Religion in England zwischen 577 und 878

E

Eohan

Gast
Mich interessiert gerade diese Zeitspanne, da sich mir bei der Lektüre darüber (Durant, Kulturgeschichte der Menschheit, Band 6) eine Frage aufgedrängt hat.
577 (Schlacht von Deorham) beginnt die germanische Landnahme Englands durch die Sachsen, Jüten und Angeln. Zu dieser Zeit war England bis auf die restlichen keltischen Gebiete missioniert und mehrere Mssionare noch aktiv, z.B. Augustin. 829 erst konnten die entstandenen Königreiche durch Egbert von Wessex mehr oder weniger geeint werden.
Waren diese Königreiche in dieser Zeit schon komplett christianisiert? Eigentlich dürften die Jüten, Angeln und Sachsen bei ihrer Ankunft in England noch ihrer germanische Religion angehangen haben, da sie ja erst von 772 bis 804 durch Karl den Großen und seine Geistlichen erobert und später christianisiert wurden. Oder wurden sie erst auf England missioniert?
Wenn dem so ist, wie kann es sein, dass sich die germanischen Eroberer auf England so schnell der neuen Religion angeschlossen haben, während ihre Stammesgenossen auf dem Festland noch jahrhunderteland Widerstand leisten? Denn schon Alfred war nach seiner Thronbesteigung 871 glühender Verfechter des Christentums und Schild gegen die neuerdings einfallenden Dänen, die er dann 878 aus England vertrieb.
 
Soweit ich das bislang richtig verstehe, gibt das Buch (das von Caro1: S.59) zu bedenken, dass es über die Christianisierung vor 675 keine Quellen gäbe. Selbst Beda schweige sich da aus. Man könne sich nur an sehr wenige eindeutige archäologische Spuren halten die angelsächsisches Christentum vor 675 belegten. Kirchen aus dem 7 oder 8. Jahrhundert seien hingegen gar keine gefunden worden.
 
Also: das Romanobritische Gebiet war bei Ankunft der Germanen weitgehend christianisiert, musste dann aber nach der germanischen Landnahme rechristianisiert (iro-schottische Misssionsbewegung im 7. Jahrhundert, römische Mission durch Augustin) werden. Die Christianisierung Deutschlands ging dann von Frankreich aus unter Zuhilfenahme iro-schottischer und angelsächsischer Mönche.
 
Kleine Literaturliste nach Kraft, Geschichte Englands:
Dumville, S.N.: Saint Patricle AD 493 - 1993. Woodbridge 1993.
Mayr-Harting, H.: The Coming of Christianity to England. NY 1972
Mytum, H.: The Origins of early Christian Ireland. London 1991.
Richter, M. Ní Chatáin, P.: Irland und Europa/Ireland and Europe. Die Kirche im Frühmittelalter/The early Church. Stuttgart 1984.
Schaferdiele, K.: Fragen der frühen angelsächsischen Festlandmission, in: Frühmittelalt. Studien 28 (1994). S.175- 195
Schieffer, Th: Die keltisch-irische Kirche, in: Schieder, Handbuch I, S. 516.
Schieffer, Th: Die angelsächsische Kirche, in: Schieder, Handbuch I, S. 523-26.
Schieffer, Th: Alte und neue Landeskirchen, in: Schieder, Handbuch I, S. 1049.
Thomas, Ch.: Christianity in Roman Britain to AD 500. London 1981
Vollrath, H.: Die Synoden Englands bis 1066 (Konziliengeschichte). Paderborn 1986.

Zuletzt der schon erwähnte Sims-Williams.
Einige Titel habe ich ausgelassen, diese beschäftigten sich mit Beda und der Schule des Theodor und Hadrian.
 
577 (Schlacht von Deorham) beginnt die germanische Landnahme Englands durch die Sachsen, Jüten und Angeln. Zu dieser Zeit war England bis auf die restlichen keltischen Gebiete missioniert und mehrere Mssionare noch aktiv, z.B. Augustin.

Lutz von Padberg bestätigt zunächst, dass "die britische Kirche um 400 fest im Land verankert war" bzw. das die Romanobriten "weithin christianisiert" waren (S. 30). [1] Die danach eintretende "dramatische" Veränderung beschreibt er so:

  • Abzug der römischen Truppen 409, darauf
  • Raubzüge der Pikten und Iren gegen die Briten, worauf
  • Angeln, Jüten, Sachsen und Friesen als (heidnische) "Schutztruppen" ins Land gerufen werden [2], die sich aber bald
  • gegen ihre "Gastgeber" wenden und
  • die Romanobriten nach Cornwall und Wales abdrängen oder sich mit diesen vermischen, worauf sie "bald ihren Glauben verloren zu haben scheinen".
Wie El Q. erwähnt, begann die Christianisierung dann von vorn.


[1] Genauer lässt sich wohl nicht sagen und schon gar nicht, wie "tief" die Verankerung war.
[2] Und zwar schon früh, verstärkt ab 450 (http://de.wikipedia.org/wiki/Angelsachsen); Deorham (577) ist "nur" ein Meilenstein der weiteren Expansion nach Westen.

PS: Zur "Dichte" des christlichen Einflusses in Großbritannien siehe diese kartographische Darstellung: http://www.google.com/books?id=MX0O...&lr=&as_brr=3&ei=fjtwSpfDBpLYygSsx9TuDg&hl=de
 
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Danke euch allen.
Sehr spannende Zeit wie ich finde. Aber ein krasser Unterschied zu den Germanen zu Hause auf dem Festland, die durch Gewalt bekehrt wurden. Auf den Inseln waren zwar sie die Sieger, wurden aber schließlich doch christianisiert. Könnt ihr euch erklären warum?
 
Aber ein krasser Unterschied zu den Germanen zu Hause auf dem Festland, die durch Gewalt bekehrt wurden. Auf den Inseln waren zwar sie die Sieger, wurden aber schließlich doch christianisiert. Könnt ihr euch erklären warum?

Dazu bietet Gelfert (Kleine Kulturgeschichte ... - Google Bcher) zwei Erklärungen an:

  • Die erste Christianisierung wirkte noch (positiv) nach.
  • Anders als bei den kontinentalen Sachsen war das Christentum für die Angelsachsen nicht die Religion einer Besatzungsmacht, sondern im Gegenteil hilfreich bei der Sicherung ihrer eigenen Herrschaft.
 
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