Reformation in den Niederlanden und Kaiser Karl V

Balance05

Neues Mitglied
Hi!
Zu morgen soll ich mich mit der Reformation in den Niederlanden im Zusammenhang mit Kaiser Karl V auseinandersetzen. Doch kann ich im Internet nichts konkretes zum Verlauf der reformation, den Änderungen und Folgen finden. Ich hoffe dass ihr mir mit ein paar Links oder Informationen weiterhelfen könnt. Es ist wirklich wichtig.
Viele Grüße :winke:
 
Interessiere Dich mal für den Duque de Alba. Beachte dabei aber, dass dieser Titel noch heute existiert und dass es auch ein alkoholisches Getränk dieses Namens gibt.
 
Danke für deine Hilfe, aber ich brauche wirklich konkrete Dinge zur Reformation. Auch bei Alba finde ich die gleichen wischi-waschi Infos wie bei Karl V... Nichtmal bei Wikipedia steht etwas zu diesem Thema. War das denn wirklich nur so ein kleines unbedeutenes Thema in der Geschichte?? :weinen: Weiß von euch vllt jemand darüber Bescheid, der mir erklären kann was da abgelaufen ist und welche Veränderungen die Reformation in den Niederlanden nach sich zog?
LG
 
Hallo mein Lieber,

vielleicht solltest Du mal die Zauberworte "Reformation in den Niederlanden" bei google eingeben, da habe ich auf Anhieb bei Wikipedia und bei Historicum.net sofort ausführliche Erklärungen darüber gefunden und nachdem ich fündig geworden bin, gehe ich davon aus, dass so ein junger dynamischer Schüler, der bestens mit Internet vertraut ist, ebenfalls dazu in der Lage ist.

Aber wahrscheinlich ist mein Hinweis sowieso schon zu spät, denn wie ich gerade sehe, ist eine Frage vom 16.03.2008 und Du schreibst darin, dass Du morgen - also am 17.03.2008 - darüber referieren sollst.

Trotzdem viel Erfolg....
 
Zum Thema ein verspäteter Beitrag, der aus der Beschäftigung mit der
Einführung in die Geschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs - Geschichtsforum resultiert, vgl. aber auch http://www.geschichtsforum.de/f287/kaiser-karl-v-und-die-reformation-18466/

1.
Es gibt mE eine gewisse Tendenz, Karl gegen über seinem Sohn Philipp in Schutz zu nehmen; es sei Karl ja nur darum gegangen, die religiöse Einheit seines Reiches zu wahren, und als er dann abdankte, kamen Alba und die anderen schlimmen menschen und der "80-jährige Krieg" begann. Typisch hierfür eine Seite des DHM: "Im Europa der Frühen Neuzeit galt religiöse Homogenität eines Landes als Voraussetzung gesellschaftlicher Einheit und sozialen Friedens. In den Spanischen Niederlanden verfolgte der katholische König Philipp II. die Anhänger der Reformation als ‚Ketzer’."
In historicum.net: Ursachen und Hintergründe ist wenigstens das "Blutedikt" von 1550 erwähnt, sonst Fehlanzeige.

2.
Man mag darüber streiten, ob Karl V. ein religiöser Fanatiker war. Jedenfalls war er ein kirchenhistorisch ungebildeter 21-jähriger, der Luther am 19.4.1521 in Worms einen "notorischen Ketzer" nannte, und zwar u. a. mit der quantitativen Begründung, er sei "gewiß, daß ein einzelner Bruder irrt, wenn er gegen die Meinung der ganzen Christenheit steht, da sonst die Christenheit 1000 Jahre oder mehr geirrt haben müsste" (zitiert nach Schulin, Kaiser Karl V., S. 93). Hierbei wurde z. B. die Tatsache, dass es schon ungezählte andere Ketzer und Kirchenkritiker - mit aus objektiver Sicht sehr berechtigten Anliegen - gegeben hatte und dass die moralische Kraft des Papsttums erst vor kurzem, zur Zeit der Borgias, auf einen weiteren historischen Tiefpunkt gefallen war, souverän ausgeblendet.

3.
Ich will mich aber hierbei nicht aufhalten, sondern auf die tatsächliche Religionspolitik Karls eingehen und ein paar Daten dazu nennen, die Fühner (Die kirchen- und die antireformatorische Religionspolitik Kaiser Karls V. in den siebzehn Provinzen der Niederlande 1515-1555, 2004, S. 167-352) zusammengetragen hat.

Blasphemie wurde bereits von der Regentin Margarete verfolgt, freilich ineffektiv wegen des passiven Widerstands der Ausführenden in den Provinzen. Nach dem Auftreten Luthers stieg der Handlungsbedarf: Am 8.10.1520 schon fand in Löwen die erste Bücherverbrennung statt. Bald nach Worms und dem Wormser Edikt, worin Luther nicht nur als Kirchenfeind, sondern als Staatsfeind (!) identifiziert wurde, folgten weitere, verschärfte Strafandrohungen gegen den Druck und die Verbreitung bestimmter Schriften, auch gegen Versammlungen, auf denen geistliche Schriften gelesen oder sogar diskutiert wurden. Den ersten Höhepunkt bildete das Gesetz vom 14.10.1529, worin Karl die Verhängung der Todesstrafe gegen Häretiker zwingend vorschrieb (Männer: enthaupten, Frauen: ertränken). Auch richtete Karl bereits 1522 eine landesherrliche Inquisition - neben der schon bestehenden kirchlichen - nach spanischem Vorbild ein, um eine effektive Verfolgung der Missetaten zu fördern; deren erster großer "Erfolg" war die Verbrennung von zwei Augustinern am 1.7.1523 in Brüssel, jedoch wurde sie nach dem Tode Hadrians VI. wieder abgeschafft.

Das Glaubenswerk geriet kurzfristig in Gefahr, weil die humanistisch gebildete Regentin Maria, also Karls Schwester, von des Gedankens Blässe angekränkelt schien. Das Auftreten der Täufer jedoch brachte neuen Schwung: Auf Karl persönlichen Befehl wurden am 5.12.1531 in Den Haag die ersten neun von ihnen exekutiert.

Gegen weiter anhaltenden passiven Widerstand setzte Karl weitere und immer schärfere Edikte; z. B. wurde 1540 das offenbar wenig eindrucksvolle Enthaupten bzw. Ertränken hartnäckiger Häretiker durchs spektakulärere Verbrennen ersetzt. Es half einstweilen nichts - ab 1544 bildeten sich auch erste calvinistische Konvertikel. Spätestens seit diesem Jahr war Karl "zum Einsatz aller nur denkbaren Repressionsmittel bereit" (S. 300), so dass ein gerader Weg zum Edikt vom 29.4.1550 führte, worin nunmehr auch z.B. Häresieverdacht ausreichte für ein Verbot, öffentliche Ämter auszuüben; verdächtig war bereits jeder, der sich irgendwo niederließ ohne einen vom Pfarrer des letzten Wohnorts ausgestellten "Katholizitätsnachweis" (S. 317); letzterer wurde übrigens auch gefordert, wenn jemand in einem Gasthof übernachten wollte.

5.
Zusammenfassung:

  • Allein in den südlichen Niederlanden wurden unter Karl V. zwischen 4000 und 8000 Menschen als Anhänger der neuen Lehren verfolgt.
  • Von den 553 allein in Flandern Verfolgten wurden 63 % verurteilt, davon 32 % zum Tode. davon >50% verbrannt, 30% enthauptet und die übrigen gehängt, ertränkt oder lebendig begraben (S. 341 f.)
  • Insgesamt wurden zwischen 1520 und 1566 in den niederländischen Territorien 1.320 Häretiker hingerichtet; es war nach 1530 "das Gebiet in Europa [!], in dem die meisten Neugläubigen hingerichtet wurden" (S. 347), die niederländische Inquisition ging de jure erbarmungsloser gegen Häretiker vor als die spanische (S. 351).
6.
Über Karls Handeln liegt also der Meltau der Erfolglosigkeit; er war (nach Conrads) sozusagen "ein Ritter von der traurigen Gestalt, der nicht wahrhaben wollte, daß sein Kampf gegen die Reformation vergeblich bleiben mußte". Karl hat, soviel man weiß, bis zum Lebensende mit sich gehadert, dass er die Häretiker nicht noch viel brutaler verfolgt hat und dass er insbesondere 1521 den Luther entkommen ließ, anstatt diesen wie weiland den Hus zu erledigen.

Ich stelle auch hier Schillern ans Ende, der in seinem "Abfall"-Werk (S. 77 f.) Vater Karl und Sohn Philipp vergleicht: Ersterer
"war König und Christ und beydes schlecht; Mensch für Menschen war er niemahls [...] Sein Glaube war grausam und finster, denn seine Gottheit war ein schreckliches Wesen. [...]
Karl der Fünfte eiferte für die Religion, weil die Religion für ihn arbeitete; Philipp that es, weil er wirklich an sie glaubte. [...] Der Kaiser war Barbar aus Berechnung, sein Sohn aus Empfindung. Der erste war ein starker und aufgeklärter Geist, aber vielleicht ein desto schlimmerer Mensch; der zweyte war ein beschränkter und schwacher Kopf, aber er war gerechter."
Soviel zum Topos der ausgleichenden historiographischen (Un-) Gerechtigkeit.
 
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