Religion der Thüringer

Abriß über die zeitlichen Entwicklungen[/URL] mag illustrieren, warum wir es uns nicht so einfach machen dürfen...

Ich gehe noch weiter, indem wir selbst heute nicht davon ausgehen können, dass ein Christ per se Pazifist ist.

Worin äussert(e) sich "Christ sein" früher im Vergleich zu heute? Sah man früher "Christ sein" in einigen Bereichen nicht sogar stenger als heute? Oder gab es früher einfach mehr strenggläubige Christen, wie z.B. auch Juden, während der moderne Mensch toleranter mit den religiösen Dogmen (egal welcher Religion) umgeht?
Es gab ja schon immer Gruppen, die mit Moral und Auslegung nicht einverstanden waren und dann erst eigene "Splittergruppen" bildeten, aus denen sich dann neue Gruppierungen bildeten.
 
Ich gehe noch weiter, indem wir selbst heute nicht davon ausgehen können, dass ein Christ per se Pazifist ist.

Dann muß ich es wohl noch einmal anders formulieren, um nicht erneut mißverstanden zu werden...

Heutzutage sprechen jedoch sich die großen Kirchen bzw. ihre Repräsentanten eindeutig gegen Krieg aus. So hat z.B. der Papst entsprechend "abweichende" Priester zur Raison gebracht: die Befreiungstheologen Südamerikas bspw. können ein Lied davon singen.
Seit dem Frühmittelalter aber galt der Krieg eben dann als gerecht, wenn er den Glauben - und damit insbesondere die Kirche und die Gläubigen - zu schützen, wo dieser bedroht war, und gegen den Unglauben - und das meinte eben auch insbesondere gegen die Ungläubigen - mit der Waffe zu kämpfen.

Worin äussert(e) sich "Christ sein" früher im Vergleich zu heute?

Das ist schwer zu beantworten.
Sagen wir es so: Während des europäischen Mittelalters war die göttliche Wetordnung bedroht, wenn kein Frieden herrschte. Es konnte jedoch kein Friede herrschen, wenn der Glaube - d.h., wie erwähnt die Kirche und die Gläubigen - bedroht war. Aus diesem Grund mußte es auch Christen erlaubt sein, zur Waffe zu greifen, um gegen den Unglaube - d.h., wie erwähnt gegen Ungläubige - zu kämpfen.

Alles andere bzw. eine tiefere Betrachtung würde mE jedoch den Rahmen der historischen Diskussion sprengen.



Um es nochmals auf den Punkt zu bringen: Es wäre anmaßend von uns - und zudem unhistorisch - den Menschen früherer Zeit den Glaube oder das "Christ sein" absprechen zu wollen, weil wir heutzutage andere Vorstellungen eben bspw. vom christlichen Glaube haben. Denn daß wir heute andere Vorstellungen haben, basiert auf historischen Entwicklungen, d.h., es hat seine Gründe.
 
Wie Skald bereits erwähnte, etwas Wasser und ein frommes Sprüchlein machen aus einem Heiden noch keinen Christen.
Als Beispiel möchte ich " Bear Heart" erwähnen, einen indianischen Schamanen, 1918 in Oklahoma geboren. Die Mutter war eine aktive Christin und angagierte sich in der indianischen Greenleaf Baptist Church. Trotzdem hielt sie an indianischen Traditionen fest und so wuchs Bear Heart sowohl in einer christlichen als auch schamanistischen Welt auf , konnte beides problemlos miteinander vereinbaren.
Ähnlich könnte ich mir das Leben im Frühmittelalter vorstellen.Der Christliche Glaube wurde durch die Taufe offiziell angenommen, aber heidnische Traditionen hatten noch einen sehr langen Zeitraum weiterhin Bestand und existierten nebeneinander.
Gruß
Hagedise
 
Viel Faktisches gibt es wohl nicht, so bleibt mir nichts Anderes als Schlüsse und Analogien zu ziehen. Nach dem Motto: Es ist nahe liegend, dass es so (ähnlich) abgelaufen haben sollte:

Ein gängiges Missionierungskonzept jener Zeit war nun einmal den König, Adel und Gefolgschaftsherren zu taufen und damit deren Gefolgschaften zu erreichen. Missionierung von Oben nach Unten also. Das lief gerade bei den germanischen Gesellschaften auch recht gut so. Eine nachhaltige Missionierung war auf diese Weise alleine natürlich nicht zu erreichen. Erst nachdem im Mittelalter eine flächendeckende Kirchenorganisation entstanden war – oft genug getragen von Klöstern – konnte eine tiefergreifende Unterweisung im christlichen Glauben erfolgen. Aber es war weniger „Personalintensiv“, wenn ein Hofgeistlicher und „Beichtvater“ sich um den König und sein engstes Gefolge kümmerte und dann auf Vorbild- und Nachahmungswirkung zu hoffen.

Auf eine ähnliche Weise ist eine „arianische Christianisierung“ bei den Thüringern zu Zeiten Theoderichs des Großen anzunehmen. Immerhin hatte er ein Mitglied seiner Amalersippe in deren Königshaus verheiratet. In ihrem Gefolge sind nicht nur Hofpersonen und „Beispiele überlegener Kultur“ des Hofes in Ravenna zu erwarten, sondern auch arianische Geistliche! Theoderich pflegte hinter Hochzeiten mehr zu sehen als rein dynastische Verbindungen. Sein ganzes Politikkonzept basierte wesentlich auf diesem Aspekt, zu dem eine „arianische Christianisierung“ wohl gehört haben muss!

Aber nicht nur bei Germanen und „Arianern“ funktionierte das Prinzip. Auch die Christianisierung des Römischen Reiches erhielt mit dem Bekenntnis Kaiser Konstantins d. Gr. eine massive Beschleunigung und eine Veränderung der bis dahin üblichen Abläufe darin wie ein Mensch zu einem Christen wurde. Das Beispiel eines getauften Monarchen auf sein Volk ist nicht zu gering zu schätzen, vor allem auch auf die unmittelbare Umgebung eines solchen Monarchen. Trotzdem finden sich auch im Römischen Reich noch lange Heiden selbst bei Hofe und aus dem Heidentum „herübergeschlüpfte“ Bräuche und Wendungen sicherlich noch viel länger! Bei den Thüringern wird es nicht Anders gewesen sein. Dazu kommt das relativ späte Bekenntnis des Königs zum (arianischen) Christentum. Seine Niederlage im Kampf gegen die Franken hat mit Sicherheit auch das Fundament der vom Hofe ausgehenden „Missionierung“ erschüttert, wenn nicht sogar zerstört hat. Es fehlte wohl die Zeit, dass der neue Glaube feste Wurzeln schlagen konnte. Ein angenommener „dünner Firnis“ christlich/arianischen Bekenntnisses aus der Zeit der Selbstständigkeit konnte die lange Zeit bis Bonifatius gewiss nicht ohne Schäden oder Deformierungen überstehen, besonders da mit Theoderichs Tode spätestens der endgültige Niedergang des Arianismus begann. Da mögen die Westgoten noch so lange….

Zum Zeitpunkt der fränkischen Unterwerfung des Thüringerreiches dürften in deren Machtbereich vermutlich die Heiden in der Mehrheit gewesen sein und das ariansiche Bekenntnis bedeutender als das katholische Christentum. Mischformen gab es sicher zwischen Heidentum und Christentum, doch wohl eher keine bewusste Mischung. Echt synkretistische „Gottheiten“ wie Serapis jedenfalls nicht. Eher falsch verstandenes Christentum und vielleicht als „wirkmächtig“ angesehene, eigentlich christliche Eigenheiten als Adaption bei den Heiden. Echtem Polytheismus macht es wenig aus einen weiteren Gott anzuerkennen
 
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