Primat des Papstes

Das kommt darauf an, auf welche Zeit Du Dich konkret beziehst. Aber natürlich konnten weltliche Herrscher nicht einfach eine Lösung dekretieren, sie musste schon von der Kirche abgesegnet werden, um von (möglichst der gesamten) katholischen Christenheit anerkannt zu werden. Nehmen wir z. B. die innerkatholischen Schismen des Mittelalters, also wenn es zwei oder gar drei rivalisierende Päpste gab. Da unterstützten die verschiedenen europäischen Monarchen meist auch verschiedene Päpste, sodass es keinen weltlichen Herrscher gab, der für die ganze katholische Christenheit bindend anordnen konnte, welcher Papst als der richtige zu gelten habe. So etwas konnte, sofern nicht einer der rivalisierenden Päpste freiwillig aufgab oder sämtliche Anhänger verlor, nur durch ein Konzil geklärt werden.

Wie ist das denn dann bei den Konzilen nach Konstanz, also Basel etc., so wie ich das verstehen, werden da dann die einzelnen Mächte bzw. Herrscher ersetzt durch die "neuen" Gelehrten von den Universitäten. Sind die dann neutral in solchen Fragen und stehen "über den Dingen" oder unterstützen die dann die Meinung ihres jweiligen Herrschers?

Gruß Lolula
 
Hat denn dann der Papst auch selber Politik betrieben? Also sich "eigene" Truppen besorgt (von weltliche Herrschern)?
War denn dann der "Kirchenstaat" in Italien eine gewisse Macht?
Das kann man natürlich nicht so generell beantworten, das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Am besten besorgst Du Dir dazu ein Buch über Kirchengeschichte.
In der Antike hatte der Papst keine nennenswerte weltliche Macht, vor allem verfügte er über kein eigenes Territorium. Das änderte sich erst im Frühmittelalter. Wie Du vermutlich weißt, geriet Rom nach dem Untergang des weströmischen Reiches zuerst unter die Herrschaft Odoakers, dann der Ostgoten, ehe es im 6. Jhdt. vom (ost-)römischen Reich zurückerobert wurde. Wenig später wurde ein großer Teil Italiens von den Langobarden erobert, aber einige Gebiete, darunter Rom, blieben unter oströmischer Herrschaft. Rom gehörte bis ins späte 8. Jhdt. offiziell zum oströmischen Reich, aber die meisten oströmischen Kaiser hatten genug andere Probleme und konnten sich kaum um das von den Langobarden bedrohte Rom kümmern. Auch der oströmische Exarch (=Statthalter) in Ravenna hatte oft genug anderes zu tun. Daher nahmen die Päpste die Sache allmählich selbst in die Hand, wurden faktisch auch zu weltlichen Herrschern über die Stadt und stellten eigene Truppen auf. Im späteren 8. Jhdt. gerieten Rom und das Papsttum dann unter karolingische Kontrolle, aber schon im 9. Jhdt. verfiel dann die karolingische Macht in Italien durch interne Streitigkeiten zunehmend wieder, und die Päpste waren wieder auf sich selbst gestellt. Bedroht wurden sie jetzt vor allem von den Arabern in Süditalien. Für den Rest verweise ich auf die Geschichte des Kirchenstaates: Kirchenstaat ? Wikipedia

Allerdings möchte ich einen Punkt betonen, der häufig übersehen wird: Man muss im Mittelalter, wenn es um die Macht des Papstes geht, scharf zwischen dem Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche und seiner Funktion als weltlicher Herr Roms und des Kirchenstaates differenzieren: Als Papst verhandelte er mit Monarchen, mischte sich im ganzen katholischen Europa ein und versuchte sogar - mehr oder weniger erfolgreich - durch Banndrohungen und dergleichen Monarchen seinen Willen aufzuzwingen, außerdem proklamierte er Kreuzzüge. Aber als Herr der Stadt Rom und des Kirchenstaats war er in der Zeit vom späten 9. Jhdt. bis ins Spätmittelalter meist relativ machtlos. Er konnte sich oft kaum gegen die römischen Adelsfamilien in Rom durchsetzen, und im Kirchenstaat bildeten sich zahlreiche lokale Herrschaften. Viele Päpste - vor allem im 10. Jhdt. - waren nichts weiter als Marionetten römischer Adelsfamilien. Im 10. Jhdt. war Rom zeitweise sogar ein weltliches Fürstentum, und ab dem 12. Jhdt. wurde es eine Republik mit gewählten Senatoren an der Spitze. Der Papst war in Rom im Wesentlichen auf seine geistlichen Funktionen beschränkt. Dass er zeitweise in Avignon residierte, war natürlich auch nicht hilfreich. Erst Mitte des 14. Jhdts. konnte er seine Macht wieder stärken, als er durchsetzen konnte, dass die Senatoren nicht mehr gewählt, sondern von ihm ernannt wurden. In der Renaissance wurde er dann wieder der wahre Herr der Stadt und konnte auch die Macht der lokalen Herrscher im Kirchenstaat brechen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich nach Büchern über Kirchengeschichte suche, dann eher mit Fokus auf den Papst oder allgemein ? Da gibts ja wahrscheinlich unendlich viel !?!?

LG Lolula
 
Wenn du studierst oder in eine Unibib kommst könntest du das Buch "Geschichte des Christentums in Grundzügen" ansehen. Das nutzen "unsere" Theologiestudenten als Einführungslektüre für Kirchengeschichte. Ansonsten kostet aber auch nur 20 Euro, wenn du es kaufen möchtest. Das Buch behandelt zwar nicht den Papst im speziellen, gibt aber einen guten Überblick über die Kirchengeschichte.​
 
@ youngarkas

Danke für den Tipp, ich werde mal sehen, was unsere schnöde Stadtbücherei so hergibt, vielleicht kann man das ja dort auch von woanders ausleihen!

LG Lolula
 
Der "Chef" ist der Papst schließlich nur in der römisch-katholischen und den unierten Kirchen, nicht in den orthodoxen, orientalischen und protestantischen.

Wobei die Patriarchen der mit Rom unierten Ostkirchen den Primat des Papstes auch nicht alle so ohne weiteres anerkennen. Sie sehen sich z.T. eher als inter pares sine primus.

Hat denn dann der Papst auch selber Politik betrieben? Also sich "eigene" Truppen besorgt (von weltliche Herrschern)?
War denn dann der "Kirchenstaat" in Italien eine gewisse Macht?

Ab dem frühen 11. Jahrhundert nahm "der Papst" die Normannen unter Lehnseid, die daraufhin Süditalien und Sizilien eroberten. Interessanterweise erlaubte Urban II. Roger I. Bischöfe einzusetzen (zu investieren), obwohl doch sein Vorvorgänger Gregor VII. sich mit den "deutschen" Kaisern in den Investiturstreit verzettelt hatte und Urban selbst Gefolgsmann Gregors war.
 
Eine gute Primatsgeschichte ist die von Klaus Schatz zu finden im Volltext: http://www.sankt-georgen.de/leseraum/schatz2.html
Der primat setzte sich zunehmend ab dem 12. Jh. durch, vor allem unter Innozenz III. der den Titel "Stelvertreter Christi" erstmals exklusiv für den Papst in Anspruch nahm. Das muß man immer vor dem Hintergrund der Weltgeschichte sehen, denn das Papsttum emanzipierte sich um so mehr, je stärker weltliche Herrscher versuchten, sich einzumischen, man denke an Heinrich IV und Gregor VII. Auch das erste Vatikanum und die Dogmen von Unfehlbarkeit und Jurisdiktionsprimat sind vor diesem Hintergrund zu sehen. Im zweiten Vatikanum wurde das zwar nicht grundsätzlich revidiert, aber man kehrte zum altkirchlichen Communio-Modell zurück, also zu der Vorstellung, daß die Kirche nicht ein von einem monarchischen Papst geführter "Verein" ist, sondern "gleichursprünglich" in und aus den Kirchen besteht. Nicht viele Teile, die nur zusammen ein ganzes ergeben, aber auch kein Dachverband für einzelne Mitglieder. Das ist etwas kompliziert.
Eine gute Ekkelsiologie in der du das nachlesen kannst wäre z.B. von Medard Kehl: Die Kirche (Würzburg 2001).
Die üblichen Bibelstellen, die den Primat belgen sollen (Mt 16,18 etc.) darf man so nicht wörtlich nehmen, Jesus war nicht der Gründer der Kirche als solcher, er hat nur einiges erneuert, was sich später dann, nachapostolisch, zur Kirche entwickelte. Auf dem ersten Vatikanum hat man noch versucht, diese Texte wörtlich dahingehend zu interpretieren, und es kam zu dem Ausspruch "Wir müssen verhindern, daß die Geschichte über das Dogma siegt" ich meine, es war Kard. Manning, der das sagte, müßte es aber nochmal nachschauen.
Ich möchte nur andeuten, daß man aufpassen muß, ob man heutige Deutungen und Erklärungen sucht, oder ob es um historische Versuche geht, den Ursprung der Kirche und des Papsttums zu erklären.

Gruß
Kassia
 
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