Die Propaganda im Nazireich war leider viel zu effektiv, um sie als "Lärm um nichts" abtun zu können. Welchen Stellenwert ihr die Nazis zubilligten, wird schon daran deutlich, dass ein eigenes "Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda" gegründet wurde mit einem überaus begabten Propagandisten, Joseph Goebbels an der Spitze.
Schon Hitler hatte in "Mein Kampf" der Propaganda einen außerordentlich hohen Stellenwert zugebilligt. Er war davon überzeugt, dass Deutschland auch deshalb den Weltkrieg verloren hatte, weil die Propaganda der Alliierten der der Mittelmächte überlegen war. Hitler hatte auch das Rezept für eine erfolgreiche Propaganda verraten:
Sie sollte möglichst schlicht sein, eine Schwarz-Weiß-Malerei, so dass selbst der Dümmste die Botschaft verstand, und sie sollte so penetrant immer wieder die gleichen Schlagworte wiederholen, dass auch die Gleichgültigen schließlich von ihr beeinflußt wurden. Goebbels Techniken und Rezepte waren etwas differenzierter, er sagte, dass Merkmal einer wirklich guten Propaganda bestehe darin, dass die Propaganda so fein und raffiniert ist, dass die zu Beeinflussenden es gar nicht merken.
In den Botschaften war die NS-Propaganda barbarisch, archaisch, radikal und menschenverachtend. In ihren Mitteln und Methoden war sie außerordentlich modern, griff auf die neuesten Medien und Verkehrsmittel zurück, bediente sich bei Werbung und Reklame, so wie sie in den USA entstand. Im Wahlkampf charterte Hitler ein Flugzeug, mit dem er von Wahlkampfauftritt zu Wahlkampfauftritt reiste. So etwas hatte es in Deutschland, in Europa noch nicht gegeben. Der "Führer über Deutschland" textete der Völkische Beobachter. Er sagte zwar meistens das gleiche, aber er war heute in Königsberg und morgen vielleicht am Rhein wie ein Prophet, der buchstäblich vom Himmel kommt.
Wäre die Propaganda nur heiseres Gebrüll und Gekeife gewesen, hätte sie nicht so viele Menschen aufhetzen und indoktrinieren können. Presse und Rundfunk waren schnell gleichgeschaltet. Es durfte in Deutschland nichts mehr geschrieben, gesprochen und gespaßt werden, was den neuen Machthabern nicht gefiel. Wer von den Journalisten, Autoren, Künstlern und Wissenschaftlern bleiben durfte und konnte, musste sich umstellen. Bei einer Rundfunkausstellung sagte Goebbels sinngemäß, man habe nun eine deutsche Kunst, einen deutschen Rundfunk, eine deutsche Presse, der Einwand, dass man die Juden nicht entbehren könne sei glänzend widerlegt. Unmissverständlich deutete er an, was von den Journalisten erwartet wurde- Linientreue Mit dem "Kulturbolschewismus" sei ein für alle mal Schluss! Wer es nicht mehr ins Ausland geschafft hatte und im alten Beruf in den Medien weiterarbeiten wollte, musste sich anpassen, musste den Sprachgebrauch ändern, anpassen.
Mancher schaffte es trotzdem, hin und wieder kritische Töne einzuflechten, viele Autoren flüchteten ins Unpolitische, manche Journalisten hatten eine Klientel an Leserschaft, die ihnen auch weiterhin treu blieb. Im Kulturteil, im Sportjournalismus mochte es weiterhin gewisse Freiheiten geben, in der Politik war das nicht möglich. Die meisten passten sich dem neuen Sprachgebrauch an, heulten mit den Wölfen, und nicht wenige machten begeistert mit. Rundfunk, Film und Presse wurden systemkonform, und während des Krieges wurden die Töne immer radikaler, ging man gnadenlos um mit "Miesmachern", "Defätisten", "Volksverrätern". Ein harmloser Witz, eine spöttische Bemerkung kam manche teuer zu stehen, kostete sie den Job, die Freiheit, im schlimmsten Fall das Leben.
Mit ausbleibendem Kriegsglück, nach Bombenangriffen, die bald auch deutsche Städte verwüsteten, wuchs aber auch die Anforderung an das Propagandaministerium, ein Film- und Rundfunkprogramm zu entwickeln, das Volk zu unterhalten und auf Linie zu halten. Bis zuletzt gab es Menschen, die sich nicht indoktrinieren ließen, "Hinkefüßchens Märchenstunde" nannte man hinter vorgehaltener Hand Goebbels Rundfunkprogramm. Viele hörten heimlich Radio Luxemburg oder den Soldatensender West, ein deutschsprachiges Programm der BBC, das recht fundierte Kenntnisse vom Kriegsverlauf und deutschen Truppenbewegungen bot. manche taten das nicht mal aus Opposition zum NS-Regime, sondern weil sie wissen wollten, was mit Angehörigen, Ehemännern und Freunden passierte, die an der Front waren.
Meine Oma erfuhr so, dass die 129. hessisch-thüringischen Division 1944 bei Bobruisk aufgerieben und eingekesselt wurden, dass aber Trümmer davon, darunter mein Opa sich durch die Pripjetsümpfe bis zur alten polnischen Grenze zurückziehen konnten.
Das hören von "Feindsendern" konnte als Hochverrat ausgelegt werden, dennoch wurden sie heimlich gehört. Das wussten auch Goebbels und seine Mitarbeiter. Eine Antwort darauf war das Duo "Tran und Helle", eine Kurzfilmserie, die sich außerordentlicher Beliebtheit erfreute. Tran, der von Ludwig Schmitz gespielt wurde, tat so ziemlich alles, was ein anständiger Volksgenosse nicht tat, nicht tun durfte. Das ging vom Schwarzmarkthandel und illegaler Lebensmittelbeschaffung beim Hamstern bis zum Hören von "Feindpropaganda". Der als einfältig gezeichnete Tran wurde in jeder Folge vom zackigen, staatskonformen "Helle" gespielt von Jupp Hussels wieder auf den rechten Weg geführt. Diese Kurzfilme wurden von einem bekannten Regisseur gemacht. In der Publikumsgunst erfreuten sich "Tran und Helle" außerordentlich großer Beliebtheit, und der einfältige Tran sprach offen aus, was öffentlich zu sagen, immer riskanter wurde. Er war sozusagen die Stimme des Volkes, dem die braunen Machthaber längst das Maul gestopft hatten. "Tran" war daher auch beliebter als "Helle", so beliebt, dass Goebbels schließlich die Absetzung des beliebten Programms anordnete.