Seit etwa zehn Jahren macht ein gewisser Christoph Luxenberg Furore […]
Einige kurze Anmerkungen dazu, weil sich bei eigentlichen Threadthema gerade nicht so viel tut und Du das Thema zur Not abtrennnen kannst.
Beim Thema Luxenburg bin ich ziemlich zwiegespalten. Auf der einen Seite habe ich erhebliche Zweifel an der Wissenschaftlichkeit seiner Arbeit. Auf der anderen Seite kann man nicht absprechen, dass seine Arbeit keinen Einfluss auf die Wissenschaft gehabt hat und ich meine nicht unbedingt auf negative Weise.
Zur Kritik: Ich glaube nicht, dass Luxenberg einen akademischen Abschluss im Bereich Semitistik hat. Dafür sind seine Fehler zu zahlreich, zu haarsträubend. Seine haupstächlichen Gewährsmänner sind Nöldeke und Brockelmann – die zu benutzen ja legitim ist –, praktisch vollständig fehlt aber Interaktion mit aktueller Literatur – was ein erheblicher Mangel ist. So habe ich nach wie vor keine Ahnung, wie er z.B. behaupten kann, das Nominalmuster
faʿʿāl sei im Arabischen eine Aramäische Entlehnung[1] und nicht etwa ein gemeinsemitisches Erbe. Da kann er noch so sehr Nöldeke und Brockelmann bemühen; aktuelle Werke sagen etwas anderes. Imho zu Recht. Überhaupt erklärt er häufig gemeinsam ererbte Wörter im Arabischen und Aramäischen als Aramäische Lehnwörter. Seine Neudeutungen von Koranversen sind oft zwar ausgegenommen kreativ, aber auch ebenso unplausibel. Dazu nervt sein unentwegter und unsachlicher polemischer Stil mitsamt seiner unwissenschaftlichen und unphilologischen Methodik. Umschriften wie beispielsweise "Engel" als
malākē[2] zeugen auch nicht von besonderer Expertise des Syrischen. Wenn er ab und zu Plaubibles vorträgt – so z.B., dass ى mitunter für
ā und nicht nur
ī steht und Abrāhām wohlmöglich die bessere Lesart als Ibrāhīm[3] ist für ابرىم – geht Luxenburg äußerst sparsam mit Verweisen auf aktuelle Literatur um und arabische Traditionen um, die das auch postulieren. Bei Interesse und Zeit könnte man das auch noch ausführlicher darstellen.
Was im Zuge der Luxenbug-Diskussion aber wirklich positiv ist, dass die islamische Frühgeschichte wieder kritisch in den Blick gekommen ist. Schließlich wissen wir über den Ursprung des Islam, des Koran, über Muhammad kein bisschen mehr als über z.B. Jesus. Eher noch weniger. So stellt dann ein Gelehrter wie Fred Donner[4] fest:
Those of us who study Islam’s origins have to admit collectively that we simply do not know some very basic things about the Qur’an – things so basic
that the knowledge of them is usually taken for granted by scholars dealing with other texts. They include such questions as: How did the Qur’an originate? Where did it come from, and when did it first appear? How was it first written? In what kind of language was – is – it written? What form did it first take? Who constituted its first audience? How was it transmitted from one generation to another, especially in its early years? When, how, and by whom was it codified? Those familiar with the Qur’an and the scholarship on it will know that to ask even one of these questions immediately plunges us into realms of grave uncertainty and has the potential to spark intense debate.[5]
Und die Debatte eben wieder ein ganzes Stück weiter ins Bewusstsein gerückt zu haben, musst man Luxenburg wohl ein wenig zugestehen.
PS: Entschuldigung für die wahrscheinlich vielen Fehler. Das geht wenigtens Teilweise auch auf die Uhrzeit.
[1] Luxenberg, Die Syroaramäische Lesart des Koran, 2000, Berlin, S .35, Fußnote 43.
[2] Ebenda, S. 35.
[3] Ebenda, z.B. S. 71. Das Arabische soll den Rasm darstellen. Es ist mir im Moment zu spät die Unicodezeichen ganz ohne diakritische Zeichen zu suchen.
[4] Einer
der führenden Wissenschaftler was frühislamische Geschichte betrifft. Und seine beiden Monographien
The early Islamic conquests und
Narratives of Islamic origins gehören zu
den Klassikern im Fach. Sein aktuelles Werk
Muhammad and the believers ist deutlich revisionistischer und bezeugt einen interessanten Wandel in der Diskussion.
[5] Donner, The Qur’ān in recent scholarship in The Qur’ān in its historical Context hrsg. von G. S. Reynolds, 2008, Oxford, S. 29.