Pro et contra der 'waskonischen Hypothese' Theo Vennemanns

Zu welcher Sprachfamilie das Lemnische gehört, ist angesichts der dürftigen Sprachreste völlig ungeklärt. Und somit sagt auch eine hypothetische Verwandtschaft des Etruskischen mit dem Leminischen nichts über verwandtschaftliche Beziehungen zu indoeuropäischen bzw. altanatolischen Sprachen aus. Es ist gut denkbar, dass eher eine Verbinding zu den altkleinasiatischen Sprachen besteht, also zu den nichtindoeuropäischen Sprachen Kleinasiens, wie es z.B. das Hattische repräsentiert.

Wie gesagt, der Verfasser der von dir ins Spiel gebrachten Website spricht explizit von einer indogermanischen Verwandtschaft, wenn auch seine Herleitung offenbar auf einem einzigen Wort basiert und damit etwas dünn ist (man müsste aber dazu mal tiefer in die Materie einsteigen, um festzustellen, ob dies tatsächlich so ist, oder er nur dieses eine Wort exemplarisch herausgepickt hat).

Es bleibt also bei der Feststellung, dass die große Mehrheit der Sprachwissenschaftler eine indoeuropäische Herkunft des Etruskischen verneint.

Es hat niemand etwas Gegenteiliges behauptet. Grundsätzlich gilt aber: Es gilt nicht die Autorität, sondern die Argumentation. (Oder meinetwegen: Die Höchste Autorität hat die stimmigste Argumentation).
 
Wie gesagt, der Verfasser der von dir ins Spiel gebrachten Website spricht explizit von einer indogermanischen Verwandtschaft, wenn auch seine Herleitung offenbar auf einem einzigen Wort basiert und damit etwas dünn ist (man müsste aber dazu mal tiefer in die Materie einsteigen, um festzustellen, ob dies tatsächlich so ist, oder er nur dieses eine Wort exemplarisch herausgepickt hat).

Der Verfasser behauptet nirgendwo explizit, Etruskisch sei eine indoeuropäische Sprache. Er stellt lediglich anhand eines einzigen Wortes eine Verbindung zur altanatolischen Sprachenfamilie her. Das sagt überhaupt nichts aus. Immerhin wurden inzwischen eine Reihe etruskischer Worte entschlüsselt, ohne dass eine indoeuropäische Herkunft postuliert wurde.

Es hat niemand etwas Gegenteiliges behauptet. Grundsätzlich gilt aber: Es gilt nicht die Autorität, sondern die Argumentation. (Oder meinetwegen: Die Höchste Autorität hat die stimmigste Argumentation).

Ich folge der Hypothese, dass Etruskisch eine autochthone italische Sprache ist und die Etrusker aus der Villanova-Kultur etwa um 1000 v. Chr. hervorgingen. Sicher gab es kulturelle Einflüsse aus Vorderasien, was sich in einigen Abschnitten oder Phasen der etruskischen Kultur niederschlägt. Möglicherweise gab es auch den Einfluss einer aus Vorderasien stammenden Migration, aber das ist überaus hypothetisch.
 
Der Verfasser behauptet nirgendwo explizit, Etruskisch sei eine indoeuropäische Sprache.

Wie ist es dann zu deuten, dass man von diesem Zitat
Etruskisch.de schrieb:
Wann die Träger der "lemnischen" Sprache aus Kleinasien (der heutigen Türkei) zuwanderten, bleibt ungewiss. Dass sie aber von dort kamen, muss man voraussetzen, wenn man die Verwandtschaft der etruskischen und lemnischen Sprache mit den anatolischen Sprachen gelten lässt (siehe dazu unten).
wenn man auf den Link klickt auf das folgende Zitat verwiesen wird?


Etruskisch.de schrieb:
Angesichts des extrem kleinen Wortschatzes des Lemnischen muss man sich bei eventuellen Deutungen fast ganz auf das bisher im Etruskischen Entschlüsselte verlassen. Die Deutung von mav und mach stützt sich allerdings zusätzlich darauf, dass in der (indogermanischen) anatolischen Sprache Luvisch das Wort maua "vier" heisst.

Sicher, er sagt nicht explizit, "Etruskisch ist eine indoeuropäische Sprache" oder "Etruskisch ist mit dem Indoeuropäischen verwandt", aber er hat doch dabei ein riesengroßes Scheunentor :winke: in der Hand, welches man kaum übersehen kann.
Er stellt lediglich anhand eines einzigen Wortes eine Verbindung zur altanatolischen Sprachenfamilie her. Das sagt überhaupt nichts aus.
Wie gesagt, dass die Argumentation schwach ist, damit rennst du bei mir offene Türen ein, das dem so ist, habe ich zwei Mal betont.

Ich folge der Hypothese, dass Etruskisch eine autochthone italische Sprache ist und die Etrusker aus der Villanova-Kultur etwa um 1000 v. Chr. hervorgingen. Sicher gab es kulturelle Einflüsse aus Vorderasien, was sich in einigen Abschnitten oder Phasen der etruskischen Kultur niederschlägt. Möglicherweise gab es auch den Einfluss einer aus Vorderasien stammenden Migration, aber das ist überaus hypothetisch.

Warum folgst du ausgerechnet dieser Hypothese?
 
Warum folgst du ausgerechnet dieser Hypothese?

Die von Herodot behauptete kleinasiatische Herkunft der Etrusker, nach der sie wegen einer Hungersnot aus Lydien eingewandert sein sollen, war schon in der Antike umstritten. So behaupteten andere Autoren wie Dionysios von Halikarnass, die Etrusker seien italische Autochthone.

Die moderne Forschung ist von einer kleinasiatischen Herkunft der Etrusker abgekommen. Sie nimmt an, dass die etruskische Bevölkerungsschicht im wesentlichen aus vorindogermanischen italisch-indigenen Elementen bestand, die auch Träger der eisenzeitlichen Villanovakultur waren. Nicht ausgeschlossen wird freilich ein Zustrom orientalischer Einwanderer aus dem östlichen Mittelmeerraum, wobei einige vermuten, dass diese die etruskische Führungsschicht gebildet haben könnten.

Erst in der Verbindung dieser Elemente und Einflüssen einwandernder indoeuropäischer Gruppen entstand das Volk der Etrusker.

Hinsichtlich der Sprache bietet dieses Szenario verschiedene Optionen. Die vorindoeuropäischen Bauern der Villanova-Kultur sprachen sicher eine altmediterrane Sprache, weshalb sie heute so schwer zu entziffern ist. Sollten allerdings vorderasiatische Zuwanderer ihre Sprache durchgesetzt haben, dann ist Etruskisch entweder vorindoeuropäisch-altkleinasiatisch (z.B. Hattisch) oder aber indoeiropäisch-altanatolisch (z.B. Luwisch).
 
Zuletzt bearbeitet:
Die von Herodot behauptete kleinasiatische Herkunft der Etrusker, nach der sie wegen einer Hungersnot aus Lydien eingewandert sein sollen, war schon in der Antike umstritten. So behaupteten andere Autoren wie Dionysios von Halikarnass, die Etrusker seien italische Autochthone.

Auf antike Schriftsteller ist, was vorgeschichtliche Ereignisse angeht, herzlich wenig zu geben.

Die moderne Forschung ist von einer kleinasiatischen Herkunft der Etrusker abgekommen. Sie nimmt an, dass die etruskische Bevölkerungsschicht im wesentlichen aus vorindogermanischen italisch-indigenen Elementen bestand, die auch Träger der eisenzeitlichen Villanovakultur waren. Nicht ausgeschlossen wird freilich ein Zustrom orientalischer Einwanderer aus dem östlichen Mittelmeerraum, wobei einige vermuten, dass diese die etruskische Führungsschicht gebildet haben könnten.

Dass die moderene Forschung nicht so monolithisch wahrgenommen werden kann, haben wir nicht zuletzt den Vormittag über diskutiert.
So ganz verstehe ich deine Antwort nicht. Meine Frage war ja, warum du dich einer bestimmten Forschungsrichtung anschließt. Das ist ja nun nichts, was man aus dem Bauch heraus entscheidet, so nach dem Motto "heute trage ich mal ein grünes Hemd".
 
So ganz verstehe ich deine Antwort nicht. Meine Frage war ja, warum du dich einer bestimmten Forschungsrichtung anschließt. Das ist ja nun nichts, was man aus dem Bauch heraus entscheidet, so nach dem Motto "heute trage ich mal ein grünes Hemd".

Das ist doch klar: Die Synthese zweier Hypothesen - nämlich der Einwanderer- und der Autochthonenhypothese - erscheint mir am wahrscheinlichsten.

An die komplette Einwanderung eines ganzen Volks um 1000 v. Chr, in die Toskana kann ich nicht glauben. Die reine Autochthonenhypothese verträgt sich nicht mit den unbestreitbaren orientalischen Einflüssen der etruskischen Kultur (selbst wenn einige auch das lediglich einem Kulturtransfer zuschreiben wollen). Also ist die Synthese beider Hypothesen eine für mich sehr wahrscheinliche Option: eine dünne Schicht wanderte aus Vorderasien ein, vermischte sich mit der bäuerlichen Bevölkerung und in einem Assimilationsprozess entstand das Volk der Etrusker
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine solche Möglichkeit ist nicht auszuschließen. Allerdings darf man nun nicht folgern, dass die Menschen, die vor 15 000 Jahren die Höhlenmalereien in Südfrankreich schufen, baskisch gesprochen hätten. Von damals bis heute gab es einen lang andauernden sprachlich-kulturellen Fusionsprozess alter Populationen und so kam es zur Ausbildung des Volks der Basken und ihrer Sprache.

Was allerdings bemerkenswert ist, ist folgende Tatsache: Wenn genetische Eigenheiten der Bevölkerung Westeuropas kartiert werden, repräsentieren die Basken einen so genannten "Außenlieger", d.h. einen Gentyp, der sich kontrastreich von den umgebenden Genpools abhebt. Dies ist der so genannte "baskische Gentyp". Auffällige Informationen dieses spezifischen genetischen Profils, das im Baskenkand lokalisiert ist, sind eine hohe Frequenz der Blutgruppe 0 (mehr als 70%) und das häufige Vorkommen des negativen Rhesusfaktors. Auf der mir vorliegenden Karte mit solchen Merkmalen gleicht das Gebiet der Basken einer Insel inmitten der restlichen Bevölkerung Europas.


Wenn ich die Zahlen von bloodbook.com richtig lese, verstehe ich nicht, wie Dieter auf "über 70%" an Basken mit Blutgruppe 0 kommt, steht dort doch zu lesen:
Population 0 A B AB
Basques 51 44 4 1
French 43 47 7 3
Spanish 38 47 10 5
Portuguese 35 53 8 4

Demnach haben die in der Studie betrachteten Baseken zu 51% nicht aber zu "über 70%" Blutgruppe 0, was allerdings trotzdem erheblich mehr ist als bei den benachbarten Populationen, die ich darunter rauskopiert habe.
"Mehr als 70%" trifft dagegen mit einer Ausnahme ausschließlich auf amerikanische Bevölkerungsgruppen zu, mit der interessanten Ausnahme der Nicobaresen mit 74% und deren Nachbarn, der Shompen, die ebenfalls auf den Nicobaren leben und bei denen wohl gar keine andere Blutgruppe dokumentiert ist.

Viel interessanter finde ich insofern folgende Zahlen:
Population 0 A B AB
Navajo (N. Am. Indian) 73 27 0 0
Nicobarese (Nicobars) 74 9 15 1
Indians (USA - General) 79 16 4 1
Mayas 98 1 1 1
Bororo (Brazil) 100 0 0 0
Peru (Indians) 100 0 0 0
Shompen (Nicobars) 100 0 0 0

Die geringe Abweichung vom Grenzwert 100% Blutgruppe 0 bei den Mayas würde ich als geringfügige Beimengung von Erbgut aus anderen Populationen interpretieren. Für die anderen indianischen Populationen würde ich ebenfalls von einer Beimengung ausgehen, da diese Werte mit
tatsächlich über 70% sehr hoch sind.

Die Frage ist natürlich in jedem Fall, was eigentlich die Grundlage für die Daten darstellt. Weiß hier jemand mehr über die Site bloodbook.com hinsichtlich der Seriösität und Breite der Daten?
 
Die Frage ist natürlich in jedem Fall, was eigentlich die Grundlage für die Daten darstellt. Weiß hier jemand mehr über die Site bloodbook.com hinsichtlich der Seriösität und Breite der Daten?

Diese Seite kenne ich nicht, man findet für einzelne Länder Angaben, es ist nur etwas mühsam zu suchen.
Die ganze Blutgruppenproblematik auch im Zusammenhang mit dem Rhesusfaktor hatten wir in http://www.geschichtsforum.de/f22/haplotypen-genetik-geschichte-ahnenforschung-34112/index4.html ungefähr ab Beitrag 67 sehr intensiv diskutiert.
 
Ich habe nun von#67 bis #107 gelesen. Da ging es reichlich um den Rhesus-Faktor aber eigentlich nicht um die AB0-Blutgruppen, dei nur am Rande erwähnt wurden.
 
Ich habe nun von#67 bis #107 gelesen. Da ging es reichlich um den Rhesus-Faktor aber eigentlich nicht um die AB0-Blutgruppen, dei nur am Rande erwähnt wurden.

So genau hatte ich den Thread nicht mehr in Erinnerung, in einem der Links wurde ich aber fündig, darin findet sich eine weltweite Blutgruppenverteilung, ähnlich deiner angeführten Werte. AB0-System
Danach ist BG O bei Schotten, Engländern häufiger als bei Franzosen und erst recht bei Spaniern, die Baskischsprecher werden nicht separat ausgewiesen. Irgendwo anders hatte ich gelesen, dass sich Baskischsprecher haplogenetisch nicht von ihrer Umgebung unterscheiden.
In dem Link wird weiter oben der Erbgang bei den Blutgruppen erklärt.
Die unterschiedliche Verteilung wird meistens mit den Seuchenzügen des Mittelalters begründet.
 
So genau hatte ich den Thread nicht mehr in Erinnerung, in einem der Links wurde ich aber fündig, darin findet sich eine weltweite Blutgruppenverteilung, ähnlich deiner angeführten Werte. AB0-System
Danach ist BG O bei Schotten, Engländern häufiger als bei Franzosen und erst recht bei Spaniern, die Baskischsprecher werden nicht separat ausgewiesen. Irgendwo anders hatte ich gelesen, dass sich Baskischsprecher haplogenetisch nicht von ihrer Umgebung unterscheiden.
In dem Link wird weiter oben der Erbgang bei den Blutgruppen erklärt.
Die unterschiedliche Verteilung wird meistens mit den Seuchenzügen des Mittelalters begründet.

Vielen Dank rena8. Ebenso wie für die Infos auf Wikipedia und die von mir zitierten Angaben ist auch für die Infos in deinem Link die Quelle mit "bloodbook.com" angegeben. Bisher kann ich also feststellen, dass bloodbook.com viel zitiert wird, nicht aber, wie seriös die Daten sind und wie breit die Datenbasis ist.
 
Der Thread hat in den letzten Tagen eine Wendung angenommen, die er nicht haben sollte und die meiner Auffassung nach auch methodisch fehlgehend ist.
Es ist ein historiolinguistischer Thread, keiner der irgendwelche Wanderungsbewegungen anhand von Blutgruppen und mitochondrialer DNA nachvollziehen soll. Ob Europa weitgehend *Waskonisch war, oder nicht, kann man nicht an Genen und Blutgruppen festmachen, schon weil man davon ausgehen muss, dass die Sprecher dieser Sprachen in den Sprechern der nachfolgenden Sprachen aufgegangen sind. Es wäre fehlgehend, die DNA/Blutgruppen der übrig gebliebenen Basken mit denen der Umgebung zu vergleichen und daraus Schlussfolgerungen für die europäische Frühzeit zu ziehen.
Der hohe Anteil an Blutgruppe-0 erklärt sich daraus, dass das Baskenland im Mittelalter kaum über Städte und städtische Infrastruktur verfügte und damit die großen Seuchen im Baskenland weniger Wirkung hatten als anderswo, etwa entlang des Rheins oder in Italien. Somit ist die gesonderte Blutgruppenverteilung im Baskenland nicht das Resultat einer anderen Herkunft der heutigen Basken, sondern das Resultat natürlicher Selektion in den letzten 1000 Jahren und für unsere Fragestellung irrelevant.
 
Ob Europa weitgehend *Waskonisch war, oder nicht, kann man nicht an Genen und Blutgruppen festmachen, schon weil man davon ausgehen muss, dass die Sprecher dieser Sprachen in den Sprechern der nachfolgenden Sprachen aufgegangen sind. Es wäre fehlgehend, die DNA/Blutgruppen der übrig gebliebenen Basken mit denen der Umgebung zu vergleichen und daraus Schlussfolgerungen für die europäische Frühzeit zu ziehen. .

Ein vernünftiger Standpunkt!

Auch wenn wir Blutgruppen und Genanalysen außen vorlassen, bleibt die Tatsache, dass im südwesten Europas ein Volk lebt, das eine isolierte Sprache spricht, die mit keiner anderen verwandt ist. Die Hypothese, dass es sich dabei um den Rest einer uralten und längst versunkenen Sprache handelt, drängt sich auf.

Bei Theo Vennemann ist es der Rest einer vorindoeuropäischen "vaskonischen" Sprache, die nach seiner Meinung einst in weiten Teilen Europas gesprochen wurde. Andere vermuten, dass die heutigen Basken Nachfahren jener paläolithischen Bevölkerung sind, die einst im Süden Frankreichs und Nordspaniens die Höhlenmalereien von Lascaux, Altamira, Pech-Merle usw. schufen. Das kommt der Hypothese Vennemanns nahe. Weitere Hypothesen sehen eine Verbindung zu den kaukasischen Sprachen oder zu den Berbersprachen Nordafrikas, zu den drawidischen Sprachen und zu den uralischen Sprachen. Stichhaltige Beweise für all diese Hypothesen konnten bislang nicht erbracht werden.

Sicher gab es vor der Indoeuropäisierung in Europa andere Sprachen. Aber ob das eine einheitliche "vaskonische Sprachfamilie" war, wie Vennemann annimmt, ist zweifelhaft. Vermutlich waren es unterschiedliche Sprachen, deren Reste uns noch als Ligurisch, Etruskisch, Paläosardisch oder Minoisch schattenhaft entgegentreten.
 
Versuchen wir mal die Oberfläche zu verlassen und in die Tiefe abzusteigen. Ich zitiere aus Wikipedia (vaskonische Hypothese):

Der Lehrstuhl für Germanistische und Theoretische Linguistik an der Universität München stellte in einer Untersuchung von Siedlungsnamen fest, dass sich viele „ibar-Orte“ (ibar ist das baskische Wort für „Tal, Flussmündung“) eben an Tälern oder Flüssen befinden.

Wir haben einen Fluss Iberos (heute Ebro) in Nordspanien, es wird davon ausgegangen, dass er namensgebend für die Iberer aus griechischer Sicht war. Desweiteren gab es im Kaukasus einige Jahrhunderte vor Christus ein Iberia: http://www.geschichtsforum.de/f34/iberia-hibernia-ebro-14050/

In dieselbe Gruppe fallen laut Vennemann (ist schon einige Jahre her, dass sich den entsprechenden Text gelesen habe, kann daher leider nicht mehr sagen, wo) auch scheinbar sprechende Orts- und Gewässernamen, die angeblich auf ein vorindoeuopäisches Substrat zurück gehen sollen, wie die süddeutschen Orte auf Eber, wie Eberbach, Eberswalde, Ebersberg. Jedoch wird auch Eburacum (=York) in diese Gruppe gezählt.

Was ist davon zu halten?

Mir ging es aber nur um die volksetymologische Umdeutung, [...]. Eine eben solche Umdeutung liegt nach Vennemann auch in den Eber(s)-Orten vor. So weit finde ich das auch ganz akzeptabel. Die Frage ist nun: Liegen die Eber(s)-Orte so, dass die Herleitung von einem *Waskonischen ibar gerechtfertigt werden kann?

Vennemann in Europa Vaskonica - Europa Semitica schrieb:
Besser als die Aufzählungen von Parallelen verdeutlichen Karten die Verbreitung der Eber-Namen. Freilich muss man im Gedächtnis behalten, dass noch längst nicht alle Namen systematisch erfasst oder gar überprüft sind. Es handelt sich also um einige Eber-Namen in zwei Ländern, Deutschland und Frankreich.

Es folgt eine Auflistung von französischen und deutschen Ortsnamen mit der herkömmlichen Herleitung von germanischen und keltischen Etyma, sowie die angekündigten Karten, bezeichnenderweise mit Schwerpunkten in Süddeutschland und um die Île de France, was Vennemann, wenn ich das richtig überblicke, nicht bemerkt oder ignoriert.
Dann folgt Vennemanns durchaus berechtigte Kritik:

Man beachte die Vielzahl der Deutungen. Es fällt auf, dass Deutungen mittels des Eber-Begriffs rar sind, sich nämlich auf den deutschsprachigen Raum Frankreichs beschränken. [...] Da zeigt sich klar, wie die Deutungen abhängig sind von der heute oder in überschauter geschichtlicher Zeit am Ort gesprochenen Sprache.

Es folgen sogleich die zwei Behauptungen:
Sie haben also mit der urprünglichen Namengebung nichts zu tun und sind insofern alle falsch. Beachten Sie übrigens das letzte der zitierten Beispiele [Ibarolle]. In den Pyrenäen erhalten wir nach langer Liste erstmals eine sinnvolle, nämliche topographisch orientierte Namendeutung, aber eben nicht aus einer neueren, sondern der uralt in der Region heimischen Sprache, dem Baskischen: Ibarolle 'kleines Tal'.
Vennemann bleibt uns aber sowohl den Beweis schuldig, dass die übrigen Herleitungen "alle falsch" sind und er übersieht das, was er selber deutlich gemacht hat, nämlich, das Ibarolle eben ein (im übrigen romanisisertes) baskisches Toponym im baskischen Sprachraum ist. Desweiteren bleibt unklar, warum nur "topographisch orientierte Namendeutung[en]" sinnvoll seien.
Ortsnamen die auf den Gründer oder Besitzer zurückzuführen sind, deren es nicht nur im deutschsprachigen Raum genug gibt, sind nach ihm falsch hergeleitet.

Wie also nun weiter vorgehen um nicht an der Oberfläche zu bleiben? Ein Vorschlag wäre eine Kartierung der Eber-Orte und anhand dieser Orte die Kriterien zu überprüfen, nämlich a) bei welchen Eber-Orten lässt sich historisch gesichtert eine Ortsnamenherkunft herleiten und b) welche Eber-Orte liegen so, dass sie tatsächlich dem baskischen Ibar- entsprechen.
 
Wie also nun weiter vorgehen um nicht an der Oberfläche zu bleiben? Ein Vorschlag wäre eine Kartierung der Eber-Orte und anhand dieser Orte die Kriterien zu überprüfen, nämlich a) bei welchen Eber-Orten lässt sich historisch gesichtert eine Ortsnamenherkunft herleiten und b) welche Eber-Orte liegen so, dass sie tatsächlich dem baskischen Ibar- entsprechen.

Meinst du alle europäischen Eber-/Ebar-Orte, die noch heute in einem Flusstal liegen, würden die Vennemann- Hypothese stützen?
-Soll das Gewässerkriterium eine bestimmte Größe überschreiten, der Ebro ist kein Bächlein?
-Sollen in einem 2. Schritt alle Eberorte mit belegbarer sprachlicher Herkunft aussortiert werden, also wenn dort der Wohnsitz von Graf Eberswald belegt ist z.B.?

Allgemein kann man früheste Besiedlung immer gewässernah vermuten, d.h. wenn alle Eberorte, die sich nicht eindeutig auf andere Eber zurückführen lassen, in einem Gewässertal liegen, wäre das ein Indiz für Vennemann?
Allerdings gibt es in Mitteleuropa viele Gewässer, keine Wüsten und Steppen und Berggipfel wurden später besiedelt.
Gibt es in Spanien weitere Ibar-Orte, dort gibt es immerhin Trockenregionen, dort dürften dann keine Ibar-Orte zu finden sein?
 
Wie also nun weiter vorgehen um nicht an der Oberfläche zu bleiben? Ein Vorschlag wäre eine Kartierung der Eber-Orte und anhand dieser Orte die Kriterien zu überprüfen, nämlich a) bei welchen Eber-Orten lässt sich historisch gesichtert eine Ortsnamenherkunft herleiten und b) welche Eber-Orte liegen so, dass sie tatsächlich dem baskischen Ibar- entsprechen.

Es greift ja zu kurz, nun stundenlang nach allen Eber-Orten zu suchen, zumal die daraus gezogenen Folgerungen umstritten sind.

Andere Sprachwissenschaftler vermuten z.B. hinter anderen Substratelementen die Existenz vorindoeuropäische Sprachen. So u.a. den Wortstamm kar- 'Stein, Fels' und dessen Variante kra-, was z.B. im baskischen harri 'Stein!, kymrisch craig 'Felsen' oder finnisch callio 'Felsgestein! sowie in Kärnten (früher Karantanien) oder den Karpaten wiederkehrt.

Die Iberer zählen zu den vorindoeuropäischen Völkern der Pyrenäenhalbinsel. Ob sie allerdings während des Neolithikums aus Nordafrika einwanderten oder als autochthon zu betrachten sind, ist noch immer umstritten. Möglicherweise lassen sich auch beide Hypothesen verbinden, wenn man Einwanderer aus Nordafrika annimmt, die mit der altansässigen Bevölkerung zum Volk der Iberer verschmolzen.

Sollten die Iberer freilich zugewandert sein, dann können die spanischen eber-Namen nicht auf eine alteuropäische Sprachschicht hindeuiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Meinst du alle europäischen Eber-/Ebar-Orte, die noch heute in einem Flusstal liegen, würden die Vennemann- Hypothese stützen?

Ich meine erst mal gar nichts. (Naja, eigentlich meine ich ja, dass Vennemann irrt, aber ich will ihm die Fairness angedeihen lassen, seine Hypothese kritisch zu überprüfen.) Eber-Orte, die an einem Fließgewässer oder in einem Tal liegen, würden die vennemannsche These zunächst stützen, Eber-Orte, die diesen Kriterien nicht entsprächen, würden gegen diese Vennemannsche These sprechen.
In einem zweiten Schritt könnte man dann klären von welchen Eber-Orten in einem Tal oder an einem Flusslauf die Etymologie sicher geklärt ist, wahrscheinlich geklärt ist und überhaupt nicht geklärt ist. Am Ende hätte man dann eine Aufstellung wie viele Eber-Orte überhaupt dem vennemannschen Kriterium entsprächen und wie viele nicht, und bei welchen Zweifel herrschte; damit könnte man immerhin eine Wahrscheinlichkeit pro/contra der Vennemannschen Hypothese festlegen.

Sollte diese Herangehensweise nicht ergebnisoffen genug sei, bitte ich um Kritik.

-Soll das Gewässerkriterium eine bestimmte Größe überschreiten, der Ebro ist kein Bächlein?

Nein. Das Gewässerkriterium kann nicht einmal alleine ausschlaggebend sein, auch die Tallage eines Ortes muss berücksichtigt werden.

-Sollen in einem 2. Schritt alle Eberorte mit belegbarer sprachlicher Herkunft aussortiert werden, also wenn dort der Wohnsitz von Graf Eberswald belegt ist z.B.?
Ja, und hier muss deutlich unterschieden werden zwischen tatsächlich belegt und erschlossen. Denn was nur erschlossen und nicht belegt ist, würde das Endergebnis verzerren.

Allgemein kann man früheste Besiedlung immer gewässernah vermuten, d.h. wenn alle Eberorte, die sich nicht eindeutig auf andere Eber zurückführen lassen, in einem Gewässertal liegen, wäre das ein Indiz für Vennemann?

Wenn sich ein solches Indiz ergäbe, dann wäre das eine statistische Signifikanz. Man kann sogar siedlungsarchäologisch herangehen: In Mesolithikum wurde an anderen Orten gesiedelt, als im Neolithikum, wo man sich gezielt Ackerland suchte, wobei dann auch immer nach der Kontinuität des Ortsnamens zu fragen wäre.

Gibt es in Spanien weitere Ibar-Orte, dort gibt es immerhin Trockenregionen, dort dürften dann keine Ibar-Orte zu finden sein?

Wie gesagt, die Gewässerfrage ist nicht allein ausschlaggebend sondern auch die physische Topographie.

Es greift ja zu kurz, nun stundenlang nach allen Eber-Orten zu suchen, zumal die daraus gezogenen Folgerungen umstritten sind.

Wieso greift das zu kurz? Bisher bewegt sich die Diskussion ziemlich an der Oberfläche, was ich persönlich für reichlich unbefriedigend halte. Wir sollten wirklich mal in medias res gehen und statt nur auf Vennemanns Kritiker zurückzugreifen - die m.E. plausibler als Vennemann selbst sind - die Thesen an Fallbeispielen überprüfen.
Wenn du allerdings einen klügeren Vorschlag hast, der sich nicht im öden Referieren altbekannter Thesen ergötzt, dann bitte!

Andere Sprachwissenschaftler vermuten z.B. hinter anderen Substratelementen die Existenz vorindoeuropäische Sprachen. So u.a. den Wortstamm kar- 'Stein, Fels' und dessen Variante kra-, was z.B. im baskischen harri 'Stein!, kymrisch craig 'Felsen' oder finnisch callio 'Felsgestein! sowie in Kärnten (früher Karantanien) oder den Karpaten wiederkehrt.

Geschenkt. Aber genau das ist es ja, was mich stört. Wir referieren hier immer nur, was irgendwer irgendwann einmal gesagt hat. Ich will hier nicht das Rad neu erfinden, aber ich will raus aus der Abhängigkeit von anderen. Man kann Thesen nur dann ernsthaft folgen, wenn man sie en detail nachvollzogen hat und kontrastiv mit anderen Tesen für richtig befunden hat. Wenn man immer nur wiederkaut, kann man dieses Urteil nicht fällen, bzw. man fällt es nicht aus rationalen Gründen sondern aus dem Bauch heraus. Unbefriedigend!

Sollten die Iberer freilich zugewandert sein, dann können die spanischen eber-Namen nicht auf eine alteuropäische Sprachschicht hindeuten.
Zunächst einmal: es geht um Eber-Namen in Deutschland, dem Alpenraum, Großbritannien und Frankreich, die von Vennemann als waskonisches Substrat angesehen werden.
Zweitens ist gesichert, dass der Name Iberos > Ebro ein Baskisches Etymon hat, da die Vokabel bis ins heutige Baskisch existiert.
Drittens bezeichneten sich die Iberer nicht selbst als solche, sondern sie wurden zunächst von den Griechen und später von den Römern so genannt, eben, weil sie die Leute waren, die aus massiliotischer/römischer Sicht jenseits des Flusses Iberos wohnten.
Der Begriff der Keltiberer ist dann eine spätere Hinzufügung Strabons, die Geschichts- und Sprachwissenschaft haben diese Bezeichnungen übernommen, wobei die Keltiberer zu den Kelten, nicht zu den Iberern gerechnet werden müssen, der Grieche Strabon hielt sie für ein Mischvolk.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wieso greift das zu kurz? Bisher bewegt sich die Diskussion ziemlich an der Oberfläche, was ich persönlich für reichlich unbefriedigend halte. Wir sollten wirklich mal in medias res gehen

Ich habe weder Zeit noch Lust, über Sekundärliteratur hinaus historische Tiefbohrungen anzustellen.

Viel Spaß dabei! :winke:
 
Ich habe mal eine vorläufige Liste mit Eberorten gemacht:
Eberau
Eberbach (mehrfach!)
Eberdingen
Eberdorf (drei Mal, alle drei in Kärnten)
Eberfing
Eberfingen
Ebergassing
Ebergersch
Ebergötzen
Eberhausen
Eberholzen
Ebering
Ebermannsdorf
Ebermannsstadt
Ebermergen
Ebern
Ebersberg
Eberswalde

Ohne, dass dies ausreichen würde, Vennemanns These zu belegen, so ist die regionale Häufung mancher dieser Eber-Orte schon frappierend, aber das kann auch daran liegen, dass hier ein gemeinsames Toponym vorliegt, welches dann in mehreren Orten aufgegangen ist.

Eberbach tritt vier mal als Gewässername und sechs Mal als Ortsname auf. Schwerpunkte sind Niederösterreich und Hessen/Baden Würtemberg. Ebenfalls könnte der Ortsname Eberau an der österreichisch-ungarischen Grenze auf einen Zusammenhang mit einem Gewässer hindeuten und im Gebiet Serbien-Montenegro-Kosovo gibt es einen Fluss der Ibar heißt.

Viele der weiteren Eber-Orte liegen in Tälern, bei anderen dagegen kann man einen Zusammenhang mit der Tallage oder einem Fließgewässer ausschließen.

Bis dato ist das alles nur Statistik und kein Beleg für die Vennemannsche These, aber ich muss zugeben, dass die Liste der Orte, die ohne nähere Untersuchung für Vennemann indizieren könnte, angesichts der Gesamtliste beachtlich ist.
 
Zurück
Oben