"Römersteine" - in Kirchen eingemauert

Uhtred

Gesperrt
Hallo,
kann mir jemand etwas genaueres zu "Römersteinen" sagen (hoffe dieser Terminus ist korrekt)?

Bei mir hier in der Nähe, das wäre südlich der steirischen Landeshauptstadt Graz, sind mir zwei Kirchen bekannt, in die besagte Römersteine in die Außenmauer eingesetzt wurden. Die eine Kirche wurde im 18 Jh. errichtet, die andere im späten 17. Jh.
Auch weiß ich von anderen Kirchen, dass man dort "römische Steine" eingemauert hat.
Warum?
Worauf ist diese Praxis zurückzuführen?
Hat das mit der Beliebtheit der Antike in jenen Tagen, als diese Kirchen erbaut wurden, zu tun (siehe auch die Kavallierstouren nach Rom, zu den antiken Ruinen)?
Gehe ich recht in der Annahme, dass auf diesen Steinen in der Regel (spät)antike Christen dargestellt sind und man sie deshalb in die Außenmauern von Kirchen einsetzte?
Übrigens: Auf einem dieser mir bekannten Steine sind drei bereits etwas verwasche/verwitterte stehende Figuren in Tunika abgebildet (eine Familie?), die mittlere hält die Hand am Heft seines Schwertes. Foto habe ich leider keines, werde aber versuchen in den nächsten Tagen eines zu besorgen.

Folgender Link widerspricht leider ein wenig meiner Theorie mit den spätantiken Christen:
6 Rmersteine mit Musikdarstellungen
Hier wurde nämlich Steine, mit offensichtlich heidnischen Darstellungen, in eine Kirchenmauer eingesetzt.
 
Grüezi

Ich kann dir nichts allgemein gültiges über deine „Römersteine“ sagen. Bei uns kenne ich einige ähnliche Beispiele, wo „römische“ Steine verwendet wurden. In einem Fall als Steinplatte vor dem Altar, so dass der Pfarrer bei der Messe auf diesem heidnischen Stein stand. Wohl ein Ausdruck des Sieges über die Heiden.

Bei einer andern Kirche wurde so ein Stein im 18. Jht. gefunden und eingemauert. Vermutlich war man sich nicht sicher, ob der Stein etwas christliches oder heidnisches ist und so hat man ihn ganz pragamatisch mal eingemauert (wegwerfen könnte man ihn ja dann immer noch). Ebenso wurden vielerorts Steinkreuzen, Grabplatten usw. eingemauert. Und oft auch verputzt, so dass man sie eher als Spolien bezeichnen muss.


Gruss Pelzer



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Zu "Römersteinen" kann ich Euch überhaupt nichts sagen.

Aber auch in relativ neuer Zeit werden behauene Steine mittlerweile abgelehnter Glaubensbekenntnisse in anderer Form weiterverwendet.

So ist der Grundstein des Volkswagenwerks, einst vom Gröfaz und vom alten Porsche persönlich gesetzt, versehen mit dem Abzeichen der DAF, mit im Fundament einer Brücke über den Mittellandkanal verwendet worden.
 
Auch aus meiner Heimat ist mir ein solcher Fall bekannt.
Im Altar einer Pfarrkirche eingemauert fand sich ein römischer Viergötterstein.
Das sollte wohl auch den Sieg des Christentums über die alte Religion betonen.
Da die Kirche oft umgebaut wurde kann ich leider nicht genau sagen wann dies geschah.
Interessanterweise war dieser Stein von aussen nicht sichtbar.
 
Spolien

Hallo Uhtred et al.,

wir Archäologen bezeichnen solche in sekundärer Verwendung vermauerten (Grab)steine römischer Provenienz als "Spolien". Soweit ich sehe, wurden diese einfach als leicht zu beschaffendes Baumaterial angesehen und ohne weitere Hintergedanken vermauert.

lg Galgenpapst
 
Hallo Uhtred et al.,

wir Archäologen bezeichnen solche in sekundärer Verwendung vermauerten (Grab)steine römischer Provenienz als "Spolien". Soweit ich sehe, wurden diese einfach als leicht zu beschaffendes Baumaterial angesehen und ohne weitere Hintergedanken vermauert.

lg Galgenpapst
Grüezi Galgenpapst

Das habe ich in meinem ersten Beitrag ja auch schon geschrieben :pfeif:. Allerdings wurde diesen Steinen, zumindest teilweise, eine kultische Bedutung beigemessen...


Gruss Pelzer


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Zuletzt bearbeitet:
Hallo Uhtred et al.,

wir Archäologen bezeichnen solche in sekundärer Verwendung vermauerten (Grab)steine römischer Provenienz als "Spolien". Soweit ich sehe, wurden diese einfach als leicht zu beschaffendes Baumaterial angesehen und ohne weitere Hintergedanken vermauert.

lg Galgenpapst

Spolien also, nun habe ich auch den passenden Wiki-Artikel dazu gefunden :)
Spolie ? Wikipedia

Wobei, ob die nun wirklich immer bloß als zufällig vorhandenes Baumaterial verwendet wurden, ist glaube ich nicht ganz klar, weil da steht etwas, das meine Theorie über die Beliebtheit der antiken Kunst in der Neuzeit ein wenig unterstützt:

Ich zitiere mal ganz forsch:
"Seit der Renaissance wurden Spolien vor allem als romantisches Zitat verwendet. Sie wurden gesammelt und gehandelt, um sie in scheinbarer Zufälligkeit, jedoch gut sichtbar, in Villen und Palästen zu verbauen...."

Die mir bekannten "Spolien" sind nämlich auch immer gut sichtbar, etwas mehr als in Augenhöhe, an der Längsseite der diversen Kirchen verbaut. Rundherum ist alles schön verputzt, so dass diese Steine deutlich sichtbar hervorstechen.
Die Frage die sich mir da noch stellt: Sind diese Steine ein Beleg für eine römische Besiedlung im Gebiet um die betreffende Kirche, oder hat man die von weiß Gott woher angekarrt, weil man sie einfach hübsch fand und es dem Zeitgeschmack entsprach?
 
Grüezi Galgenpapst

Das habe ich in meinem ersten Beitrag ja auch schon geschrieben :pfeif:. Allerdings wurde diesen Steinen, zumindest teilweise, eine kultische Bedutung beigemessen...


Gruss Pelzer


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"Immer"
sind behauene Steine, Balken usw. wann immer es möglich war, wiederverwendet worden.
Ich kenne den Fall, wo eine römische Säule als Schwelle in einem Bauernhaus eingebaut war. Vermutlich in der 10. Verwendung überhaupt.
Bis heute.
 
"Immer"
sind behauene Steine, Balken usw. wann immer es möglich war, wiederverwendet worden.
Ich kenne den Fall, wo eine römische Säule als Schwelle in einem Bauernhaus eingebaut war. Vermutlich in der 10. Verwendung überhaupt.
Bis heute.
Ich beziehe mich auf die kultische Bedeutung. Die ist bei einem Balkon nicht zwingend gegeben!


Gruss Pelzer


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Nunja, wenn man lange genug sucht, findet man natürlich immer wieder Steine die in ihrer Weiterverwendung augenfällig genutzt wurden.
Die große Menge der Spolien aber ist wirklich unauffällig verbaut. Im Landesmuseum Bonn etwa kann man durch die Räume gehen und fast alle dort zu sehenden Grabsteine waren anderweitig verbaut, i.d.R. mit der glatten Rückseite sichtbar oder komplett unsichtbar.
Wenn es mal anders lief kann das diverse Gründe gehabt haben, von Ästethik bis Darstellungsverwandtschaft. Das feiern eines religiösen Triumphes über "Heidentum" und dergleichen ist, so weit ich informiert bin und es sich mir erschließt, nicht die Regel.
Bonn ist da ein sehr gutes Beispiel. Auf dem Bereich eines kleines Weihe- oder Tempelbezirk entstand zuerst ein Friedhof, dann eine Gedächtnisstelle für Märtyrer und schließlich erst eine Kirche. Heute steht dort das Bonner Münster, und für seinen Bau wurde derart viel antikes Material genutzt, das man aus den Fundamenten etwa ein paar Bogen mit allem drum und dran, eine regelrechte Unmenge Weihesteine für Matronen und profaneres wie gestempelte Ziegel holen bzw. sehen konnte. Das dabei der gestempelte Lehmziegel der Legio I Minervia inklusive Pfotenabdruck auf Augenhöhe angebracht ist hat nichts damit zu tun, dass die Kirche damit die Ästethik der Antike oder ihren Sieg über das Heidentum feierte.
 
Ausserdem kann eine interessante antike Spolie, die frei in einer ansonsten verputzten Mauer auch bedeuten, dass Archäologen/Denkmalschützer erst in jüngster Zeit diese den Besuchern (besser) sichtbar machen wollten. Vielleicht waren diese Spolien noch vor 200 Jahren völlig unscheinbar in der (unverputzten) Mauer gewesen, ohne dass sie ein Vorbeigehender bemerkt hätte?

Bei anderen Spolien kann natürlich auch eine Bedeutung jenseits des billigen Baumaterials gegeben sein.

Ein Beispiel sind z.B. die (Porphyr-) Säulen und andere Spolien bei imperialen Moscheen des Osmanischen Reiches, siehe hier:
http://www.geschichtsforum.de/f79/b...olis-konstantinopel-istanbul-6173/#post313048

gleiches gibt es natürlich auch bei Kirchen, wobei man schauen muss, nicht jedes Sandkorn überzuinterpretieren... ;)
 
Es gibt auch „Spolien“ mit laaanger Geschichte…
Bestes Beispiel sind die Säulen des Aachener Domes, nicht unbedingt kultisch aber Machtansprüche unterstreichend:

Die oberen Galerieöffnungen sind durch Säulengitter gegliedert. Diese Säulen sind teilweise antik und stammen aus Italien. Karl der Große ließ sie der Überlieferung nach am Ende des 8. Jahrhunderts aus Rom und Ravenna nach Aachen schaffen. 1794 wurden sie während der französischen Besetzung des Rheinlands ausgebrochen und nach Paris geschafft, kamen aber 1815 bis auf einige im Louvre verbliebene Stücke nach Aachen zurück. In den 1840er Jahren wurden sie wieder an ihrem ursprünglichen Ort eingebaut, fehlende Säulen wurden unter anderem aus Assuan-Granit neu hergestellt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Aachener_Dom#Das_karolingische_Oktogon_.28Pfalzkapelle.29
 
Ausserdem kann eine interessante antike Spolie, die frei in einer ansonsten verputzten Mauer auch bedeuten, dass Archäologen/Denkmalschützer erst in jüngster Zeit diese den Besuchern (besser) sichtbar machen wollten. Vielleicht waren diese Spolien noch vor 200 Jahren völlig unscheinbar in der (unverputzten) Mauer gewesen, ohne dass sie ein Vorbeigehender bemerkt hätte?

Der Gedanke kam mir zugegebenermaßen auch schon. Die eine, von den zwei von mir beschriebenen Kirchen mit Spoilern,.. pardon, Spoilen ;) wurde wie ich sicher weiß, 1912 generalsaniert. Möglich, dass man den Stein erst da eingesetzt hat. Dass er vorher zufällig dort im Dornröschenschlaf schlummerte, ist glaube ich eher unwahrscheinlich, da er zu prominent platziert erscheint.

Grundsätzlich kann man aber wohl zusammenfassend feststellen: Es gibt römische Plastiken bzw. künstlerisch bearbeitete Steine, die man einfach als Baumaterial verwendete - dies dürfte wohl in erster Linie vor der Renaissance gewesen sein, behaupte ich mal (siehe auch, wie im Mittelalter in Rom die Steine antiker Bauwerke recycelt wurden).
Danach, als die Kunst der Antike allgemein wieder en vogue war, setzte man die Dinger bewusst und für jedermann sichtbar, in Bauwerke ein.
Ich hoffe ich habe da nun die richtigen Schlüsse gezogen :)

@Sascha: Das mit dem Oktogon der Pfalzkapelle war mir bekannt. Nur ich frage mich seit jeher, warum man die nach Aachen gekarrt hat? Konnte die karolingischen Handwerker selbst nichts vergleichbares herstellen, oder wollte man bloß einen symbolischen Bogen zwischen dem heiligen römischen Reich und dem antiken Römischen Reich schlagen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch aus meiner Heimat ist mir ein solcher Fall bekannt.
Im Altar einer Pfarrkirche eingemauert fand sich ein römischer Viergötterstein.
Das sollte wohl auch den Sieg des Christentums über die alte Religion betonen.
Da die Kirche oft umgebaut wurde kann ich leider nicht genau sagen wann dies geschah.
Interessanterweise war dieser Stein von aussen nicht sichtbar.

Wenn ich mich recht entsinne, kommst Du ja auch hier aus der Region. Daher würde es mich interessieren, um welche Kirche es sich handelt. :winke:
 
@Sascha: Das mit dem Oktogon der Pfalzkapelle war mir bekannt. Nur ich frage mich seit jeher, warum man die nach Aachen gekarrt hat? Konnte die karolingischen Handwerker selbst nichts vergleichbares herstellen, oder wollte man bloß einen symbolischen Bogen zwischen dem heiligen römischen Reich und dem antiken Römischen Reich schlagen?

Ganz einfach Karl sagt damit, ich bin der Kaiser von Rom.
Die Franzosen sagten damit die deutschen Kaiser sind kastriert, wenn die Säulen bei uns sind, eine Demütigung also.
Eigentlich ziemlich platt, aber es gibt viele solcher Beispiele.
 
Ich beziehe mich auf die kultische Bedeutung. Die ist bei einem Balkon nicht zwingend gegeben!

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Da sieht man mal wieder, wie wichtig die Rechtschreibung ist. Ich schrieb von Balken.
Das heißt, die "Rechtlesung" natürlich ebenfalls.:pfeif:

Die "Burgruinen" sind doch weitgehend nur deshalb derartige Ruinen, weil die Bauern der Umgebung sie als "Steinbruch" benutzten.

Noch um 1860 herum haben die Bürger von Rosenfeld/Württ. nach einem Stadtbrand mit königl. Erlaubnis 2 Flügel des Klosters Kirchberg abgebrochen, um billig Bausteine und Bauholz für den Wiederaufbau ihrer Stadt zu bekommen.

Das sind doch Sachen die schon im "Heimatkundeunterricht" der Grundschulen gelehrt werden.
 
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