Rüstungswettlauf und die Zwangsläufigkeit von WW1 und WW2

thanepower

Aktives Mitglied
Es gibt sicherlich viele Beispiele in der Geschichtte, in denen die “Hybris” einzelner Personen, ganze Nationen ins Unglück gestützt hat oder aber auch das kollektive Versagen politischer Eliten eine Erklärung für den Niedergang ist. Barbara Tuchmann hat dieses sehr schön in : „The March of Folly / Die Torheiten der Regierenden“ beschrieben.

Je intensiver ich mich mit dem WW1 und dem WW2 beschäftige, desto stärker tritt für mich die Frage in den Vordergrund, ob es eine Zwangsläufigkeit des Versagens der deutschen Eliten am Vorabend des WW1 und des WW2 gab? Eine Zwangsläufigkeit, die sich aus dem Einstieg in den Rüstungswettlauf ergab.

Wo liegt die Parallele und die Zwangsläufigkeit für den Vergleich zwischen dem W1 und WW2. Aus meienr Sicht basiert die Ähnlichkeit aus der These zum Rüstungswettlauf (aus: "Der verkehrte Krieg"). Derjenige, der im Rahmen des Rüstungswettlaufs, im Vergleich zu den Wettbewerbern, relativ verliert, ist eher bereit, einen Präventivschlag zu führen. Ein weiteres Abwarten reduziert seine militärischen Chancen.

Deutschland begab sich aktiv sowohl vor 1914 als auch vor 1939 in einen Rüstungswettlauf mit allen relevanten europäischen Staaten. In beiden Fällen hatte es sich zudem schwache Juniorpartner ausgesucht, die sein Potential zusätzlich banden bzw. neutralisierten.

Deutschland verfügte in beiden Kriegen zu Beginn über eine schwache finanzielle Ausstattung, über sehr begrenzte Devisen und strategische Rohstoffe standen nur in einem sehr begrenzten Umfang zur Verfügung, sowohl vor dem eigentlichen Angriff als auch noch während der eigentlichen Kriegsphase.

In dieser Situation konnte das Deutsche Reich – objektiv - nicht erwarten, weder vor dem WW1 noch vor dem WW2, den Rüstungswettlauf vor dem Hintergrund seiner bescheidenen geostrategischen Mittel zu gewinnen. Zumindest nicht mit den Mitteln, die vor einem erfolgreichen Eroberungskrieg zur Verfügung standen.

Von dem eigentlichen „Präventivkrieg“ (im klassischen militärischen Sinne) bzw. Angriff /Überfall konnte es in beiden Fällen nur erwarten, sich einen temporären Vorsprung, im besten Fall, zu erarbeiten und diesen nach der erfolgreichen Eröffnungsphase entscheidend zu nutzen und auszubauen.

Für den temporärer Vorsprung ist für beide Kriege jeweils ein Zeitfenster für den Präventivangriff definiert worden:
WW1: Zeitfenster lag bei ca. 1912 und spätere Termine bedeuteten, dass es zunehmend schwieriger werden würde, aufgrund der hohen Rüstungsanstrengungen der Franzosen und der Russen.

WW2: Zeitfenster im Westen: je früher desto besser, da die Rüstungsanstrengungen von GB 1939 zu greifen begannen.
Zeitfenster im Osten: lag spätestens im Jahr 1941, da Russland für 1942 seine Umrüstung und Reorganisation abgeschlossen haben wollte.

Auf welchen Faktoren basiert nun die Vorstellung der deuschen militärischen und politischen Eliten man könnte sich ein Zeitfenter erarbeiten, das die Kriegsführung gegen die anderen europäischen Mächte ermöglicht. Für die Erklärung dieser Annahmen sind vermutlich die Erfolge aus den Kriegen von 1866 und 1870/71 wichtige Einflussgrößen. Als Ergebnis der Analysen der Erfolgsfaktoren der Kriegsführung wurden „Überraschung“, „Geschwindigkeit“, „Mobilität“ und „temporäre Überlegenheit“ (getrennt Marschieren, vereint Schlagen etc.) in einer bisher nicht gekannten Dimension als zentral erkannt.

Diese Denkhaltung war der einzige Ansatzpunkt für die Eliten, dass Deutschland hoffen konnte, aus dem Rüstungswettlauf erfolgreich einen potentiellen Krieg möglichst schnell beenden zu können.

Die Eigendynmik des Rüstungswettlaufs, inklusive des "internationalen Gesichtsverlustes" bei einem Ausstieg und/oder die ideologische Ausrichtung der Eliten in Deutschland haben in beiden Fällen eine Umkehrung der Rüstungsspirale aber nicht ermöglicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
War es wirklich nur Unfähigkeit der Führung oder lassen sich andere Einflussfaktoren erkennen für das Streben des DR nach einer hegemonialen Position erkennen.

Wie kann man aber das strategische Dilemma beschreiben, in dem sich das DR seit seiner Gründung im Jahr 1871 befand?


Aufgrund seiner zentralen Position in der Mitte Europas befand sich das DR in einer „halben Hegemonie“ (in Hillgruber: Deutsche Großmacht- und Weltpolitik…, S. 55ff), die durch eine bereits raltiv stark verteilte imperiale Welt gekennzeichent war.

Diese Situation bot dem DR zwei grundsätzliche Optionen: Zum einen war immer die Gefahr vorhanden, durch die Abhängigkeit zu einer der Flankemächte (GB oder Russland) in die Rolle des Juniorpartner zu gelangen und so seine eigenen Großmachtpläen aufzugeben und zum anderen durch diplomatische oder militärische Aktionen, eine hegemoniale Großmacht-position zu erlangen.

Als alternative Strategien boten sich dem DR bzw. Bismarck, und in der Folge auch Bethmann Hollweg, drei grundsätzliche Strategien.

  • Eine kooperative Strategie, die auf eine Aufteilung in Interessensphären ausging. Der Nachteil dieser Strategie wird darin gesehen, dass es nur geringe Pufferzonen zwischen den Großmächten gibt, sodass eine potentielle Konfrontation sich immer gleich sehr direkt zwischen den Großmächten abspielt.
  • Die Präventivkriegstrategie (in Anlehnung an Moltke), die sich frühzeitig gegen einen potentiellen Gegner wenden sollte, um so gefährliche Machtkonzentration bereits im Ansatz zu ersticken. Die Gefahr dieser Lösung bestand darin, dass sie den Aufbau von machtvollen Allianzen eher begünstigte, da die potentiell angegriffenen eine effektive Absicherung ihrer Position suchten.
  • Das Umlenken der Konflikte von Mitteleuropa an die Peripherie und der Aufbau möglichst vieler „kleiner“ Konflikte sodass die großen Mächte mit Randproblemen beschäftigt sind.

Das Bismarksche System der Außenpolitk – die Sicherheitspolitik - konzentrierte sich relativ stark auf die dritte Variante und versuchte durch ein vielfältiges, komplexes Bündnissystem eine Eskalation der Konflikte zu verhindern und die Handlungsmöglichkeit des „halb-hegemonialen“ DR in Mitteleuropa zu erhalten.

Diese Handlungsoptionen standen im Prinzip ebenfalls Wilhelm 2 und auch Hitler zur Verfügung.

Beide wählten in unterschiedlichem Maße unterstützt durch das Militär, die Variante 2 und suchten durch Präventiv- bzw. Angriffskriege, die Position des DR als einer „halb-hegemonialen“ Macht zu einer vollwertigen Hegemomialmacht zu verbessern.

Im Fall von Wilhelm 2 kommt dem Militär und seinen strategischen Überlegungen, sowohl dem Denken in den Kategorien des „Schlieffen-Plans“, aber auch in den Kategorien eines Tirpitz in der Tradition von Mahan, eine deutlich dynamisierende Funktion zu.

Anders im Fall von Hitler. In diesem Fall sind es ideologische Überlegunge in Kombination mit wehrwirtschaftlichem Kalkül, die in den Plänen von Hitler relativ frühzeitig (Hoßbach-Niederschrift etc.) dem generalstab mit geteilt wurden und zu einer eher verhaltenden Reaktion der höchsten Generale geführt hat. Den Generälen fällt im 3. reich eher die Rolle des strukturkonservativen Nationalisten zu, der mit dem Gewinn von Teilen der CSSR bereits sein revanchistisches Ziel erreicht hat und zur „Normalität“ übergehen würde.

Unter dem Strich zeigt sich, dass das DR durchaus nicht „gezwungen“ war, in einen Rüstungswettlauf um die „volle Hegemonie“ in Europa einzutreten, sondern dass es auch im auslaufenden 20zigsten Jahrhundert durchaus realistische Alternativen gab.

Es zeigt sich aber auch, dass die Dynamisierung im Vorfeld des WW1 und des WW2 durch unterschiedliche historische Akteure (Militär vs Politiker) vorgenommen worden ist und keine Konstanz der geschichtlichen Entwicklung unterstellt werden kann.
 
Deutschland begab sich aktiv sowohl vor 1914 als auch vor 1939 in einen Rüstungswettlauf mit allen relevanten europäischen Staaten. In beiden Fällen hatte es sich zudem schwache Juniorpartner ausgesucht, die sein Potential zusätzlich banden bzw. neutralisierten.
Deutschland verfügte in beiden Kriegen zu Beginn über eine schwache finanzielle Ausstattung, über sehr begrenzte Devisen und strategische Rohstoffe standen nur in einem sehr begrenzten Umfang zur Verfügung, sowohl vor dem eigentlichen Angriff als auch noch während der eigentlichen Kriegsphase.
In dieser Situation konnte das Deutsche Reich – objektiv - nicht erwarten, weder vor dem WW1 noch vor dem WW2, den Rüstungswettlauf vor dem Hintergrund seiner bescheidenen geostrategischen Mittel zu gewinnen. Zumindest nicht mit den Mitteln, die vor einem erfolgreichen Eroberungskrieg zur Verfügung standen.

Hallo thanepower,

interessante Thesen, ich versuche mal den Einstieg zum Thema WK II.

Den Hinweis auf den Juniorpartner Italien fand ich spannend, aber er greift nicht für den WK II im Vergleich, aus folgenden Gründen:

- der Versuch der Einbindung Italiens erfolgte spät (Frühjahr 1939), und er scheiterte. Der Krieg begann ohne Verbündeten. Das widerspricht dem Bezug zur Aufrüstung/militärischen Konzeption, die getrennt vom denkbaren Verbündeten zu sehen ist

- eine ressorcenseitige Bindung an den "Juniorpartner" lag für Hitlers Wehrmacht bei Kriegsbeginn nicht vor. Sie ergab sich vielmehr im Verlauf.

Den Krieg mit den Westmächten kann man - nach dem Stand der Forschung - für Hitler als Option am 1.9.1939 wohl ausscheiden, er wurde nicht erwogen. Das hat Auswirkungen auf die Betrachtung der Rüstungsanstrengungen: diese waren für den Krieg im Westen im Herbst 1939 noch auf 1943/44 ausgelegt. Einen engere Beziehung zwischen Aufrüstungsstand und Kriegsbeginn 3.9.1939 mit den Westmächten sehe ich damit nicht, im Gegenteil. Gleichwohl würde ich zustimmen, dass der mögliche Krieg 1943/44 im Westen als Option für Luftwaffe und Marine prägend war: politische Vorgabe bzw. vorgegebene Vision für die Aufrüstung.

Der Polenfeldzug begann somit nicht in Wahrnehmung eines nicht zu gewinnenden Rüstungswettlaufs und wurde in diesem Sinne auf nicht von militärischen Eliten mit getragen. Betrachtet man den militärischen Widerstand Ende 1939 (auch zuvor 1938 betr. Sudetengebiete), so war dieser vielmehr von Skepsis getragen bzgl. des Eingreifens der Westmächte; im Oktober 1939 herrschte dann die Illusion des möglichen politischen Friedens nach dem Einmarsch in Polen. In die Westoffensive mußte die militärische Elite in Teilen geradezu hineingedrängt werden. Bei den (vorwiegend) jüngeren Militäreliten herrschte dagegen Gefolgsamkeit und Optimismus, der auch von der Frage des Rüstungswettlaufs nicht eingeschränkt worden ist. Eine wesentliche Einwirkung wirtschaftlicher Eliten auf die Kriegsstrategie würde ich nicht sehen.


Ich glaube daher nicht, das die Fragen des Rüstungswettlaufs einen Einfluß auf die Haltung der militärischen oder wirtschaftlichen Eliten hatten, sondern eher die grundsätzliche Einstellung 1938/39, dass ein Krieg gegen Frankreich und Großbritannien unter keinen Umständen zu gewinnen war.
 
Sehe ich auch so, man sollte den Idioten aus Braunau auch nicht unter Wert verkaufen. Der gute Adolf hatte die Auswertungen der Geheimdienste auf dem Tisch. Der Krieg im Westen war Improvisation, mehr nicht. Das hat mit Glück - gegen Frankreich - gerade noch geklappt. Das Reich war 1939 nicht für einen Krieg vorbereitet, es gab überhaupt keinen vernünftigen Generalstabsplan, schon gar nicht für einen Offensivkrieg.

Ich baue das aus. Das Weimarer Heer, also die Reichswehr umfasste 100.000 Mann. Zwischen Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und dem Angriff auf Polen verblieben ein paar Jahre ohne nennenswerte Luft- und Panzerwaffe. Man hatte "popelige" Panzer I und II, theoretisch den französichen Panzern unterlegen, die Flotte war ein Witz.

Hitler gedachte 1939 mit Rückendeckung Stalins einen einfachen diplomatisch/militärischen Sieg einzufahren. Auf einen ernsthaften Krieg im Westen war Deutschland weder milititärisch noch kriegswirtschaftlich vorbereitet.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Anders im Fall von Hitler. In diesem Fall sind es ideologische Überlegunge in Kombination mit wehrwirtschaftlichem Kalkül, die in den Plänen von Hitler relativ frühzeitig (Hoßbach-Niederschrift etc.) dem generalstab mit geteilt wurden und zu einer eher verhaltenden Reaktion der höchsten Generale geführt hat. Den Generälen fällt im 3. reich eher die Rolle des strukturkonservativen Nationalisten zu, der mit dem Gewinn von Teilen der CSSR bereits sein revanchistisches Ziel erreicht hat und zur „Normalität“ übergehen würde.

Zur Normalität würde ich noch rechnen, dass selbst der Polenfeldzug geplant und ausgeführt wurde mit der Rechnung: nachfolgende politische Lösung.

Ansonsten läßt sich der Polenfeldzug einordnen in die Seeckt´sche Konzeption des militärischen (territorialen) Revisionismus: diesen - eine Konstante in der Reichswehr/Wehrmachtsführung - hat Hitler letztlich nur bedient: Beseitigung Polens durch Zusammenarbeit mit der Sowjetunion unter erhoffter Paralyse der Westmächte.

Den militärischen Eliten war dabei stets nur der Zeitpunkt unangenehm: zunächst die militärisch schwache Lage bei der Sudetenfrage. Später dann die Planung von "Fall Weiss", dann in der Krise überdeckt durch den Hitler/Stalin-Pakt in Bezug auf die Westmächte.

Zur Hoßbach-Niederschrift: man könnte hinterfragen, ob die Tragweite von den Anwesenden tatsächlich gesehen wurde.
 
ja und nein

1. Zur Normalität würde ich noch rechnen, dass selbst der Polenfeldzug geplant und ausgeführt wurde mit der Rechnung: nachfolgende politische Lösung.

2. Ansonsten läßt sich der Polenfeldzug einordnen in die Seeckt´sche Konzeption des militärischen (territorialen) Revisionismus: diesen - eine Konstante in der Reichswehr/Wehrmachtsführung - hat Hitler letztlich nur bedient: Beseitigung Polens durch Zusammenarbeit mit der Sowjetunion unter erhoffter Paralyse der Westmächte.

3. Den militärischen Eliten war dabei stets nur der Zeitpunkt unangenehm: zunächst die militärisch schwache Lage bei der Sudetenfrage. Später dann die Planung von "Fall Weiss", dann in der Krise überdeckt durch den Hitler/Stalin-Pakt in Bezug auf die Westmächte.

4. Zur Hoßbach-Niederschrift: man könnte hinterfragen, ob die Tragweite von den Anwesenden tatsächlich gesehen wurde.

zu 1. Möglicherweise hat sich Hitler erhofft, dass es zu einem Frieden mit den Frankreich und England kommen kann. Es gab wohl eine Äußerung aus dieser Zeit von Hitler, in der er sich darüber beschwert hat, dass die Westmächte nicht verstehen würden, dass es ihm nur um den Krieg mit Russland gehen würde. Vor diesem Hintergrund hat er ja auch ncht verstanden, dass er keine Unterstützung erhielt für seinen "Kreuzzug" gegen die "Bolschewiki" und das "russische Judentum". Es gibt sicherlich eine Reihe von Indizien, die auf diese Hoffnung von Hitler hindeuten. Irgendwo bei Hillgruber (2.WW) meine ich auch eine Einschätzung gelesen zu haben, dass die damalige englischen oppositionellen Partein durchaus bereit gewesen wären, nach Dünkirchen, einer Verhandlungslösung zuzustimmen.

zu 2. Die Seektsche Sichtweise spiegelt aber nur einen Teil der Sichtweise der Generalität wieder. Bei z.B. Gen. Thomas und großen Teilen des Außenministerium war man sich der Tragweite wohl bewußt, welche nicht planbare Konsequenzen ein Angriff auf Polen haben kann. Und auch in der Bevölkerung war keine Begeisterung vorhanden - im Gegensatz zu 1914 - in einen neuen Krieg zu ziehen. Die Nationalkonservativen, z.B. Schacht, waren in ihrem "revanchistischen Elan" nach "München" und der Heimführung der CSSR in das reich zufriedengestellt. Den Polenfeldzug hätte die Reichswehr/Wehmacht von sich aus nicht begonnen. Dafür war der Respekt vor den Westmächten einfach zu groß.

zu 3: Interessanterweise würde ich in diesem Fall der "perversen Logik" von Hitler zustimmen. Er ging ja immer von einem Zeitfenster aus, dass sich eigentlich ungefähr im Jahr 1942 schließen würde, was den Krieg mit Russland angeht. Zu diesem Zeitpunkt setzte massiv die relative Veralterung des Rüstungsvorsprungs der Wehrmacht ein und die relativen Vorteile der Wehrmacht wären egalisiert bzw. bereits umgekehrt. In diesem Sinne war sein Drängen auf einen möglichst frühen Zeitpunkt für den Konflikt mit den Westmächten im Rahmen einer Blitzkrieg-Strategie absolut nachvollziehbar (aus seinem Weltbild heraus!!!).

zu 4: Eine ausgesprochen interesante Frage, die mich auch immer wieder beschäftigt. Hitler hat im Prinzip in seinen beiden Bücher explizit und unmißverständlich die Zielsetzung des "Lebensraums im Osten" ausführlich beschrieben und die Notwendigkeit erklärt (wobei ich persönlich es als eine nicht akzeptable Zensur empfinde, dass ich nicht diese beiden Bücher einsehen kann. Man redet über Aussagen, die man als Quelle nicht einsehen kann:motz:). Im Vorfeld der Planungen für "Barbarrossa" kam es zu dem Gespräche zwischen Hitler und Göring, in dem diese Sätze zum "Vabanque-Spielen" gefallen sind. Göring war zumindest am Anfang eher ein Gegner der Planungen für den Ostfeldzug. In diesem Zusammenhang tritt für mich persönlich die Frage auf, wie verbindlich die Bücher von Hitler für die kollektive Ideologie für die "braune Elite" waren. Von Stalin stammt der Satz "Ideologie ist für das Volk" und damit trennt er deutlich die Realpolitik von der wertebasierten Ideologie einer politischen Bewegung.

Haben die Teilnehmer an der Konferenz, in deren Folge die Hossbach-Niederschrift angefertigt wurde ähnlich gedacht. "Worte sind geduldig"?

Die Dimension des folgenden Vernichtungskrieges gegen die SU bewegten sich sicherlich in einem Bereich, den sich die Teilnehmer so nicht vorgestellt haben. Es gab ja auch bisher keine Vorbilder für diese Art von Kriegsführung. Insofern kann es durchaus sein, dass die Programmatik, die Hitler dort dargestellt hat, eher in den Kategorien des 1WW und von immer wiederkehrenden Pogrommen interpretiert wurde, aber nicht vor dem Hintergrung der folgenden systematischen Ausrottung der Juden.
 
ein paar Anworten auf ein weiter spannendes Thema

Dass es gravierende Unterschiede im politischen Umfeld des zweiten und des dritten Reichs gab, will ich gar nicht bestreiten. Es war aber in beiden Fällen die "Halbhegemoniale Position" des DR, die die politisch Verantwortlichen vor die Frage gestellt hat, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen.

In beiden Fällen - dem WW1 und WW2 - viellicht auch noch eingedenk der Diskussion zwischen "Ritter" und "Fischer", stellt sich erneut die Frage, wieviel Eigendynamik das DR entwickelt hat durch die Triebkräfte in der Armee, die "Alldeutschen", einem Tirpitz und einem Ludendorff und im WW2 durch Nationalkonservative, die NSDAP und nicht zuletzt vor allem durch die Person von Adolf Hitler.

Aber es stellt sich auch die Frage, wie stark das Umfeld Deutschlands diese Entwicklung begünstigt hat. Vermutlich ist auch die Metapher zutreffend, dass die Kontrahenten im Sinne von zwei wilden Kämpfern, die bis zum Tode kämpfen müssen, damit der Kampf vorüber ist, aufeinander los gegangen sind. Eine Metapher, die das Weltbild nicht weniger Politiker und auch Militärs vor allem zu Beginn des WW1 durchaus angemessen beschreibt.

1. Den Hinweis auf den Juniorpartner Italien fand ich spannend, aber er greift nicht für den WK II im Vergleich, aus folgenden Gründen:

- der Versuch der Einbindung Italiens erfolgte spät (Frühjahr 1939), und er scheiterte. Der Krieg begann ohne Verbündeten. Das widerspricht dem Bezug zur Aufrüstung/militärischen Konzeption, die getrennt vom denkbaren Verbündeten zu sehen ist

- eine ressorcenseitige Bindung an den "Juniorpartner" lag für Hitlers Wehrmacht bei Kriegsbeginn nicht vor. Sie ergab sich vielmehr im Verlauf.
Zu 1.: Juniorpartner: Die Intention war, auf die mangelnden wehrwirtschaftlichen Voraussetzung der Partner, sowohl von Österreich im WW1 (z.B. Rauchensteiner: Der Tod des Doppeladlers, S. 36 ff) als auch von Italien im WW2 (Milward: Der Zweite Weltkrieg und Raspin: Wirtschaftliche und politische Aspekte der italienischen Aufrüstung Anfang der dreißiger Jahre bis 1940, in: Forstmeier&Volkmann (Hrsg) Wirtschaft u. Rüstung...., S. 202ff) hinzuweisen. Letztens hatte ich einen sehr schönen Vergleich gelesen, dass allein General Motors im WW2 mehr Waffen (wertmäßig) produziert hat wie Italien insgesamt.

Zudem berührt es das Argument, das beide Partner im Verlauf der beiden Kriege durch eine gravierende Verschlechterung ihrer wehrwirtschaftlichen Basis betroffen waren und zu einem hohen Prozentsatz vom DR abhängig geworden sind. In beiden Fällen wurde außerdem die außenpolitische Handlungsfähigkeit bzw. das militärische Potential in Regionen gebunden, die nicht als zentrale Kriegsschauplätze für Deutschland von Bedeutung waren.

2.1 Den Krieg mit den Westmächten kann man - nach dem Stand der Forschung - für Hitler als Option am 1.9.1939 wohl ausscheiden, er wurde nicht erwogen. Das hat Auswirkungen auf die Betrachtung der Rüstungsanstrengungen: diese waren für den Krieg im Westen im Herbst 1939 noch auf 1943/44 ausgelegt. Einen engere Beziehung zwischen Aufrüstungsstand und Kriegsbeginn 3.9.1939 mit den Westmächten sehe ich damit nicht, im Gegenteil. Gleichwohl würde ich zustimmen, dass der mögliche Krieg 1943/44 im Westen als Option für Luftwaffe und Marine prägend war: politische Vorgabe bzw. vorgegebene Vision für die Aufrüstung.
Zu 2.1: Zwei-Frontenkrieg: Durch die Garantien der Westmächte für Polen war es mehr oder minder zu erwarten, dass nach einem Angriff auf Polen, es fast zwangsläufig auch zu einem Konflikt im Westen kam. Dass Hitler dieses auch befürchtet hatte, obwohl er sicherlich darauf spekuliert hat, die Westmächte „bluffen“ zu können, belegen die sehr intensiven Rüstungen im Bereich des Westwalls durch die Organisation-Todt.

Die faktische Kriegsfähigkeit der Wehrmacht sollte, laut Vierjahresplan-Denkschrift von Hitler ca. auf das Jahr 1940 fallen. Die Planungen für den „beendeten“ Ausbau der Kriegsheerplanung bezog sich ähnlicher Weise auch auf Ende 39 (Deist: Die Aufrüstung der Wehrmacht, in: Deist et al. Ursachen und Voraussetzungen des Zweiten Weltkriegs, S. 523). Entsprechend der Hoßbach-Niederschrift war die Planung aus dem Jahr 1937 auf den Zeitpunkt 1943 für einen Westfeldzug gelegt. Es waren aber bereits zu diesem Zeitpunkt Randbedingungen durch Hitler formuliert, die frühere Zeitpunkte als wünschenswert erscheinen ließen. Dass Hitler diesen Zeitdruck als extrem wahrgenommen hat, belegen ja auch die Konflikte zwischen ihm und der Wehrmacht über die Zeitpunkte für de Polenfeldzug und den Angriff im Westen (sehr eindringlich von der wehrwirtschaftlichen Seite: Tooze: Ökonomie der Zerstörung). Je länger die Phase der Aufrüstung andauerte, desto gravierender wirkte sich die industrielle Kapazität der Wetsmächte und der SU sowie ihr unbegrenzter Zugang zu den Rohstoffmärkten aus.

Dass insbesondere die Marine, sich eigentlich nie als „kriegsbereit“ definiert hat, dass ist sicherlich richtig. Auch eine Parallele zwischen 1912 und 1939.

2.2 Der Polenfeldzug begann somit nicht in Wahrnehmung eines nicht zu gewinnenden Rüstungswettlaufs und wurde in diesem Sinne auf nicht von militärischen Eliten mit getragen. Betrachtet man den militärischen Widerstand Ende 1939 (auch zuvor 1938 betr. Sudetengebiete), so war dieser vielmehr von Skepsis getragen bzgl. des Eingreifens der Westmächte; im Oktober 1939 herrschte dann die Illusion des möglichen politischen Friedens nach dem Einmarsch in Polen. In die Westoffensive mußte die militärische Elite in Teilen geradezu hineingedrängt werden. Bei den (vorwiegend) jüngeren Militäreliten herrschte dagegen Gefolgsamkeit und Optimismus, der auch von der Frage des Rüstungswettlaufs nicht eingeschränkt worden ist. Eine wesentliche Einwirkung wirtschaftlicher Eliten auf die Kriegsstrategie würde ich nicht sehen.

Zu 2.2: Ich denke schon, dass die militärischen Eliten von einem Rüstungswettlauf und der Gefahr eines langanhaltenden Krieges ausgingen. Gerade deswegen waren sie so vorsichtig und besorgt.

Und ich sehe es auch so, dass es durchaus widerstrebende Elemente gegeben hat. Aber zumindest bis „München“ standen auch vorsichtige Nationalkonservative hinter den revisionistischen Kriegszielen und der Aufrüstung und waren somit für das „Momentum“ des einsetzenden Rüstungswettlaufs durchaus mit verantwortlich, wenngleich zunehmend in der Rolle eines Zauberlehrlings.


3. Ich glaube daher nicht, das die Fragen des Rüstungswettlaufs einen Einfluß auf die Haltung der militärischen oder wirtschaftlichen Eliten hatten, sondern eher die grundsätzliche Einstellung 1938/39, dass ein Krieg gegen Frankreich und Großbritannien unter keinen Umständen zu gewinnen war.

Zu 3. Die schwierige wehrwirtschaftliche Situation erzwang von den deutschen Militärplanern in Kategorien eines schnellen Vernichtungskrieges zu denken. In asymmetrischer Position dazu befanden sich in beiden Weltkrieges die anglo-amerikanischen Planer, deren Strategie zunächst an Ermattung und langsames Niederwerfen abzielte.

Der Schlieffen-Plan in der Ausführung durch Moltke, der Sichelschnitt und der einzige geplante Blitzkrieg in Russland waren ja die Antworten auf die antizipierte, potentielle Niederlage gegen das Wirtschaftspotential der Westmächte und der SU.
 
Zu 1.: Juniorpartner: Die Intention war, auf die mangelnden wehrwirtschaftlichen Voraussetzung der Partner, sowohl von Österreich im WW1 (z.B. Rauchensteiner: Der Tod des Doppeladlers, S. 36 ff) als auch von Italien im WW2 (Milward: Der Zweite Weltkrieg und Raspin: Wirtschaftliche und politische Aspekte der italienischen Aufrüstung Anfang der dreißiger Jahre bis 1940, in: Forstmeier&Volkmann (Hrsg) Wirtschaft u. Rüstung...., S. 202ff) hinzuweisen. Letztens hatte ich einen sehr schönen Vergleich gelesen, dass allein General Motors im WW2 mehr Waffen (wertmäßig) produziert hat wie Italien insgesamt.

Das hatte ich etwas anders gemeint.
Der Juniorpartner II (Italien) war zunächst als Teil der Abschreckung beim Überfall auf Polen erwünscht, dann zog man es ohne ihn durch! Der spätere Kriegseintritt Juni 1940 kam ungeplant und war aus Sicht des DR überflüssig (das Verhältnis Hitler/Mussolini war Anfang 1940 ausgeprochen kühl. M. antwortete monatelang nicht auf die Neujahrsgrüße von AH.)

Danach, bei verblüffender Hartnäckigkeit Großbritanniens eröffnete er gewaltige strategische Perspektiven im Mittelmeerraum, die politisch zunächst durch die Kriegsschauplatz-Absprachen wieder verbaut wurden.


Zu 2.1: Zwei-Frontenkrieg: Durch die Garantien der Westmächte für Polen war es mehr oder minder zu erwarten, dass nach einem Angriff auf Polen, es fast zwangsläufig auch zu einem Konflikt im Westen kam. Dass Hitler dieses auch befürchtet hatte, obwohl er sicherlich darauf spekuliert hat, die Westmächte „bluffen“ zu können, belegen die sehr intensiven Rüstungen im Bereich des Westwalls durch die Organisation-Todt.

Die Westwall-Rüstung ist Teil des Bluffs, sie hätte ein Jahrzahnt andauern müssen. Es wurde ein wenig rumgebastelt und Zement verbaut, um den Bluff für die notwendigen 4 Wochen aufrecht zu erhalten. Außerdem würde ich zunächst die Wahrnehmung vorausstellen: Das Duo AH./Ribbentrop war vermutlich ernsthaft von der Passivität der Westmächte überzeugt und versuchte hartnäckig, dieses auch Italien aufzuschwatzen (Ciano-Gespräche August 1939).


Je länger die Phase der Aufrüstung andauerte, desto gravierender wirkte sich die industrielle Kapazität der Wetsmächte und der SU sowie ihr unbegrenzter Zugang zu den Rohstoffmärkten aus.
Hätte man den Sitzkrieg im Mai 1940 fortgesetzt, wäre das DR Ende 1940 am Ressourcenlimit angelangt. Die russischen Lieferungen setzten dafür aufgrund vieler Schwierigkeiten zu spät ein, das Fehlen der rumänischen Lieferungen (die erst mit dem Sieg im Westen richtig sprudelten) hätte nicht kompensiert werden können.



Der Schlieffen-Plan in der Ausführung durch Moltke, der Sichelschnitt und der einzige geplante Blitzkrieg in Russland waren ja die Antworten auf die antizipierte, potentielle Niederlage gegen das Wirtschaftspotential der Westmächte und der SU.
In den Sichelschnitt-Plan wurde die Führung hineingedrückt und es war klar, dass man nur einen Versuch hatte. Ein Festlaufen in NW-Frankreich und Belgien hätte das Ergebnis des Sitzkrieges gebracht: statische Fronten bis zur deutschen Erschöpfung. So schlecht war die Strategie der Westmächte nicht, man hätte 3/4 von Belgien und die NL opfern müssen, um die kurze Linie zu halten und in den Stellungskrieg überzugehen: siehe im Ergebnis Friesers Werk: Die Blitzkrieglegende.

Was die militärische Führung OKH/OKW erwartete? - im September 1939 würde ich sagen: politsch den Friedenschluss, mit Gebietsrevision und ein Angebot Hitlers an die Westmächte. Der dachte nicht daran, formulierte seinen Vermerk vom 9.10.1939, ließ bereits die polnische Führungsschicht liquidieren, eröffnete mit dem GG Polen ein riesiges Arbeitssklavengefängnis und hatte zuvor unannehmbare Friedensbedingungen den Westmächten zugerufen. Danach wurde der Antritt im Westen ab dem 12. November 1939 angeordnet - die Generalität antwortete bis Dezember mit Schema-F-Planungen, dabei von der Sinnlosigkeit eines Angriffs im Westen überzeugt.
 
Zurück
Oben