft das für die damalige obrige Schicht zu.

Um der Gefahr zu entgehen im OT zu landen, sollte man vielleicht in dieser Diskussion die Rolle der Gesistlichen betrachten. Ich selbst habe kaum bis gar keine Informationen gefunden - hat wer passende Informationen dazu? (In meinen wenigen Quellen wird die Rolle der Geistlichen und der Kirchenvertretter immer wieder übersprungen bzw. nur angerissen.)

Grüße
 
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