In Iwan Blochs Werk -- ich meine, es war "Neue Forschungen über den Marquis de Sade und seine Zeit" --
Zunächst mal muss ich hier sagen, dass ich Blochs Werk nicht kenne und daher kein abschließendes Urteil davon abgeben kann, wie verlässlich das ist, weil ich nicht weiß, wie er gearbeitet hat.
Allein das Werk muss an Hand der Lebensdaten des Autors über 100 Jahre alt sein und erschien wohl auch unter Pseudonym, dass erscheint mir nicht unbedingt vertrauenerweckend.
dass Ludwig der XV. regelrechte "Freudenhäuser" in Versailles betrieben haben soll.
Klingt mir ehrlich gesagt, nach einer ausschmückenden Übertreibung der damals nicht unüblichen Mätressenwirtschaft.
Mal davon ab, Louis XV war doch bereits 15 Jahre vor der Revolution verstorben.
Louis der XVI. soll einen dafür zuständigen Minister getroffen haben im Garten von Versailles und als dieser sich vorstellte, er sei für die Vergnügen ihrer Majestät zuständig, erwidert haben, sein Vergnügen bestehe nur in Lektüre, Musik usw. und ihn davongejagt.
Das wird Bloch entweder in dieser Form nicht geschrieben haben oder es ist ein Nachweis dafür, dass das Werk in Sachen Darstellung historischer Tatsachen nicht viel taugt.
Einen Minister der im Besondern für die Verwaltung sprichwörtlicher Bordelle zuständig gewesen wäre, hat es defintiv in dieser Form nicht gegeben.
Was es im 18. und 19. Jahrhundert durchaus gab (unter wechselnden Bezeichnungen firmierend) waren Bedienstete, die sich weniger um die Staatsangelegenheiten, als mehr um die Privatbelange der Dynastie, der Verwealtung ihres Privatbesitzes, der Krondomäne etc. kümmerte (in Preußen firmiert das später unter der Bezeichnung "Minister des königlichen Hauses").
Das ein solcher Bediensteter, sich auch um die Belange von Mätressen und der unehelichen Nachkommen der Dynasten etc. zu befassen hatte, war nichts ungewöhnliches.
Das war dann allerdings lediglich ein kleiner Teilbereich seiner Tätigkeit der sich auch keinesfalls auf die Organisation sexueller Ausschweifungen beschränkte.
Jemanden, der sich lapidar gesprochen als "Seiner Majestät Bordellminister" vorgestellt habe würde man in dieser Form kaum angetroffen haben.
Jemanden, der sich von Amts wegen um die Belange der Dynastie kümmerte und abei auch Angelegenheiten zu regeln hatten, die Bedürfnisse der Mätressen oder des unehelichen Nachwuchses, würde man durchaus angetroffen haben, aber das ist keine französische Besonderheit gewesen, das war an den europäischen Höfen mehr oder minder der Normalzustand.
Auf der einen Seite sehe ich keinen Grund, dem zu misstrauen
Also abgesehen davon, dass das 100 Jahre alt ist und somit aus einer Zeit stammt, die dem aktuellen Forschungsstand um Dekaden hinterherhängt, dass es unter Pseudonym veröffentlicht wurde und aus der Feder eines Autoren stammt, der von dem her, was er gelernt hat, eigentlich aus anderen Disziplinen kam?
Letzteres ist kein Totschlagargument dafür, dass die Arbeit nichts taugen würde, müsste aber zur Vorsicht anhalten sich die Arbeitsweise genau anzusehen, inwiefern die Quellen tatsächlich kritisch hinterfragt oder eher unkritisch übernommen wurden.
Ich sage nicht, dass Bloch da offensichtlich irreführen wollte, aber die Ausführung oben ist entweder nicht so widergegeben worden, wie Bloch sie abgefasst hat, oder aber Bloch hat da ziemliche Übertreibungen und Mythen aufgegriffen und in seinem Werk verwurstet oder aber er hat das wider besseren Wissens geschrieben, würde ich meinen.
auf der anderen Seite wäre das genau die Art von Propaganda, durch die man ein Regimé vorher destabilisiert und nachher zur eigenen Rechtfertigung delegitimiert.
Sofern wir von Propaganda reden, anders herum.
Es wurden sicherlich von entsprechenden republikanisch gesinnten Interessengruppen bösartige Gerüchte in Umlauf gebracht und Kampagnen lanciert, als es denn tatsächlich um die Zukunft der Monarchie (direkte Folge der Revolution war ja nicht die Absetzung des Königs, sondern zunächst mal nur die Einführung einer konstitutionellen Monarchie) ging, aber das war vor der Revolution nicht absehbar.
Der größte Teil der Bevölkerung, der anno 1789 revoltierte interessierte sich für die Getreide- und Brotpreise, nicht in erster Linie für die Hofintrigen.
Ansonsten hatten die Leute damals mit Lebensmittelknappheit, Krieg (zwischenzeitlich jakobinischem Terror) und seit Beginn der Revolutionskriege und der Einführung und dem ausgibigen Druck von Papiergeld auch mit Inflation zu tun.
Ich denke, dass es nicht viel Einbildungskraft braucht um sich vorstellen zu können, dass sowas zu gelegentlichen Hysterien führte und eine solche Atmosphäre dazu geeignet war so manche blühende Phantasie zu befeuern und so manches reichlich phantastische Gerücht hervor zu bringen.
Oft sicherlich auch ohne dezidiert propagandistische Absicht.
Im Übrigen was oben steht ist so besonders nicht, zeig mir mal einen europäischen Herrscher von Bedeutung, aus dieser Zeit, dem nicht gerüchteweise ausschweifendes Sexualleben oder gesellschaftlich nicht akzeptierte Sexualpraktiken unterstellt worden wären.
Vergleichen etwa mit Dingen, die z.B. Katharina der Großen im Bezug auf Pferde angedichtet wurden, ist die obige Einlassung noch relativ harm- fantasielos, würde ich meinen.
War es damals nicht üblich, dass der König das Recht, Steuern einzuziehen, ganz einfach an Steuerpächter, "Zöllner", verkaufte?
Der Zöllner hatte damit ein ökonomisches Interesse daran, tendenziell mehr Steuern herauszuholen als der König bezahlt wurde, quasi als "Zins" für das vorab gegebene Geld.
Das kommt ganz auf das Ausmaß an.
In Regionen, auf dem platten Land, in die die staatliche Verwaltung noch nicht hineinrichte, war das sicherlich durchaus noch üblich.
In Regionen, in denen es bereits einigermaßen funktionierende Verwaltungen gab, nicht mehr unbedingt.
Der zweite Punkt, ist dann natürlich auch die Laufzeit dieses Geschäfts. Bei Laufzeit über mehrere Jahre war das natürlich für den Pächter, der mehrfach kassieren konnte, aber nur einmal vorzuschießen brauchte, ein vorteilhafteres Geschäft, als für den Staat, im Besonderen wenn der in der Region bereits eigene Verwaltungen hatte, die das eigentlich auch hätten machen können.
Der dritte Punkt ist, dass die dadurch aufkommende Zusatzbelastung, denn der Steucherpächter refinanzierte sich ja über die Abgaben der Steuerpflichtigen, sich um so negativer auf wirtschaftlichen Fortschritt und/oder Stabilität auswirken musste, je länger dieses System betrieben wurde.
Naja, was dieses System, zumal in Regionen deren Verwaltungsinfrastruktur das eigentlich überflüssig machte, im Besonderen bei langen Laufzeiten mittelfristig sowohl im Bereich der Steuereinnahmen, als auch im Hinblick auf die Abgabenlast der Bevölkerung und deren wirtschaftlicher Leistungs- und Überlebensfähigkeit anrichtet, liegt auf der Hand.
Umgekehrt hatte der König kein Interesse daran, realistisch einzuschätzen wie viel Geld an Steuern aus einer Pacht herauszuholen war. Er musste ja möglichst viel Geld damit machen.
Wie gesagt, beim Modell der Steuerpacht geht es nicht nur um den monetären Ertrag, das hat durchaus auch eine nicht zu unterschätzende volkswirtschaftliche Komponente.
Das Problem ist, dass das Modell Steuerpacht dem Steuerpächter mehr oder minder einen Blankoscheck dahingehend ausstellt Raubbau an der eigenen Wirtschaft zu betreiben, im Besonderen wenn das über mehrere Jahre so geht.
Je länger die Steuerrechte in einer bestimmten Region verpachtet wurden, desto sicherer nahm deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit rapide ab, weil die Bewohner die Abgaben die in die Taschen der Steuerpächter gingen nicht selten aus der Substanz aufbringen mussten und umso niedriger mussten dann auch die zu erwartenden Steuereinnahmen in den kommenden Jahren ausfallen.
War es nicht namentlich der 7-jährige Krieg und die Beteiligung der Franzosen auf Seiten der Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg?
Die haben sicherlich zur Anhäufung des französischen Schuldenbergs massiv beigetragen letztendlich beginnt das aber bereits bei Louis XIV.
Allein die Kriege gegen die Niederlande (6 Jahre), der Pfälzische Erbfolgekrieg (9 Jahre) und der Spanische Erbfolgekrieg (13 Jahre), bedeuteten für Frankreich fast 30 Jahre Krieg gegen halb Europa, selbst wenn man hier den "Devolutionskrieg" und den "Reunionskrieg" als kleinere Konflikte, die jeweils ungefähr ein Jahr dauerten, mal außer acht lässt.
Louis XIV. regierte an die 72 Jahre, fast 30 Jahre davon waren Kriegsjahre und Kleinigkeiten wie der Aufbau von Versailles, kamen auf die damit verbundenen Kosten und Schäden noch dazu.
Das musste Frankreichs Staatsfinanzen überfordern.
De facto betrug die französische Staatsschuld bereits beim Tod Louis XIV wohl mehrere Milliaren livres (die Hofhaltung zur Zeit Louis XVI. verschlang im Jahr lediglich einige 100.000).
Das Louis XV sich dann in den Österreichischen Erbfolgekrieg, den 7-Jährigen Krieg und die Auseinandersetzungen mit Großbritannien in Amerika und Indien hineinziehen ließ, machte die Sache sicherlich genau so wenig besser, wie die Tatsache, dass danach dann noch der amerikanische Unabhängigkeitskrieg mit finanziert und die Verschuldung damit noch weiter getrieben wurde.
Das Grundproblem eines gigantischen Schuldenbergs und einer gefährlichen Nähe zum Staatsbankrott hatte Frankreich aber bereits seit Louis XIV und die Problematik der französischen Staatsfinanzen in den 1780er Jahren waren im Grunde genommen seit mehr oder weniger fast einem Jahrhundert verschleppt.