Römische Legionstätowierungen

Desantnik

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Hallo,
Ich bin derzeit bei einigen privaten recherchen über das römische Militärwesen und habe mir in dem Zusammenhang auch noch mal den Film "Gladiator" angesehen. Wie auch immer vieleicht erinnert sich jemand an die Szene, als sich der Protagonist eine Tätowierung vom Arm "kratzt". Ich schlussfolgere einfach, dass es sich hierbei um eine Legionstätowierung (zur identifizierung?) handelt. Weiß jemand wie genau (wenn es keine Erfindung ist) diese Tätowierungen ausgesehen haben?
 
Ich habe weder davor, danach, noch jemals etwas über die Existenz solcher Tätowierungen im römischen Militär gehört.
Genau genommen sind mir Tätowierungen im römischen Kulturkreis nur als Zeichen krasser Barbarei bekannt (Wilde picti im Norden Britanniens).

Das "SPQR" auf dem Arm sieht mir eher aus wie eina Analogie zum "Semper Fi", das sich amerikanische Marines (nicht unter Zwang) auf den Arm tätowieren. Eine Kennzeichnung zwecks Identifikation ihrer Mitglieder per Tätowierung gab es meines unvollständigen Wissens nach nur bei der SS.

(Weiss übrigens jemand, warum die Kerle bei den Marines nicht "…delis" noch ausschreiben? Am Platzmangel kann es doch nicht liegen)

Nb. Das "SPQR" ist kein Logo, das man wie bei den Playmobillegionen auf alles geschrieben hat, was irgendwie römisch aussah. Die einzelnen Legionen kennzeichneten die von ihnen hergestellten Ziegel mit den Legionsstempeln, um sie gegen Diebstahl und Missbrauch zu schützen; das "Brand Mark" oder "Logo", das wir heute in tausendfacher Form überall sehen, hatte sich noch längst nicht entwickelt, und das "LEG XX" oder "FORTVNATVS F." - eingestempelt in einen Backstein oder ein Brot - war nur ein sehr rudimentärer Vorläufer.
 
Ganz so einfach ists dann auch wieder nicht.
Es gibt eine Stelle beim spätantiken Autor Vegetius, die erzählt, das ein gestochenes, "punctum", Zeichen vergeben wurde.
Weder ist klar ob es hier wirklich um ein Tatoo geht, noch ob Vegetius, der kein Militär war und ziemlich viel durcheinander wirft, hier Wirklichkeit oder nur Hörensagen oder Phantasie berichtet.
Auf jeden Fall ist er der einzige Hinweis auf etwas derartiges.
 
Hmm SPQR würde ich nicht als Semper Fi analogie sehen, da es sich um den ausspruch für Senat Caesar und sonstwas oder so ähnlich handelt. In dem Sinne also keine parallele zu den Marines sondern zu den Speznaz ("Für Mütterchen Russland") wäre...
 
Desantnik schrieb:
Hmm SPQR würde ich nicht als Semper Fi analogie sehen, da es sich um den ausspruch für Senat Caesar und sonstwas oder so ähnlich handelt.


Stimmt nicht ganz. Nix Cäsar.

Ich zitiere wiki:

S.P.Q.R. ist die Abkürzung für das lateinische Senatus Populusque Romanus („Der Senat und das Römische Volk“) oder Senatu Populoque Romano („Dem Senat und Volke Roms“). Dieser Schriftzug war das Hoheitszeichen des antiken Roms und ist heute immer noch als Leitspruch im Wappen der Stadt anzutreffen. Die Legionen des Römischen Reiches führten es auf ihren Standarten. Durch das lateinische Suffix -que, statt et (und), wurde die enge Bindung zwischen Volk und Senat zum Ausdruck gebracht.
 
Hui, ich sollte bei solchen Fragen immer warten, bis Tiberius als erster gezogen hat …*beachtlich, was du für Stellen zur Hand hast! :anbetung:
 
Nchtrag: jetzt hast du aber was losgetreten. Ich habe mir gerade den Vegetius bestellt (in den USA, da gibt es günstigere Paperbacks) um die Stelle nachzulesen - und weil er mich auch sonst interessiert.

Ein Tattoo ist ein Erkennungszeichen. Aber woran erkannte man denn sonst so einen Soldaten? Ohne Waffen und Rüstung muss er einem durchschnittlichen Arbeiter durchaus ähnlich gesehen haben, denn z. B. in Petronius "Satyricon" behauptet Encolpius, selber Soldat zu sein, und wird von einem Soldat erst mit der Fangfrage nach Abteilung und Standort zu Fall gebracht (und bekommt prompt sein Schwert abgenommen). Diese - wenn auch nur kleine - Episode ist überaus erhellend: offensichtlich war es niemand ausser Soldaten erlaubt, Waffen zu tragen, und offensichtlich trugen diese sie auch, zumindest Schwert und/oder Dolch, auf "Freigang" (zumindest zu Neros Zeiten).

Neros Zeiten: hier liegt mein Argwohn gegenüber Vegetius' "Tattoos". In der Spätantike bestand die Armee zu einem sehr großen Teil aus Truppen, die in Ausrüstung und Training den einrückenden Germanen ähnlicher waren als ihren neronianischen Vorfahren (wenn sie nicht gerade identisch mit den einrückenden Stämmen waren). War das "Tattoo" ein Kennzeichen, das - als jahrealte Narbe einigermaßen fälschungssicher - als Beweis für die Dienstzeit herhielt? Ein "Treuezeichen", das evtl. sogar von den Picten übernommen wurde? Ein Symbol der Quasi-Leibeigenschaft gegenüber einem Heerführer? Immerhin wurden mit der Notitia Dignitatum zum ersten Mal "wappenähnliche" Symbole als Kennzeichen einzelner Abteilungen überliefert (auch wenn es die sicher schon vorher gab).
 
Die momentan in Deutschland am ehesten zu habende Vegetius Übersetzung samt Originaltext findest du beim Franz Steiner Verlag.

Zu den Themen: Soldaten sind in der frühen Kaiserzeit recht gut zu erkennen und zu unterscheiden. Sie tragen verschiedene soziale Erkennungsmerkmale, etwa die caligae und das cingulum.
Natürlich gibt es auch Zeiten, in denen die Soldaten ohne diese Merkmale umherlaufen, so wie unsere Soldaten eben auch in ihrer Freizeit gerne mal auf Uniform verzichten.

Im Laufe des ersten Jahrhunderts beginnt sich ein geschlossener Schuh langsam durchzusetzen, der calceus, und verdrängt nach und nach die Soldatenlatschen.
Auch das cingulum militare verändert sich. Erst werden die Schurzstreifen, die pteryges, weniger und kürzer bis sie ganz verschwinden, dann bleiben die Beschlagplatten weg und die Schnalle wird zu einem Ring oder, noch später zu Kerbschnitt u.ä. prachtvollen Gebilden.
Aber auch wenn er sich massiv verändert, bleibt der Gürtel immer ein gewisses Erkennungszeichen, die auch bei den Körpergräbern der Spätantike oftmals helfen, Soldaten als solche zu identifizieren.

Die von dir angeführte Petroniosstelle zeigt also nicht, dass sich Bauern und Soldaten so ähnlich sahen, sondern das sich dort eine gewisse Person anmaßte, die Insignien dieses Standes, dazu zählen dann in der Tat auch die Waffen, zu tragen.

Wenn das Tatoo wirklich existierte, was ich ehrlich gesagt massiv bezweifle und die Vegetiusstelle schlichtweg als einen weiteren der Irrtümer dieses Autors oder seiner Interpretation ansehe, kann es auf keinen Fall eine Beziehung zu einem bestimmten Feldherren, auch und gerade nicht in der spätantike Darstellen.
Der Kaiser mußte stets darauf bedacht sein, seine Macht herauszustellen und konnte persönliche Gefolgsschaftstreue nur bei den Föderati und Alliierten dulden, da diese ja nun mal nur bedingt zu "seinem" Volk gehörten.
Exemplarisch dafür würde ich dir die Lektüre von Ammianus empfehlen, der sehr genau beschreibt, wie eifersüchtig Constantius II. über seine Alleinherrschaft wacht.
 
Der Vegetius ist tatsächlich angekommen, und ich muss gleich an dieser stelle davor warnen, das zu tun, was ich getan habe: Der Verlag "Pavilion Press" ist ein mehr als merkwürdiger Laden, und diese Vegetius-Ausgabe ist dermaßen schlecht, noch schlechter würde schimmeln und streng riechen.

Das Buch wird im Vorwort (eines unbekannten Autors (sic!)) als ein Standardwerk für das Militär beschrieben; offensichtlich ist die Zielgruppe Offiziere oder Offiziersanwärter der US Army. Ein netter kleiner konsequenter Übersetzungsfehler weist auf ein altes europäisches Original als Vorlage hin: stets ist von "Antefignani" die Rede, offenbar wurde das Binnen-s (in alten Satzschriften und im Sütterlin langgezogen) mit einem f verwechselt. Ein paar unmotivierte Reproduktionen von Stichen aus dem 19. Jh. zeigen u. a. "Roman soldiers in Gaul" (abgebildet ist Brennus, der sein Schwert in die Wagschale wirft).


Wo einem so viel editorische Kompetenz gezeigt wird, kann man der treuherzigen Fussnote zum "Military Mark" natürlich vollends vertrauen: "This mark was imprinted on the hands of the soldiers, either with hot iron, or in some other manner. It was indelible."

Verwendbar scheint mir an diesem verstümmelten Torso eines Buchs nur ein einziges Indiz, nämlich der Präsens: The recruit, however, should not receive the military mark as soon as enlisted. He must first be tried if fit for service … Im Duktus des Buches wird immer wieder unterschieden zwischen den "ancients" und dem "today"; dementsprechend halte ich es für glaubwürdig, dass Vegetius der Meinung war, ein solches Kennzeichen würde ausgegeben, sei es nun ein Tattoo, ein Brandzeichen oder (nach allem, was aus dem Text hervorgeht) ein "Dog Tag". Es kann sich dabei aber weder um eine weit verbreitete noch kontinuierlich durchgehaltene Praxis gehandelt haben, sonst hätte das größeren Niederschlag gefunden und wäre wahrscheinlich auch archäologisch belegt.
 
Gab es eigentlich sowas wie die dog-tags? In Marcus Junkelmanns "Legionen des Augustus" scheint fast jeder ein Lederbändchen um den Hals zu tragen. Was auch immer man über seine Methoden sagt, er war bei seiner Alpenüberquerung Mitte der 80er ja sehr rigoros, auch (oder grade) was Details angeht (dass bärtige Mitmarschierer sich vorher rasieren mussten etc). Dass das Sachen waren, die die Leute ohnehin getragen haben und für den Alpenmarsch nicht abgelegt waren, kann ich mir kaum vorstellen. Im Text habe ich nichts dazu gefunden. Also etwas authentisches? Oder einfach nur Glücksbringer?
 
Das signaculum, welches du in seinem Buch zum Alpenmarsch, "Die Legionen des Augustus" auch kurz erwähnt findest, ist eine Interpretation aus der Vegetiusstelle, eines Stelle über einen "das Blei zerbrechende" Märtyrer, der sich nicht als "Besitz" im Militärdienst geben wollte und einigen nicht ganz eindeutigen Bleimarkenfunden.

Somit ist die Interpretation schon sehr glaubwürdig, wenn auch nicht zweifelsfrei belegt.

Darauf zu finden ist somit der Name, Verwendung und ggf. der Name des jeweiligen Offiziers.
 
Ah, dank dir! Im Register habe ich "signaculum" allerdings nicht gefunden. Falls du ein ungefähres Kapitel im Kopf hast, würde ich mich freuen, wenn du mir Bescheid sagen könntest, wo ich das finde - musst aber meinetwegen nicht suchen, ich muss das Buch eh nochmal cover to cover lesen, dabei werde ich es hoffentlich finden!
 
Stimmt, also entweder trügt mich mein Gedächtnis, er benennt es nicht oder hat es im Register nicht aufgeführt.

Ich lese die Tage mal quer, mal sehen ob ich es finde.
 
Ich habe mittlerweile eine Erwähnung auf S. 108 gefunden, wo es darum geht, dass der neue Rekrut, bevor er zum Dienst zugelassen wird, sein Signaculum erhält und den "Fahneneid" schwört. [Adlerei(d)?] Es wird nur knapp erwähnt, dass es aus Blei ist.

War das das, was du meintest? Ich hatte gehofft, Junkelmann würde das Für und Wider eines solchen Utensils erörtern, das ja doch stark an die amerikanischen dog tags erinnert.
 
Salve,
ja, die Stelle meinte ich.
Das gute Stück wird m.W. in keiner Publikation diskutiert, entzog sich möglicherweise dem Willen oder der Aufmerksamkeit, Grund dafür könnte das mangelnde eindeutige Fundgut sein.

Für ist der damals noch aktuellere Identifikationsgrund im Todesfall samt Verstümmelung und die literarische Erwähnung, dagegen spricht das mangelnde Fundgut und die Verwandtschaft zu den Sklavenmarken.

Also ob oder ob nicht...
 
Wie so vieles. ;)

Habe eben in einem anderen Forum noch nen alten Thread dazu gefunden, auch mit Posts von dir - die Maximilianus-Stelle scheint für mich auch stark draufhinzudeuten. Ich beschließe hiermit für mich, dass es sie gab. ;)
 
Frage zum Schriftzug S.P.Q.R.

Ich habe etwas im Film Gladiator gesehen der Hauptdarsteller trägt auf seiner Schulter ein Tattoomit dem Schriftzug S.P.Q.R. war es tatsächlich so das römische Soldaten bzw. Praetorianer ein solches Tattoo hatten bzw. so gekennzeichnet wurden???
 
Meines Wissens waren Tätowierungen bei den Römern vollkommen unüblich und im antiken Europa sowieso nur wenig verbreitet. Man hat vermutet, dass das nordbritannische Volk der Pikten das Tätowieren pflegte, weil der Name "Pikten" so viel wie "Bemalte" bedeutet. Eine absolute Sicherheit besteht aber auch nicht.
 
Es gibt einen, allerdings sehr vagen, Hinweis.
Der Schriftsteller Vegetius schreibt, 200 Jahre nach der im Film gezeigten Zeit Marcus Aurelius' , davon daß eingezogene Soldaten gekennzeichnet wurden.
Wie diese Kennzeichnung erfolgte bleibt unklar, es kann auch eine Kennmarke sein.
Tätowierungen werden namentlich nirgends in der römischen Literatur erwähnt. Bei der Szene im Film handelt es sich wohl eher um eine Anleihe an die heutige Zeit (wie so manches in Historienfilmen).
 
Meines Wissens waren Tätowierungen bei den Römern vollkommen unüblich und im antiken Europa sowieso nur wenig verbreitet. Man hat vermutet, dass das nordbritannische Volk der Pikten das Tätowieren pflegte, weil der Name "Pikten" so viel wie "Bemalte" bedeutet. Eine absolute Sicherheit besteht aber auch nicht.


Strabo weist in seiner Geographie den Thrakern und Illyrern die Tradition des Tätowierens zu, Buch VII, 5, 4: "Als nächstes kommt eine Reise von 1000 Stadien entlang der Küste des Gebietes der Iapoden [ungefähr heutiges Albanien]. [...] Sie sind in der Tat ein kriegslüsternes Volk aber sind durch Augustus völlig erschöpft worden. [...] Ihre Ländereien sind arm, die Menschen leben hauptsächlich von Dinkel und Hirse. Ihre Rüstung ist keltisch und sie sind tätowiert, wie auch der Rest der Illyrer und Thraker."
Ἑξῆς δ᾽ ἐστὶν ὁ Ἰαποδικὸς παράπλους χιλίων σταδίων· ἵδρυνται γὰρ οἱ Ἰάποδες ἐπὶ τῶι Ἀλβίωι ὄρει τε λευταίωι τῶν Ἄλπεων ὄντι, ὑψηλῶι σφόδρα, τῆι μὲν ἐπὶ τοὺς Παννονίους καὶ τὸν Ἴστρον καθήκοντες, τῆι δ᾽ ἐπὶ τὸν Ἀδρίαν, ἀρειμάνιοι μέν, ἐκπεπονημένοι δὲ ὑπὸ τοῦ Σεβαστοῦ τελέως· πόλεις δ᾽ αὐτῶν Μέτουλον, Ἀρουπῖνοι, Μονήτιον, Ὀυένδων· λυπρὰ δὲ τὰ χωρία, καὶ ζειᾶι καὶ κέγχρωι τὰ πολλὰ τρεφομένων· ὁ δ᾽ ὁπλισμὸς Κελτικός· κατάστικτοι δ᾽ ὁμοίως (καὶ) τοῖς ἄλλοις Ἰλλυριοῖς καὶ Θραιξί.
 
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