Lindisfarne gilt als der erste Überfall der Wikinger – das stimmt freilich nur insoweit, als damals für jene seefahrenden Raubbanden der nördlichen Meere eben die Bezeichnung „Wikinger“ aufkam. Doch der Fund von Hjortspring belegt bereits für die Zeit um 300 v. Chr. Unmissverständlich die Seeräuberei in jenen Gebieten.
War dem Anführer der Piraten ein Fehler unterlaufen? Hatte er die Schlagkraft seiner Truppen sträflich überschätzt? Oder hatte das kleine Fischerdorf auf der dänischen Insel Alsen nahe dem heutigen Gut Hjortspring unter dem besonderen Schutz der Götter gestanden? Die Bewohner des Dorfes müssen von Letzterem überzeugt gewesen sein, denn diesmal begnügten sie sich nicht damit die überlebenden Seeräuber zu opfern, sondern sie versenkten zu Ehren ihrer Schutzpatrone zudem 50 Schilder, 170 Speere, 8 kostbare Stahlschwerter, etliche Kettenhemden und sogar eines der Boote der Angreifer im nahegelegenen Moor.
Dieses Boot, das 1921 zusammen mit den geopferten Waffen aus dem Moor geborgen werden konnt, stellt eine Spitzenleistung der damaligen Handwerkstechnik dar: Extrem scharf gebaut, 15,5 m lang, 2,1 m breit, 0,8 m hoch und mit einem Tiefgang von 0,3 m, erbaut aus Lindenholzplanken, die bis zu 5 mm (!) Stärke heruntergearbeitet waren, wog dieses Schiff nicht mehr als 530 kg. Es war einerseits in der Lage eine Besatzung von 25 Mann samt Rüstung, Waffen und Vorräten zu befördern, andererseits so leicht, dass es von seiner Besatzung mühelos über Landengen getragen werden konnte.
Die Fachleute waren sich sehr schnell einig: Es ist das älteste erhaltene Piratenschiff der Welt. Denn zu nichts, aber auch gar nichts anderem als zu blitzschnellen Vorstößen und Überfällen war dieses Fahrzeug zu verwenden.